Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6739 Entscheidungen

„Lehrer half nicht, sondern rannte weg“

Die Print- und die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichten unter der Überschrift „Amok-Mädchen. Weil er nicht eingriff! Opfer Anna belastet Lehrer“ über ein Mädchen, das in einer Fernsehsendung Vorwürfe gegen einen ehemaligen Lehrer seiner Schule erhoben hat. Der habe tatenlos zugesehen, wie es von einer Mitschülerin (von der Zeitung als „Amok-Mädchen“ bezeichnet) verletzt worden sei. Die Zeitung berichtet, dass der Lehrer mittlerweile im Ruhestand sei. Die Staatsanwaltschaft habe gegen ihn wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt, doch habe sich ein anfänglicher Tatverdacht nicht erhärtet. Die Zeitung druckt ein gepixeltes Bild des Lehrers und stellt die Amok-Szene in einer Zeichnung nach. Die Schuldirektorin ist in diesem Fall Beschwerdeführerin. Sie sieht die Persönlichkeitsrechte des ehemaligen Kollegen verletzt. Er sei durch die Berichterstattung erkennbar, obwohl er keine Person der Zeitgeschichte sei. Die Beschwerdeführerin bemängelt auch, dass das Schulgebäude ohne ihre Einwilligung abgebildet worden sei. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält zunächst fest, dass alle in der Berichterstattung wiedergegebenen Fakten korrekt dargestellt worden seien. Sie seien von niemandem bestritten oder dementiert worden. Der Vorwurf, die Persönlichkeitsrechte des Lehrers verletzt zu haben, sei schon deshalb unhaltbar, da dieser nicht erkennbar dargestellt worden sei. Gerade zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des Lehrers habe sich die Redaktion entschlossen, diesen so weit wie irgend möglich unkenntlich zu machen. Selbst wenn der Lehrer im vorliegenden Fall für einzelne Bekannte oder andere Lehrer erkennbar sein sollte, könne dies keineswegs allein der Zeitung angelastet werden. Bekannte, Lehrer und Schüler wüssten ohnehin von den Vorwürfen. Unabhängig davon, ob die Vorwürfe des Mädchens gegen den Lehrer zutreffend seien oder nicht, habe an dem Thema ein überragendes öffentliches Interesse bestanden. Dies gelte umso mehr, als sich Amokläufe an Schulen in letzter Zeit häuften, so dass letztlich die Schüler, Lehrer und Eltern aller Schulen ein großes Interesse am richtigen Verhalten in derartigen Situationen hätten. (2009)

Weiterlesen

Aus einem Volksfest wurde blutiges Geschehen

Unter der Überschrift „So wurde das Volksfest zum Blutbad“ veröffentlicht eine Boulevardzeitung einen Beitrag über den Attentatsversuch auf Königin Beatrix am niederländischen Nationalfeiertag 2009. Zu sehen sind mehrere Fotos, die zeigen, wie ein Kind und ein Mann umgefahren werden. Ebenfalls zu sehen sind auf einem anderen Bild drei tote oder schwer verletzte Menschen auf der Straße liegend sowie der blutüberströmte Täter in seinem Auto. Der Artikel ist mit fünf Fotos illustriert, die eine Leserin zu einer Beschwerde veranlassen. Die Opfer seien in pietätloser Weise abgebildet. Die Frau stellt die Frage, ob diese Präsentation dem Schutz der Hinterbliebenen und der Opfer entspreche und inwieweit der Jugendschutz eingehalten worden sei. Die Rechtsvertretung der Zeitung spricht von bildlichen Informationen von erheblichem öffentlichem Interesse. Die Darstellung der Opfer sei durch besondere Begleitumstände im Sinne der Richtlinie 8.1 gerechtfertigt. Die Tat selbst sei spektakulär und grausam, doch sei sie in aller Öffentlichkeit geschehen, bei einem Festumzug und vor den Augen der Weltpresse. Das Geschehen abzubilden, mache die Berichterstattung nicht schon zu einer unangemessenen Darstellung nach Ziffer 11 des Pressekodex. Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass das auf einem Foto zu sehende kleine Mädchen die Tat überlebt hat. (2009)

