Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6738 Entscheidungen
„Todeskampf in der Isar" titelt eine Boulevardzeitung in Print und Online. Es geht um einen Vater, der seinen zweijährigen Sohn aus der Isar retten wollte und dabei selbst ums Leben kam. In der Printausgabe ist ein Foto des Vaters in den reißenden Fluten zu sehen. Die Bildunterschrift lautet: „Ein schreckliches Bild: Karl D. (40) versucht, seinen Buben über Wasser zu halten – kurz darauf geht der Mann unter". Die Zeitung zeigt Fotos von der Bergung der Leiche. In der Online-Ausgabe ist das Foto mit dem ertrinkenden Mann in einer Fotostrecke ebenfalls zu sehen. Ein Leser der Zeitung empfindet die Berichterstattung, vor allem jedoch das Foto mit dem in der Isar treibenden Vater, der seinen Sohn zu retten versucht, als grenzüberschreitend. Er sieht mehrere Ziffern des Pressekodex verletzt. Der Chefredakteur der Zeitung äußert Verständnis für die Beschwerde. In der Tat handele es sich um ein Bild, das beim Betrachter starke Emotionen auslöse. Man habe in der Redaktion darüber diskutiert, ob das Foto gedruckt werden solle. Schließlich habe er sich dazu entschieden. Voraussetzung sei für ihn gewesen, das Bild dokumentarisch zu zeigen, also in kleinem Format, nicht reißerisch aufgemacht, nicht als Seitenoptik. Der Augenblick, in dem das Foto entstanden sei, zeige den Rettungsversuch und nicht etwa das Ertrinken des Mannes. Der dokumentarische Charakter der Abbildung rechtfertige den Abdruck. Gleichwohl sei ihm – dem Chefredakteur – klar, dass dies ein Grenzfall sei. Nach Eingang der Presseratsbeschwerde habe man das Bild aus dem Onlineauftritt entfernt. (2010)
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Unter dem Titel „Sie suchen die vermisste Richterin mit Leichen-Hunden" berichtet die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung über die Richterin Kerstin Heisig, die sich im Juni 2010 das Leben nahm. Die Zeitung veröffentlicht den Inhalt der SMS, die Frau Heisig zuletzt an eine ihrer Töchter geschrieben hat. In der Mitteilung schreibt sie, „alles falsch zu machen". Und: „Das ist alles zu viel für mich.“ Der Beschwerdeführer – ein Nutzer der Online-Ausgabe – vertritt die Auffassung, dass mit der SMS-Veröffentlichung die Persönlichkeitsrechte der Richterin verletzt worden seien. Er wirft der Redaktion vor, unseriösen Journalismus zu betreiben. Die Rechtsvertretung der Zeitung antwortet. Eine Verletzung der Menschenwürde aufgrund der Veröffentlichung der SMS sei angesichts des genauen Wortlauts offensichtlich abwegig. In dem Beitrag selbst werde lediglich das letzte Lebenszeichen der Verstorbenen sachlich und sehr neutral wiedergegeben. Die Informationen zum Verschwinden der Richterin seien – so die Rechtsabteilung – auf legalem Wege besorgt werden. Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die Redaktion betreibe unseriösen Journalismus, sei mit dem verantwortungsbewussten Vorgehen und der Arbeitsweise der Redakteure nicht vereinbar. Die Textmitteilung sei weder vertraulichen Ermittlungsakten entnommen worden, noch auf andere unlautere Weise beschafft worden. Die Information sei vielmehr aus einer Quelle gekommen, deren Identität aufgrund des verfassungsrechtlich garantierten Informantenschutzes nicht preisgegeben werden dürfe. Die SMS entstamme zwar unmittelbar der Privatsphäre von Frau Heisig; die Wiedergabe sei jedoch aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses presseethisch zulässig. Der SMS-Inhalt sei geeignet gewesen, umlaufende Gerüchte über ein Kapitalverbrechen zu entkräften. (2010)
