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„Zwei Projektile treffen seinen Kopf…“

Boulevardzeitung schildert Massenmord in Norwegen mit allen Details

Der Prozess gegen den norwegischen Massenmörder ist Thema in der Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Diese berichtet über die Verlesung der Anklageschrift und geht detailliert auf Einzelheiten des grausigen Geschehens ein. Es werden Opfernamen genannt. So heißt es in einem Fall: „(…, 18) – Er muss das Blutbad der anderen Opfer im kleinen Cafésaal mit ansehen. Dann wird er mit acht Schüssen hingerichtet. Zwei Projektile treffen seinen Kopf, einer schlägt durch die Stirn ins Hirn. Der andere dringt durch den linken Mundwinkel ein, bleibt im oberen Teil der Wirbelsäule stecken“. Ein Leser der Zeitung kritisiert einen Verstoß gegen die Ziffern 8 (Persönlichkeitsrechte) und 11 (Sensationsberichterstattung/Jugendschutz) des Pressekodex. Die Todesopfer der Gewalttaten würden namentlich und mit ihrem Alter genannt. Die detaillierten Schilderungen seien beispielslos in ihrer Sensationsgier und hätten keinerlei Relevanz für das Verständnis der Taten. Die Opfer würden ohne öffentliches Interesse zu bloßen Objekten herabgewürdigt und in ihrer Menschenwürde verletzt. Die Rechtsabteilung der Zeitung rechtfertigt die Veröffentlichung mit dem hohen Informationsinteresse an der Prozessberichterstattung. Dazu gehöre auch die Schilderung grausamer Realitäten. Nach Abwägung aller Kodex-Anforderungen habe sich die Redaktion zu dieser Art der Darstellung entschlossen und damit in verantwortlicher Weise berichtet. Es seien lediglich Informationen aus der in öffentlicher Verhandlung verlesenen Anklageschrift wiedergegeben worden. Auch die norwegischen Zeitungen hätten die Opfer namentlich genannt und Einzelheiten von Verletzungen und Todesursachen geschildert. Das überragende öffentliche Interesse an dem Prozess um den Mord an 77 Menschen erstrecke sich auch auf die Identität der Opfer. Die Personalisierung der Berichterstattung konkretisiere die Dimension des Ereignisses. Ohne Einbeziehung ihrer Identität würden die Opfer auf anonyme Zahlen in der Verbrechens-Statistik reduziert. Die Wiedergabe der Details habe nichts mit Sensationslust zu tun. Vielmehr verberge sich dahinter der Wunsch, einer breiten Öffentlichkeit das Ausmaß der Tragödie zu vermitteln.