Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
6739 Entscheidungen

Chef für einen Tag macht kräftig Werbung

Chefredakteur für einen Tag – an dieser Aktion beteiligt sich auch eine Regionalzeitung, die eine ihrer Ausgaben von einem Außenstehenden machen lässt. Diesmal ist der Chef einer Krankenkasse dran. Der „Chef für einen Tag“ wird auf der Titelseite mit einem vierspaltigen Foto vorgestellt. Im Bildtext weist die Zeitung darauf hin, dass die am nächsten Tag erscheinende Ausgabe viele Beiträge zum Thema Gesundheit enthalten werde. Der Gast-Chefredakteur schreibt an diesem Tag auch den Leitartikel. Das Thema steht schon in der Überschrift. Die lautet: „Überschüsse sinnvoll und sicher anlegen“. Im Innern der Ausgabe stehen mehrere Beiträge, die sich in erster Linie mit Aktivitäten dieser Krankenkasse beschäftigen. Ein Leser der Zeitung sieht einen Verstoß gegen das in Ziffer 7 des Pressekodex definierte Gebot der klaren Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten. Der Chef der Krankenkasse befasse sich nur mit Leistungen seines Unternehmens. Konkurrenten kämen nicht zu Wort. Der Beschwerdeführer moniert zudem, dass die Ausgabe nicht als Sonderveröffentlichung gekennzeichnet sei. Der Chefredakteur der Zeitung berichtet über die Aktion seines Blattes, mehrmals im Jahr Persönlichkeiten aus allgemein interessierenden Themenbereichen zu „Chefredakteuren für einen Tag“ zu machen. Für das Thema „Was ist uns die Gesundheit wert?“ habe man den Chef der größten gesetzlichen Krankenkasse eingeladen. Die AOK Plus sei eine öffentlich-rechtliche Körperschaft und zugleich Träger der Krankenversicherung sowie Teil des Gesundheitssystems und der Sozialversicherung. Insgesamt habe die Redaktion gemeinsam mit dem „Chefredakteur für einen Tag“ acht Beiträge zum Thema Gesundheit erarbeitet.

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Ex-Chefarzt in ein falsches Licht gerückt

Mit zwei Beiträgen berichtet ein Internetportal über die Probleme eines Krankenhauses. Im ersten Artikel geht es um die Aussage des Klinik-Geschäftsführers zu einem Gutachten, aus dem hervorgehe, dass das Krankenhaus wirtschaftlich nicht mehr weitergeführt werden könne. Die Zeitung schreibt: „Nach Meinung der Gutachter können die finanziellen Verluste, die sich im vergangenen Jahr auch durch die Abfindung für (den ehemaligen Chef der Chirurgie, d. Red.) auf 1,4 Millionen Euro beliefen, lediglich reduziert werden“. Eine Woche später berichtet das gleiche Medium über ein zweites Gutachten, das der Vorstand des Krankenhauses in Auftrag gegeben hatte. Auch hier ist die Rede davon, dass das Defizit des Hauses insgesamt 1,4 Millionen Euro betrage und dass darin die Abfindung für den ehemaligen Chefarzt der Chirurgie enthalten sei. Dieser wird im Beitrag mit den Worten zitiert: „Ich habe keine Abfindung von der Hospitalvereinigung erhalten. Wer das Gegenteil behauptet, den werde ich verklagen.“ Er ist in diesem Fall auch der Beschwerdeführer. Er wirft der Redaktion in beiden Veröffentlichungen ehrverletzende und falsche Behauptungen vor. Es werde der Eindruck erweckt, als sei eine wie immer geartete Abfindung zumindest teilweise für das Krankenhaus-Defizit verantwortlich. Dies halte er für eine Verleumdung und eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte. Die Redaktion stelle reine Spekulationen in den Raum, die ihn in seinem Umfeld in ein schlechtes Licht setzten. Die Internet-Beiträge stammen aus einer Printausgabe, deren Redaktionsleiter sich auf Aussagen während einer Pressekonferenz der Katholischen Kliniken im Landkreis stützt. Die Redaktion habe die dort gemachten Angaben korrekt wiedergegeben. Der Redaktionsleiter teilt auch mit, dass der Konflikt im persönlichen Gespräch mit dem Beschwerdeführer ausgeräumt worden sei. Ergebnis dieses Gesprächs: Für den früheren Chefarzt sei die Angelegenheit damit erledigt gewesen.

