Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6739 Entscheidungen
„Wer sorgt sich um die Seelsorger?“ – so überschreibt die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung einen Beitrag. Darin spricht ein Geistlicher, der anonym bleiben möchte, über seine Probleme im Alltag und über psychische Belastungen durch seinen Beruf. Er äußert sich auch zum Thema Zölibat. Die Zeitung zitiert ihn: „Die Zahl der Homosexuellen im Dienst der Kirche steigt. Bis zu 90 Prozent aller Fälle von Missbrauch werden von Homosexuellen begangen.“ Ein Leser der Zeitung erkennt in diesem Satz einen Verstoß gegen den Pressekodex. Hier werde unkritisch und unreflektiert eine Meinung übernommen, die gesellschaftliche Gruppen diffamiere. Im Schutze der Anonymität würden in dem Beitrag unwahre und wirre Behauptungen aufgestellt. Der Chefredakteur der Zeitung macht geltend, dass es sich bei dem kritisierten Beitrag um die Meinungsäußerung eines Geistlichen und nicht der Zeitung handele. Die Zeitung macht sich diese Meinung an keiner Stelle des Artikels zueigen. Der Geistliche schildere, was allgemein bekannt sei, aber öffentlich nicht gesagt werde. Es sei ein Anliegen der Redaktion, vor dem Hintergrund von Missbrauchsfällen und berechtigter Kritik an den Kirchen auch Geistlichen eine Plattform zu bieten. (2011)
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„Sie wurden Opfer der Killer-Bestie“ – unter dieser Überschrift veröffentlicht die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung eine Fotostrecke. Mehrere Menschen werden gezeigt, die im Juli 2011 Opfer des Amoklaufes in Norwegen geworden waren. Einige werden ausführlich mit Vor- und Nachnamen, ihrem Alter und Informationen aus ihrem Leben vorgestellt. Ein Nutzer des Internetauftritts erkennt einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte) und hier vor allem Richtlinie 8,1 (Nennung von Namen/Abbildungen). Die Rechtsabteilung des Verlages beruft sich auf ein sehr hohes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an dem Geschehen. Die Zeitung habe Bilder und Informationen veröffentlicht, die vorher schon in den norwegischen Medien erschienen seien. Dabei seien weder die Interessen der Opfer noch ihrer Angehörigen verletzt worden. Die Redaktion habe gewissenhaft die Persönlichkeitsrechte und Interessen der betroffenen Familien bedacht. Es gebe besondere Begleitumstände für die Veröffentlichung der Fotos. Der Amoklauf von Norwegen mit 77 Toten sei eines der schwersten Verbrechen, das seit langem in Europa begangen worden sei. Das überragende öffentliche Interesse erstrecke sich nicht allein auf den Tathergang, sondern auch auf die Identität der Opfer. Auch die vollständige Namensnennung verstoße nicht gegen die Persönlichkeitsrechte der Opfer, da der Amoklauf eben kein Regelfall im Sinne der Richtlinie 8.1 gewesen sei. (2011)
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Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung veröffentlicht einen Artikel über das Massaker von Norwegen, bei dem im Juli 2011 77 Menschen umgebracht worden waren. Der Text wurde am Tattag gegen 20 Uhr online gestellt. Sein Autor versuchte, auf die Frage eine Antwort zu geben, wer hinter dem Anschlag stecken könnte. Zwar habe es in Norwegen noch nie einen Anschlag gegeben, doch sei es nicht das erste Mal, dass in dem Land ein Bombenanschlag geplant worden sei. Der Journalist bezieht in seine Überlegungen auch ein, dass es sich um einen Anschlag mit islamistischem Hintergrund handeln könnte. Er begründet diesen Aspekt seiner Überlegungen mit der NATO-Mitgliedschaft Norwegens und dessen Beteiligung an den Militäroperationen in Libyen und Afghanistan. Es folgt eine Aufzählung der spektakulärsten Fälle von Terror in Skandinavien. Ein Nutzer der Internet-Ausgabe der Zeitung sieht mehrere Verstöße gegen presseethische Grundsätze. Er wendet sich dagegen, dass Muslime als mögliche Täter des Attentats hingestellt würden. Dies sei eine als Tatsache hingestellte Vermutung und entspreche nicht dem Grundsatz sorgfältiger Recherche. Der Autor diskriminiere unzulässigerweise Muslime, was der Beschwerdeführer für eine nicht hinnehmbare Vorverurteilung hält. Die Rechtsabteilung der Zeitung weist darauf hin, dass Muslime in dem Bericht nicht allein als mögliche Täter angeführt worden seien. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung habe die Vermutung vorgeherrscht, dass es sich um einen Anschlag mit islamistischem Hintergrund gehandelt haben könnte. Als der kritisierte Artikel veröffentlicht worden sei, sei der Tathintergrund noch völlig unklar gewesen. In allen Medien sei über die möglichen Täter – insbesondere über eine Verbindung zu Al-Qaida – spekuliert worden. Ein Verstoß gegen das Gebot der journalistischen Sorgfaltspflicht liege nicht vor, da der Bericht den zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gegebenen Kenntnisstand korrekt wiedergebe. Auch habe die Zeitung nicht gegen das Diskriminierungsverbot nach Ziffer 12 des Pressekodex verstoßen, da der erforderliche Sachbezug für die Nennung der Religion im vorliegenden Fall gerechtfertigt sei. Die zum Vergleich herangezogenen Taten seien islamistisch motiviert gewesen, was vor allem für die Anschläge von New York und Washington zutreffe. Auch Ziffer 13 (Vorverurteilung) könne in diesem Fall nicht angewendet werden, da der Autor sich an die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung gehalten habe. Die gesamte Berichterstattung mache deutlich, dass keineswegs Muslime als allein denkbare Täter dargestellt worden seien. (2011)
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„Sie freuten sich so auf ihr Baby – Betrunkener rast Liebespaar tot“ und „Mann und schwangere Freundin verbrennen in Auto“ – so überschreibt eine Boulevardzeitung gedruckt und Online ihre Berichterstattung über einen tragischen Verkehrsunfall. In der Fotostrecke der Online-Ausgabe und in der Printausgabe wird ein nicht verfremdetes Foto des verunglückten Paars gezeigt. Der Beschwerdeführer - ein Angehöriger des Verunglückten – beschwert sich darüber, dass das ungepixelte Bild ohne Einwilligung der Angehörigen dem Facebook-Profil des Verstorbenen entnommen und veröffentlicht wurde. Die Abteilung Verlagsrecht der Zeitung entschuldigt sich bei dem Beschwerdeführer. Sie sichert zu, das Foto nicht erneut zu veröffentlichen und signalisiert die Bereitschaft, eine förmliche Unterlassungserklärung abzugeben. Die Rechtsabteilung will abschließend wissen, ob der Beschwerdeführer die Entschuldigung akzeptiert und möglicherweise auf die Durchführung des Beschwerdeverfahrens verzichtet. Der Beschwerdeführer akzeptiert die Entschuldigung nicht. Er hält sie für halbherzig und ärgert sich darüber, dass die Online-Ausgabe das Foto weiterhin ungepixelt veröffentlicht. Die Rechtsabteilung räumt ein, dass die Veröffentlichung des Fotos nicht zu rechtfertigen sei. Sie bietet neben einer förmlichen Unterlassungserklärung den Abdruck ihrer Entschuldigung an. Bisher habe man davon abgesehen, um die Gefühle der Angehörigen nicht erneut zu verletzen. Die Rechtsabteilung bittet den Presserat um Vermittlung. (2011)
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„Keine Entwarnung“ steht über dem Kommentar der Onlineausgabe einer Regionalzeitung zu den Attentaten in Oslo und auf der Insel Utøya. Der Autor stellt fest, dass man den oder die Täter noch nicht kenne, doch deute vieles auf einen islamistischen Hintergrund hin. Er begründet seine Annahme mit dem Hinweis, dass auch norwegische Medien die dänischen Mohammed-Karikaturen abgedruckt hätten und ein Jahr zuvor in Norwegen eine islamistische Terrorgruppe aufgeflogen sei. Zudem sei Norwegen als NATO-Mitglied am Afghanistan-Einsatz beteiligt. Der Kommentator verweist dann auf die liberale Ausländerpolitik Norwegens und den Dialog im Land mit muslimischen Zuwanderern. Nun