Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

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Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
6739 Entscheidungen

Halloween: Mehr Saures als Süßes

Es ist Halloween. Ein Oberstaatsanwalt hat Besuch von mehreren Kindern. Mehrere Berichte in der örtlichen Zeitung sind die Folge. Überschriften: „Horrortrip an Halloween – Mann verletzt Achtjährigen“ und „Staatsanwalt soll Jungen verletzt haben“. Die Zeitung bringt einen Leserbrief unter der Überschrift „Lehre für alle“, in dem das Verhalten des Mannes sehr kritisch bewertet wird. Schließlich veröffentlicht die Zeitung Kommentare. Hier Auszüge: „Mehr Saures als Süßes – Fliegende Eier und umgestürzte Blumenkübel – Trotzdem verlief die Halloween-Nacht recht ruhig“ und „Mann soll Kind angegriffen haben: Polizei ermittelt gegen Staatsanwalt – Ereignisse an Halloween beschäftigen auch die Anklagebehörde – Achtjähriger erlitt Kehlkopfprellung“. Unstrittig ist der Anlass für die Berichterstattung: Am Halloween-Abend kam es etwa gegen 18.30 Uhr zu Auseinandersetzungen zwischen dem Staatsanwalt – hier der Beschwerdeführer – und etwa zehn Kindern. Dabei wurde der Sohn der Chefredakteurin und Mit-Verlegerin der Zeitung verletzt. Nach Provokationen rannte der Beschwerdeführer den Kindern nach, um eines von ihnen zu stellen, festzuhalten, den Eltern zu übergeben und ihnen den Sachverhalt zu schildern. Wie es dann zu der Verletzung kam, wird von den Beteiligten unterschiedlich dargestellt. Der Staatsanwalt wirft der Zeitung, vor allem aber der Chefredakteurin vor, mit der Berichterstattung über einen längeren Zeitpunkt eigene Interessen zu verfolgen. Er spricht von einer Pressekampagne ihm gegenüber. Der erste Bericht über den Vorfall sei von der Chefredakteurin selbst geschrieben worden, ohne dass sie sich als Mutter des betroffenen Kindes zu erkennen gegeben habe. Damit habe sie das Transparenzgebot nach Ziffer 7 des Pressekodex verletzt. Im Übrigen enthalte die Berichterstattung verschiedene Verstöße gegen Sorgfaltspflichten nach Ziffer 2 des Pressekodex. Insbesondere sei mit ihm kein unmittelbarer Kontakt aufgenommen worden. Die Redaktion habe vielmehr auf Umwegen versucht, an Informationen über ihn heranzukommen. Die Recherche sei insgesamt unzureichend. Der zweite Chefredakteur der Zeitung weist den Vorwurf zurück, das Blatt habe eine Pressekampagne gegen den Oberstaatsanwalt betrieben. Vielmehr habe die Mutter des verletzten Kindes im Rahmen einer kritischen Nachbetrachtung des Halloween-Abends als Fallbeispiel das Erlebnis ihres Sohnes geschildert. Diese Schilderung habe sicher unter dem Eindruck ihres Schocks als Mutter gestanden. (2009)

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„Das ist ein falsches Signal der Redaktion“

