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Foto eines Vaters im Todeskampf

Einen Ertrinkenden zu zeigen, ist unangemessen sensationell

„Todeskampf in der Isar" titelt eine Boulevardzeitung in Print und Online. Es geht um einen Vater, der seinen zweijährigen Sohn aus der Isar retten wollte und dabei selbst ums Leben kam. In der Printausgabe ist ein Foto des Vaters in den reißenden Fluten zu sehen. Die Bildunterschrift lautet: „Ein schreckliches Bild: Karl D. (40) versucht, seinen Buben über Wasser zu halten – kurz darauf geht der Mann unter". Die Zeitung zeigt Fotos von der Bergung der Leiche. In der Online-Ausgabe ist das Foto mit dem ertrinkenden Mann in einer Fotostrecke ebenfalls zu sehen. Ein Leser der Zeitung empfindet die Berichterstattung, vor allem jedoch das Foto mit dem in der Isar treibenden Vater, der seinen Sohn zu retten versucht, als grenzüberschreitend. Er sieht mehrere Ziffern des Pressekodex verletzt. Der Chefredakteur der Zeitung äußert Verständnis für die Beschwerde. In der Tat handele es sich um ein Bild, das beim Betrachter starke Emotionen auslöse. Man habe in der Redaktion darüber diskutiert, ob das Foto gedruckt werden solle. Schließlich habe er sich dazu entschieden. Voraussetzung sei für ihn gewesen, das Bild dokumentarisch zu zeigen, also in kleinem Format, nicht reißerisch aufgemacht, nicht als Seitenoptik. Der Augenblick, in dem das Foto entstanden sei, zeige den Rettungsversuch und nicht etwa das Ertrinken des Mannes. Der dokumentarische Charakter der Abbildung rechtfertige den Abdruck. Gleichwohl sei ihm – dem Chefredakteur – klar, dass dies ein Grenzfall sei. Nach Eingang der Presseratsbeschwerde habe man das Bild aus dem Onlineauftritt entfernt. (2010)