Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6739 Entscheidungen

Pater 33 Jahre nach Missbrauch abberufen

In einer Regionalzeitung erscheint ein Bericht unter der Überschrift „Missbrauchs-Vorwurf gegen Leiter eines Jugendhauses". Dieser – ein Pater - sei des sexuellen Missbrauchs beschuldigt und darauf hin von seinem Orden abberufen worden. In der Zeitung erinnert sich ein Christian B., der zitiert wird und dessen Namen die Redaktion verfremdet hat. Er schildert ein Geschehen aus dem Jahr 1977. „Christian B." bezeichnet sich selbst als „minder schweren Fall“. Ihm sei allerdings daran gelegen, dass der Pater sich bei ihm entschuldige. Die Zeitung veröffentlicht ein Foto des Jugendhauses, in dem der Beschuldigte wohnt. Der Beschwerdeführer, selbst Journalist, meint, die Recherche widerlegen zu können und wirft der Zeitung vor, die Angaben des anonymen Informanten nicht überprüft zu haben. Die Identifizierung des Beschuldigten sei möglich, obwohl die Tat längst verjährt sei. Bei den Anschuldigungen handele es sich um eine Vorverurteilung. Ungeniert spekuliere die Zeitung über weitere, schlimmere Tatbestände. Sie betreibe eine wilde Hetzjagd. Die journalistische Herangehensweise sei unfair, unprofessionell und effektheischend. Die Chefredaktion der Zeitung stellt fest, dass der Fall inzwischen so weit abgeschlossen sei, als der Orden entschieden habe, den Pater nicht mehr zur Beetreuung von Jugendlichen einzusetzen. Der Geistliche habe „solche Spiele“ zugegeben. Es gebe nichts richtig zu stellen. Es habe in der Redaktion eine sorgfältige Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten gegeben. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege eindeutig. (2010)

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Tod Kohls „in allernächster Zukunft"

Eine überregionale Zeitung veröffentlicht einen Kommentar, in dem sich der Autor sehr kritisch mit der Rolle des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl und seinen Verdiensten um die deutsche Einheit auseinandersetzt. Im Beitrag heißt es: „Dennoch ist es heute Konsens, den Dicken aus der Pfalz als den Vater der deutschen Wiedervereinigung zu sehen. Wenn er, was in allernächster Zeit erwartet wird, stirbt, wird es lange keine Chance mehr geben, dieses Etikett anzuzweifeln". Eine Leserin beschwert sich über diesen Teil des Kommentars. Sie sieht einen Verstoß gegen die Menschenwürde sowie gegen die Persönlichkeitsrechte von Helmut Kohl. Es sei unangemessen, mit dem Tod einer lebenden Person der Zeitgeschichte zu spekulieren. Nach Auffassung des Justitiariats der Zeitung handelt es sich bei Helmut Kohl um eine absolute Person der Zeitgeschichte, an deren Gesundheitszustand ein öffentliches Interesse bestehe. Der Altbundeskanzler selbst habe sich zu seinem Zustand öffentlich geäußert. Der Artikel benenne keine näheren Umstände, sondern deute allenfalls an, dass bald mit dem Tod Kohls zu rechnen sei. Dass ein Mensch sterbe und dass dies bei einem schwer kranken Mann von mittlerweile 80 Jahren eher früher als später der Fall sein werde, entspreche der Lebenserfahrung und statistischer Wahrscheinlichkeit. Den Vorwurf, gegen presseethische Grundsätze verstoßen zu haben, weist das Justitiariat zurück. (2009)

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Einsenderwunsch ist zu respektieren

