Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
6739 Entscheidungen

Unis wussten nichts von der Doppelprofessur

Die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung berichtet über den Prozess gegen einen Professor, der sich wegen Betrugs und Steuerhinterziehung vor einem Landgericht habe verantworten müssen. Zwischen 1996 und 2001 habe der Diplom-Kaufmann und Diplomingenieur je eine Professur an zwei Hochschulen inne gehabt. Beide Hochschulleitungen wussten vom jeweils anderen Job nichts. Die Zeitung berichtet, nach Schätzungen des zuständigen Ministeriums habe der Mann zwischen 2500 und 4000 Euro zusätzlich bezogen. Zum Jahreswechsel 2001/2002 sei die doppelte Professur aufgefallen. In einem weiteren Artikel berichtet die Zeitung über ein anderes Verfahren, diesmal vor dem Verwaltungsgericht. Dort habe der Hochschullehrer gegen die Aberkennung seines Status als Beamter auf Lebenszeit geklagt. Das Gericht habe die Klage abgewiesen. Der Mann schaltet den Presserat ein, weil die Artikel nach wie vor im Internet aufrufbar seien. Dadurch sieht er seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Es sei nicht von öffentlichem Interesse gedeckt, dass er mit vollem Namen genannt werde. Er sieht sich an einen Medienpranger gestellt und meint, die Presse habe sein Resozialisierungsinteresse zu beachten. Nach Meinung des Chefredakteurs der Zeitung ist die Nennung des Namens nicht zu beanstanden. Der Fall habe seinerzeit großes Aufsehen erregt und den Hochschullehrer ausschließlich in seiner Eigenschaft als (doppelten) Amtsträger betroffen. Der Verlag habe gleichwohl Verständnis dafür, dass der Mann die Abrufbarkeit der betreffenden Artikel als unangenehm empfindet. Man habe sie deshalb entfernt. (2010)

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Rauchbomben im Gästeblock des Stadions

Die Online-Ausgabe einer Großstadtzeitung berichtet über einen mutmaßlichen Täter, der Rauchbomben im Gästeblock eines Bundesligastadions deponiert haben soll. Er wird mit Vornamen und Initial des Nachnamens benannt. Auch wird erwähnt, dass er Vorsitzender eines bestimmten Fan-Clubs sei. Auch sein Wohnort – zugleich Sitz des Fan-Clubs – wird genannt. Details aus seiner Schullaufbahn sowie seiner Vereinstätigkeit werden beschrieben. Ein Nutzer der Online-Ausgabe sieht einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex und hier die Absätze 1 bis 4, weil der mutmaßliche Täter erkennbar sei. „Binnen Sekunden“ könne man im Internet erfahren, um wen es sich hier handele. Es gehe im vorliegenden Fall nicht um ein Kapitalverbrechen. Deshalb greife Absatz 4 nicht, der im Ausnahmefall und in schweren Fällen Ausnahmen bei der identifizierenden Berichterstattung zulasse. Der Beschwerdeführer erkennt deshalb in diesem Fall einen „anstandslosen Sensationsjournalismus“. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung widerspricht dem Beschwerdeführer. Es gehe hier nicht um ein Bagatelldelikt, sondern um eine ernstzunehmende Straftat. Der Beschuldigte sei sogar in Untersuchungshaft genommen worden. Ihm drohten bis zu fünf Jahre Haft. Es sei der Zeitung nicht anzulasten, dass der Beschuldigte durch das Internet möglicherweise identifiziert werden könne. Dieser sei selbst im Internet aufgetreten. Dabei habe er in Text und Bild Werbung für seinen Fan-Club gemacht. Die Straftat, die dem Mann vorgeworfen werde, stehe im Zusammenhang mit seinem Fußball-Engagement. So seien die Angaben zu seinem Fan-Club relevant, zumal er gemeinsam mit Gleichgesinnten für diesen in der Öffentlichkeit martialisch auftrete. (2011)

