Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6739 Entscheidungen

Arzt muss Nennung seines Namens nicht dulden

Unter der Überschrift „Ringen um Notarztstandort“ berichtet eine Regionalzeitung über die Klage eines Chirurgen und Notarztes vor dem Verwaltungsgericht. Dieser wehrt sich gegen eine Neuordnung der Notarztstandorte des Zweckverbands für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung. Ein Standort im Bereich des Zweckverbandes werde in der Neuordnung nicht berücksichtigt, obwohl einem Gutachten zufolge von diesem Punkt aus 87 Prozent der Notfallpatienten nicht innerhalb der vorgeschriebenen 20 Minuten erreichbar seien. Deshalb bestehe für die diensthabenden Notärzte die Pflicht, während ihrer Bereitschaft an zwei Nachbarstandorten anwesend zu sein. Im Bericht der Zeitung wird der Name des klagenden Notarztes genannt. Dieser ist in diesem Fall Beschwerdeführer. Er bemängelt, dass sein vollständiger Name und Beruf in diesem sehr sensiblen Verfahren ohne vorherige Anfrage genannt worden seien, und sieht einen Verstoß gegen Ziffer 8, Richtlinie 8.1, des Pressekodex. Der Chef vom Dienst der Zeitung weist auf die öffentliche Diskussion über die Themen „Hausärzte“ und „Notärzte“ hin. Er vertritt die Ansicht, dass besonders engagierte Mediziner, die sich auf den genannten Feldern äußern, „relative Personen des öffentlichen Lebens“ seien, deren durchweg positive Aktivitäten ein Anonymisieren nicht zwingend notwendig machten. Über das Privatleben des Beschwerdeführers sei mit keinem Wort berichtet worden. Die Namensnennung sei als Würdigung der Arbeit des Mediziners gemeint gewesen. (2013)

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Mit einem Klick von der Redaktion zum Anbieter

Die Online-ausgabe einer überregionalen Zeitung veröffentlicht mehrere Reisetipps. Daneben steht ein Hinweis auf den Reiseführerverlag „Marco Polo“. Darunter werden entsprechende Teaser und Links angegeben. Klickt man diese an, gelangt man auf die Website von „Marco Polo“. Eine Leserin sieht in der Kombination aus redaktionellen Hinweisen und der Verbindung zu einem bestimmten Reiseführerverlag eine Werbung, die für den Leser nicht als solche erkennbar ist. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung weist den Vorwurf zurück, gegen das Trennungsgebot nach Ziffer 7 des Pressekodex verstoßen zu haben. Eine Kodex-Verletzung könne nicht vorliegen, da es sich bei den beanstandeten Beiträgen nicht um Anzeigen handele. Es seien vielmehr redaktionelle Beiträge der Marco-Polo-Reiseredaktion, mit der seine Zeitung seit geraumer Zeit kooperiere. Somit sei die Beschwerde – so der stellvertretende Chefredakteur abschließend – unbegründet.

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Bauantrag mit persönlichen Daten