Ein Leser schickt an die Redaktion einer Regionallzeitung eine Zuschrift zur Veröffentlichung. Im Anschreiben bittet er darum, den Leserbrief unverändert zu bringen. Falls die Redaktion die Zuschrift bearbeiten wolle, so solle sie ihn gar nicht publizieren oder die Änderungen mit ihm absprechen. Die Zeitung druckt das Schreiben in verkürzter Form und ohne Rücksprache ab. Der Leser kritisiert, dass die Zeitung gegen seinen ausdrücklichen Willen den Brief gekürzt und dennoch gebracht habe. Die Redaktionsleiterin teilt mit, dass die Regeln für die Veröffentlichung von Leserbriefen einfach seien und in jeder Leserbriefspalte abgedruckt würden. Dem Beschwerdeführer sei dies bekannt, da er sich häufig mit Leserbriefen zu Wort melde. Dabei bediene er sich einer Sprache, die nicht immer zum Abdruck geeignet sei. Das sei auch diesmal der Grund für die Kürzung gewesen. Bemerkenswert sei, dass der Einsender nicht die inhaltliche Kürzung kritisiere, sondern moniere, dass der Brief gegen seinen ausdrücklichen Willen überhaupt verändert worden sei. (2010)

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Leserbrief und Redaktionsgeheimnis

Der Beschwerdeführer in diesem Fall schreibt einen kritischen Leserbrief an eine Regionalzeitung. Darin äußert er die Vermutung, dass der Artikel „Lokalreporter ausgeschlossen“ von einem Anzeigenkunden „bestellt“ worden sei. Der Leserbrief erscheint nicht, der Anzeigenkunde jedoch wird über den Inhalt der Einsendung informiert. Der Leser beschwert sich darüber, dass es die Zeitung an der erforderlichen Vertraulichkeit habe mangeln lassen. Die Redaktion teilt mit, der Brief sei nicht veröffentlicht worden, weil er falsche Behauptungen enthalte. Der Beschwerdeführer habe den Brief unter seinem Namen eingeschickt, so dass er kein Informant sei, der Schutz beanspruchen könne. Vielmehr sei die Redaktion gehalten, negative Behauptungen über Einzelpersonen in einem Leserbrief vor einer Veröffentlichung zu überprüfen. So verlange es das Landespressegesetz. Die Redaktion habe dem Angegriffenen den Brief ohne Namen und Absender zur Kenntnis gegeben. Sofort habe dieser trotzdem erkannt, wer ihn anschwärzen wolle. (2010)

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Unter der Abdeckung schaut ein Bein hervor

In einer Boulevardzeitung steht ein Bericht unter der Überschrift „Junge (12) schlittert vor Schulbus – tot". Dem Artikel beigefügt ist ein Foto, auf dem die abgedeckte Leiche des Kindes zu erkennen ist. Ein Bein schaut aus der Abdeckung hervor. Eine Leserin der Zeitung moniert das Foto und den dazugehörigen Text. Zitate: „Ein Körper liegt verkrümmt im Schnee, notdürftig zugedeckt…" oder „...fährt dem Jungen über den Kopf". Darin sieht sie einen Verstoß gegen die Ziffer 11, insbesondere gegen die Richtlinien 11.1 und 11.3 des Pressekodex. In den Richtlinien geht es um Sensationsberichterstattung/Jugendschutz sowie um Unglücksfälle/Katastrophen. Die Rechtsabteilung des Verlages will sich mit der Beschwerdeführerin gütlich einigen. Sie legt ihrer Antwort an den Presserat ein entsprechendes Schreiben bei. Darin bedauert der Mitarbeiter, der für die Veröffentlichung gesorgt hatte, dass es zum Abdruck des Fotos gekommen ist. Man lege in der Redaktion besonderen Wert auf die Einhaltung des Pressekodex. Dass man dessen Anforderungen im vorliegenden Fall nicht gerecht geworden sei, tue ihm leid. Die Redaktion habe in anderen Ausgaben sowie im Online-Auftritt dafür gesorgt, dass ein Bildausschnitt gewählt wurde, der keinen Anlass zur Kritik gegeben habe. Auf Anfragen der Rechtsabteilung des Verlages sowie der Presserats-Geschäftsstelle hat sich die Beschwerdeführerin nicht geäußert. Deshalb ist davon auszugehen, dass sie die Beschwerde aufrechterhält. (2010)

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Aufschrift und Kennzeichen nicht geschwärzt