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„Knöllchen-Horst“ zieht durch die Stadt

„Knöllchen-Horst kostet mich 2.500 Euro!“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Im Bericht geht es um einen Mann, der in einer Kleinstadt durch die Straßen zieht und Parksünder aufschreibt. „Mehr als 14.000 Parksünder verdanken ihr Bußgeld dem Frührentner“, schreibt die Zeitung. Der Mann wird als mit Vornamen und abgekürztem Nachnamen beschrieben. Ein Autohändler berichtet laut Bericht darüber, wie er mit dem „Hobby-Sheriff“ in Streit geraten sei. Ergebnis: Am Autohändler blieben 2.500 Euro Schmerzensgeld bzw. Schadenersatz hängen. Zum Beitrag gehören zwei Fotos. Eines zeigt den Autohändler, das andere „Knöllchen-Horst“. Ein Nutzer des Internet-Auftritts sieht den Mann an den Pranger gestellt. Er hält die identifizierbare Abbildung nicht vereinbar mit den Persönlichkeitsrechten nach Ziffer 8 des Pressekodex. Die Rechtsabteilung der Boulevardzeitung steht auf dem Standpunkt, die Berichterstattung sei wegen des öffentlichen Interesses nicht zu beanstanden. 14.000 Menschen seien durch das „Hobby“ von „Knöllchen-Horst“ betroffen. Diese Tatsache stütze die Meinung, dass es sich bei dem Mann um eine Person des öffentlichen Interesses handele. Der selbsternannte „Hilfs-Sheriff“ suche bewusst die Öffentlichkeit und gefalle sich in der Rolle eines Einzelkämpfers. Er sende regelmäßig Faxe an die Redaktion, in denen er über seine Tätigkeit berichte. Auch kommentiere er die Medienberichte, die sich seinem Tun widmeten. Auch im Fernsehen habe man ihm bei der Arbeit zusehen können. (2011)

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OB-Abwahl scheitert an einem Formfehler

Der Oberbürgermeister einer Stadt soll abgewählt werden. Bei der Einladung zu der entscheidenden Sitzung passiert ein Formfehler. Der Termin wird abgesagt; ein neuer muss gefunden werden. Die örtliche Zeitung berichtet über den Vorgang. Sie nennt den Namen des städtischen Bediensteten, der die Einladung schreiben und versenden sollte und dem der Formfehler unterlaufen war. Im Artikel steht die folgende Passage: „Entweder handelt es sich dabei um einen fahrlässigen Riesen-Lapsus von Beteiligten oder um diesen in Kombination mit einem intrigenhaften Vorgehen im Rathaus.“ Fehlerhaft bei der ursprünglichen Einladung sei die Nennung eines falschen Wochentages gewesen. Die Bürgermeisterin habe sie wohl ungelesen unterschrieben und sei danach in den Urlaub gefahren. Die Zeitung schreibt von „beißendem Spott“, der von der örtlichen CDU über der Stadtverwaltung ausgegossen worden sei. Der städtische Bedienstete, dem der Fehler unterlaufen war, sieht sich in seinen Persönlichkeitsrechten und in seiner Ehre verletzt, weil die Berichterstattung sich auf ihn bezogen habe. Die Stadtverwaltung trete nach außen immer als Einheit auf. Ansprechpartner der Medien seien neben dem Oberbürgermeister die Fachbereichsleiter und die Pressestelle. Er selbst habe keine Führungs- und Leitungsfunktionen inne, so dass er nicht „als öffentliche Person“ angesehen werden könne. Eine personenbezogene Berichterstattung sei nicht gerechtfertigt. Die Zeitung suggeriere, er habe den Formfehler möglicherweise absichtlich begangen. Das komme nahe an den Tatbestand der Verleumdung heran. Außerdem sei die Angelegenheit aufgebauscht und reißerisch dargestellt worden, ohne dass ein materieller oder gar personeller Schaden entstanden sei. Lediglich die Verwechslung eines Wochentages habe zur Verlegung der Ratssitzung geführt. Nach Darstellung des Chefredakteurs der Zeitung hat die Redaktion den Formfehler bemerkenswert gefunden, weil er sich in der nächsten Umgebung des Oberbürgermeisters abgespielt habe, dessen Abwahl der Grund für die Sitzung des Rates gewesen sei. Der Sachbearbeiter habe sich die anschließende Korrektur seines Fehlers zu leicht gemacht. Die wenig bedeutsame Rolle, die der Bedienstete für sich reklamiere, sei wohl so nicht gegeben. Nach Meinung des Chefredakteurs sei seine Position innerhalb der Stadtverwaltung durchaus herausgehoben. Dies lasse sich auch dadurch belegen, dass der städtische Bedienstete bei seinem Amtsantritt in der Zeitung vorgestellt worden sei. Er habe die Stadt im Übrigen bei regionalen Großveranstaltungen repräsentiert und sei damit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt geworden. (2011)