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Partei-Pressemitteilung ohne Quellenangabe

„Zahnarzt fühlt FDP auf den Zahn“ titelt eine Regionalzeitung. Es geht um eine Kritik der FDP an der neuen Gebührenordnung für Zahnärzte. Zum Beitrag gehört ein Foto, das den Kreisvorsitzenden der FDP auf einem Zahnarztstuhl zeigt. Der Beitrag ist gekennzeichnet mit dem Kürzel „red“; die Quelle des Fotos ist mit „privat“ angegeben. Ein Leser der Zeitung wirft der Redaktion vor, dass sie eine Pressemitteilung der FDP ohne Nennung der Quelle veröffentliche. Die Autoren- bzw. Quellenvermerke verschleierten die Herkunft der Meldung geradezu. Die Pressemitteilung sei im Wortlaut abgedruckt und lediglich um einen Absatz gekürzt worden. Sogar die Überschrift sei von der FDP übernommen worden. Der Beschwerdeführer legt als Beleg die Original-Pressemitteilung vor. Der stellvertretende Chefredakteur beruft sich auf Ziffer 1, Richtlinie 1.3, des Pressekodex. Danach müssen Pressemitteillungen als solche gekennzeichnet werden, wenn sie ohne Bearbeitung durch die Redaktion veröffentlicht werden. Im vorliegenden Fall sei ein Absatz gestrichen worden. Im Text habe die Redaktion einige Kleinigkeiten geändert. Der stellvertretende Chefredakteur sieht nicht die Gefahr der Verletzung des Transparenzgebotes.

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„Möglicherweise türkischer Herkunft“

Die Polizei sucht Zeugen für einen brutalen Überfall. Darüber berichtet die örtliche Zeitung unter der Überschrift „Zerborstenes Glas an den Hals“. Tat und Täter werden beschrieben. Zitat: „Von zweien der drei Täter gibt es eine vage Beschreibung. Sie trugen schwarze Jacken, einer mit einem roten Emblem. Alle drei Täter hatten dunkles Haar und sind möglicherweise türkischer Herkunft.“ Am Ende des Berichts werden die Leser um Hinweise an die Polizei gebeten. Eine Telefonnummer wird genannt. Ein Leser der Zeitung sieht einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierungen). Er ist der Meinung, dass die Nennung der möglichen Nationalität der mutmaßlichen Täter ohne begründbaren Sachbezug ist. Die gewählte Formulierung sei dazu geeignet, aggressive Emotionen und rassistische Denkmuster hervorzurufen oder zu verstärken. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung antwortet und legt eine Polizeimeldung bei, auf der der beanstandete Bericht basiert. Die Polizei habe dabei eine Täterbeschreibung abgegeben, wonach die fraglichen Personen ein „südländisches Aussehen, möglicherweise türkisch, hatten“. Dies sei genauso veröffentlicht worden. Er bedauere, wenn hierdurch der falsche Eindruck entstanden sein sollte, dass allein aus der Tat auf eine ausländische Herkunft geschlossen worden sei.

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Minderjähriges Opfer erkennbar dargestellt

Unter der Überschrift „Scheibchenweise die Wahrheit“ berichtet eine Regionalzeitung über den Prozess gegen einen 39-Jährigen, der unter der Anklage steht, seine Nichte sexuell missbraucht zu haben. Der Autor beschreibt den Angeklagten sehr detailliert. Auch werden dessen Wohn- und der Tatort genannt. Der Mann soll seine Stiefnichte mehrfach unsittlich berührt und versucht haben, sie gegen ihren Willen zu küssen. Bei einem Schlachtfest auf dem Hof seines Vaters soll er sich vor dem Mädchen entblößt und die Hand des Mädchens an seinen Penis geführt haben. Die Zeitung beschreibt eine weitere Situation, aus der das Mädchen sich habe befreien können. Die Betroffene ist Beschwerdeführerin. Sie lässt sich von einer Anwältin vertreten. Diese vertritt vor Gericht die Auffassung, dass ihre Mandantin durch die Art der Berichterstattung identifizierbar sei. Auch die Beschreibung der Schlachtfest-Örtlichkeit führe dazu, dass die junge Frau für einen erweiterten Personenkreis erkennbar sei. Das Opfer sei noch minderjährig und werde durch die beschriebenen Details aus der Gerichtsverhandlung in einer unzumutbaren Weise in seinem gesellschaftlichen Leben nachhaltig beeinträchtigt. Der Chefredakteur der Zeitung bedauert in seiner Stellungnahme, dass die Beschwerdeführerin sich durch die Berichterstattung verletzt sieht. Er sieht jedoch keinen Verstoß gegen den Pressekodex. Der Gerichtsbericht sei stark anonymisiert. Auf die genaue Ortsangabe hätte man wohl verzichten können. Dadurch werde jedoch die generelle Anonymisierung nur geringfügig geschmälert. Es sei davon auszugehen, dass die Straftat auch ohne Zutun der Zeitung in dem kleinen Ort nicht im Verborgenen geblieben wäre.

