Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
6739 Entscheidungen

Exklusiv-Interview war nicht exklusiv

Eine Lifestyle-Zeitschrift kündigt einen Beitrag über Heidi Klum auf der Titelseite so an: „Exklusiv-Interview Heidi Klum – ist sie wirklich wieder schwanger? Der große Liebesbeweis ihres Freundes und warum Heidi deshalb ihr Leben umkrempelt.“ Die Veröffentlichung im Innenteil ist überschrieben mit: „Exklusiv – ist sie wirklich wieder schwanger?“ Im Text wird mitgeteilt, dass Heidi Klum der Zeitschrift exklusiv auf die Frage nach einem Ring verraten habe, dass dieser ein Geschenk von ihrem Freund sei. Im Hinblick auf eine Schwangerschaft heißt es im Beitrag, dass kaum noch jemand im Umfeld des Models ausschließe, dass Heidi ihrem neuen Freund seinen größten Wunsch, mit ihr ein Baby zu haben, erfüllen werde. Die Zeitschrift schreibt weiter, dass Heidi Klum in ihren letzten Beziehungen immer sehr schnell schwanger geworden sei. Außerdem sei sie in letzter Zeit deutlich ruhiger geworden. Statt pausenlos von einem Projekt zum nächsten zu hetzen, stehe die Familie für sie noch mehr im Vordergrund. Heidi Klums Rechtsvertretung sieht unwahrhaftige und falsche Darstellungen in der Berichterstattung. Es habe kein Exklusivinterview gegeben. Heidi Klum habe lediglich im Rahmen einer PR-Aktion öffentlich auf die Frage nach einem Ring an ihrem Finger geantwortet. Zu einer Schwangerschaft, einem Liebesbeweis und einem Umkrempeln ihres Lebens habe sie sich überhaupt nicht geäußert. Die Rechtsvertretung der Zeitschrift widerspricht. Es habe sehr wohl ein Exklusivinterview am Rande einer Veranstaltung in Los Angeles gegeben. Dabei sei Heidi Klum von Journalisten befragt worden und habe Auskünfte erteilt. Die Redaktion habe sich dabei auf konkrete Äußerungen gestützt. Die Frage nach dem Ring sei von einem Redakteur der Zeitschrift gestellt worden. Daher könne von einem „Interview“ gesprochen werden. Den Zusatz „Exklusiv“ bewertet die Zeitschrift in diesem Zusammenhang als zulässig. Im Übrigen sei die Passage über eine denkbare Schwangerschaft mit einem Fragezeichen versehen worden. Abschließend weist die Rechtsvertretung darauf hin, dass die Parteien sich wegen der Veröffentlichung bereits außergerichtlich und abschließend geeinigt hätten.

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Details machen Opfer identifizierbar

Ein Mann steigt in den Neptunbrunnen am Berliner Alexanderplatz und verletzt sich selbst mit einem Messer. Beim anschließenden Polizeieinsatz wird er getötet. Die Online-Ausgabe einer örtlichen Zeitung berichtet über den Vorfall. Der Autor berichtet, er habe die Möglichkeit bekommen, einen Blick in das Apartment des Opfers zu werfen. Zustand und Inventar der Wohnung werden detailliert beschrieben. Der Mann habe das Kaufmannsdiplom erworben und später Hartz IV bezogen. Vorher sei er trotz unbefristeter Anstellung bei einem Steuerberater entlassen worden. Der Autor erwähnt auch Kinderfotos und einen Liebesbrief, den das Opfer unter seinem Bett aufbewahrt habe. Zum Artikel gestellt ist eine Fotostrecke. Diese enthält Aufnahmen des Wohnhauses, der Wohnung mit herumliegendem Müll sowie des Tatortes. Auf einem Porträtfoto des Opfers ist die Augenpartie verfremdet. Nach Auffassung eines Lesers der Zeitung missachtet der Autor des Artikels die Gebote der Achtung der Menschenwürde und des Schutzes der Persönlichkeit eines mutmaßlich kranken Menschen aus voyeuristischen Gründen. Ein journalistischer Nachrichtenwert, der der Meinungsbildung diene, sei nicht erkennbar. Der geschäftsführende Redakteur der Zeitung spricht in seiner Stellungnahme von einer sachlichen und wertfreien Berichterstattung über das Leben des Getöteten. Dadurch solle der Leser einen Eindruck von seiner Lebensführung bekommen. Daran bestehe ein öffentliches Interesse, zumal sich der dramatische Vorfall in der Öffentlichkeit zugetragen habe. Bei der Berichterstattung über Straftaten gehe Richtlinie 8.1 von einer Gleichrangigkeit zwischen dem Informationsinteresse auf der einen und dem Persönlichkeitsrecht des Täters auf der anderen Seite aus. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sich der Zwischenfall auf einem sehr belebten Platz im Zentrum der Hauptstadt abgespielt habe. Außerdem habe der Mann Polizisten mit einem großen Messer bedroht. Dies sei unstrittig eine schwere Straftat. Das öffentliche Interesse an der Berichterstattung sei somit noch gesteigert worden. Die Frage sei gewesen, was für eine Person hinter einem derartigen Verhalten stehe. Es sei keine Persönlichkeitsrechtsverletzung, wenn dem öffentlichen Interesse entsprochen und über das Leben des Opfers geschrieben werde.