Weiterlesen

Redaktion recherchiert Umwelt-Unfall gründlich

Die Bezirksausgabe einer Regionalzeitung berichtet in mehreren Beiträgen über Umweltprobleme in der Region. Schwerpunkt ist die Aufarbeitung eines Unfalls, bei dem rund 1000 Liter Pflanzenschutzmittel auf dem Grundstück eines Landwirts unkontrolliert in den Boden gelaufen waren. Der Bauer ist zugleich Vorsitzender eines Vereins, der sich die Sauberkeit der Region auf die Fahnen geschrieben hat. Die Zeitung schreibt, dass 16 Tonnen Erde zur Behandlung und Entsorgung bei einer Entsorgungsfirma gelandet seien. Deren Geschäftsführer äußert sich zu dem Fall. Bei der Untersuchung der Erde sei festgestellt worden, dass neben dem Pflanzenschutzmittel auch gefährliche Lösungsmittel ins Erdreich gesickert seien. Die Zeitung schreibt, ein Protokoll eines Biotechnikums bestätige diese Aussage. Der betroffene Landwirt bestätigt auf Nachfrage der Zeitung eine „richtige Vorgehensweise“. Unter der Überschrift „Gegensätzliche Aussagen zum Pestizidunfall“ berichtet die Redaktion über weitere offene Fragen der fachgerechten Entsorgung des kontaminierten Bodens. Der Landwirt ist weiterhin der Ansicht, dass ihm keine Schuld bei der Aufarbeitung der Unfallfolgen angelastet werden könne. Die Entsorgungsfirma bleibt bei ihrer Darstellung, dass die Beseitigung der Schadens unverantwortlich gewesen sei. Sie rückt nicht von ihrer Aussage ab, dass neben dem Pflanzenschutzmittel eine Flüssigkeit akute toxische Bestandteile aufgewiesen habe. Beschwerdeführer ist der Landwirt. Er hält die Berichterstattung für Ruf schädigend. Die Redaktion verbreite seines Erachtens Falschmeldungen und unbegründete Beschuldigungen. Er macht deutlich, dass die Schadensbeseitigung im Verantwortungsbereich der zuständigen Behörde gelegen habe und dass nach seinem Kenntnisstand keinerlei Gefahr für die Umwelt verblieben sei. Die von der Redaktion veröffentlichte Behauptung des Geschäftsführers der Entsorgungsfirma, dass er Proben zur Kontrolle des Bodens versäumt habe, sei eine haltlose Unterstellung. Die dokumentierten Verfahrensabläufe zeigten zweifelsfrei, dass ihm keinerlei Versäumnisse angelastet werden könnten. Die Chefredaktion der Zeitung teilt mit, dass der Landwirt als Vorsitzender eines Vereins, der sich die Sauberkeit der Region zum Ziel gesetzt hat, seit langem Behörden, Öffentlichkeit und Presse wegen vermeidlicher Umweltskandale in Atem halte. Die Vorwürfe hätten sich im Nachhinein in nahezu fast allen Fällen als haltlos erwiesen. Die Redaktion habe auch den neuerlichen Vorfall gründlich recherchiert und halte die Beschwerde für unbegründet. (2009)

