Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6739 Entscheidungen

Nachrichtenagentur als privilegierte Quelle

Die Online-Ausgabe einer überregionalen Zeitung veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „Chamenei kritisiert Rohanis Telefonat mit Obama“. Im Beitrag geht es um Äußerungen von Irans Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenai zur Außenpolitik seines Präsidenten gegenüber den USA. Eine Passage aus dem Beitrag: „Der Ajatollah kritisiert allerdings den Telefonkontakt zwischen Rohani und US-Präsident Barack Obama, das erste Telefonat dieser Art seit mehr als 30 Jahren; als „nicht passend“. Eine Leserin der Zeitung hält die Behauptung der Redaktion im Hinblick auf das Telefonat für nicht zutreffend. Chamenei habe gesagt, dass „manche der in New York geschehenen Dinge nicht angemessen gewesen seien“. Aus dieser Formulierung könne man nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass damit das Telefongespräch der beiden Präsidenten gemeint sei und Chamenei dies als „nicht passend“ bezeichnet habe. Die Beschwerdeführerin sieht die Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht) verletzt. Die Rechtsabteilung der Zeitung übermittelt die Stellungnahme der Chefredaktion. Der von der Beschwerdeführerin kritisierte Satz sei unverändert von der Nachrichtenagentur dpa übernommen worden. Es handele sich bei der dpa um eine sogenannte privilegierte Quelle. Wie die Beschwerdeführerin richtig anmerkt, hat Ajatollah Chamenei auf seiner Website nicht explizit das Telefonat kritisiert, sondern, dass „manche der in New York geschehenen Dinge nicht angemessen gewesen seien“. So berichte auch die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf die iranische Nachrichtenagentur Isna: „Nicht alles, was Rohani während seines Aufenthaltes in New York unternommen habe, sei angemessen gewesen, sagte Chamenei (…)“. Das heiße nach Ansicht der Chefredaktion: Es könnte sein, das sich Chamenei bei seiner Kritik auf das Telefonat bezogen habe, denn auch dieses habe noch in New York stattgefunden. Explizit geäußert habe er das allerdings nicht. Deshalb habe sich die Chefredaktion entschlossen, die Passage folgendermaßen abzuändern: „Der Ajatollah kritisierte allerdings auch ´manche der Geschehnisse in New York als nicht passend´. Ob er damit auch den Telefonkontakt zwischen Rohani und US-Präsident Barack Obama meinte, bleibt offen“.

Weiterlesen

Wagen mit Werbeaufschrift stand zufällig da

Eine Zeitschrift veröffentlicht online einen Videobeitrag zur Situation bei den Grünen vor der letzten Bundestagswahl. Dabei handelt es sich um einen gesprochenen Kommentar des stellvertretenden Chefredakteurs. Der steht vor der Grünen-Zentrale in Berlin. Im Hintergrund ist ein Auto mit der Werbeaufschrift vom Laptop-Hersteller „Lenovo“ zu erkennen. Im Vorspann des Beitrags sind mehrere Werbespots zu sehen, unter anderem von „Lenovo“, „Nivea“ und „Opel“. Eine Leserin der Zeitschrift wirft der Redaktion vor, dass sie im Vorspann des Beitrages Spots von „Lenovo“, „Nivea“ und Opel“ im Wechsel zeigte. Im redaktionellen Teil sei dann ein Auto mit der Aufschrift „Lenovo“ zu sehen. Sie sieht einen unzulässigen Zusammenhang. Die Rechtsabteilung weist diesen Vorwurf zurück. Es sei nicht zutreffend, dass die Redaktion planmäßig die vorgeschaltete Werbung für „Lenovo“ mit dem Auto-Schriftzug im redaktionellen Teil kombiniert habe. Die Werbung sei klar definiert und vom redaktionellen Beitrag eindeutig getrennt. Das im Beitrag zu sehende Auto mit dem Werbeaufdruck sei zufällig vor der Grünen-Zentrale gestanden. Die geparkten Autos im Hintergrund hätten keinerlei Rolle gespielt. Weder sei der Wagen mit der Werbeaufschrift an einem bestimmten Platz geparkt worden, noch sei bewusst ein bestimmter, auf den Wagen hinweisender Bildausschnitt gewählt worden. Im Übrigen sei die Abfolge im Werbevorspann zum redaktionellen Beitrag zufällig gewesen.