Unter der Überschrift „Schwarzbauten auf der grünen Wiese?“ berichtet eine Regionalzeitung über eine Sitzung des Bauausschusses einer Kleinstadt. In der Hauptsache sei es um einen Antrag auf Einbau einer Garage in eine schon bestehende Lagerhalle gegangen. Der Antragsteller wird namentlich genannt. Die Zeitung teilt mit, in der Beratung sei immer wieder das Wort „Schwarzbau“ gefallen. Ursprünglich sei das Landratsamt als Genehmigungsbehörde von einer Privilegierung ausgegangen, doch handele es sich der Stadtverwaltung zufolge nicht um einen landwirtschaftlichen Betrieb. Der Artikel ist mit einem Foto des Grundstücks des Antragsstellers illustriert. Er enthält zudem einen Kasten mit der Überschrift „Bauanfragen und -anträge“. Dort wird kurz gefasst über zehn weitere Bauanträge berichtet. Die insgesamt 14 Antragstellerinnen und Antragsteller werden namentlich genannt. Der Antragsteller, der im Zentrum der Ausschussberatung gestanden haben soll, ist in diesem Fall Beschwerdeführer. Er ist der Meinung, dass die Berichterstattung gegen sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoße. Begründung: Die Zeitung nenne seinen Namen, seinen medizinischen Titel, die Adresse und den Zufahrtsweg zu seinem Grundstück. Auch das Foto sei ohne seine Zustimmung entstanden. Seine Mieter, die auf dem Grundstück wohnten, so der Beschwerdeführer weiter, fühlten sich durch die Nennung der Adresse ebenfalls verunglimpft. Er sei damit einverstanden, dass über den Bauantrag berichtet worden sei, nicht jedoch mit der Nennung seiner persönlichen Daten. Noch nie, das habe ihm die Stadtverwaltung mitgeteilt, sei bei der Behandlung von Bauanträgen in dieser Weise identifizierend berichtet worden. Die Sache sei für die Öffentlichkeit nur von geringem Interesse, da die Grundstücksnachbarn dem Bauvorhaben zugestimmt hätten. Der Chefredakteur der Zeitung übermittelt eine Stellungnahme des Autors des kritisierten Beitrages. Dieser teilt mit, dass sich der Beschwerdeführer bei ihm über den Artikel beschwert, mit einer Klage gedroht und die Anrufung des Presserats angekündigt habe. Ein paar Wochen später habe der Beschwerdeführer ihn – den Autor – angerufen und von einem „Schnellschuss“ gesprochen. Die Angelegenheit sei für ihn erledigt. Das zunächst gekündigte Abonnement der Zeitung habe er erneuert. Der Chefredakteur teilt mit, über den Fortgang des Falles habe die Redaktion noch einmal berichtet, wiederum mit dem vollen Namen des Antragstellers. Dieser habe sich gegen diese Berichterstattung nicht erneut beschwert.

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Chefredakteurin gibt Zusteller Recht

Anwohner planen ein Straßenfest und suchen per Flugblatt freiwillige Helfer für die Organisation. Die örtliche Zeitung berichtet und nennt vier Ansprechpartner mit Namen und Telefonnummern. Die Redaktion veröffentlicht außerdem die Bankverbindung und den Namen einer Anwohnerin, die für das Einsammeln der Teilnehmerbeiträge zuständig ist. Der Zusteller der Zeitung, der auch die Anwohner dieser Straße beliefert, ist in diesem Fall der Beschwerdeführer. Er habe während seines morgendlichen Zustellrundgangs ein Flugblatt mit der Ankündigung des Straßenfestes gefunden und das Blatt gescannt, um es dann an die Redaktion zu schicken. Diese habe das Thema aufgegriffen und die personenbezogenen Daten aus dem Flugblatt veröffentlicht. Der Zusteller und Beschwerdeführer teilt mit, er habe die Redaktion ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er mit der Planung des Nachbarschaftsfestes nichts zu tun habe. Die Angabe der personenbezogenen Daten ohne Rückfrage bei den Betroffenen verstoße gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte). Die in dem Artikel und auf dem Flugblatt genannte Frau, deren Bankverbindung auf dem Flugblatt und im Artikel genannt worden sei, habe sich bei der Zeitung nach dem Namen des Informanten erkundigt. Der sei ihr von der Redaktion ohne vorherige Information des betroffenen Beschwerdeführers genannt worden. Die Frau habe daraufhin gegen den Mann Strafanzeige erstattet. Die Redaktion habe damit den Beschwerdeführer fahrlässig einer Strafverfolgung ausgesetzt und ihn in seinem guten Ruf geschädigt. Mit dem Verlust an Trinkgeldern sei ihm auch ein materieller Schaden entstanden. Er erwarte eine Schadensersatzzahlung in der Größenordnung eines Monatsgehalts der Chefredakteurin. Diese beantwortet die Beschwerde und bedauert Fehler der Redaktion. Die Vorwürfe des Zeitungszustellers seien berechtigt. Eine Mitarbeiterin der Redaktion habe die im Flugblatt genannte Frau gefragt, ob sie die Kontonummer veröffentlichen dürfe, aber keine Antwort bekommen. Dass die Bankverbindung dann doch abgedruckt worden sei, könne man nicht mehr nachvollziehen. Die Berichterstattung habe zur Folge gehabt, dass das Straßenfest schließlich abgesagt worden sei.