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„Trauer um die Toten – Das sind die Opfer der Loveparade" – so überschreibt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung ein Video. Darin werden Fotos von einzelnen Opfern gezeigt. Ihr Vorname, das Alter und der Wohnort werden genannt. Das Video ist mit Trauermusik unterlegt. Zwei Nutzer des Internetportals treten als Beschwerdeführer auf, weil sie die Persönlichkeitsrechte der Toten nach Ziffer 8, Richtlinie 8.1, des Pressekodex verletzt sehen. Einer kritisiert die Veröffentlichung von Fotos, die wahrscheinlich von den Angehörigen nicht autorisiert worden sei. Zudem sei unklar, ob die Bilder auf legalem Wege beschafft worden seien. Auch der zweite Beschwerdeführer stößt sich daran, dass die Opfer im Bild dargestellt und namentlich genannt würden, wobei die Einwilligung der Angehörigen fraglich sei. Die Rechtsabteilung des Verlages beruft sich auf Richtlinie 8.1, wo es heißt, dass Opfer von Unglücksfällen oder Straftaten „in der Regel“ nicht identifizierbar dargestellt werden, es sei denn, es lägen besondere Begleitumstände vor. In diesem Falle stehe es außer Frage, dass besondere Begleitumstände die Tragödie von Duisburg prägten, so dass auf diese Weise habe berichtet werden dürfen. Die Bilder der Opfer seien angemessen und zurückhaltend gestaltet worden. Der Verlag beruft sich auf die Spruchpraxis im Fall Winnenden, wonach die Veröffentlichung von Fotos der Opfer einer Katastrophe nicht per se gegen den Pressekodex verstößt. Neben den erforderlichen Begleitumständen sei zudem noch der Kontext der Abbildung der Opfer entscheidend dafür, ob der Abdruck zulässig sei. (2010)
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Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung veröffentlicht unter der Überschrift „Die Geschichten der Toten“ einen Beitrag über einige der Loveparade-Besucher, die bei der Massenpanik in Duisburg ums Leben kamen. Es werden jeweils Vorname, abgekürzter Nachname und Alter genannt. Die Zeitung berichtet auch Details aus dem Leben der Opfer und zeigt Porträtfotos der Getöteten. Die bildliche Darstellung veranlasst einen Leser des Blattes zur Beschwerde wegen Verstößen gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte). Die Rechtsabteilung des Verlages erkennt in der Veröffentlichung der Fotos keinen Verstoß gegen presseethische Grundsätze. Sie sieht in diesem Fall die besonderen Begleitumstände nach Ziffer 8, Richtlinie 8.1, als gegeben an und beruft sich auf die Spruchpraxis des Presserats bei Beschwerdeverfahren im Fall Winnenden. Damals waren die besonderen Begleitumstände anerkannt worden. (2010)
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Die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung veröffentlicht unter der Überschrift „Todesopfer der Loveparade“ die Geschichte zweier junger Menschen aus dem Verbreitungsgebiet. Sie werden mit Vornamen und abgekürztem Familiennamen genannt. Ihr Wohnort sowie weitere Details aus ihrem Leben, wie Ausbildungsplatz und Schulbildung werden veröffentlicht. Es wird beschrieben, wie der 18-jährige Dennis zur Loveparade gefahren ist und die Familie seitdem keinen Kontakt mehr zu ihm hatte. Polizisten hätten der alleinerziehenden Mutter am Sonntagnachmittag die Nachricht überbracht, dass ihr Sohn ums Leben gekommen sei. Sie habe einen Nervenzusammenbruch erlitten und stehe unter ärztlicher Betreuung. Eine Personenbeschreibung des Opfers wird wiedergegeben: „Etwa 1,90 Meter groß, kurze dunkelbraune Haare. Keine besonderen Auffälligkeiten. Außer, dass er für sein Alter auffallend schlechte Zähne hat.