Weiterlesen

Drach legt auf Resozialisierung keinen Wert

Der Mann, der Jan Philipp Reemtsma entführte, heißt Thomas Drach. Nachdem er 15 Jahre im Gefängnis gesessen hat, wird er freigelassen. Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Wie gefährlich ist der Reemtsma-Entführer heute noch?“ Sie nennt den Entführer mit vollem Namen. Zum Beitrag sind mehrere Fotos gestellt, die Drach bei seiner Festnahme in Argentinien und nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis zeigen. Außerdem veröffentlicht die Zeitung ein Foto, mit dem seinerzeit nach dem Entführer gefahndet worden war. Die Zeitung berichtet, Ermittler hielten Drach auch heute noch für „brandgefährlich“. Sie zitiert ein Gutachten, das vor zwei Jahren erstellt worden war. Wörtlich heißt es darin über Drach: „Es ist davon auszugehen, dass er in Freiheit weitere schwere Straftaten begehen wird“. Ein Nutzer des Internet-Portals sieht durch die Berichterstattung die Persönlichkeitsrechte von Thomas Drach verletzt. Die Tat liege 15 Jahre zurück, und Drach habe seine Strafe abgesessen. Seine Resozialisierung werde durch die Art der Darstellung gefährdet. Die Redaktion hat vor der Veröffentlichung des Beitrages sorgfältig zwischen dem Resozialisierungsinteresse von Thomas Drach und der grundrechtlich geschützten Freiheit der Berichterstattung abgewogen. Diese Abwägung sei zugunsten des öffentlichen Informationsinteresses ausgefallen. Damit beginnt die Stellungnahme der Rechtsvertretung der Zeitung. Drach sei einer der bekanntesten Straftäter der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahrzehnten. Durch die Tat selbst und weitere Straftaten während der Haft sei der Mann zu einer Person des öffentlichen Interesses geworden. Das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit habe die Redaktion veranlasst, über Drach in Wort und Bild identifizierbar zu berichten. Dies gelte umso mehr, als bis heute der Verbleib eines großen Teils des seinerzeit erpressten Lösegeldes unklar sei. Entscheidend für die Art der Berichterstattung sei schließlich gewesen, dass Thomas Drach offensichtlich selbst gar keinen Wert auf eine Resozialisierung lege. So habe er sich nach seiner Entlassung über seinen Anwalt an diverse Verlagshäuser mit dem Angebot gewandt, Exklusivinterviews zu geben. Dies mache deutlich, dass es ihm nichts ausmache, mit seiner Tat auch heute noch konfrontiert zu werden. Er sei im Gegenteil bereit, öffentlich zu seiner Vergangenheit Stellung zu beziehen.

Weiterlesen

Streit um das „Licht des Todes“

Unter der Überschrift „Licht des Todes“ berichtet ein Nachrichtenmagazin über die unterschätzten Gefahren durch Sonnenstudios. Die dort eingesetzte UV-Strahlung erhöhe das Hautkrebsrisiko. In dem Artikel heißt es unter anderem: „Die epidemiologische Beweislage ist mittlerweile erdrückend, wie eine aktuelle Auswertung wichtiger Studien in ´British Medical Journal“ belegt. Wer sich vor dem 35. Lebensjahr regelmäßig auf die Sonnenbank legt, verdoppelt nahezu sein Risiko, am malignen Melanom zu erkranken. Statistisch gesehen weisen Menschen, die schon mindestens einmal in ihrem Leben ein Sonnenstudio besucht haben, ein um 20 Prozent höheres Risiko auf, an einem Melanom zu erkranken. Schon jeder weitere Besuch im Sonnenstudio steigert das Risiko um rund zwei Prozent. Insgesamt, errechneten die Autoren, seien 2008 in 18 untersuchten europäischen Ländern 3.438 Fälle von malignem Melanom auf Solarien zurückzuführen – die meisten der Betroffenen waren Frauen“. Der Bundesfachverband Besonnung e.V. wendet sich gegen die Darstellung des Magazins wegen eines vermuteten Verstoßes gegen Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht). Ihm geht es vor allem um den Satz: „Die epidemiologische Beweislage ist mittlerweile erdrückend“. Diese Behauptung führe im Zusammenhang mit den im Folgenden aufgelisteten Zahlen und Kausalzusammenhängen zwischen Sonnenstudiobesuchen und dem Risiko, an Hautkrebs zu erkranken, zu einem unzutreffenden Eindruck. Dieser werde durch das zitierte Medizin-Journal nicht belegt. Das Nachrichtenmagazin habe zudem nur eine einzige Quelle herangezogen, um seine Darstellung zu belegen. Andere, die leicht zugänglich sind, seien unbeachtet geblieben. Zu der Beschwerde äußert sich der Justiziar des Verlages. Er hält die von der Redaktion veröffentlichten Fakten für belegt. Auch zu dem Vorwurf der fehlerhaften Berichterstattung über ein je Sonnenbankbesuch um zwei Prozent erhöhtes Hautkrebsrisiko äußert sich der Vertreter des Magazins. Die Würdigung der betreffenden Passage in dem Artikel sei von einem bewussten Missverständnis der Studie und der Wiedergabe ihrer Ergebnisse bestimmt. Weder habe die Redaktion berichtet, noch lese der durchschnittliche Nutzer die Passage so, dass das Hautkrebsrisiko pro Besuch im Sonnenstudio um zwei Prozentpunkte steige, somit aus einer zweiprozentigen Risikosteigerung – also bei 50 Besuchen – die Risikoverwirklichung folge. Die Leser wüssten durchaus zwischen absoluter Risikosteigerung um Prozentpunkte und relativer Steigerung in Prozent zu unterscheiden. (2013)