Weiterlesen

Der Begriff „Killer“ steht für „Coolness“

Ein Nachrichtenmagazin macht seine Titelseite mit dem Amoklauf von Winnenden auf. Hauptüberschrift: „Der Amoklauf des Tim K. – Wenn Kinder zu Killern werden“. Titelbild ist ein Foto des Todesschützen. Ein Leser beschwert sich (BK2-91/09) darüber, dass der Täter unverhältnismäßig hervorgehoben und dadurch glorifiziert werde. Der Begriff „Killer“ sei im Amerikanischen nicht nur negativ besetzt, sondern stehe auch für „Coolness“. Die stark täterbezogene Aufmachung und Vernachlässigung der Opfer lasse die Angst vor Nachahmungstätern aufkommen, die ebenfalls eine Woche postmortalen Ruhms als Ausweg sehen könnten. Die Beschwerdeführerin im Fall BK2-92/09 sieht einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte). Die Verletzung des postmortal geltenden Persönlichkeitsrechts stehe in keinem Verhältnis zum Informationsinteresse der Öffentlichkeit, zumal der Informationswert einer solchen Bildveröffentlichung gegen Null tendiere. Sie sieht zudem Ziffer 11 (Sensationsberichterstattung, Jugendschutz) verletzt, da durch die Veröffentlichung das Risiko von Nachahmungstätern erhöht werde. Es sei bekannt, dass Täter einen Personenkult um derartige Attentäter pflegten und eine erhoffte Aufwertung durch eine solche sensationsheischende und personalisierende Berichterstattung für die Täter als wichtige Motivation wirke. Nach Darstellung der Rechtsvertretung des Nachrichtenmagazins sei grundsätzlich zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abzuwägen. Der Täter von Winnenden habe sich selbst erschossen, so dass nur seine postmortalen Persönlichkeitsrechte betroffen sein könnten. Es sei unstreitig, dass die Abwägung in diesem Fall zugunsten des Informationsinteresses ausfalle. Tim K.´s Lebensbild werde untrennbar mit dem Amoklauf von Winnenden verbunden bleiben. Sämtliche Medien hätten sich ebenso entschieden und das Foto des Todesschützen veröffentlicht. Zu Ziffer 11: Die Redaktion habe sich im Vorfeld der Veröffentlichung damit auseinandergesetzt, ob die Berichterstattung die Gefahr von Nachahmungstaten erhöhen könnte. Nach reiflicher Überlegung habe sie sich dazu entschlossen, den Titel so zu gestalten, wie er dann an die Kioske und zu den Abonnenten kam. Als Information zu den einzelnen Überlegungen fügt die Rechtsabteilung das Interview mit einem Medienpsychologen bei, der sich mit den Vorwürfen des Beschwerdeführers beschäftigt. (2009)

Weiterlesen

Bilder als Dokumente der Zeitgeschichte

„So wurde das Volksfest zum Blutbad“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung über den Unfall am Königinnentag in Apeldoorn. Zu sehen sind mehrere Fotos, die zeigen, wie ein Kind und ein Mann umgefahren werden. Ein weiteres Bild zeigt drei tote oder schwer verletzte Menschen auf der Straße liegend sowie den blutüberströmten Täter in seinem Wagen. Der Beschwerdeführer – Nutzer des Internet-Auftritts – sieht in dem Beitrag einen Verstoß gegen die Menschenwürde sowie eine Traumatisierung der Nutzer und einen Missbrauch der journalistischen Freiheit. Die Rechtsvertretung der Zeitung rechtfertigt die Veröffentlichung der Fotos mit dem erheblichen öffentlichen Interesse. Sie dokumentierten ein schweres Verbrechen, der sieben Menschen das Leben gekostet habe, und zeigten die entscheidenden Sekunden eines Anschlags auf die holländische Königsfamilie. Es seien Dokumente der Zeitgeschichte. Die Würde der Beteiligten sei durch den Bericht und die Fotos nicht verletzt worden. Die Grenze zur unangemessen sensationellen Berichterstattung sei nicht überschritten worden. Die Tat selbst sei spektakulär und grausam, aber sie sei in aller Öffentlichkeit geschehen, bei einem Festumzug und vor den Augen der Weltpresse. Das Geschehen abzubilden, mache die Berichterstattung nicht schon zu einer unangemessen sensationellen Darstellung nach Ziffer 11 des Pressekodex. Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass das auf den Fotos abgebildete kleine Mädchen den Anschlag überlebt hat. (2009)