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„Allen Vollidioten in die Hände gespielt“

Das neue Album von Bruce Springsteen ist Thema einer Rezension in der Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins. Im Beitrag heißt es: „Bruce Springsteen spielt mit seinem neuen Album leider allen Vollidioten in die Hände, die seine Musik noch nie verstanden haben“. Im weiteren Verlauf des Beitrages heißt es erneut, dass immer dann, wenn Springsteen eine neue LP veröffentliche, man von „kompletten Vollidioten“, die den Künstler noch nie live erlebt hätten, auf der Straße zugelabert werde. Das Album spiele diesen „Deppen und Medientrotteln“ in die Karten. Ein Leser des Magazins ist der Ansicht, dass die Redaktion in der Rezension alle Menschen, die kein tiefgreifendes Wissen über den Künstler hätten, als komplette Vollidioten und Hohlköpfe beschimpfe. Dies gehe über die Meinungsfreiheit in einem Kommentar hinaus. Die Beleidigung der Leser erfolge grundlos. Grundlos deshalb, weil der Autor nicht erwarten könne, dass sich jedermann tiefgreifend mit der Vita des angesprochenen Künstlers auskenne. Die Rechtsvertretung des Magazins verweist auf eine stilistische Kritik an dem Beitrag, die möglich sei und auch nicht in Abrede gestellt werde. Daraus leite sich jedoch kein Verstoß gegen den Pressekodex ab. Es sei für jeden Leser ersichtlich, dass es sich weder um eine ernst gemeinte Diskriminierung noch eine Schmähung handele. Der Autor habe lediglich umgangssprachlich für eine jüngere Zielgruppe zum Ausdruck bringen wollen, dass ein zu fokussierter Blick auf Springsteens Schaffen gänzlich unvertretbar sei. Dabei sei für jedermann ersichtlich, dass die vermeintlich ausgesprochene herabwürdigende Tendenz ebenso wenig ernst gemeint sei, wie es unter Jugendlichen übliche umgangssprachliche Wendungen und Begrüßungen wie „Dicker“, „Alter“ etc. seien.

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„Zwei Projektile treffen seinen Kopf…“