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Chefredakteur ärgert sich über Leserbrief

In einer Regionalzeitung erscheint ein Leserbrief, in dem der Einsender die Haltung der Oberbürgermeisterin zum geplanten Baustart einer Brücke kritisiert. Wörtliche Passage: „Bei Frau (…) ist der Krebs wahrscheinlich schon im Kopf angekommen. Anders kann man so ein arrogantes und dummes Verhalten nicht erklären.“ Ein Leser der Zeit beklagt, dass die Oberbürgermeisterin in primitivster Weise diffamiert worden sei. Hintergrund sei, dass die Kommunalpolitikerin eine schwere Krebserkrankung gut überstanden habe und wieder im Amt sei. Durch die Veröffentlichung des Briefes distanziere sich die Redaktion nicht von seinem Inhalt. Sie begebe sich damit auf das Niveau des Einsenders. Er habe sich sehr über diesen Leserbrief geärgert, teilt der Chefredakteur der Zeitung in seiner Stellungnahme mit. Normalerweise würden Leserbriefe redigiert, so dass Äußerungen wie in diesem Fall gestrichen würden. Das sei auch hier so gewesen. Leider sei die Textpassage dann aufgrund eines Versehen doch erschienen. Für die Veröffentlichung habe er sich bei der Oberbürgermeisterin noch am gleichen Tag und bei den Lesern in der nächsten Ausgabe entschuldigt. Überdies habe er den Vorgang zum Anlass genommen, in der Redaktionskonferenz auf einen korrekten, den Regeln des Presserats entsprechenden Umfang mit Leserbriefen zu verweisen.

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Kürze, Pointierung und Zuspitzung

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung veröffentlicht unter der Überschrift „Böser Bushido“ eine Kolumne. Darin beschäftigt sich der Autor mit dem Rapper Bushido und dessen neuem Song. In diesem Zusammenhang bezeichnet er den Entertainer als „Idiot“, „Arschloch“, „Arsch“ und „dumme Wurst“. Die Kolumne sei beleidigend, meint ein Leser der Zeitung. Die Rechtsvertretung des Blattes weist darauf hin, dass die Texte des Autors durch ihre teilweise saloppen, meinungsintensiven Formulierungen sowie durch ihre Kürze, Pointierung und Zuspitzung immer wieder Anlass zu Diskussionen gäben. Dieser Effekt sei ausdrücklich erwünscht, da der gesellschaftliche Diskurs fundamentaler Bestandteil der freiheitlich demokratischen Grundordnung sei. Der Presserat habe in einem früheren Fall festgehalten, dass für Meinungsbeiträge erfahrungsgemäß andere Maßstäbe anzulegen seien als für Tatsachenäußerungen. Man müsse die Ansichten des Kolumnisten nicht teilen. Sie seien aber vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Nichts anderes könne auch im konkreten Fall gelten, argumentiert die Rechtsvertretung. Der Autor greife die sprachlichen Entgleisungen von Bushido auf und entgegne ihm auf eine Weise, die in etwa dessen Niveau entspreche. Dabei bediene er sich genau der drastischen Sprache, die der Rapper zu benutzen pflege. Der Kolumnist bringe damit die Verfehlungen Bushidos in überspitzter Form auf den Punkt.