Weiterlesen

Bericht nach dem Tod zweier Flieger

Eine Regionalzeitung berichtet über den Absturz einer einmotorigen Maschine auf dem örtlichen Flugplatz. Dabei kam der 52-jährige Pilot ums Leben. Der Co-Pilot wurde schwer verletzt ins Klinikum geflogen. Im Artikel wurde der Pilot mit Foto abgebildet und als „erfahrener Pilot“ mit vollem Namen vorgestellt. Des Weiteren heißt es in dem Artikel, „um das Leben des Co-Piloten, eines 45-jährigen Urologen aus … wird im Universitätsklinikum gerungen. Der Arzt hatte selbst jahrelang im Universitätsklinikum in … gearbeitet, ehe er nach … wechselte“. Ein Leser beschwert sich über personenbezogene Angaben, die die Persönlichkeitsrechte der Verunglückten verletzten. Insbesondere sei die Identifizierung des Co-Piloten sehr einfach. Die Redaktionsleitung entgegnet, dass es sich um ein Ereignis gehandelt habe, das von vielen Menschen in der Region wahrgenommen worden sei. Es sei allenthalben Gesprächsstoff gewesen. Zur Person des Co-Piloten verweist die Redaktion auf die Tatsache, dass sie dessen Daten von der Polizei bekommen habe. Der Urologe sei wenige Tage nach dem Unglück ebenfalls seinen Verletzungen erlegen. Die Familien der Verunglückten hätten sich nicht über die Berichterstattung beklagt. Stattdessen habe sich der örtliche Fliegerclub für die sachliche Berichterstattung bedankt. (2009)

Weiterlesen

Albertville-Schule im Zentrum des Fadenkreuzes

Unter mehreren Überschriften berichtet die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung über die Tragödie von Winnenden. Eine Auswahl: „Das Video! Die letzten Sekunden des Amok-Killers“, „Der Amok-Killer war schon in der Psychiatrie“, „Amoklauf an deutscher Schule“, „So überlebte ich schwer verletzt die Amok-Hölle“ und „Der Amoklauf von Winnenden – Alle News! Alle Infos! Alle Videos!“ Die Redaktion zeigt ein Fadenkreuz mit der Albertville-Realschule im Zentrum der konzentrischen Kreise. Für einen Leser steht die Sensationsgier über dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Mit Überschriften wie „Amok-Killer“ und „Blutbad“ würden Emotionen geschürt. Die Redaktion versuche die Inhalte geradezu zu „verkaufen“. Beispiel hierfür seien die Überschrift-Bestandteile „Alle News“ Alle Infos! Alle Videos!“ oder aber auch die Formulierung „Der Ablauf als Flash-Grafik“. Die Rechtsabteilung hält die Berichterstattung wegen des außerordentlichen Informationsinteresses in der Öffentlichkeit für gerechtfertigt. Die Redaktionen der gedruckten und der Online-Ausgabe hätten von ihrem Recht Gebrauch gemacht, zulässige Stilmittel und technische Möglichkeiten des Internets zu nutzen. Die notwendige Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen und den Fakten sei gewissenhaft vorgenommen worden. Sorgfaltspflichten seien beachtet und die Grenze zur unzulässigen Darstellung nicht überschritten worden. Den Vorwurf, die Berichterstattung sei „absolut menschenunwürdig“ und sollte lediglich Besucherzahlen im Internet in die Höhe treiben, weist die Zeitung als unbegründet zurück. Die Texte seien sachlich informierend und korrekt. Die Art der Beschwerde lasse darauf schließen, dass sich der Vorwurf wohl eher gegen die technischen Möglichkeiten des Onlineauftritts richte. Dort würden dem Leser auf nur einer Seite in Form von Überschriften, “Teasern“ und Videos Informationen angeboten. Der Beschwerdeführer sei durch die Menge der Informationen, nicht jedoch durch die Qualität der journalistischen Aufbereitung, zu seiner kritischen Haltung gelangt. Nach Ziffer 11 des Pressekodex sollte die Presse auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt und Brutalität verzichten. Grundsätzlich gelte aber auch: Der Presse stehe ein besonderer Freiraum zu, wenn es darum gehe, schlagwortartig den Inhalt eines Artikels wiederzugeben. Von diesem Freiraum und dem Recht auf die Freiheit der Meinungsäußerung hätten Print- und Online-Redaktion Gebrauch gemacht. (2009)