Eine Boulevardzeitung verlinkt auf ihrer Homepage einen Beitrag unter der Überschrift „Amoklauf von Winnenden – Jetzt mit Video – Der Ablauf als Flash-Grafik“. Illustriert ist der Beitrag mit einer Fotomontage des Amokläufers vor seiner Schule. Beigestellt ist ein Fadenkreuz mit der Schule im Zentrum der konzentrischen Kreise. Der Beschwerdeführer – ein Leser der Zeitung – findet diesen Beitrag geschmacklos. Dies sei ein falsches Signal der Redaktion. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält die von ihr gewählten Darstellungsformen angesichts des außerordentlich hohen Informationsinteresses der Öffentlichkeit für gerechtfertigt. Die Presse habe in den Tagen von Winnenden und danach Fragen zum Tatverlauf, über die Person des Täters, sein Lebensumfeld, seine Geschichte, über die Opfer sowie über privates und behördliches Handeln im Zusammenhang mit dem Ereignis beantworten müssen. Die Redaktion hätte von ihrem Recht Gebrauch gemacht, zulässige Stilmittel und technische Möglichkeiten des Internets zu nutzen. Die notwendige Abwägung mit den Persönlichkeitsrechten und die Prüfung der Fakten seien gewissenhaft vorgenommen worden. Die Zeitung habe die Grenze zur unzulässig sensationellen Darstellung nicht überschritten. Den Vorwurf, die Darstellung der Schule mit dem Fadenkreuz erzeuge das Bild eines Ego-Shooters und verherrliche den Amoklauf, weist die Rechtsabteilung zurück. Tatsächlich würde hier mit den Mitteln des Internets der Weg des Amokläufers zwischen der Schule und dem Ort, an dem er sich selbst tötete, nachgezeichnet. Die Grafik verzichte auf jegliche Darstellung von Menschen. Das Fadenkreuz symbolisiere lediglich die Suche der Polizei. (2009)

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Interview war recherchierter Artikel

Die Druck- und die Online-Ausgabe einer Wirtschaftszeitung berichten in zwei Beiträgen über einen Mann, der durch die Pleite der isländischen Bank „Kaupthing“ auf einen Schlag sein Erspartes verlor. Ein Leser der Zeitung gehört nach eigenen Angaben selbst zu den etwa 34.000 betroffenen Sparern. Er sei von Beginn an Mitglied des Selbsthilfe-Forums gewesen, dem etwa 6.800 Betroffene angehörten. Er sei deshalb mit den sehr komplexen Aspekten der Sache bestens vertraut. Die beiden Artikel verletzten nach seiner Auffassung das Gebot einer fairen und objektiven Berichterstattung und stellten in vielfacher Hinsicht einen Verstoß gegen den Pressekodex dar. Die Wahrheit werde verfälscht und eine Gruppe von Betroffenen diskriminiert. Die Redaktion der Zeitung habe von sich aus das Hilfe-Forum kontaktiert und einen Interviewpartner erbeten. Dieser Bitte habe man entsprochen und diesem Informationsmaterial für das Interview bereitgestellt. Dieses sei jedoch nicht zur Kenntnis genommen worden. Klare Zusagen seien grob missachtet worden. Im Grunde hätte die Autorin des Beitrages all ihre Phantasie bemüht, eine Gruppe betroffener Bürger auf oberflächliche und fragwürdige Weise zu diskriminieren. Die Intervention des Interviewpartners sowie zahlreiche weitere Beschwerden von Lesern hätten bewirkt, dass die Veröffentlichung aus den Internetseiten entfernt worden sei. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist darauf hin, dass der Interviewpartner sich über die Veröffentlichung des Artikels im Internet beschwert habe. Er sei mit einer identifizierenden Berichterstattung nicht mehr einverstanden. Und dies, obwohl er zunächst keine Einwände erhoben habe. Darauf sei der Artikel ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aus der Online-Ausgabe genommen worden. Der vorgelegte Artikel entstamme einer Internet-Plattform, für die der Verlag nicht zuständig sei. Dem Interview-Partner sei im Übrigen zu keinem Zeitpunkt versprochen worden, seine Sicht ungefragt zu übernehmen. Es habe sich gerade nicht um ein Interview, sondern um einen recherchierten Bericht gehandelt. (2009)

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Bluttat von Apeldoorn: Leser ist schockiert