müsse das Land bitter erfahren, wie ihm seine Liberalität gedankt werde. Als Fazit äußert der Autor den Gedanken, dass es für Europa keine Entwarnung gebe. „Die Gefahr weiterer Attacken bleibt bestehen – und damit leider auch das Paradoxon, dass wir unsere Freiheit offenbar nur schützen können, indem wir sie beschneiden“. Ein Nutzer der Online-Ausgabe moniert, dass, obwohl zu keiner Zeit der Verdacht islamistischen Terrors im Fall Norwegen bestanden habe, der Autor die Gelegenheit benutze, ohne konkrete Anhaltspunkte Stimmung zu machen. Der Artikel sei kommentarlos aus dem Netz genommen worden. Der Beschwerdeführer sieht die Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht) verletzt. Der stellvertretende Chefredakteur und der Ressortleiter Politik sprechen in ihrer Stellungnahme von einer bedauerlichen Fehleinschätzung des Autors. Für die Annahme der Verbindung des Attentäters von Oslo und Utøya zu islamistischen Terrorgruppen gebe es aus heutiger Sicht keine Rechtfertigung. Gleichwohl habe der Kommentator nicht gegen den Pressekodex verstoßen, da der Anschlag keineswegs eindeutig islamistischen Terrorgruppen zugeordnet werde. Der Autor vertrete lediglich die Meinung, dass es Indizien für einen islamistischen Hintergrund gebe. Zu dem Zeitpunkt, als der Kommentar geschrieben worden sei, hätten viele Politiker, Sicherheitsexperten und Journalisten die gleiche Auffassung vertreten. Die Zeitung bittet um Entschuldigung, dass in der abendlichen Produktionshektik Indizien falsch interpretiert und Vermutungen angestellt worden seien, statt sich auf die bis dahin vorliegenden Fakten zu beschränken. Das hätte nicht geschehen dürfen. Die Stellungnahme der Redaktion sei sowohl in der Online- als auch in der Print-Ausgabe veröffentlicht worden. Auch habe man den Kommentar sofort aus der Internetausgabe entfernt und sich bei den Lesern entschuldigt. (2011)
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„Duisburg und Norwegen im Schmerz verbunden“ – so überschreibt eine Regionalzeitung einen Kommentar anlässlich einer Gedenkfeier für die 21 Opfer der Duisburger Loveparade. Der Autor verweist darauf, dass bei dieser Veranstaltung auch eine Fürbitte für die 77 Toten in Norwegen gesprochen worden sei. Er schreibt, dass nur nächste Angehörige nachempfinden könnten, was nun Eltern, Geschwister und Freunde der getöteten norwegischen Jugendlichen durchleiden müssten. Zur Loveparade schreibt der Kommentator: „Schlampige, ignorante Planer und fahrlässige oder schlichtweg überforderte Organisatoren tragen für den Verlust ihrer Liebsten die Verantwortung. Die Verantwortung übernehmen will indes bislang niemand. Die Gerichte werden – wann auch immer – entscheiden, ob Schuldige auszumachen sind.“ Im weiteren Verlauf verweist der Autor auf die Taten des vermutlich rechtsradikalen Norwegers, der zum Attentäter wurde. Am Ende fasst er die beiden unterschiedlichen Tragödien wie folgt zusammen: „Duisburg hätte durch verantwortliche Vorbereitung verhindert werden können, Norwegen dagegen wohl kaum. (…) Was leider bleibt, ist die dumpfe, furchtbare Gewissheit, dass es auch künftig weitere Katastrophen und Tragödien wie in Duisburg und Norwegen mit vielen Opfern und Trauernden geben wird.“ Ein Vertreter der Stadt Duisburg empfindet die Verknüpfung der Tragödie von Duisburg mit dem Massaker von Norwegen als eine Zumutung. Er verweist darauf, dass das Unglück der Loveparade immer noch Gegenstand eines rechtsstaatlichen Ermittlungsverfahrens mit offenem Ausgang sei. Beide Ereignisse seien zwar furchtbar, jedoch miteinander nicht vergleichbar. Insbesondere beklagt er eine Vorverurteilung, da noch nicht geklärt sei, ob die Loveparade schlampig oder ignorant geplant worden sei. Bis zur juristischen Klärung habe für alle Beteiligten, insbesondere in der medialen Betrachtung die Unschuldsvermutung zu gelten. Der Autor des Kommentars vermittle den Eindruck, als ob Schuld und Verantwortung schon gerichtlich festgestellt worden seien. Dies sei eine Vorverurteilung und gefährde eine unvoreingenommene und objektive Aufarbeitung des Duisburger Unglücks. Die Chefredaktion der Zeitung stellt fest, es sei wohl unbestritten, dass von Planern und Organisatoren der Loveparade bei Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung Fehler gemacht worden sein müssen. An keiner Stelle im Kommentar werde gesagt, wer von den Verantwortlichen Fehler gemacht habe. Mithin sei niemand vorverurteilt worden. (2011)