Weiterlesen

Messerattacke vor den Augen vieler Passanten

Ein englischer Soldat wird in London Opfer einer tödlichen Beilattacke. Eine Regionalzeitung berichtet online über den Fall und kommentiert ihn unter der Überschrift „Ein Smartphone findet sich immer“. Der Autor setzt sich kritisch mit der medialen Inszenierung des Angriffs auseinander. Der Kommentar ist bebildert mit einem Bild aus einem Handy-Video, das unmittelbar nach der Tat aufgenommen wurde. Es zeigt den Angreifer mit blutverschmierten Händen. Die Tatwaffe ist zu sehen. Bildtext: „Filmausschnitt eines Amateurvideos: Mit noch blutigen Händen lässt sich der Londoner Attentäter von einem Amateurfilmer interviewen“. In diesem Zusammenhang erscheint ein Video, das nach dem Einreichen der Beschwerde nicht mehr abrufbar ist. Eine Nutzerin der Onlineausgabe sieht durch die Berichterstattung Ziffer 11 des Pressekodex (Sensationsberichterstattung/Jugendschutz) verletzt. Das in den Beitrag eingebundene Foto zeige die Gewalt, mit der der Soldat geradezu abgeschlachtet worden sei. Die Zeitung schenke dem Täter dadurch die Aufmerksamkeit, die er durch seine Tat habe erreichen wollen. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei die Wiedergabe des Fotos mit Richtlinie 11.2 nicht vereinbar. Darin ist festgehalten, dass die Presse bei der Berichterstattung über Gewalttaten das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen die Interessen der Opfer und Betroffenen sorgsam abwägen muss. Sie berichtet unabhängig und authentisch, lässt sich aber dabei nicht zum Werkzeug von Verbrechern machen. Die Rechtsabteilung des Verlages weist den Vorwurf einer Verletzung des Pressekodex zurück. Entscheidend sei, dass der Kommentator sich kritisch mit der Visualisierung des Attentats durch einen Amateurfilmer auseinandersetzt. Die Ermordung des Soldaten hebe sich aus der Masse anderer Verbrechen dadurch hervor, dass sie religiös und politisch motiviert gewesen sei. Die Tat sei mit besonderer Brutalität am Tag und in der Öffentlichkeit ausgeführt worden. Dass ein zufälliger Beobachter am Tatort gewesen sei und mit seiner Handyaufnahme dem Täter ein Forum gegeben habe, sei kritikwürdig und vom Autor auch in diesem Zusammenhang kritisch hinterfragt worden. Schon die Überschrift „Ein Smartphone findet sich immer“ lasse die kritische Haltung des Kommentators erkennen. Er ordne das Geschehen gesellschaftspolitisch ein und kommentiere es scharf. Wenn im Kommentar-Kontext das Tatwerkzeug eingeblendet werde, so diene dies ausschließlich der Unterrichtung des Lesers. Das im Verfahren vom Verlag nachgereichte Video belegt mit großer Eindringlichkeit, was der Autor im Kommentar kritisiert. Ein Mensch tötet einen anderen vor den Augen vieler Passanten, und ein Beobachter hat nichts Besseres zu tun, als den Attentäter mit seinem Handy zu filmen, während dieser mit blutverschmierten Händen und der Tatwaffe vor dem Handy-Filmer herumfuchtelt. Die Rechtsabteilung hält die Veröffentlichung des Fotos im Zusammenhang mit dem kritischen Kommentar für gerechtfertigt. Die Presse mache sich in diesem Fall gerade nicht zum Werkzeug des Verbrechers, sondern kritisiere diejenigen, die dem Verbrecher ein Forum böten.