Die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung berichtet über den Brand eines Busses, der ein Orchester zum Konzert bringen sollte. Eine Fotostrecke zeigt den Bus, der an der Seite die Aufschrift „Warmensteinach im Fichtelgebirge" trägt. Das Kennzeichen ist ebenfalls lesbar. Der Busunternehmer ist in diesem Fall der Beschwerdeführer. Nach seiner Auffassung verstößt es gegen den Datenschutz, den Bus mit Aufschrift und Kennzeichen zu zeigen. Der Chefredakteur der Zeitung bedauert, dass der Busunternehmer sich durch den Beitrag beeinträchtigt fühlt. Dies sei nicht Absicht der Redaktion gewesen. Er weist auf den Gesamtkontext hin. Der Beitrag sei insgesamt sehr positiv formuliert. Der Busfahrer werde als „umsichtig“ beschrieben. Er habe die Lage jederzeit im Griff gehabt. Positive Erwähnung findet auch die Tatsache, dass das Busunternehmen kurzfristig für Ersatz gesorgt habe. Aus diesen Textpassagen gehe eindeutig hervor, dass die Berichterstattung nicht darauf abgezielt habe, dem Busunternehmen zu schaden. Die Redaktion räumt allerdings ein, dass normalerweise Nummernschild und Aufschriften unkenntlich gemacht würden. Dies habe die Online-Redaktion leider übersehen. (2010)

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"Promotion" kann "Anzeige" nicht ersetzen

Mit „Promotion“ ist eine Doppelseite überschrieben, die in einer Fernsehzeitschrift erscheint. Geworben wird darin für ein Schlankmacher-Produkt. Zwei Ausgaben später wirbt die Zeitschrift für eine Lotterie. Auch diese Veröffentlichung ist mit dem Wort „Promotion“ überschrieben. Ein Leser ist der Auffassung, dass die beiden Veröffentlichungen für den Leser nicht als Werbung erkennbar sind. Den Hinweis „Promotion“ hält der Beschwerdeführer für unzureichend. Die Rechtsabteilung der Zeitschrift betont, dass ihre Mandantin Wert auf die Feststellung lege, dass sie Anzeigen stets kennzeichne, wenn sich der Anzeigencharakter nicht bereits aus Inhalt und Gestaltung ergebe. Anzeigenkunden hätten jedoch in letzter Zeit immer häufiger den Wunsch geäußert, das Wort „Promotion“ als Hinweis auf Werbung zu verwenden. Die Kunden beriefen sich dabei auf die Verfahrensweise in anderen Verlagen. Vor diesem Hintergrund hält es die Zeitschrift für unangebracht, allein sie „an den Pranger zu stellen“. Es sollte vielmehr eine einheitliche Lösung gefunden werden, um die man sich in den betroffenen Verlagshäusern derzeit bemühe. Die Rechtsabteilung beantragt deshalb, die Behandlung der Beschwerde zu vertagen. Die Rechtsabteilung rät dem Presserat, sich bei „einem allgemeinen Phänomen“ nicht einzelne Titel vorzunehmen. Sollte eine Aussetzung nicht in Frage kommen, fordert die Zeitschrift, auch die anderen Verlage zu rügen, die den Begriff „Promotion“ statt „Anzeige“ verwenden. (2010)

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Nennung der Herkunft ist überflüssig

Die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung berichtet über ein Familiendrama. Sie meldet den Sturz einer Frau aus dem dritten Stockwerk des von ihr bewohnten Hauses, bei dem sie sich schwer verletzt hat. Ihr Mann wird unter dringendem Tatverdacht festgenommen. Im Beitrag steht der Satz: „Die Frau stammt aus Litauen, der Mann ist Deutscher türkischer Herkunft“. Die Zeitung berichtet kurz darauf, dass der Haftbefehl gegen den Ehemann aufgehoben worden sei. Die Frau habe ihre Aussage, die ihren Mann anfangs schwer belastet habe, zurückgezogen. Ihr Sturz sei ein Unfall gewesen. Im Beitrag heißt es: „In dem Haus, in dem sich der Vorfall abspielte, sind der Deutsche türkischer Abstammung und seine in Litauen geborene Frau kaum bekannt.“ Die regionale Rechtshilfe kritisiert diese Textpassagen, weil sie die Ziffer 12, Richtlinie 12.1, des Pressekodex verletzt sieht. Für die Nennung der Nationalität der Frau bzw. der Herkunft des Mannes bestehe kein Sachbezug. Die Redaktionsleitung stellt fest, dass es sich bei dem Fenstersturz um einen besonders erwähnenswerten Übergriff gehandelt habe. Die Ermittler hätten den Vorfall als versuchtes Tötungsdelikt eingestuft. Die 27-Jährige sei nach eigenen Angaben von ihrem Ehemann vom Balkon im dritten Stock gestoßen worden und habe sich lebensgefährliche Verletzungen zugezogen. Die Redaktion weist auf das große Interesse hin, das der Fall in der Stadt hervorgerufen habe. Die Nennung der Nationalität bzw. der Herkunft habe weder in der Überschrift noch in der Unterzeile gestanden, sondern innerhalb des Textes am Ende des Beitrages. Die Redaktion habe sachlich und zurückhaltend berichtet. Die beanstandeten Passagen im Text könnten nicht als diskriminierend gelten. (2010)