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„Werbung in redaktioneller Aufmachung“

Die Sonderausgabe einer Wirtschaftszeitung befasst sich mit dem Thema „Wie gerecht ist Deutschland?“ Die Titelseite enthält den Hinweis „In Kooperation mit Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“. Im Inhaltsverzeichnis sind zehn Beiträge, die sich jeweils mit Studien der Initiative beschäftigen, mit einem Stern gekennzeichnet. Unter dem Inhaltsverzeichnis wird erläutert, dass das Heft in Zusammenarbeit mit der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) entstanden sei. Auch hier der Hinweis auf Beiträge, die mit einem Stern gekennzeichnet sind, wenn sie sich auf Studien gründen, die im Auftrag der Initiative entstanden sind. Auch am Ende der betreffenden Beiträge findet sich dieser Hinweis. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass das Heft den Grundsatz der klaren Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten verletze. Er hält das Heft für Werbung in redaktioneller Aufmachung. Vor allem die Beiträge über die von der INSM in Auftrag gegebenen Studien stellen nach Ansicht des Beschwerdeführers mehr Werbung als Redaktion dar. Sie seien nahezu eins zu eins von den Studien abgeschrieben. Er weist auch darauf hin, dass das Heft kostenlos von der Website der INSM heruntergeladen werden könne. Er selbst habe am Kiosk 7,50 Euro bezahlt. Die Rechtsvertretung der Zeitung widerspricht dem Beschwerdeführer. Das Sonderheft enthalte nichts anderes als redaktionelle Berichterstattung. Die Inhalte seien von der Redaktion erstellt und ausgesucht worden. Soweit Studien verwendet worden seien, die von unabhängigen Dritten im Auftrag des Kooperationspartners INSM erstellt worden seien, werde darauf mehrmals im Heft hingewiesen. Dem Leser werde hinreichend deutlich gemacht, in welchen Fällen die Redaktion Artikel unter Verwendung von Studien veröffentlicht habe, die von der INSM in Auftrag gegeben worden seien. Die Redaktion habe die Studien eigenständig aufbereitet und überarbeitet und im Rahmen der redaktionellen Unabhängigkeit entschieden, welche Inhalte veröffentlicht würden. Eine Bezahlung für die Veröffentlichung der Studien habe es nicht gegeben.

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Video-Sequenzen von einem Zugunglück

In der Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung erscheint das Video einer Nachrichtenagentur von einem Zugunglück in Spanien vom gleichen Tag. Die veröffentlichten Ausschnitte zeigen mit Tüchern bedeckte Leichen. In einer Sequenz ist das Gesicht eines mutmaßlich Toten aus der Entfernung zu sehen. Die Gesichtszüge sind undeutlich erkennbar. Eine andere Szene zeigt, wie eine Frau mit dem Kopf voran und auf dem Rücken liegend aus dem zertrümmerten Zug geborgen wird. Sie liegt auf einer Trage. Den linken Arm scheint sie noch zu bewegen, der rechte hängt schlaff herunter. Zu Beginn des Films und am Ende sind sekundenlange Aufnahmen der mit Tüchern bedeckten Toten zu sehen, die um die Unglückstelle herumliegen. Zum Teil sind die nackten Beine der Opfer zu sehen. Der Beschwerdeführer – ein Nutzer des Online-Portals – sieht presseethische Grundsätze verletzt. Das Video zeige Leichen, deren Gesichter eindeutig erkennbar seien. Er bezeichnet den Film als unangebracht, unethisch und geschmacklos. Er sei für Kinder ungeeignet. Resümee des Beschwerdeführers: Sensationshascherei. Die Rechtsvertretung der Zeitung sieht keinen Grund für eine Beschwerde. Die Identität der Opfer des Zugunglücks werde in dem Video nicht preisgegeben. Soweit Personen erkennbar seien, handele es sich um Helfer oder Journalisten. Sofern Verunglückte erkennbar seien, handele sich nicht um Leichen, sondern um Verletzte. Um die Tragweite des Unglücks nachvollziehen zu können, sei die damals tagesaktuelle Darstellung der Rettungs- und Bergungsvorgänge erforderlich gewesen. Den Vorwurf der Sensationshascherei weist die Zeitung entschieden zurück. Sie verkenne nicht, dass die Darstellung möglicherweise als zu realistisch und zu drastisch empfunden werden könnte. Das Video sei wenige Stunden nach der Veröffentlichung entfernt worden und durch das Video einer anderen Nachrichtenagentur ersetzt worden.

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Chefarzt: „Dann können Sie packen und gehen!“