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Gedruckt und online teilt eine Boulevardzeitung ihren Lesern mit, dass sie nach dem Massaker von Norwegen der getöteten Menschen gedenkt. Sie tut das mit einer Fotostrecke, in der Opfer zu sehen sind. Deren Namen und Alter werden genannt. Die Zeitung schreibt dazu: „So viel Freude, so viel Kraft, so viel Zukunft ist in diesem Gesichtern. Lachen, jugendliche Verträumtheit, wilde Energie. Zu viel Leben, um glauben zu können, dass diese Menschen wirklich tot sind. Ermordet am 22. Juli in Oslo und auf Utøya.“ Am Ende des Beitrages schreibt die Redaktion: „Zu dem Gedenken an die Toten von Norwegen erscheint (…) heute zum ersten Mal ohne Schlagzeile.“ Für eine Leserin der Zeitung ist es an Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten, die Gesichter der norwegischen Jugendlichen abzudrucken. Sie empfinde es als entwürdigend, verletzend, demütigend und qualvoll für alle Menschen, die in Norwegen im Moment durch eine Hölle gingen. Die Beschwerdeführerin spricht von einer Schande für die deutsche Presse. Die Rechtsabteilung der Zeitung beruft sich auf das hohe Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Die Redaktion habe nur Bilder verwendet, die auch schon in norwegischen Medien erschienen seien. Dabei seien weder die Interessen der Opfer noch die ihrer Angehörigen verletzt worden. Die notwendigen Abwägungen mit Persönlichkeitsrechten und Interessen der betroffenen Familien seien gewissenhaft getroffen worden. Die vollständige Namensnennung sei dadurch gerechtfertigt gewesen, dass der Amoklauf in Norwegen eben kein Regelfall nach Richtlinie 8.1 gewesen sei. (2011)
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„Kehrmännchen auf A 44 tot gefahren“ titelt die Regionalausgabe einer Boulevardzeitung. Berichtet wird über einen Fall, bei dem ein 42-jähriger Straßenwärter tödlich verletzt worden war. Auf einem Foto sind die abgedeckte Leiche des Mannes sowie eine Blutspur zu sehen. Die Rechtsvertretung der Hinterbliebenen des Getöteten kritisiert sowohl die Veröffentlichung des Fotos als auch die Bezeichnung „Kehrmännchen“. Der Bericht sei reißerisch aufgemacht und überschreite die bei einem so tragischen Unfall gebotene sachliche Information. Die Bezeichnung „Kehrmännchen“ sei herabwürdigend. Die Rechtsabteilung des Verlages teilt mit, dass der Unfallbericht nur in der Regionalausgabe erschienen sei. Sie legt ihrer Antwort an den Presserat eine Kopie ihres Entschuldigungsschreibens an den Rechtsanwalt der Hinterbliebenen bei. In dem Brief bedauert der Verlag zutiefst, dass die Beschwerdeführer sich durch die Veröffentlichung des Fotos und durch die Bezeichnung „Kehrmännchen“ verletzt fühlen. Dafür bitte man ausdrücklich im Namen der gesamten Redaktion um Entschuldigung. Der Begriff sei keineswegs gewählt worden, um Straßenwärter zu verunglimpfen. Die Redaktion habe vielmehr versucht, statt des nüchternen Begriffs „Straßenwärter“ eine Formulierung finden, die das Menschliche hinter dieser Berufsbezeichnung hervorhebe. Der Begriff „Kehrmännchen“ sei in der Region geläufig und werde als Bezeichnung für die fleißigen Kräfte verwendet, die quasi unbemerkt am Werk seien und der Bevölkerung durch ihre Arbeit das Leben ein Stück erleichtern. Insofern habe man die Bezeichnung durchaus mit Bedacht gewählt. Dies spiele allerdings keine Rolle mehr, wenn sich Hinterbliebene durch diese Formulierung verletzt fühlten. Die Rechtsvertretung des Verlages bietet an, eine Entschuldigung in der Regionalausgabe zu veröffentlichen. Man vermute jedoch, dass ein solches Vorgehen die Gefühle der Angehörigen erneut unnötig verletzen würde. (2011)