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„Die kleinen Augen wirken kalt“

„Verriet das Handy Mircos Killer?“ – so überschreibt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung einen Bericht über die erfolgreiche Suche der Polizei nach einem Mann, dem die Tötung eines Zehnjährigen vorgeworfen wird. Dem Bericht ist ein Bild des Verdächtigen beigestellt. Es ist ungepixelt. Der Bildtext: „Auf dem Foto aus dem Knast wirkt Mircos Killer aufgedunsen, hat die Lippen aufeinander gepresst. Die kleinen Augen wirken kalt, blicken teilnahmslos in die Kamera“. Ein Leser übt Kritik daran, dass die ungepixelte Darstellung des mutmaßlichen Täters gegen dessen Persönlichkeitsrechte verstoße. Der Mann sei klar zu identifizieren. Die Bildunterschrift spreche von purer Sensationslust. Die Zeitung – so der Beschwerdeführer weiter – mache sich auch der Vorverurteilung schuldig, wenn sie den Mann als „Mircos Killer“ bezeichne. Die Rechtsabteilung der Zeitung verweist auf besondere Umstände im „Fall Mirco“. Der Fall habe bundesweites Interesse gefunden. Nach der Entführung des Kindes habe die Polizei den Täter in ganz Deutschland gesucht. Es sei eine der größten Suchaktionen in der deutschen Kriminalgeschichte gewesen. Schließlich sei ein 45-jähriger Familienvater festgenommen worden, der den Jungen sexuell missbraucht und dann getötet habe. Die Öffentlichkeit stelle sich die Frage, warum ein treusorgender Familienvater einen wehrlosen Jungen getötet habe. Vor diesem Hintergrund habe ein überragendes Informationsinteresse am Abdruck des Fotos bestanden. Ein entscheidender Grund für diese Art der Berichterstattung sei das umfassende Geständnis gewesen, das der mutmaßliche Täter abgelegt habe. Mit Blick auf die Ziffer 13 des Pressekodex (Unschuldsvermutung) weist die Zeitung daraufhin, dass die Presse eine Person als Täter bezeichnen dürfe, wenn ein Geständnis abgelegt sei und zudem Beweise gegen sie vorlägen. Beides sei im „Fall Mirco“ der Fall gewesen. Den Vorwurf, mit der Bildunterschrift gegen Ziffer 1 des Pressekodex zu verstoßen, weist die Rechtsabteilung zurück. Eine unangemessen sensationelle Darstellung liege nicht vor. Die Redaktion habe lediglich wiedergegeben, wie das veröffentlichte Foto des Tatverdächtigen auf sie gewirkt habe. (2011)

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Lehrer muss sich wegen Missbrauchs verantworten