In diesem Fall geht es um das Rechercheverhalten einer Journalistin, die für eine Wochenzeitung arbeitet. Die Beschwerdeführerin ist ebenfalls im Medienbereich tätig. Sie teilt im Schreiben an den Presserat mit, dass sie von ihrer Tochter, die Kontakt zu einer Patientin einer psychiatrischen Spezialstation habe, erfahren habe, dass dort eine Reporterin einer Wochenzeitung zwei Tage lang recherchiere. Dieselbe Patientin habe berichtet, mehrere Patienten hätten den Chefarzt gefragt, was die Konsequenz sei, wenn jemand nicht damit einverstanden sei, dass die Reporterin sich in der Klinik aufhalten und frei bewegen könne. Antwort des Chefarztes: Wer dies nicht billige, könne seine Sachen packen und gehen. Daraufhin habe sie, die Beschwerdeführerin, die Chefredaktion der Wochenzeitung über den Vorfall informiert. Sie sei in dem Glauben gewesen, dass es nicht im Sinne der Redaktion sein könne, dass eine Reportage unter solchen Umständen zustande komme. Sie sei daraufhin von einem Ressortleiter der Redaktion angerufen worden. Der habe ihr versprochen, er werde mit der Autorin sprechen und dafür sorgen, dass sie den Informationen nachgehen bzw. die Einverständniserklärungen der Patienten kritisch hinterfragen werde. Die Beschwerdeführerin berichtet weiter, dass die Patientin, die sie informiert hatte, vom Chefarzt scharf angegriffen worden sei, weil sie Informationen weitergegeben habe. Dem Arzt sei auch ihr Name bekannt gewesen. Die Journalistin habe ihn in einem Telefonat mit dem Chefarzt erwähnt. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, die Journalistin habe mit ihrem Rechercheverhalten in eklatanter Weise den Datenschutz verletzt. Diese habe sich telefonisch bei ihr entschuldigt und ihr Fehlverhalten mit dem Hinweis zu erklären versucht, die Situation sei „so unübersichtlich“ gewesen. Für die Zeitung nimmt deren Rechtsvertretung Stellung. Sie berichtet, die Beschwerdeführerin habe sich mit einem Leserbrief an die Redaktion gewandt, der mit vollem Namen veröffentlicht worden sei. Somit habe für die Journalistin kein Anlass bestanden, im Gespräch mit dem Chefarzt den Namen nicht zu erwähnen. Es habe auch keine Vereinbarung gegeben, den Sachverhalt vertraulich zu behandeln. Auch ein Verstoß gegen Ziffer 8 (Persönlichkeitsrecht) sei nicht festzustellen, da die Nennung des Namens nicht im Zusammenhang mit einer Berichterstattung erfolgt sei.

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Adresse des mutmaßlichen Täters genannt

„Säure-Angriff: Taxifahrer wollte seine Frau töten“ titelt die Online-Ausgabe einer Tageszeitung. Im Bericht geht es um ein versuchtes Tötungsdelikt. Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich um einen türkischen Taxifahrer, der seine seit längerem von ihm getrennt lebende Ehefrau mit einem Messer attackiert und dann mit Säure übergossen habe. Neben dem Alter von Opfer und Täter wird auch die vollständige Wohnadresse des mutmaßlichen Täters genannt. Ein Leser der Zeitung sieht in der nach seiner Ansicht völlig unnötigen Nennung der Adresse einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte). Die Nennung der Adresse gehe über das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der berichteten Tat weit hinaus. Der Presserat fordert die Redaktion außerdem auf, sich zu der Frage zu äußern, ob durch die Erwähnung der Herkunft des Täters möglicherweise auch ein Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierungen) vorliege. Die Justiziarin der Zeitung vertritt die Ansicht, dass eine identifizierende Berichterstattung durch die Vorgaben der Ziffer 8 (Persönlichkeitsrechte) gedeckt sei. Es gehe um eine schwere Straftat, die sich in der Öffentlichkeit („auf offener Straße“) abgespielt habe. Zahlreiche Passanten hätten das Geschehen mitbekommen. Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Ziffer 12 liege – so die Rechtsvertretung der Zeitung – ebenfalls nicht vor. Säureattentate kämen in Mitteleuropa recht selten vor. Oft seien sie Ausdruck einer Geringschätzung Frauen gegenüber. Die Redaktion habe deshalb einen Sachbezug zwischen der Tat und der Herkunft des mutmaßlichen Täters durchaus als gegeben angesehen.

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Ex-Frau mit Messer und Säure angegriffen