Weiterlesen

Journalisten auf einer Gratwanderung

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet über die Beilattacke auf einen Soldaten in London unter der Überschrift „So lief die bestialische Tat in London ab“. Die Redaktion rekonstruiert den Tatablauf. Sie veröffentlicht ein Video, das den Täter mit blutverschmierten Händen zeigt. Er streckt dem Hobby-Filmer die Tatwaffe entgegen. Im Hintergrund ist das am Boden liegende Tatopfer zu sehen. Das Video hat ein Passant gemacht, der zufällig am Tatort war. Eine Leserin sieht in der Veröffentlichung einen Verstoß gegen Ziffer 11 des Pressekodex (Sensationsberichterstattung/Jugendschutz). Der Film zeige die Gewalt, mit der der Soldat getötet worden sei. Besonders im Hinblick auf Kinder und Jugendliche sei das Video kritikwürdig. Die Rechtsabteilung sieht in der Veröffentlichung des kritisierten Videos, das von einer Nachrichtenagentur vertrieben worden sei, keinen Verstoß gegen den Pressekodex. Das Video sei unmittelbar nach der Tat aufgenommen worden. Trotz verständlicher emotionaler Reaktionen auf die Darstellung müsse bedacht werden, dass die Redaktion bei einem Geschehen von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung eine Informations- und Chronistenpflicht habe. Journalisten müssten eine Gratwanderung vollziehen zwischen zurückhaltender und nicht zu drastischer Darstellung des zeitgeschichtlichen Moments, ohne das Geschehen zu verfälschen. Die Redaktion habe vor der Veröffentlichung des Videos sorgfältig das Für und Wider abgewogen. Angesichts der zeitgeschichtlichen Relevanz des Ereignisses sei sie presseethisch zulässig. Der Verlag legt das nicht mehr im Internet verfügbare Video trotz Aufforderung durch den Presserat nicht vor und beruft sich dabei auf urheberrechtliche Gründe. Das kann der Presserat nicht nachvollziehen. Die Herausgabe des Videos sei zumutbar und könne auch ohne großen technischen Aufwand erfolgen. Möglicherweise existierende urheberrechtliche Hinderungsgründe kann der Presserat nicht erkennen. Die Vorlage des Videos stelle keine weitere Veröffentlichung oder sonstige Nutzung dar. Das Beschwerdeverfahren sei durchgängig vertraulich. Die Rechtsabteilung schickt daraufhin einen Link mit einer Video-Berichterstattung eines anderen Anbieters. Hier ist das Video weiterhin zu sehen. Die Geschäftsstelle des Presserats geht davon aus, dass es sich um das gleiche Video handelt, das bei dem kritisierten Verlag zu sehen war. Sie legt nun dieses Video als Bewertungsgrundlage dem Beschwerdeausschuss vor.