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Bericht sichert Bestehen der Demenz-WG

„Gemeinsam gegen das Vergessen“ überschreibt eine Großstadtzeitung ihren Bericht über eine sogenannte „Demenz-WG“. Ein beigestelltes Foto zeigt eine 84-jährige Bewohnerin. Beschwerdeführer ist das Betreuungsgericht beim Amtsgericht. Seit einem halben Jahr ist es mit der abgebildeten Dame befasst. Damals sei bei ihr eine Demenz von „mittelgradiger Ausprägung“ festgestellt worden. Die Tochter der Frau – sie ist mit einer Vorsorgevollmacht ausgestattet – habe dem Vertreter der Zeitung gestattet, ein Foto ihrer Mutter zu veröffentlichen. Welches Interesse die Mutter daran gehabt haben solle, habe die Tochter trotz Nachfrage nicht erklärt. Das Gericht weist darauf hin, dass eine Vorsorgevollmacht nicht die Abbildung der Vollmachtgeberin in einem Medium einschließe. Aus Sicht des Betreuungsgerichts ist die Zurschaustellung eines Demenzkranken besonders verwerflich. Zudem sei die Bebilderung für das Verständnis des Artikels nicht erforderlich. Die Rechtsvertretung der Zeitung teilt mit, einer ihrer Redakteure habe sich an die Angehörigen der Bewohner einer Wohngemeinschaft für Demenzpatienten gewandt und gefragt, ob er über die WG berichten dürfe. Angehörige und Betreuer hätten der Berichterstattung in Wort und Bild zugestimmt. Die Tochter der Dame, für die das Betreuungsgericht zuständig ist, habe zur Bedingung gemacht, dass der Name der Mutter geändert werde. Dies sei geschehen. Zur rechtlichen Situation teilt der Verlag mit, dass die Vorsorgevollmacht die weitestgehende Vollmacht sei, die erteilt werden könne. Zudem sei eine Vermögenspflegschaft eingerichtet worden. Die Personensorge für die Mutter sei der Tochter durch die Vermögenspflegschaft nicht entzogen. Dass die Fotoveröffentlichung ein Fall der Vermögenssorge sein solle, sei nicht ersichtlich. Die Berichterstattung habe dazu geführt, dass die Wohngemeinschaft trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten weiterhin habe bestehen können.

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„Nun auch noch Luther“

In einer Kleinstadt im Verbreitungsgebiet einer Regionalzeitung berichtet diese unter der Überschrift „Nun auch noch Luther“ über die voll entbrannte Diskussion um einige Straßenumbenennungen. Die Zeitung schreibt, der namentlich genannte Diakon einer ebenfalls genannten katholischen Kirchengemeinde habe sich mit einem Brief an den Bürgermeister gewandt. Die Zeitung zitiert ausführlich aus dem Schreiben, in dem der Verfasser sich gegen die Umbenennung einer Straße in „Martin-Luther-Straße“ ausspricht. Beschwerdeführer ist der im Artikel genannte Diakon. Das Schreiben, aus dem der Artikel zitiert, sei Teil eines Antrags an den Gemeinderat gewesen. Es sei als Bestandteil einer öffentlichen Beschlussvorlage des Rates im Internetauftritt der Stadt veröffentlicht worden. Dabei seien die personenbezogenen Daten nicht anonymisiert worden. Wie die Stadt zwischenzeitlich selbst habe zugeben müssen, sei die Veröffentlichung unter Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen erfolgt. Der Beschwerdeführer stellt fest, dass auch die Veröffentlichung seines Namens und seiner Tätigkeit als Diakon durch die Lokalredaktion unzulässig sei, weil sie seine Persönlichkeitsrechte missachte. Die Redaktion habe zudem in unzulässiger Weise und ohne sein Wissen Recherchen zu seiner Person durchgeführt. Er habe die Eingabe an den Rat als Privatperson gemacht, seine ehrenamtliche Funktion als Diakon aber nicht erwähnt. Der Beschwerdeführer ist weiterhin der Ansicht, durch die Berichterstattung werde eine bewusste Diskriminierung versucht, weil bei anderen Eingaben die Anonymität gewahrt worden sei. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, das ausführliche Schreiben des Beschwerdeführers sei von der Verwaltung zu den Sitzungsunterlagen an die Kommunalpolitiker der Stadt gegeben und auch an die Lokalredaktion geschickt worden. Der gesamte Vorgang sei im Internet nachzulesen. In der Öffentlichkeit sei eine Diskussion aufgeflammt, mit deren Intensität der Beschwerdeführer offensichtlich nicht gerechnet habe. Später habe dieser in einem Schreiben, das auch der Redaktion zuging, um Entschuldigung dafür gebeten, dass durch seine Äußerungen über Luther ein kränkender oder beleidigender Eindruck entstanden sei. Der Chefredakteur beendet seine Stellungnahme mit dem Hinweis, dass die Redaktion auch bei anderen Eingaben die Namen der Einsender veröffentliche. Sie sei der Auffassung, dass der Zugriff auf diese Informationen rechtlich in Ordnung sei.