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Eine Boulevardzeitung präsentiert auf der Titelseite den norwegischen Amokläufer Breivik in einer Phantasieuniform mit angelegtem Gewehr. Der Beitrag hat die Überschrift „Der Massenmörder“ und ist mit weiteren Fotos illustriert. Sie zeigen ein zerstörtes Bürohaus in Oslo, die weinende Prinzessin Mette-Marit sowie Helfer und Überlebende auf der Insel Utøya. Eine Leserin der Zeitung sieht in der Veröffentlichung eine unangemessen sensationelle Darstellung nach Ziffer 11 des Pressekodex. Sie kritisiert vor allem die Bildauswahl. Das Foto des Amokläufers Breivik mache aus dem Mörder einen „Helden“. Die Zeitung setze genau das um, was der Täter sich erträume und jahrelang vorbereitet habe: Einmal in der Öffentlichkeit zu stehen. Er suche ein Forum für seine Person und seine abstrusen Ideen. Genau dies biete ihm die Zeitung. Die Beschwerdeführerin arbeitet nach eigenen Angaben mit Kindern und Jugendlichen. Deshalb wisse sie, wie ein solches Bild auf männliche Jugendliche wirke. Diese fänden einen solchen Mann einfach „cool“. Mit einem solchen „Heldenfoto“ mache sich die Zeitung mitverantwortlich für zukünftige ähnliche Taten. Der stellvertretende Chefredakteur antwortet mit dem Hinweis, dass die Redaktion der Beschwerdeführerin die Beweggründe zur Gestaltung der Titelseite in einem längeren Brief erläutert habe. Er widerspricht dem Vorwurf, die Zeitung habe die Ereignisse von Norwegen unangemessen sensationell dargestellt. Zur Wirkung dieser Titelseite auf Kinder und Jugendliche könne er keine Aussagen machen, fährt der stellvertretende Chefredakteur fort. Es gebe zwar Studien zu Suizid und Amokläufen, die eine Nachahmung solcher Taten für möglich hielten. Diese beschäftigten sich aber nicht explizit mit Heranwachsenden oder mit einem Tathergang, der mit den Geschehnissen in Norwegen vergleichbar wäre. Die Studien wiesen aber darauf hin, dass solche Taten eher nachgeahmt würden, je sympathischer und verstehbarer sie dargestellt würden. Dies sei in dieser Zeitung aber nicht geschehen. (2011)
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„Diesen Entführer soll (…) nicht mehr zeigen dürfen“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung über den Prozessauftakt im Fall einer Kindesentführung. Sie hatte schon nach der Entführung ein ungepixeltes Foto des damals Festgenommenen abgedruckt. Die Folge war eine nichtöffentliche Rüge. Auch jetzt – beim Prozessauftakt – zeigt die Zeitung den Angeklagten ungepixelt. Der Autor berichtet über die Kritik des Presserats an der unverfremdeten Darstellung des Angeklagten in diesem und in anderen Fällen. Die Zeitung sei jedoch anderer Meinung. Sie glaube, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf habe zu erfahren, wie ein Vergewaltiger, ein Kinderschänder und ein Mörder aussehe. Daher zeige sie die Täter unverfremdet. Die Zeitung ruft ihre Leser auf, dem Presserat ihre Meinung zu sagen. Eine Leserin der Zeitung kritisiert, dass der mutmaßliche Entführer trotz der nicht-öffentlichen Rüge des Presserats weiterhin gezeigt werde. Dadurch würden dessen Persönlichkeitsrechte verletzt. Die Rechtsabteilung der Zeitung ist der Auffassung, dass die Redaktion mit der Veröffentlichung ihre Chronistenpflicht erfüllt habe. Sie führt eine Reihe weiterer Gründe für die Zulässigkeit der Veröffentlichung an. So sei der Angeklagte mittlerweile rechtskräftig verurteilt worden. Der Prozess habe ein besonderes öffentliches Interesse gefunden. Der Angeklagte habe gestanden. In diesem Fall überwiege das öffentliche Interesse die Persönlichkeitsrechte des Täters. (2011)
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