„Lehrer sitzt in U-Haft“ und „Pädagoge soll elfjähriges Mädchen belästigt haben“ – unter diesen Überschriften berichtet eine Regionalzeitung über einen 48-jährigen Lehrer, der wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs eines Mädchens in Untersuchungshaft sitzt. Die Zeitung berichtet, der Vorfall habe sich in einem Schwimmbad abgespielt. Sie nennt den Ort, aus dem der Mann kommt und wo er heute in einer Zweitwohnung lebt. Der Lehrer unterrichte an einer bestimmten Schule mit angeschlossenem Internat. Mit Missbrauchsfällen in deren Umfeld sei er nicht in Verbindung zu bringen. Die Mitarbeitervertretung der Schule sieht diese durch die Berichterstattung in Verruf gebracht. Die angebliche Tat habe nicht in der Schule, sondern in einem Schwimmbad stattgefunden. Trotzdem werde jedoch die Schule genannt und mit dem Hinweis auf das Internat, eine von der Schule getrennte Einrichtung, in Verbindung gebracht. Außerdem sei der betreffende Lehrer durch detaillierte Angaben identifizierbar gemacht worden. Die Rechtsabteilung der Zeitung stellt fest, dass der Beschwerdeführer die Darstellung des Sachverhalts in den Beiträgen nicht bestreite. Gleichzeitig betont sie, dass der betreffende Pädagoge nach derzeitigem Kenntnisstand wegen des Vorfalls angeklagt und rechtskräftig verurteilt worden sei. Dem Mann sei bereits Wochen vor Prozessbeginn von der Schule gekündigt worden. Unabhängig vom konkreten Fall sei er schon ein Jahr zuvor in einem Schwimmbad aufgefallen, wo er sich Kindern genähert haben soll. Bereits damals sei er von der Kriminalpolizei vernommen worden. Der Schule sei auch bekannt, dass der Mann eine Sexualtherapie begonnen habe. Die Rechtsabteilung argumentiert weiter, die Redaktion habe auf die Nennung des Namens des Betroffenen verzichtet. Die kritisierte Veröffentlichung von Einzelheiten sei gerechtfertigt, da ein dringender Tatverdacht vorgelegen habe. Dieser habe zur Untersuchungshaft geführt. Hinzu komme ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit an diesem Fall, da es im Nachbarinstitut der Schule, dem Internat, in der jüngeren Vergangenheit Missbrauchsfälle gegeben habe. (2011)

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Die Leser hätten informiert werden müssen

Unter der Überschrift „Grundrecht gebrochen“ kommentiert eine Regionalzeitung den Beschluss eines Studentenparlamentes, das Studenten verboten habe, für die studentischen Medien zu arbeiten. Der Kommentator sieht Parallelen zu den umstrittenen Beschlüssen zur Beschränkung der Pressefreiheit in Ungarn. Die Zeitung informiert am Ende des Kommentars darüber, dass der Autor an der Uni studiert, über deren Studentenparlament er schreibt. Eine Leserin wirft der Zeitung vor, dass der Kommentator eine Praxis beschreibe, von der der selbst als Einziger betroffen sei. Es handele sich um den ehemaligen Chefredakteur des studentischen Monatsmagazins, dem ein Publikationsverbot auferlegt worden sei, weil er sich gegenüber einem AStA-Referenten öffentlich falsch verhalten habe. Das Verbot sei nach einer Woche wieder aufgehoben worden. Es sei ein Unding, dass die Zeitung den Kommentar abdrucke, ohne den Hintergrund des Autors zu überprüfen und zu erläutern. Dadurch sei die Glaubwürdigkeit, die Objektivität und die Sorgfaltspflicht -der Zeitung in Frage gestellt worden. Die Zeitung lässt den Autor auf die Beschwerde antworten. Er bestätigt, dass er in Folge einer privaten Auseinandersetzung vom Studierendenparlament mit einem Publikationsvorbehalt belegt worden sei. Dieser sei von der Rechtsabteilung der Universität zurückgewiesen worden. Seine Beiträge hätten veröffentlicht werden können. Daraufhin sei der Vorbehalt vom Studierendenparlament durch eine Rüge und den folgenden Beschluss ersetzt worden: „Das Studierendenparlament erwartet, dass für die …-Medien nur Redakteure schreiben dürfen, die die grundsätzliche Ausrichtung der Studentenschaft teilen“. Sein Kommentar – so der Autor weiter – habe sich nur auf diesen Satz des neuen Beschlusses bezogen. Beispielsweise dürfe ein Student nicht mehr in einem studentischen Medium für Studiengebühren argumentieren, da sich die Studierenden gegen sie positioniert hätten. Ziel sei es gewesen, auf diesen Umstand kritisch hinzuweisen. Die Chefredaktion ergänzt die Stellungnahme mit der Information darüber, dass es sich in diesem Fall um Beiträge handele, die ausschließlich von Studenten geschrieben würden. Die subjektive Sicht der Dinge sei beabsichtigt. (2011)