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Entlassener Straftäter mit Fußfessel

Gedruckt und online berichtet eine Großstadtzeitung mit zwei gleichlautenden Artikeln über den Einsatz der elektronischen Fußfessel bei einem nach Verbüßung seiner Strafe aus der Haft entlassenen Täter. Die Zeitung berichtet, dass die Fußfessel in der Stadt erst zum zweiten Mal eingesetzt worden sei. Der Betroffene wird mit seinem Vornamen und dem abgekürzten Nachnamen genannt. Erwähnt wird auch sein Alter. Als Beruf gibt die Zeitung „Computerfachmann“ an. Sie berichtet, der Mann habe eine viereinhalbjährige Haftstrafe verbüßt, weil er in einem Pferdestall und auf einer Trabrennbahn wiederholt Mädchen sexuell missbraucht habe. Er habe sich weder Kindertagesstätten noch Schulen nähern dürfen. Die Freiheitsbeschränkung durch die Fußfessel sei inzwischen aufgehoben worden. Der im Artikel erwähnte Mann ist in diesem Fall Beschwerdeführer. Er ist der Ansicht, dass er durch die Berichterstattung identifizierbar sei. Dadurch würden seine Persönlichkeitsrechte und sein Anspruch auf Resozialisierung verletzt. Er sei, bezogen auf das im Artikel geschilderte Geschehen, nur Randfigur. Die gegen ihn vollstreckte Maßnahme sei schon seit Monaten erledigt. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass die Weitergabe seiner persönlichen Daten durch die Justiz an den Journalisten ein Geheimnisverrat sei. Die Daten seien möglicherweise durch Bestechung erlangt worden. Er habe Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet. Die Rechtsvertretung der Zeitung teilt mit, eine Entscheidung des Presserats aus dem Jahre 2011 habe die Redaktion veranlasst, die im Internet noch zu lesende Berichterstattung um Angaben zu bereinigen, die zur Identifizierung des Betroffenen führen könnten. Dabei sei offensichtlich zunächst ein Artikel übersehen, zwischenzeitlich aber ebenfalls in Ordnung gebracht worden. Es handele sich dabei um ein Versehen der Redaktion, so dass die Beschwerde aus Sicht des Verlages unbegründet sei.

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Kleinkind in der fünften Pflegefamilie

