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Nennung der Herkunft ist überflüssig

Bericht wäre auch ohne Detail-Angaben verständlich gewesen

Die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung berichtet über ein Familiendrama. Sie meldet den Sturz einer Frau aus dem dritten Stockwerk des von ihr bewohnten Hauses, bei dem sie sich schwer verletzt hat. Ihr Mann wird unter dringendem Tatverdacht festgenommen. Im Beitrag steht der Satz: „Die Frau stammt aus Litauen, der Mann ist Deutscher türkischer Herkunft“. Die Zeitung berichtet kurz darauf, dass der Haftbefehl gegen den Ehemann aufgehoben worden sei. Die Frau habe ihre Aussage, die ihren Mann anfangs schwer belastet habe, zurückgezogen. Ihr Sturz sei ein Unfall gewesen. Im Beitrag heißt es: „In dem Haus, in dem sich der Vorfall abspielte, sind der Deutsche türkischer Abstammung und seine in Litauen geborene Frau kaum bekannt.“ Die regionale Rechtshilfe kritisiert diese Textpassagen, weil sie die Ziffer 12, Richtlinie 12.1, des Pressekodex verletzt sieht. Für die Nennung der Nationalität der Frau bzw. der Herkunft des Mannes bestehe kein Sachbezug. Die Redaktionsleitung stellt fest, dass es sich bei dem Fenstersturz um einen besonders erwähnenswerten Übergriff gehandelt habe. Die Ermittler hätten den Vorfall als versuchtes Tötungsdelikt eingestuft. Die 27-Jährige sei nach eigenen Angaben von ihrem Ehemann vom Balkon im dritten Stock gestoßen worden und habe sich lebensgefährliche Verletzungen zugezogen. Die Redaktion weist auf das große Interesse hin, das der Fall in der Stadt hervorgerufen habe. Die Nennung der Nationalität bzw. der Herkunft habe weder in der Überschrift noch in der Unterzeile gestanden, sondern innerhalb des Textes am Ende des Beitrages. Die Redaktion habe sachlich und zurückhaltend berichtet. Die beanstandeten Passagen im Text könnten nicht als diskriminierend gelten. (2010)