Der Prozess gegen den norwegischen Massenmörder ist Thema in der Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Diese berichtet über die Verlesung der Anklageschrift und geht detailliert auf Einzelheiten des grausigen Geschehens ein. Es werden Opfernamen genannt. So heißt es in einem Fall: „(…, 18) – Er muss das Blutbad der anderen Opfer im kleinen Cafésaal mit ansehen. Dann wird er mit acht Schüssen hingerichtet. Zwei Projektile treffen seinen Kopf, einer schlägt durch die Stirn ins Hirn. Der andere dringt durch den linken Mundwinkel ein, bleibt im oberen Teil der Wirbelsäule stecken“. Ein Leser der Zeitung kritisiert einen Verstoß gegen die Ziffern 8 (Persönlichkeitsrechte) und 11 (Sensationsberichterstattung/Jugendschutz) des Pressekodex. Die Todesopfer der Gewalttaten würden namentlich und mit ihrem Alter genannt. Die detaillierten Schilderungen seien beispielslos in ihrer Sensationsgier und hätten keinerlei Relevanz für das Verständnis der Taten. Die Opfer würden ohne öffentliches Interesse zu bloßen Objekten herabgewürdigt und in ihrer Menschenwürde verletzt. Die Rechtsabteilung der Zeitung rechtfertigt die Veröffentlichung mit dem hohen Informationsinteresse an der Prozessberichterstattung. Dazu gehöre auch die Schilderung grausamer Realitäten. Nach Abwägung aller Kodex-Anforderungen habe sich die Redaktion zu dieser Art der Darstellung entschlossen und damit in verantwortlicher Weise berichtet. Es seien lediglich Informationen aus der in öffentlicher Verhandlung verlesenen Anklageschrift wiedergegeben worden. Auch die norwegischen Zeitungen hätten die Opfer namentlich genannt und Einzelheiten von Verletzungen und Todesursachen geschildert. Das überragende öffentliche Interesse an dem Prozess um den Mord an 77 Menschen erstrecke sich auch auf die Identität der Opfer. Die Personalisierung der Berichterstattung konkretisiere die Dimension des Ereignisses. Ohne Einbeziehung ihrer Identität würden die Opfer auf anonyme Zahlen in der Verbrechens-Statistik reduziert. Die Wiedergabe der Details habe nichts mit Sensationslust zu tun. Vielmehr verberge sich dahinter der Wunsch, einer breiten Öffentlichkeit das Ausmaß der Tragödie zu vermitteln.

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„Konflikt unter dem Teppich“

Der Beschwerdeführer, Leser der Online-Ausgabe einer Regionalzeitung, sammelt fünf Monate lang 12 Beiträge über Straftaten oder Gerichtsverhandlungen, die sich in einer süddeutschen Großstadt oder in ihrem Umland abspielen. In allen Beiträgen wird die Nationalität des jeweiligen Täters einmal oder mehrfach genannt („Der Russlanddeutsche“, „Der Spätaussiedler“, „Die Spätaussiedler-Gruppe“, „Der Deutschtürke“ etc.). Namen werden nicht genannt. Der Beschwerdeführer kritisiert an allen Beiträgen, dass die ethnische Herkunft der Täter ohne zwingenden Grund genannt werde. Er ist der Meinung, dass dies Vorurteile gegen die jeweilige Minderheit schüren könne. Er sieht die Richtlinie 12,1 des Pressekodex verletzt. Darin ist festgehalten, dass in der Berichterstattung über Straftaten die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt wird, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte. Die Rechtsvertretung der Zeitung nimmt zu den Vorwürfen Stellung. Alle Artikel dokumentierten, dass im Zusammenhang mit Straftaten die tatsächlichen oder vermeintlichen Täter aus dem Kreis der Spätaussiedler stammten. Dies zu verschweigen, würde einen gesellschaftlichen Konflikt unter den Teppich kehren und eine „heile Welt“ suggerieren. In keinem der Fälle sei ein Betroffener namentlich genannt worden, so dass keine Diskriminierung vorliege.

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Leserbrief mit fachlicher Unterstützung

Weinender Vater an der Leiche des Sohnes

„Suff-Fahrer: Hier weint der Vater um seinen toten Sohn“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Ein beigestelltes Foto zeigt den Mann, der vor der Leiche seines Sohnes kniet. Sein Gesicht ist gepixelt. Eine Leserin sieht die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen massiv beeinträchtigt. An dieser Beurteilung könne auch die Verfremdung des Gesichts des Vaters nichts ändern. Sie sieht es als beschämend und geschmacklos an, dass das Leid der Familie in dieser Form dargestellt wird. Die Rechtsabteilung der Zeitung weist auf die Intention der Redaktion hin, auf die schrecklichen Folgen von Alkohol am Steuer hinzuweisen. Verkehrsteilnehmern müssten die Konsequenzen deutlich gemacht werden. Es sei unstrittig, dass solche Darstellungen die Unfallzahlen senken. Auch die Deutsche Verkehrswacht weise mit Plakaten drastischen Inhalts auf die Folgen von Alkohol am Steuer hin. Im Übrigen habe die Polizei zu dem aktuellen Fall eine ausführliche Presseinformation herausgegeben. Die Veröffentlichung verletze nicht die Würde des trauernden Vaters. Insgesamt ist die Rechtsvertretung der Auffassung, dass die Veröffentlichung nicht gegen presseethische Grundsätze verstößt.

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