„Amokfahrer wollte Königin töten“ – so überschreibt die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung ihren Bericht über das Unglück von Apeldoorn am Königinnen-Tag 2009. Damals wurde der Feiertag von einem Amoklauf überschattet, bei dem vier Menschen getötet und viele verletzt worden waren. Ein Foto zeigt Menschen, die gerade von dem Amokfahrer umgefahren werden. Zwei Leser sind die Beschwerdeführer in diesem Fall. Einer von ihnen hält besonders dieses Bild für reißerisch, schockierend und von äußerst begrenzter Aussagekraft. Die Würde der Menschen, die vermutlich gerade ums Leben kämen, würde verletzt. Dass das Foto ohne Vorwarnung als Titelbild beim Erstaufruf der Startseite des Online-Auftritts einer Tageszeitung erscheine, sei schockierend. Der andere Leser moniert, dass man Menschen zu sehen bekommt, die durch die Luft fliegen, nachdem sie von einem Auto gerammt worden waren. Dies sei ein schwer wiegender Verstoß gegen den Pressekodex. Die Würde der Betroffenen und ihrer Angehörigen sei schwer beschädigt worden. Die Rechtsabteilung des Verlags widerspricht. Die Bilder dokumentierten in erster Linie das plötzliche und völlig unerwartete Geschehen bei dem königlichen Festzug. Sie seien zulässig. Das völlig überraschende Unglück komme im Titelbild dadurch zum Ausdruck, dass die angefahrenen Menschen sich zum Teil noch im Fall befänden. Die Opfer der Amokfahrt seien in dem Bild gerade nicht in den Vordergrund gerückt worden. Sie seien nicht identifizierbar. Dies gelte auch für das vom zweiten Beschwerdeführer beanstandete Bild. Die Tatsache, dass dieser Bildausschnitt nur eine der verletzten Personen zeige, verändere den Aussagegehalt des Bildes nicht. Der kleinere Ausschnitt lege den Schwerpunkt auf die Darstellung der Gesamtdynamik des Geschehens und gerade nicht auf die Opfer. (2009)

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Tatort wie in einem Computerspiel dargestellt

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet auf ihrer Homepage über die Morde von Winnenden. Beigestellt ist eine Fotomontage mit dem Tatort, der Albertville-Realschule, im Zentrum eines Fadenkreuzes. Ein Nutzer der Online-Ausgabe hält die Darstellung für sehr problematisch. Bewusst habe die Redaktion den Eindruck eines Computerspiels, hier des Ego-Shooters, erzeugt. Die Unterzeile „Das ist der Amokläufer: Keiner wird ihn je vergessen“ animiere zur Nachahmung. Psychologen verträten die Auffassung, dass genau dies das Ziel derartig gestörter Amokläufer sei. Durch die Veröffentlichung von Fotos aus dem Bereich des Amoklaufes würden nach Meinung des Beschwerdeführers Zeugen zu selbstgefährdendem Verhalten ermuntert. Nach Meinung der Rechtsabteilung der Zeitung hat diese mit zulässigen Mitteln verantwortungsbewusst berichtet und nicht gegen presseethische Grundsätze verstoßen. Bei jeder Entscheidung, wie und wie weitgehend berichtet werden solle, habe die Redaktion immer zwischen den Persönlichkeitsrechten und den Fakten sorgsam abgewogen. Sorgfaltspflichten seien eingehalten worden, unzulässige Darstellungen vermieden worden. Den Vorwurf, die Fadenkreuz-Darstellung sei nahe an einem Computerspiel angesiedelt, weist die Zeitung zurück. Dass das Fadenkreuz symbolisch Menschen ins Visier nehme, auf die geschossen werden solle, sei nicht beabsichtigt. Auch lege dies die Grafik nicht nahe. Außerdem schließe der zur Animation gehörende Text eine gewaltsuggerierende Interpretation aus. (2009)

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Erspartes auf einen Schlag verloren