“ Auch über die 19-jährige Marie-Anjelina wird ausführlich berichtet. Auch hier wurden Details darüber veröffentlicht, wie die Mutter der Verstorbenen auf die schreckliche Nachricht reagiert habe. Eine Leserin der Zeitung moniert eine unsachliche und völlig irrelevante Beschreibung in einigen Teilen der Berichterstattung. Das Detail der schlechten Zähne von Dennis degradiere das Opfer. Der ungewöhnliche Vorname von Marie-Anjelina offenbart bei der Google-Suche auf einfachste Weise deren Identität. Insgesamt scheine es, als sei der psychische Ausnahmezustand der Angehörigen ausgenutzt worden, um die Sensationslust der Leser zu bedienen. Der Chefredakteur berichtet in seiner Reaktion von einem Gespräch mit der Beschwerdeführerin, das erfolglos geblieben sei. Zur Passage über die schlechten Zähne eines der Opfer berichtet er, die Aussage stamme von einem Freund des Toten, der auch so zitiert worden sei. Herabwürdigendes sei dabei nicht zu erkennen. Er weist auch den Vorwurf an die Redaktion zurück, sie habe identifizierend über die Opfer berichtet. Die Beschwerdeführerin informierte den Presserat über das Gespräch mit der Redaktion. Sie habe die Beschwerde nicht zurückgezogen, da sie mit dem Ergebnis des Treffens nicht zufrieden gewesen sei. (2010)
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Eine Sonntagszeitung berichtet über die Sendung „Germanys Next Topmodel“. Zum Bericht ist ein Foto gestellt, auf dem zwei Bewerberinnen zu sehen sind, die Bewerbungsformulare in die Kamera halten. Darauf sind persönliche Daten zu erkennen. Ein Leser des Blattes kritisiert, dies verstoße gegen die Persönlichkeitsrechte der Mädchen. Der zuständige Ressortleiter der Zeitung bemerkt, dass tatsächlich auf dem abgedruckten Bild die Namen und Telefonnummern der beiden Bewerberinnen zu erkennen sind. Das Foto sei so von einer Agentur verbreitet worden. Die Crux in diesem Fall sei, dass am Bildschirm die Daten nicht zu erkennen gewesen seien, wohl aber in der gedruckten Zeitung. Der Autor des Beitrages und er – der Ressortleiter – seien nach dem Erscheinen des Artikels „fassungslos“ gewesen. Mehrere Leser hätten auf den Lapsus hingewiesen. Die Zeitung habe Kontakt zu den auf dem Foto abgebildeten jungen Damen aufgenommen und sich entschuldigt. Diese hätten sich weit weniger verärgert gezeigt als etliche Unbeteiligte. Sie hätten auch keine weiteren Schritte in Erwägung gezogen. Der Ressortleiter habe die Sache nunmehr als abgeschlossen betrachtet. (2009)
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Eine Regionalzeitung veröffentlicht den Leserbrief „Schulhof geschlossen - Privileg für eine Minderheit" mit der vollständigen Adresse der Einsenderin. Diese stellt einen Verstoß gegen den Datenschutz fest und sieht presseethische Grundsätze verletzt. Die Rechtsabteilung des Verlages teilt mit, dass es sich bei der Veröffentlichung der Adresse um ein Versehen der Redaktion gehandelt habe. Üblicherweise würde Richtlinie 2.6 des Pressekodex von der Redaktion konsequent befolgt. Im Verlauf von fünf Telefongesprächen habe die Redaktion versucht, die Beschwerdeführerin um Entschuldigung zu bitten. Auch der Datenschutzbeauftragte sei eingeschaltet worden. (2010)
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Zum Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler äußert sich eine Satirezeitschrift in einem Kommentar unter der Überschrift „Warum jetzt?" Köhler wird in dem Beitrag u. a. als „Pottsau" und „Pissflinte" beschimpft. Ein Leser des Blattes sieht in der Veröffentlichung eine Schmähkritik. Horst Köhler werde in übelster Form beleidigt. Die Zeitschrift nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung. (2010)