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Ein Bürgermeister geht auf Tauchstation

Eine Regionalzeitung veröffentlicht ein fiktives Interview mit dem Bürgermeister einer Stadt im Verbreitungsgebiet. Nachdem dieser wieder einmal nicht für ein Gespräch zur Verfügung stand, habe die Redaktion die eigentlich an das Stadtoberhaupt gerichteten Fragen selbst beantwortet. Der verantwortliche Redakteur sagt dazu: „Dabei legten wir bekannte Tatsachen zugrunde und nutzten frühere Aussagen (…).Manche Antworten in unserem fiktiven Interview ergeben sich indes aus einem logischen Zusammenhang.“ Ein Leser hält es für einen Verstoß gegen den Pressekodex, wenn eine Zeitung ein fiktives Interview mit einer real existierenden Person veröffentlicht. Nach Darstellung des Chefredakteurs geht es um eine Ferienanlage, ein ehrgeiziges Projekt des Bürgermeisters. Bei diesem Thema sei die Leserschaft seit Jahren in Befürworter und Gegner gespalten. Im Lauf der Zeit habe sich herauskristallisiert, dass sich wohl kein Investor für das Projekt finden werde. Je düsterer die Lage geworden sei, umso mehr sei der Bürgermeister der Redaktion gegenüber auf Tauchstation gegangen. Interviews seien erst zu- und dann wieder abgesagt worden. Schriftlich eingesandte Fragen seien unbeantwortet geblieben. Die Redaktion habe sich schließlich zu dem fiktiven Interview entschlossen, das die unbeantworteten Fragen habe dokumentieren sollen. Der Antwortpart des Bürgermeisters wäre dann mit sattem Weißraum zu erkennen gewesen, um dessen Sprachlosigkeit zu dokumentieren. Alternativ habe es den Plan gegeben, die sich am meisten aufdrängenden Fragen zum Thema aufzulisten und aus dem Kenntnisstand der Redaktion zu beantworten. Im Laufe des Produktionstages seien beide Stilformen von der Redaktion vermischt worden und dann – in Überschrift und Vorspann eindeutig ausgewiesen – als fiktives Interview veröffentlicht worden. Von vielen Lesern sei diese Form akzeptiert worden. Andere hätten empört reagiert. Die Zeitung habe sich noch am Erscheinungstag in ihrer Online-Ausgabe und tags darauf in allen Printausgaben entschuldigt. Der Chefredakteur spricht von einem Fehler, den die Redaktion gemacht habe. Auch habe es ein Kommunikationsproblem zwischen Lokal- und Chefredaktion gegeben. Der Chefredakteur stellt fest, dass er nur die Version ohne Antworten gesehen habe. Er halte beide Versionen für statthaft, aber auch ein wenig frech. Das komplett fiktive Interview gehe ihm zu weit, selbst wenn es als solches kenntlich gemacht worden sei. Es sei jedenfalls kein Stilmittel, das die Zeitung künftig wieder nutzen werde, sondern Ergebnis einer Panne und als solche für die Redaktion abgehakt. (2011)