Gedruckt und online berichtet eine Tageszeitung über einen Mann, der wegen der Pleite der isländischen Kaupthing-Bank auf einen Schlag sein Erspartes verloren hatte. Der Beschwerdeführer ist einer von 34.000 Geschädigten. Er war von Anfang an Mitglied in einem etwa 6.800 Mitglieder zählenden Selbsthilfe-Forum. Er sei deshalb mit den sehr komplexen Aspekten des Falles sehr vertraut. Zwei Beiträge der Zeitung verletzten seiner Auffassung nach das Gebot fairer und objektiver Berichterstattung und verstießen in mehrfacher Hinsicht gegen den Pressekodex. Die Wahrheit werde verfälscht und eine Gruppe von Betroffenen diskriminiert. Der von dem Selbsthilfe-Forum auf Wunsch der Redaktion benannte Interview-Partner sei in der Berichterstattung in seiner Menschenwürde verletzt worden. Das der Redaktion zur Verfügung gestellte Informationsmaterial sei von dieser nicht zur Kenntnis genommen worden. Seine Kernaussage und sein eigentliches Anliegen seien negiert oder zu Klischees umgefälscht worden. Klare Zusagen seien grob missachtet worden. Im Grunde hätte die Autorin des Beitrages all ihre Phantasie bemüht, eine Gruppe betroffener Bürger auf oberflächliche und fragwürdige Weise zu diskriminieren. Nach Intervention des Interviewpartners und zahlreicher weiterer Beschwerden sei die Veröffentlichung aus dem Internet entfernt worden. Der Beschwerdeführer zählt eine Reihe von Punkten auf, die die Zeitung nach seiner Auffassung falsch dargestellt habe. Der Redaktionsdirektor reagiert für die Druck- und die Online-Ausgabe der Zeitung. Der Interviewpartner persönlich habe sich über die Veröffentlichung im Internet beschwert. Er sei mit der identifizierbaren Berichterstattung nicht mehr einverstanden gewesen. Dies, obwohl er zunächst keine Einwände gehabt habe. Der Artikel sei daraufhin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aus dem Netz genommen worden. Die Autoren der Beiträge hätten ihrem Gesprächspartner im Vorfeld keine Versprechen über die inhaltliche Richtung der Geschichte gegeben. Es sei lediglich zugesagt worden, dass die Rolle der Bundesbank, der Bundesregierung und vor allem der DZ-Bank erwähnt werde. Das sei im veröffentlichten Artikel geschehen. Allerdings hätten Recherchen der Autoren ergeben, dass die Vorwürfe gegen diese Institutionen nicht gerechtfertigt gewesen seien. Insofern hätten sie im Interview nicht in der vom Gesprächspartner gewünschten Art und Weise dargestellt werden können. Der Redaktionsdirektor schließt mit dem Hinweis, dass der Interviewpartner die Zitate, gegen die er sich nun wende, schriftlich genehmigt habe. (2009)

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Bürger öffentlich beleidigt?

„Zeit für einen Waffenstillstand?“ schreibt eine Regionalzeitung über einen Leserbrief, in dem drastische Kritik am abgewählten Bürgermeister und seiner Amtszeit geübt wird. In einer Passage um ein bestimmtes Projekt wird ihm vorgeworfen, er habe als Aufsichtsratsmitglied negative Zahlen nicht zu werten verstanden. Er habe unbescholtene Bürger, die auf Missstände hingewiesen hätten, öffentlich beschimpft und beleidigt und sich nicht einmal dafür entschuldigt, als sich herausgestellt habe, dass die Bürger-Bedenken gerechtfertigt gewesen seien. Beschwerdeführer ist der angegriffene Ex-Bürgermeister. Nach seiner Auffassung ist der bearbeitende Redakteur seiner journalistischen Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex nicht ausreichend nachgekommen. Dies sei sogar vorsätzlich geschehen, da die Redaktion jahrelang über die betreffenden Themen bestens unterrichtet gewesen sei. Privatpersonen müssten ehrverletzende Leserbriefe mit eindeutig unwahren und verleumderischen Inhalten nicht hinnehmen. Die Unterstellungen seien so schwerwiegend, dass die Redaktion ihren Wahrheitsgehalt hätte überprüfen müssen. Der Redaktionsleiter hält nach Rücksprache mit der betroffenen Lokalredaktion die Beschwerde für nicht nachvollziehbar. Nach eingehender Überprüfung habe sich die Redaktion nach bestem Wissen und Gewissen entschlossen, den Leserbrief zu veröffentlichen. Im Übrigen sei auch nicht bekannt, dass der Ex-Bürgermeister rechtliche Schritte gegen den Leserbriefschreiber unternommen habe. Dies hätte ja im Falle falscher Tatsachenbehauptungen nahe gelegen. (2009)