„Taxifahrer überschüttet Ex-Frau mit Säure“ - so überschreibt die Online-Ausgabe einer überregionalen Zeitung ihren Bericht über ein versuchtes Tötungsdelikt. Bei dem mutmaßlichen Täter handele es sich um einen türkischen Taxifahrer, der seine seit längerem von ihm getrennt lebende Ehefrau auf einer stark frequentierten Straße mit einem Messer attackiert und dann mit Säure übergossen habe. Die Redaktion gibt das Alter der beiden Beteiligten, sowie die genaue Wohnadresse des mutmaßlichen Täters an. Aus Sicht eines Lesers der Zeitung verstößt die Berichterstattung gegen die Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte), da im Artikel völlig unnötigerweise die Anschrift des mutmaßlichen Täters genannt werde. Die Kenntnis der genauen Adresse gehe über das Informationsinteresse der Öffentlichkeit weit hinaus. Die Redaktion soll sich nach Aufforderung durch den Presserat auch zu der Frage äußern, ob ein Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierungen) vorliege, da die Redaktion die Herkunft des mutmaßlichen Täters genannt habe. Die Rechtsvertretung der Zeitung vertritt die Ansicht, dass die Schwere der Tat, die sich in der Öffentlichkeit abgespielt habe, eine identifizierende Berichterstattung rechtfertige. Diese in Ziffer 8 des Pressekodex definierten Kriterien seien hier erfüllt. Auch liege kein Verstoß nach Ziffer 12 Pressekodex (Diskriminierungen) vor. Säureattentate kämen in Europa nur sehr selten vor. Oft seien sie Ausdruck einer Geringschätzung Frauen gegenüber. Es gebe daher einen Sachbezug zwischen der Tat und der Herkunft des mutmaßlichen Täters.

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Tief in die Privatsphäre eingegriffen

Eine Wochenzeitung berichtet online unter der Überschrift „Ein Kranker wird Held“ über den Fall Gustl Mollath. Dieser war nach einem Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth jahrelang in der Psychiatrie untergebracht worden. Die Autorinnen fragen, ob der Betroffene weggesperrt worden sei, weil er einen Bankenskandal aufgedeckt habe, oder ob mit dem vermeintlichen Justizopfer Wahlkampf gemacht werde. Sein Fall beschäftige mittlerweile die bayerische Landesregierung und die Oppositionsparteien im Münchner Landtag. Die Zeitung berichtet, Mollath habe seine Frau schwer misshandelt und zahllose Autoreifen angestochen. So stehe es im Urteil des Landgerichts von 2006. Weil ein Nervenarzt dem Betroffenen Wahnvorstellungen attestiert habe, sei dieser in der Psychiatrie untergebracht worden. Mollath habe während des Prozesses immer wieder auf einen Schwarzgeldskandal hingewiesen, in den seine Frau als Bankangestellte verwickelt gewesen sei. Die Zeitung berichtet, die Entscheidung, Mollath in der Psychiatrie unterzubringen, sei auf Grund eines Gutachtens getroffen worden. Dessen Autor sei ein Sachverständiger, in dessen forensischer Abteilung Mollath einen Monat lang gewesen sei. Dem dortigen Personal – so berichtet die Zeitung – sei Mollaths Verhalten „bizarr“ erschienen. Zitat: „Mollath weigerte sich zu essen und sich zu waschen oder seine Schuhe anzuziehen. Manchmal lief er nur in Unterhosen herum. Wenn die Mitpatienten die Fenster aufrissen, weil der ungewaschene Neuankömmling bestialisch roch, begann er lauthals zu schreien und fühlte sich in seinen Menschenrechten verletzt.“ Die Beschwerdeführer, die alle dem Unterstützerkreis von Gustl Mollath angehören, sehen mehrere Ziffern des Pressekodex verletzt. Eine wesentliche Rolle in der Beschwerde spielt ein Schnellhefter, den Mollath angelegt hatte und der mit der Schilderung des Krebstodes seiner Mutter beginnt. Die Autorinnen berichten, der Hefter sei mit Riesenlettern gespickt und voll von „wirren Ausführungen“. Dagegen argumentieren die Beschwerdeführer. Bei den „wirren Ausführungen“ handele es sich um eine Anlage mit Flugblättern in ihrer typischen Gestaltung. Wirr und falsch sei allein die Zusammenfassung durch die drei Autorinnen. Weiterhin kritisieren die Beschwerdeführer zahlreiche Details aus der Berichterstattung über den Fall, der seinerzeit bundesweit Aufsehen erregt hatte. Der Rechtsvertreter der Zeitung hält die Beschreibung des Inhalts des Schnellhefters für korrekt. Von „wirren“ Ausführungen zu sprechen, sei als journalistische Bewertung zulässig. Die Autorinnen hätten die im Ordner befindlichen Unterlagen gelesen und seien danach zu ihrer Bewertung gekommen. Zusammenfassend stellt der Rechtsvertreter der Zeitung fest, dass diese korrekt berichtet habe. Sie habe Tatsachen mitgeteilt, soweit sie zum Zeitpunkt der Berichterstattung bekannt gewesen seien. Die Redaktion habe mit allen Beteiligten gesprochen und ihnen die Möglichkeit gegeben, ihre Sicht der Dinge gegenüber der Redaktion darzustellen und zu belegen. Weder Mollath noch sein Verteidiger hätten sich mit Vorwürfen an die Zeitung gewandt.

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