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Eine Boulevardzeitung berichtet über den Vorwurf gegen einen Pfarrer, eine Million Euro veruntreut zu haben. Der Mann wird namentlich genannt und mit einem Porträt-Foto präsentiert. Zwei Leser der Zeitung meinen, das Bild des Pfarrers sei urheberrechtswidrig verwendet worden. Seine Veröffentlichung ohne Verfremdung verstoße überdies gegen das Persönlichkeitsrecht des Pfarrers. Außerdem gebe sich der Autor zu Unrecht als Fotograf aus. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sei lediglich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet gewesen. Die Veröffentlichung stehe mit den Persönlichkeitsrechten des Betroffenen im Einklang, stellt die Rechtsvertretung der Zeitung fest. An dem Vorgang bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse. Der Pfarrer bekleide ein öffentliches Priesteramt, weshalb die Ausnahmevorschrift der Richtlinie 8.1, Absatz 4, anzuwenden sei. Zu den veröffentlichten Bildern erläutert der Verlag, dass das Foto der Kirche vom Redakteur aufgenommen worden sei. Lediglich das Bild des Pfarrers stamme nicht von der Redaktion. Die Beschriftung sei daher nicht korrekt. Dafür entschuldige sich die Zeitung. Der Verlag habe eine Unterlassungserklärung abgegeben. Die dem Betroffenen zur Last gelegte Straftat der Untreue bzw. Veruntreuung und Unterschlagung stehe auch in dem erforderlichen Zusammenhang mit dem besonderen Amt, das der Pfarrer bekleide. Sollte sich nämlich der Tatverdacht bestätigen, wäre es dem geistlichen Oberhaupt einer kleinen Gemeinde allein aufgrund seiner Stellung als Pfarrer möglich gewesen, das auf seinem Konto sichergestellte Geld in Höhe von rund einer Million Euro zu erlangen. Die Berichterstattung stehe daher im Einklang mit der Richtlinie 8.1, Absatz 5, des Pressekodex und rechtfertige den Vorrang des öffentlichen Informationsinteresses. (2010)
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In einer Regionalzeitung erscheint ein Bericht unter der Überschrift „Missbrauchs-Vorwurf gegen Leiter eines Jugendhauses". Dieser – ein Pater - sei des sexuellen Missbrauchs beschuldigt und darauf hin von seinem Orden abberufen worden. In der Zeitung erinnert sich ein Christian B., der zitiert wird und dessen Namen die Redaktion verfremdet hat. Er schildert ein Geschehen aus dem Jahr 1977. „Christian B." bezeichnet sich selbst als „minder schweren Fall“. Ihm sei allerdings daran gelegen, dass der Pater sich bei ihm entschuldige. Die Zeitung veröffentlicht ein Foto des Jugendhauses, in dem der Beschuldigte wohnt. Der Beschwerdeführer, selbst Journalist, meint, die Recherche widerlegen zu können und wirft der Zeitung vor, die Angaben des anonymen Informanten nicht überprüft zu haben. Die Identifizierung des Beschuldigten sei möglich, obwohl die Tat längst verjährt sei. Bei den Anschuldigungen handele es sich um eine Vorverurteilung. Ungeniert spekuliere die Zeitung über weitere, schlimmere Tatbestände. Sie betreibe eine wilde Hetzjagd. Die journalistische Herangehensweise sei unfair, unprofessionell und effektheischend. Die Chefredaktion der Zeitung stellt fest, dass der Fall inzwischen so weit abgeschlossen sei, als der Orden entschieden habe, den Pater nicht mehr zur Beetreuung von Jugendlichen einzusetzen. Der Geistliche habe „solche Spiele“ zugegeben. Es gebe nichts richtig zu stellen. Es habe in der Redaktion eine sorgfältige Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten gegeben. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege eindeutig. (2010)
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