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Zeitung begründet Nennung des vollen Täternamens

Eine überregionale Zeitung berichtet über den fünfzehnfachen Mord von Winnenden. Im Beitrag werden der Name des Täters und sein Wohnort genannt. Textpassage: „Der Täter, Tim Kretschmer aus dem Dorf Weiler zu Stein in der Nähe von Winnenden im Raum Stuttgart, war nach Augenzeugenberichten (…).“ Kurz darauf setzt sich die Redaktion unter der Überschrift „In eigener Sache“ mit der vorangegangenen Veröffentlichung des vollen Namens von Tim Kretschmer auseinander und legt dar, warum sie sich so und nicht anders entschieden hat. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Nennung des Namens von Tim Kretschmer in den beiden Artikeln. Er sieht durch die volle Namensnennung das postmortale Persönlichkeitsrecht des Amokläufers und auch die Persönlichkeitsrechte der Familie verletzt. Er sieht auch Ziffer 11 des Pressekodex verletzt, weil der mit Namen genannte Täter erst 17 Jahre alt war. Schließlich vermutet der Beschwerdeführer eine Verletzung der Ziffer 13. Die Namensnennung verbiete sich schon deshalb, weil die Schuld des „angeblichen Täters“ gerichtlich noch nicht festgestellt worden sei. Die von den Medien hochgeputschte Berichterstattung sei nicht dazu geeignet, das Verhalten der Zeitung zu rechtfertigen. Im Fall einer afghanischen Frau, die gemeinsam mit ihrem Baby ermordet worden sei, habe die Redaktion auf die Namensnennung verzichtet. Für ihn, den Beschwerdeführer, stelle sich die Frage, warum die Zeitung nicht auch im vorliegenden Fall auf die Namensnennung verzichtet habe und ob es für die Berichterstattung essentiell sei, den Namen zu nennen. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung hält die Beschwerde für verständlich, aber doch unbegründet. Nennung des Namens oder nicht – diese Frage sei seinerzeit in der Redaktion ausführlich diskutiert worden. Die Redaktion sei zu dem Schluss gekommen, dass es in diesem besonderen Fall zulässig sei, von der sonst üblichen Praxis abzuweichen. Wissend um die zu erwartende Diskussion in der Öffentlichkeit habe man sich dazu entschlossen, eine ausführliche Begründung für die Entscheidung abzudrucken. Die Redaktion sei nach wie vor der Auffassung, dass dieser Sonderfall die Namensnennung rechtfertige, wenngleich ihr bewusst sei, dass es auch andere Auffassungen geben könne. Die unterschiedlichen Interpretationen seien jedoch sicher keine Verstöße gegen den Pressekodex, sondern Ausdruck unterschiedlicher Meinungen im weiten Feld der Persönlichkeitsrechte. (2009)

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Nutzer-Vorwurf: Erst das Bild und dann der Mensch

