Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6738 Entscheidungen

Fiktion

Unter der Überschrift »Rainer ist böse« veröffentlicht das Jugendmagazin einer Tageszeitung eine Reportage über gewaltbereite und -tätige Jugendliche. Der Autor des Berichts beschreibt, wie er das Vertrauen von vier Jugendlichen gewinnt und mit ihnen durch die Straßen streift. Dabei werden im Beisein des Journalisten zahlreiche, immer stärker eskalierende Straftaten verübt: von vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs bis hin zu mehreren Sachbeschädigungen. Schließlich überfallen die vier einen ängstlichen, älteren Passanten und treten mit Stahlkappenstiefeln ihrem Opfer wiederholt in Magen und Unterleib. Sie drücken das blutende Gesicht des Wehrlosen in eine Pfütze und verhöhnen ihn: »Hör auf zu flennen!«. Seine eigene Rolle bei die sei Überfall beschreibt der Journalist selbst so: »Ich habe nur zugesehen. Nur zugesehen. Beobachtungen.« Ein Leser der Zeitschrift beklagt sich beim Deutschen Presserat. Diese Art von Journalismus sei skandalös und gesellschaftsverändernd. Durch ein solches Verhalten würden Täter zu weiteren Straftaten ermutigt und Opfer zusätzlich eingeschüchtert. Die Chefredaktion teilt mit, dass gegen den Autor des Artikels ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der unterlassenen Hilfeleistung und er Beihilfe zu Straftaten anhängig sei. Dabei handele es sich nicht um die Schilderung realer Begebenheiten. Der Verfasser habe vielmehr Erlebnisse von Jugendlichen, die er während seiner Zivildienstzeit in einem Jugendzentrum gehört habe, in seinem Beitrag verarbeitet. Der Überfall auf den Passanten sei dagegen frei erfunden. Auch die Person des Rainer, dessen familiäres und soziales Umfeld der Text beschreibt, ist eine Fiktion. Absicht des Autors sei gewesen, seine Erfahrungen und Informationen zum Thema personalisiert darzustellen, den Leser auch in bezug auf die Situation sozial nicht integrierter Jugendlicher zum Nachdenken anzuregen. Die Redaktion räumt ein, dass der Bericht »ungewöhnlich sein mag«. (1995)

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Namensnennung

Eine Lokalzeitung berichtet über einen tödlichen Unglücksfall. Ein 28jähriger war mit einem selbstgebauten Floß verbotenerweise durch den unteren Durchlass der Sperrmauer eines Stausees gefahren und dabei ertrunken. Der Verunglückte wird mit vollständigem Namen genannt. Die Eltern sind schockiert über die Offenlegung aller persönlichen Daten ihres Sohnes und führen Beschwerde beim Deutschen Presserat. Die Redaktion teilt mit, dass sie sich bei solchen Unglücksfällen an die Verhaltensweise der Polizei halte. Wenn diese den Namen nenne, handele die Redaktion ebenso. Zudem sei der Name im dörflichen Umkreis des Verunglückten jedermann sofort geläufig gewesen. (1995)

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Religiöses Empfinden

Eine lllustrierte berichtet über einen Prozess, in dem zwei Männern Freiheitsberaubung, Körperverletzung und sexuelle Nötigung vorgeworfen wird. Die beiden Angeklagten und Verurteilten hatten einen 24jährigen Angolaner in ihrer Wohnung wie einen Sklaven gehalten und gequält, Das Opfer hatte die beiden Täter zuvor in der neuapostolischen Gemeinde kenne gelernt. In dem Bericht heißt es, die Täter seien »fanatische Anhänger der Neuapostoliker« gewesen, »bekannt für hierarchische Strukturen und rigide Moralvorstellungen. Die christliche Sekte, von Aussteigern als, Konglomerat aus Lieblosigkeit und Überheblichkeit; aus Allmachtsfantasien und dumpfem Okkultismus beschrieben, war für sie Lebensinhalt.« Ein Mitglied der Neuapostolischen Kirche beschwert sich beim Deutschen Presserat. Der Bericht verletze durch seine gewollt herabsetzende Weise nicht nur das Persönlichkeitsrecht der Neuapostolischen Kirche, sondern auch das religiöse Empfinden der knapp eine halbe Million neuapostolischer Christen in Deutschland. Die Zeitschrift ist der Auffassung, ihr Bericht halte sich im Rahmen zulässiger Äußerungsfreiheit, Die im Bericht aufgeführten Äußerungen von Aussteigern seien authentische Zitate aus Briefen an den Beauftragten einer Evangelischen Landeskirche für Sekten- und Weltanschauungsfragen. (1995)