Weiterlesen

Wenn Schwerverletzte und Tote umherfliegen

Unter der Überschrift „Apeldoorn: Auto rast in Menschenmenge“ berichtet die Online-Ausgabe eines illustrierten Magazins über das Unglück am niederländischen Königinnen-Tag. Beigestellt ist dem Bericht eine Bilderserie, die zum Teil schwer verletzte, möglicherweise getötete Menschen zeigt. Ein Nutzer kritisiert, dass die Bilder gegen die Achtung von Privatleben und Intimsphäre verstoßen sowie unangemessen sensationell Darstellungen von Gewalt und Brutalität zeigen. Die Antwort kommt von der Rechtsabteilung des Verlages. Die Fotos zeigten, wie ein Auto in der niederländischen Stadt Apeldoorn während der Feierlichkeiten am Königinnen-Tag in die Zuschauermenge gerast sei. Mehrere Menschen seien getötet, viele verletzt worden. Die Fotos seien Dokumente der Zeitgeschichte. Sie zeigten auf erschütternde Art und Weise, dass Anschläge, bei denen ein Attentäter unschuldige Menschen mit in den Tod reiße, sich nicht nur in krisengeschüttelten Ländern abspielten, sondern jederzeit auch in unserer Nähe geschehen könnten. Es handele sich daher auch um eine authentische Foto-Dokumentation, die sowohl das Auto des Attentäters als auch die königliche Familie und die Situation unmittelbar nach dem Anschlag zeige, ohne die dieser entsetzliche Vorgang in seinem Ausmaß kaum verständlich wäre. Dabei sei auf keinem der drei von Beschwerdeführer beanstandeten Fotos eine Person auf identifizierbare Weise gezeigt worden. Namen seien nicht genannt und Personen in der Berichterstattung nicht herabgewürdigt worden. Die Ausschnitte der Fotos seien weder reißerisch noch unangemessen sensationell. Vielmehr dokumentierten sie einen ohne diese Bilder kaum vorstellbaren Vorgang, an dem aus den genannten Gründen ein besonderes Informationsinteresse der Leser bestehe. (2009)