Die Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung berichtet über die Bluttat im niederländischen Apeldoorn am Königinnen-Tag 2009. Sie titelt: „Amokfahrt bei Besuch von Königin Beatrix“. Der Bericht ist bebildert mit Fotos von schwer verletzten und gerade angefahrenen Menschen. Ein Nutzer kritisiert die Veröffentlichung dieser Fotos und beschwert sich auch über das Verhalten der Journalisten und Fotografen, die anstatt zu helfen, lieber Fotos machten. Er vermutet, dass dem Bild in journalistischen Kreisen eine größere Bedeutung beigemessen wird als den Menschen. Im Kriegsfall sei es vielleicht notwendig, gewisse Fotos zu veröffentlichen. Diese Notwendigkeit sei jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben. Seine Kritik konzentriert sich auf ein Bild, das eine Frau während der Reanimation zeigt. Zwar sei die Augenpartie von der Hand eines Helfers verdeckt, doch seien ihre Gesichtszüge erkennbar. Der Leiter der Online-Redaktion teilt mit, alle Apeldoorn-Fotos seien von den üblichen Agenturen – also nicht von Paparazzi – übernommen worden. Zudem habe man bei der Auswahl auf die wie immer geltenden Kriterien geachtet: Die Betroffenen seien nicht zu identifizieren und man zeige keine Verletzungen, abgetrennte Gliedmaßen oder Wunden. Im Übrigen stünden die Fotos in einem Kontext zu sehr nüchternen Bildtexten. Diese dokumentierten ausschließlich das Geschehen, ohne aus dem Leid der Opfer Profit schlagen zu wollen. Das Bild von der reanimierten Frau sei aus der Fotostrecke entfernt worden. Hier habe tatsächlich die Gefahr bestanden, dass sie von Bekannten erkannt werden könnte. (2009)

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Abgebildete hatten mit der Tat nichts zu tun

Unter der Überschrift „Deutschlands mutigste Schülerin. Jetzt spricht sie zum ersten Mal“ berichtet eine Jugendzeitschrift über den verhinderten Amoklauf an einem Gymnasium. Der Artikel enthält auch Fotos von Opfer und Täterin. Das Jahrbuch der Schule wird mit den Fotos der Klassenkameraden der Täterin gezeigt. Die unter den Fotos stehenden Namen der Schüler sind unkenntlich gemacht, nicht aber die Fotos. Die Leiterin des Gymnasiums ist in diesem Fall die Beschwerdeführerin. Sie sieht die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Schüler verletzt. Die Stabsstelle Medienrecht des Verlages bemerkt, dass Anlass der Berichterstattung der Auftakt des Prozesses gegen die Amokläuferin gewesen sei. Diese habe bereits am ersten Prozesstag ein Geständnis abgelegt. Der Vorgang habe ein außerordentlich hohes Interesse in der Öffentlichkeit gefunden. Bundesweit hätten Medien darüber berichtet. Die Veröffentlichung von Auszügen aus dem Schuljahrbuch sei kein Verstoß gegen den Pressekodex. Der Verlag sieht die Veröffentlichung im Einklang mit den Voraussetzungen der Paragrafen 22 und 23 des Kunsturhebergesetzes und den Richtlinien 8.1 und 8.2 des Pressekodex. Sie sei damit zulässig. Zur Frage der Verletzung des Pressekodex führt die Rechtsvertretung der Zeitschrift aus, dass die Klassenkameraden als Opfer im Sinne der Richtlinien 8.1 und 8.2 eingeordnet werden könnten. Ein Verstoß gegen die Richtlinie 8.2 sei schon deshalb zu verneinen, weil die Namen unkenntlich gemacht worden seien, so dass eine Identifizierung nicht möglich sei. Wenn die Beschwerdeführerin ausführe, dass Kollegen, Nachbarn und Schüler die Abgebildeten anhand der Bilder erkennen könnten, so könne dies nicht unter den Begriff der Identifizierung im Sinne der Richtlinie 8.1 fallen. Identifizierung in diesem Sinne müsse bedeuten, dass ein bisher Unwissender über die Person des Opfers informiert werde. Dies sei hier jedoch gerade nicht der Fall. Informierte wüssten bereits, dass es sich bei den Abgebildeten um Mitschülerinnen der Amokläuferin handele. Von der Veröffentlichung des Bildes gehe daher für die Schüler keine zusätzliche Belastung aus. (2009)

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