„Kleinkind darf nicht zu Vater oder Oma“ und „Schädel-Verletzung: Kind ist in Pflegefamilie“ – unter diesen Überschriften berichtet eine Regionalzeitung über das Schicksal eines Kleinkindes. Es soll nach einer mutmaßlichen Misshandlung durch den Freund seiner Mutter nunmehr in der fünften Pflegefamilie leben. Die Unterbringung in der Pflegefamilie wird vom Kindsvater und der Großmutter kritisiert. Das Amtsgericht hatte zuvor beiden das Sorgerecht verweigert. Gegen diese Entscheidung haben beide Beschwerde eingelegt. Im Artikel wird der Name des Ortes genannt, in dem sich die Vorgänge abgespielt hatten. Die Großmutter des Kindes wird mit vollem Namen genannt. Eine Leserin der Zeitung sieht in der Berichterstattung einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte). Der Presserat hatte sich schon einmal mit dem Fall befasst und gegen die Zeitung eine Missbilligung ausgesprochen. Nach Auffassung des Beschwerdeausschusses sei das Opfer durch die Angabe seines ungewöhnlichen Vornamens sowie durch die namentliche Nennung der Großmutter für einen erweiterten Personenkreis identifizierbar. Der Presserat hatte damals berücksichtigt, dass der Kindsvater und die Großmutter in die Namensnennung eingewilligt hätten, jedoch bemängelt, dass die offenbar ebenfalls sorgeberechtigte Kindsmutter nicht um ihr Einverständnis ersucht worden war. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass durch den erneuten Beitrag zu dem bereits verhandelten Fall ein Personenbezug problemlos möglich sei. Die Zeitung habe die gegen sie ausgesprochene Missbilligung offenbar missachtet. Der Chefredakteur der Zeitung stellt fest, vor dem Hintergrund des Presserats-Beschlusses habe die Redaktion bei der jetzigen Berichterstattung auf die Nennung des ungewöhnlichen Vornamens verzichtet, obwohl die Einwilligung der Angehörigen vorgelegen hätte.

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„Der Polizeistaat hat seine Zähne gezeigt“

In einer Großstadt in den neuen Bundesländern berichtet die örtliche Zeitung über eine polizeiliche Durchsuchung bei der freiwilligen Feuerwehr. Die Redaktion kommentiert das Geschehen unter der Überschrift „Polizeiwillkür“. Die Beamten hätten sich Zutritt zu den Gebäuden verschafft, obwohl sie keinen Durchsuchungsbeschluss gehabt hätten. Auch das Innenministerium sei eingeweiht gewesen. Der Wehrführer wird mit der Äußerung zitiert, die Kriminalpolizei habe „weder einen Durchsuchungsbeschluss noch eine Anordnung der Staatsanwaltschaft“ vorgelegt. Auch das von ihm ausgesprochene Hausverbot habe nichts genützt. Auftraggeber der Durchsuchung – so berichtet die Zeitung – sei die Staatsanwaltschaft gewesen. Hintergrund sei der Verdacht, dass jemand Informationen der Leitstelle über Einsätze an Journalisten weitergereicht habe. Im Kommentar heißt es, der Polizeistaat habe in der Stadt seine Zähne gezeigt. Die Durchsuchungen und Blockaden der Feuerwehrwachen müssten Konsequenzen haben. Wenn es stimme, dass sowohl Kriminalpolizei als auch Landeskriminalamt ohne Legitimation, also Durchsuchungsbeschluss, die Wachen auf den Kopf gestellt hätten, dann sei dies Willkür, ein Vorgehen wie in finsteren Diktaturen. Der Autor meint, ein Vorgehen wie im Wilden Westen, wo der Sheriff erst schieße und dann frage, sei inakzeptabel. Leider habe keine der beteiligten Behörden Worte der Erklärung gefunden. Die Pressesprecherin des Polizeipräsidiums wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Die Durchsuchung sei in Anwesenheit und im Einvernehmen der Vertreter der Stadt und mit Beteiligung des Rechtsamts erfolgt. Ein richterlicher Beschluss sei daher nicht erforderlich gewesen. Unstimmigkeiten zwischen Vertretern der Stadt und den Wehrführern hätten die Staatsanwaltschaft veranlasst, die Fortführung der Durchsuchung wegen Gefahr im Verzug anzuordnen. Man habe befürchtet, dass Beweismittel verloren gehen könnten. Die Polizeivertreterin spricht von einem Pressevorbehalt der Staatsanwaltschaft, so dass Medienanfragen nicht umfassend hätten beantwortet werden können. Der Artikel zeichne sich durch Kenntnisdefizite und Fehlinformationen aus, wodurch ein schlechter und unzutreffender Eindruck von dem Polizeieinsatz vermittelt worden sei. Darüber gehe der Kommentar mit Begriffen wie „finstere Diktatur“, „Polizeiwillkür“ etc. noch hinaus. Es sei unerträglich, dass der Autor zum Zeitpunkt der Durchsuchungsmaßnahmen der Polizei unrechtmäßiges Handeln unterstellt habe, nachdem er keine weiteren Informationen zum Sachverhalt habe erlangen können. Damit beschädige er nicht nur das Ansehen aller Polizeibeamtinnen und –beamten, sondern auch das Vertrauen der Bürger in deren rechtsstaatliches Handeln. Der Chefredakteur der Zeitung berichtet, die zuständige Lokalredaktion und die Autoren der beanstandeten Beiträge hielten den damaligen Polizeieinsatz auch aus heutiger Sicht für unangemessen. Das hätten auch das Amtsgericht und später das Landgericht festgestellt. Weder Polizei, Landespolizei, Innenministerium, Stadtverwaltung noch die Staatsanwaltschaft hätten sich in der Lage gesehen, den Einsatz zu erklären.