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Behauptung ohne Beweise

Behauptung ohne Beweise

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Diskriminierung von Obdachlosen

Unter der Überschrift »Dat Unwesen« kommentiert eine Lokalzeitung die Gelage von Nichtsesshaften, Alkoholsüchtigen und Drogenabhängigen auf dem Marktplatz und am Stadttor der Stadt. Vielen Bürgern sei dieser Personenkreis ein Dorn im Auge. Wörtlich heißt es: "Selbst wenn keine reale Gefahr von ihnen ausgeht, so stellen sie doch eine latente Bedrohung dar«. Und weiter: »Fakt ist, dass Nichtsesshafte; Alkis und Junkies im Straßenbild stören«. Fast täglich könne man Mitglieder der Alkoholszene beobachten, die ungeniert in den Blumenrabatten Wasser lassen. Schließlich fordert der Autor ein verstärktes Eingreifen der Stadt. Diese habe es in der Hand; ein Platzverbot auszusprechen und den Betroffenen möglicherweise andere Versammlungsflächen zuzuweisen. Zum Schluss schreibt die Zeitung: »Dieser Kommentar soll kein Ruf nach dem starken Mann oder nach dem harten Besen sein. Gesetze sind aber dazu da, dass sie auch gezielt angewendet werden. Mitleid und tätige Hilfe für alle diese Personengruppen sind daneben jederzeit angebracht und gefordert. Dafür muss sich das Problem aber nicht täglich zum Nachteil der Öffentlichkeit abspielen«. Eine Leserin des Blattes sieht Ziffer 9 des Pressekodex verletzt und schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Chefredaktion ist sich bewusst, dass sie ein heißes Eisen angepackt hat. Man habe sämtliche Leserbriefe zu diesem Kommentar abgedruckt. Insofern könne von unbegründeten Beschuldigungen, insbesondere ehrverletzender Natur, wie es in Ziffer 9 heiße, in keinem Fall die Rede sein. (1993)

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Foto eines Todesopfers

»Teenager-Eifersucht« titelt ein Boulevardblatt und berichtet über »Schüsse in der Englisch-Stunde«. Ein 15jähriger unglücklich verliebter Junge tötet mit einer Waffe des Vaters aus Eifersucht eine 14jährige Mitschülerin. In der Schlagzeile ist ein Foto der beiden eingeklinkt. Die Augen des Jungen sind mit einem Balken abgedeckt. Im Text werden der Vorname des Täters, der abgekürzte Nachname sowie sein Alter, seine Schule und seine Klasse genannt. Das Opfer wird mit Vornamen, Anfangsbuchstabe des Familiennamens und Alter gekennzeichnet. Die Mutter des Jungen beschwert sich beim Deutschen Presserat. Sie beklagt die Namensnennung. Die Tat an sich sei geeignet, entgegnet die Zeitung, den Jungen zur relativen Person der Zeitgeschichte werden zu lassen. Im Hinblick auf das Alter des Täters habe die Redaktion ein Foto mit »Augenblende« veröffentlicht und lediglich den Vornamen mitgeteilt. (1993)