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Lehrer missbraucht elfjähriges Mädchen

Eine Regionalzeitung berichtet unter der Überschrift „Lehrer missbraucht elfjährige Schülerin“ in ihrer Online-Ausgabe über eine Gerichtsverhandlung. Der angeklagte Lehrer wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Über den Mann berichtet die Zeitung, dass er 58 Jahre alt und türkischer Staatsangehöriger sei. Es wird auch berichtet, dass er „als angestellter Lehrer an verschiedenen (…) Schulen muttersprachlichen Unterricht in Türkisch“ erteile. Die Redaktion nennt auch die Schule, in der das Mädchen missbraucht wurde. Ein Leser der Zeitung beschwert sich beim Presserat. Er hält die Nennung der Unterrichtsfächer und der Nationalität des Lehrers nicht für relevant und sieht die Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierungen) verletzt. Der Chefredakteur der Zeitung bekennt Fehler in der Berichterstattung. Er sei zwar nach wie vor der Überzeugung, dass der Hinweis auf den muttersprachlichen Unterricht zwingend zum Verständnis des Vorganges erforderlich sei. Allerdings habe die Erwähnung der türkischen Staatsbürgerschaft den gesetzten Rahmen überschritten. Er habe vergeblich versucht, mit dem Lehrer und dem Beschwerdeführer Kontakt aufzunehmen, um den Vorgang in gegenseitigem Einvernehmen aus der Welt zu schaffen. (2010).

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Szenen, die Entsetzen hervorrufen

Die Online-Ausgabe einer überregionalen Zeitung veröffentlicht unter der Überschrift „Pakistan – Videos zeigen Hinrichtungen durch Militär“ einen Artikel mit Video von der Hinrichtung von sechs mutmaßlichen Islamisten durch die pakistanische Armee. Das Video zeigt detailliert die Erschießung der Männer. Vor dem Film läuft ein Spot, der für ein Energieunternehmen wirbt. Ein Nutzer der Online-Ausgabe sieht in der Veröffentlichung des Videos eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt. Dass dem Film Werbung vorangestellt werde, halte er für pervers. Der stellvertretende Chefredakteur teilt mit, dass man mit Rücksicht auf die ethischen Verpflichtungen der Presse das kritisierte Video nicht auf der Startseite der Online-Ausgabe platziert habe. Es sei bewusst nur in die Berichterstattung eingebunden gewesen. Zudem seien alle im Video zu sehenden Personen gepixelt. Durch diese Vorgehensweise sei die Redaktion den Anforderungen der Ziffer 11 des Pressekodex explizit nachgekommen. Im Sinne der wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit habe sich die Redaktion entschlossen, die erschütternden Bilder neben dem Text zu veröffentlichen. Damit sei man der Verpflichtung nachgekommen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht nur zu benennen, sondern sie auch zu belegen. Beispielhaft für oft praktizierte und berechtigte Veröffentlichungen von Videomaterial sei auch die Berichterstattung über Völkermord in Afrika oder Hinrichtungen von Regimegegnern im Iran. Auch sei es seit geraumer Zeit anerkannte journalistische Praxis, Nazi-Verbrechen mit Filmmaterial zu belegen. (2010)

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