Weiterlesen

SPD-Politikerin im Kreuzfeuer der Kritik

„SPD-Querulantin nervt jetzt auch den Bürgermeister“ titelt eine Boulevardzeitung. Eine Woche später folgt ein weiterer Bericht. Überschrift hier: „SPD quält sich weiter mit ihrer Querulantin“. Es geht um eine Politikerin, die parteiintern als „lose Kanone an Deck“ bezeichnet wird. Sie stänkere öffentlich gegen die Parteilinie und sei nicht einmal für den Parteichef und Bürgermeister zu kontrollieren. Ihr Aufruf bei der letzten Bundestagswahl, einen Kandidaten der CDU zu wählen, und ein Angriff auf den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück hätten eine Rüge und ein „normenverdeutlichendes Gespräch“ zu Folge gehabt. Ein hochrangiges SPD-Mitglied habe der Zeitung gegenüber gesagt: „Die (…) hat einen richtigen Hau“. Die Zeitung wollte dazu auch die Betroffene hören. Die Betroffene wollte sich aber nicht äußern. Sie wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Durch die von der Zeitung wiedergegebenen Bezeichnungen werde sie herabgewürdigt. Beleidigungen dieser Art dürften nach ihrer Auffassung nicht abgedruckt werden. Letztlich entscheide der Autor, welche Zitate er wiedergebe. Falsch sei, dass sie zur Wahl des CDU-Kandidaten aufgerufen habe. Sie habe lediglich gesagt, sie würde ihn eher wählen als den SPD-Kandidaten. Nach Auffassung der Rechtsabteilung des Verlages habe die Redaktion keine „anonymen Zitate“ abgedruckt, sondern Äußerungen von hochrangigen SPD-Politikern, die korrekt wiedergegeben worden seien. Eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Politikerin liege nicht vor, zumal es in der Berichterstattung nicht um ihr Privatleben gegangen sei. Die Beschwerdeführerin gefährde durch öffentliche Äußerungen gegen die Parteilinie den parteiinternen Zusammenhalt. Gerade deshalb sei ihr Verhalten von öffentlichem Interesse. Wenn sich hochrangige Politiker zu den Vorgängen äußerten, müsse der Leser davon erfahren. Schließlich sei auch eine persönliche Diffamierung oder Beleidigung nicht zu erkennen. Die in den Beiträgen wiedergegebenen Äußerungen von Politikern bewegten sich im Rahmen von zulässigen Meinungsäußerungen. Eine solche öffentliche Auseinandersetzung müsse sich die Beschwerdeführerin gefallen lassen, zumal die zitierten Äußerungen doch eher scherzhaft gemeint seien.

Weiterlesen

Mit Archivbild über aktuellen Streik berichtet

Eine Regionalzeitung illustriert ihren Bericht auf der Wirtschaftsseite über Streiks im Einzelhandel mit einem vierspaltigen Foto. Es zeigt mehrere Mitarbeiter eines Baumarktes in Streik-Montur (Plastik-Westen mit „ver.di“- und „Streik“-Aufdruck). Ein Mann in der Mitte des Bildes blickt direkt in Richtung Kamera. Im Bildtext heißt es: „Beschäftigte eines (…) Baumarktes traten schon am Montag in einen Warnstreik.“ Etwa zwei Wochen nach Erscheinen des Bildes druckt die Zeitung eine Gegendarstellung des Mannes ab, der von ihr zuvor identifizierbar dargestellt worden war. Im „Redaktionsschwanz“ entschuldigt sich die Redaktion dafür, dass das Foto nicht als Archivbild gekennzeichnet worden sei. Der anwaltlich vertretene Betroffene ist Beschwerdeführer in diesem Fall. Die Veröffentlichung des Fotos – so der Anwalt - verletze mehrere presseethische Grundsätze. Das Bild sei mehrere Jahre alt. Der Betroffene habe niemals sein Einverständnis gegeben, das Bild in Zukunft weiter zu verwenden. Seit Jahren habe er bewusst nicht an Aktionen von Betriebsrat und Gewerkschaft teilgenommen, weil er sich mit deren Zielen nicht identifiziere. Das Foto sei weder als Archiv- noch als Symbolfoto gekennzeichnet gewesen. Nach dem Kenntnisstand des Beschwerdeführers hat an dem von der Zeitung angegebenen Zeitpunkt in besagtem Baumarkt gar kein Streik stattgefunden. Als Folge der Berichterstattung sei er am Arbeitsplatz und im Bekanntenkreis angefeindet worden. Der Chefredakteur der Zeitung teilt bedauernd mit, dass die Redaktion zur Illustration des Berichtes über einen aktuellen Streik ein Archivbild verwendet habe. Er verweist auf die veröffentlichte Gegendarstellung, an deren Schluss („Redaktionsschwanz“) die Redaktion ihren Fehler zugegeben und sich entschuldigt habe. Der Chefredakteur teilt überdies mit, dass die beiden verantwortlichen Redakteure wegen des massiven Sorgfaltspflichtverstoßes abgemahnt worden seien. Insbesondere seien sie darauf hingewiesen worden, dass Archiv- und Symbolfotos als solche zu kennzeichnen seien. Beiden sei vorgehalten worden, dass sie hätten reagieren müssen, als der Beschwerdeführer sie nach der Veröffentlichung aufgefordert habe, den Sachverhalt umgehend korrekt darzustellen.