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Wetterprognosen

Ein Boulevardzeitung berichtet über die präzisen Prognosen eines Wetterforschers: »Das wird der schlimmste Winter«. Den Professor überfällt ungläubiges Erstaunen, ja Entsetzen, als er die Zeitung zu Gesicht bekommt. Von dem, was ihm die Redaktion in den Mund legt, hat er kein Wort gesagt. Telefonisch habe ihn ein Mitarbeiter der Zeitung befragt. Er habe einige Bauernregeln zitiert. Außerdem habe man über die Wetterstatistik gesprochen. So habe er dem Journalisten erklärt, dass es in diesem Jahrhundert alle 7,7 Jahre einen strengen Winter gegeben habe. Nach 1962/63, 1969/70, 1978/79 und zuletzt 1986/87 könnte bei dem Abstand von sieben bis neun Jahren einer der drei nächsten, wahrscheinlich der Winter 1994/95 an der Reihe sein. Von Schnee und Schneesturm, von Verwehungen, schulfrei, gesperrten Straßen, eingeschneiten Zügen und Dörfern, wie in der Zeitung zu lesen, sei nie die Rede gewesen. Die Wendung »Klirre Nächte« gehöre gar nicht zu seinem Sprachschatz, bekundet der Meteorologe. Der Bericht, der den »schlimmsten Winter« vorhersagt, sei »zusammengezaubert«. Man habe sich vom örtlichen Wetterdienst den Ablauf der bisherigen strengen Winter schildern lassen, daraus eine eigene Wetterprognose gemacht und dann dieses Elaborat mit seinem Namen wissenschaftlich verbrämt. Die Redaktion der Zeitung räumt ein, Auskünfte des Instituts ohne weitere Nachfrage als Prognose veröffentlicht zu haben. (1993)

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Zitat

Ein Boulevardblatt schildert einen spektakulären Entführungsfall, der mit dem Verdacht endet, dass die Eltern ihren 18 Monate alten Sohn selbst getötet haben. Die Zeitung zitiert angebliche Geständnisse der Eltern. Tags zuvor hatten Staatsanwaltschaft und Polizei eine Pressekonferenz veranstaltet und Einzelheiten zu dem Fall mitgeteilt. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat stellt das zuständige Polizeipräsidium fest, dass den in Haft befindlichen Beschuldigten Zitate unterstellt worden seien, die sie tatsächlich gar nicht geäußert hätten. Die »Geständnisse« seien in Vernehmungsprotokollen enthalten, aber in völlig anderer Textfolge und Wortwahl. Die Ermittlungsakten seien zu keiner Zeit aus dem Bereich Polizei/Staatsanwaltschaft an Dritte weitergeleitet worden. Eine Leserin, die sich gleichfalls an den Presserat wendet; nennt den Artikel »grausig«. Die Rechtsabteilung des Verlags betont, es sei wahrheitsgemäß und zutreffend über die Tötung des Jungen berichtet worden. (1993)

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Nachrichtenquelle

Gegendarstellung

Unter der Überschrift »War kein Verkauf mehr« veröffentlicht eine Lokalzeitung einen Leserbrief. Die Verfasserin bezweifelt, dass zwei streng katholische Brüder ein Unternehmen im Jahre 1938 von einem jüdischen Eigentümer gekauft haben. Abschließend stellt sie fest: »Wer 1938 ein jüdisches Eigentum - gleich welcher Art - kaufen konnte, war ganz bestimmt kein Gegner des Nationalsozialismus«. Der Sohn und Neffe der damaligen Käufer erklärt dazu in einer Beschwerde an den Deutschen Presserat, dass es sich sehr wohl um einen Kauf gehandelt habe. Die beiden Geschäftsleute seien ständigen Repressalien seitens der NSDAP unterworfen worden. Der Vater des Beschwerdeführers sei nach dem Krieg als politisch Verfolgter anerkannt worden. Es hätte gar kein Anlass bestanden, diesen Leserbrief unbedingt zu veröffentlichen. Die Zeitung stellt fest, der Beschwerdeführer habe seine Beschwerde über eine angeblich abgelehnte Gegendarstellung an den Presserat geschickt, bevor er sich mit dieser überhaupt an die Redaktion gewandt hatte. Auch weigere man sich nicht mit allen Mitteln gegen einen Abdruck, sondern verlange lediglich, dass die Gegendarstellung den presserechtlichen Voraussetzungen entspreche. Schriftlich und telefonisch habe man versucht, mit dem Betroffenen Kontakt aufzunehmen, um eine Veröffentlichung wenigstens in Form einer Entgegnung zu ermöglichen. Man stehe nach wie vor zu dem Angebot, dass sich der Beschwerdeführer in der Zeitung zu dem Thema äußern könne. (1994)

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