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Zu kurzer Sex schafft Leidensdruck

Die Onlineausgabe einer Boulevardzeitung widmet sich unter der Überschrift „Wie schnell darf ein Mann kommen?“ Therapiemöglichkeiten bei vorzeitigem Samenerguss. Die Zeitung klärt auf, dass die „Ejaculatio praecox“ eine der häufigsten sexuellen Funktionsstörungen des Mannes sei. Seit einigen Jahren gebe es in Deutschland eine verschreibungspflichtige Pille mit dem Wirkstoff Dapoxetin (Priligy). Das Medikament sei dazu gedacht, den psychischen Leidensdruck durch zu kurzen, unbefriedigenden Sex innerhalb der Beziehung abzubauen. Die Kosten – etwa 13 Euro pro Pille – würden von den Kassen nicht übernommen. Am Ende des Artikels steht dieser Hinweis: „Guten Rat zu allen Fragen zum Frust mit der zu schnellen Lust hatten die Experten an unserem Lesertelefon.“ Dann werden Fragen zum vorzeitigen Samenerguss gestellt und von Medizinern beantwortet. Der Beschwerdeführer ist Mitarbeiter des Lehrstuhls für Wissenschaftsjournalismus an der technischen Universität Dortmund. Er betreut das Projekt „Medien-Doktor“. Dabei begutachten erfahrene Wissenschafts- und Medizinjournalisten anhand eines Kriterienkatalogs medizinjournalistische Beiträge in Print-, TV-, Hörfunk- und Onlinemedien. Der Beschwerdeführer kritisiert, dass in dem Artikel Pressematerial ohne Hinweis auf die Herkunft als redaktionelle Leistung ausgegeben werde. Die Aktion sei nicht von der Redaktion, sondern von einer spezialisierten PR-Agentur durchgeführt worden. Diese wiederum sei von einer anderen Agentur beauftragt worden, die die PR für ein bestimmtes Pharmaunternehmen betreibe. Dieses sei der Hersteller des im Artikel genannten Mittels zur Vermeidung des vorzeitigen Samenergusses. Die PR-Agentur führe nicht nur die Telefonaktion durch. Sie suche auch die Experten aus und verfasse eine Zusammenfassung, die an Redaktionen verschickt werde. Nach Auffassung der Rechtsvertretung des Verlages wahrt die Veröffentlichung die presseethischen Grundsätze. Redakteure hätten die Informationen für den Beitrag sorgfältig recherchiert und zusammengestellt. Dass am Ende des Artikels von „unserem Lesertelefon“ die Rede sei, bedauere die Redaktion. Die Formulierung sei umgehend korrigiert worden. Die Zeitung wendet sich gegen den Vorwurf, die in Ziffer 7 des Pressekodex definierte Forderung, redaktionelle und werbliche Inhalte strikt von einander zu trennen, verletzt zu haben. Bei dem beanstandeten Beitrag handelte es sich weder um bezahlte Werbung noch um eine Eigenanzeige, erst recht nicht um Schleichwerbung.

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