Weiterlesen

Namen von Zeugen werden nicht genannt

In Form eines Live-Tickers berichtet eine Zeitung online über den NSU-Prozess in München. Sie veröffentlicht Terminhinweise des Oberlandesgerichts (OLG) München. Sieben Zeugen werden mit vollständigem Namen, Dienstgraden bzw. Titeln angekündigt. Im Live-Ticker nennt die Zeitung die Zeugen dann überwiegend mit Vornamen und abgekürztem Nachnamen. Ein Nutzer des Internetportals sieht Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte) durch die Namensnennung verletzt. Die Rechtsvertretung der Zeitung sieht die Namensnennung im Fall eines Gutachters, der über die rechtsmedizinischen Details der Kopfschussverletzung eines der Opfer aussagte, ohnehin laut Pressekodex für zulässig an. Zu den anderen Nennungen sagt die Rechtsvertretung, dass es sich dabei ausnahmslos um Kriminalkommissare bzw. Polizisten handele, die in einem der aufsehenerregendsten Prozesse in der deutschen Nachkriegsgeschichte ausgesagt hätten. In der Regel würden Zeugen nicht mit Namen genannt. Die Redaktion habe die Nennung ausnahmsweise für zulässig im Kontext der Ziffer 8 gehalten.

Weiterlesen

Karikatur: Netanjahu träufelt Gift auf ein Brot

Israels Regierungschef Netanjahu sitzt auf einer Parkbank und träufelt aus einer mit einem Totenkopf und dem Label „Siedlungsbau“ beschrifteten Flasche eine wohl giftige Flüssigkeit auf ein Stück Brot. Dieses ist offensichtlich für eine mit auf der Bank sitzende (Friedens-)Taube gedacht. Auf deren Federn ist der Begriff „Nahost-Friede“ zu lesen. Es ist eine Karikatur, die hier beschrieben wird. Sie erschien in einer Regionalzeitung gedruckt und online. Unter der Karikatur steht ein Zitat von Georg Kreisler: „Geh´n mer Tauben vergiften im Park“. Eine Leserin der Zeitung hält die Karikatur für antisemitisch und wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Der Name von Georg Kreisler werde missbraucht – das ist ein weiterer Vorwurf, den die Frau erhebt. Die Leserin sieht Ziffer 2 (Journalistische Sorgfaltspflicht) verletzt. Der Presserat eröffnet das Beschwerdeverfahren nur hinsichtlich eines möglichen Verstoßes gegen Ziffer 12 (Diskriminierung). Die Rechtsvertretung der Zeitung beruft sich auf die Meinungs- bzw. Kunstfreiheit. Ein beleidigender oder antisemitischer Charakter sei in der Karikatur nicht zu entdecken. Das sei vom Zeichner auch nicht beabsichtigt gewesen. Dieser stellt in seiner Stellungnahme unter anderem fest: „Kurz nach den Gesprächen israelischer und palästinensischer Unterhändler in Washington erklärt die israelische Regierung, den Siedlungsbau im Westjordanland intensivieren zu wollen. Das ist Gift für das Streben nach einer friedlichen Lösung, also Gift für die (potentielle) Friedenstaube, und da fiel mir ganz einfach dieser Text von Georg Kreisler ein. (…) Sollte ich die Gefühle jüdischer Menschen, insbesondere Angehöriger der Familie Kreisler verletzt haben, so tut mir das von Herzen leid.“ Die Rechtsvertretung der Zeitung teilt mit, dass diese Entschuldigung des Urhebers der Karikatur sowie eine Stellungnahme der Chefredaktion in einem Artikel der „Jüdischen Allgemeinen“ abgedruckt worden seien. Auszug aus diesem Beitrag: „Die (…) Zeitung hingegen kann in der Karikatur keine antisemitischen Vorurteile erkennen. Dennoch bereut das Blatt inzwischen den Abdruck dieser Zeichnung.“ Sie würde die Karikatur nicht noch einmal veröffentlichen.

Weiterlesen