Weiterlesen

„Sensationslust in einem seriösen Medium“

Eine Regionalzeitung berichtet unter der Überschrift „Ein ganzes Land weint mit seiner Königin“ über den Anschlag auf Königin Beatrix anlässlich einer Parade zum Königinnentag in Apeldoorn. Beigestellt sind Fotos von schwer verletzten, möglicherweise getöteten Menschen. Ein Leser der Zeitung sieht den Pressekodex verletzt, da hier in unangemessener Weise eine Darstellung von blutüberströmten Menschen auf der Titelseite erfolgt sei. Zudem würden Fotos von Menschen gezeigt, die von einem Auto erfasst und durch die Luft geschleudert worden seien. Diese Darstellung gehe weit über das berechtigte Informationsinteresse der Leser hinaus und diene lediglich der Sensationslust, die in einem seriösen Medium keinen Platz habe. Die Chefredaktion steht auf dem Standpunkt, dass die Zeitung nach Artikel 5 des Grundgesetzes einen verantwortlichen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten habe. Zu den verfassungsrechtlich verbürgten Aufgaben der Tagespresse gehöre dabei insbesondere auch, über schreckliche Ereignisse, Unfälle und Katastrophen, also auch über den Anschlag auf die niederländische Königin, zu berichten. Dies habe in einer Art zu geschehen, die es dem Leser ermögliche, sich ein zutreffendes eigenes Bild von den tatsächlichen Geschehnissen zu machen. Es sei nicht Aufgabe der Presse, tatsächliche Ereignisse zu beschönigen oder zu bereinigen. In diesem Sinne habe man über das schreckliche Attentat auf Königin Beatrix unter Rücksichtnahme auf die Interessen der Betroffenen berichtet. Die von dem Beschwerdeführer kritisierten Bilder seien live im Fernsehen gesendet worden. Sie seien vom ersten Moment an in den Medien real und unbearbeitet präsent gewesen. Somit sei auch ein erhöhtes öffentliches Interesse an einer informativen, klaren Berichterstattung in der Tagespresse erkennbar. Es sei daher nicht richtig, dass die Zeitung besonders reißerische Fotos veröffentlicht habe. Sensationslust habe in einem seriösen Medium wie dieser Zeitung keinen Raum, weshalb die Bilder auch nicht aus dieser Motivation heraus veröffentlicht worden seien. Vielmehr sei man nach sorgfältiger Abwägung zu der Überzeugung gelangt, dass eine Bildveröffentlichung stärker als eine bloße Textberichterstattung den von einem derartigen Anschlag ausgehenden Schrecken darzustellen vermögen. So könne der Anstoß zu einer Diskussion gegeben werden, die dazu beitragen könnte, derartigen Taten in Zukunft vorzubeugen. (2009)

Weiterlesen

Eine Realschule ins Visier genommen

In der Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung wird mit mehreren Beiträgen über den Amoklauf von Winnenden berichtet. Unter anderem erscheinen die folgenden Überschriften: „Das Video! Die letzten Sekunden des Amok-Killers“, „Der Amok-Killer war schon in der Psychiatrie“, „Amoklauf an deutscher Schule“, „So überlebte ich schwer verletzt die Amok-Hölle“ und „Der Amoklauf von Winnenden – Alle News! Alle Infos! Alle Videos!“ In einem Beitrag zeigt die Redaktion ein Fadenkreuz über dem Stadtplan von Winnenden. Im Zentrum der konzentrischen Kreise liegt die Albertville-Realschule – der Tatort. Der Beschwerdeführer – ein Nutzer der Online-Ausgabe kritisiert die Aufmachung. Diese sei „absolut menschenunwürdig“ und treibe lediglich die Nutzerzahlen der Online-Ausgabe in die Höhe. Die Zeitung habe gegen mehrere Ziffern des Pressekodex verstoßen. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält die Berichterstattung für presseethisch korrekt und erläutert ihre Beweggründe. Die Redaktionen hätten von ihrem Recht Gebrauch gemacht, zulässige Stilmittel und technische Möglichkeiten des Internets zu nutzen. Die notwenige Abwägung mit den Persönlichkeitsrechten und die Prüfung der Fakten sei gewissenhaft vorgenommen worden. Die Grenze zur unzulässigen Darstellung sei nicht überschritten worden. Den Vorwurf, die Aufmachungen seien „absolut menschenunwürdig“ und sollten lediglich die Besucherzahlen in die Höhe treiben, weist die Zeitung zurück. Die Art der Beschwerde läßt vermuten, dass sie sich wohl eher gegen die technischen Möglichkeiten des Onlineauftritts richte. Nach Ziffer 11 des Pressekodex solle die Presse auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt und Brutalität verzichten. Grundsätzlich gelte aber auch: Bei der Gestaltung von Überschriften, die schlagwortartig den Inhalt eines Artikels wiedergäben, stehe der Presse ein besonderer Freiraum zu (Bundesverfassungsgericht, AfP 1992, 51; Kammergericht Berlin, AfP 1999, 369). (2009)

Weiterlesen