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Interview-Mittelpunkt: Der Brotaufstrich

Ein Spieler der Fußball-Bundesliga verbringt fünf Tage in Südafrika, um dort einen Werbespot zu drehen. Das beworbene Produkt ist ein Brotaufstrich. Eine Boulevardzeitung führt mit dem Spieler in Spanien ein Interview. Dabei wird der Brotaufstrich in der Überschrift und im Text genannt. Zum Beitrag gestellt sind zwei Fotos, die den Interviewer mit dem Fußball-Profi beim gemeinsamen Frühstücksgespräch zeigen. Gut sichtbar auf dem Tisch: Wiederum ein Glas mit dem Logo des Brotaufstrichs. In der Bundesausgabe der Zeitung erscheint am gleichen Tag eine Meldung, wonach der Spieler dem Interviewer gegenüber geäußert habe, seinen Verein nicht verlassen zu wollen, um zu einem anderen Club zu gehen. Ein Leser der Zeitung sieht Schleichwerbung für den Hersteller des Brotaufstrichs. Die Rechtsabteilung der Zeitung räumt ein, dass die Redaktion einen Fehler gemacht habe. Zwar machten mehrere Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft Werbung für den Aufstrich und seien damit in der Öffentlichkeit bekannt. Auch sei es in dem Interview um sportliche Themen gegangen und nicht um das genannte Produkt. Dennoch hätte die penetrante Nennung des Erzeugnisses nicht sein dürfen. Die Chefredaktion habe den Beitrag umgehend moniert. Leider sei dieser zu diesem Zeitpunkt bereits von der Online-Ausgabe übernommen worden. Die Mitteilung in der Bundesausgabe, wonach der Spieler sich anlässlich eines Werbedrehs über seinen „Nicht-Wechsel“ zu einem anderen Verein geäußert habe, sei aus Sicht der Zeitung jedoch unbedenklich. (2011)

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„Rauchen“ trotz des Rauchverbots

„Mit Wasserdampf ums Rauchverbot“ – unter dieser Überschrift veröffentlicht die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung einen Beitrag, in dem es um eine elektronische Zigarette geht, die ein Tüftler aus Bayern entwickelt hat. Es handelt sich um eine Art Mini-Wasserpfeife, die wie eine Zigarette aussieht und ähnlich schmeckt. Der Beitrag enthält Informationen über das Produkt und den Hersteller. Die Internetadresse des Herstellers fehlt ebenso wenig wie exakte Preisangaben. Ein Leser wirft der Zeitung Schleichwerbung vor. Nach seiner Ansicht ist das ein klarer Fall von Product Placement. Die Redaktion habe überdies unzureichend recherchiert. Der Leser wirft der Redaktion schließlich vor, dass durch die Löschung von Leserkommentaren der Eindruck erweckt werde, als wolle die Redaktion die Aufklärung der Öffentlichkeit über den Vorgang verhindern. Der Chefredakteur weist eingangs darauf hin, dass die Zeitung für die Veröffentlichung kein Geld bekommen habe. Das Rauchverbot sei gerade in Bayern ein beherrschendes Thema. Zudem sei Rauchen vor allem zum Jahreswechsel immer wieder Anlass für Diskussionen. Ein Konzept, das den Rauchern trotz Rauchverbots den Konsum von Nikotin auch in Gaststätten erlaube, sei eine interessante Idee und als solche auch berichtenswert. Den Hinweis auf die Internetseite des Herstellers sieht der Chefredakteur als Leserservice. Von einem angeblichen „dubiosen oder gar kriminellen Hintergrund“ des Anbieters sei dem Verlag nichts bekannt. Unhaltbar sei auch der Vorwurf, die Zeitung verhindere in ihrem Forum eine Aufklärung zu dem Produkt. Entfernt worden seien nur Kommentare, die die Ebene sachlicher Kritik verlassen hätten (2010)

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