Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.
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6738 Entscheidungen
Eine Boulevardzeitung berichtet online über den Prozess gegen einen 28-jährigen Mann, der seinen Vater angezündet und getötet hat. Der Angeklagte wird als „Jooris-Torben F.“ bezeichnet. Zudem werden zwei Fotos von ihm veröffentlicht. Sein Gesicht ist mit Augenbalken verfremdet. Das Opfer wird als „Ulrich F. (58)“ bezeichnet. Sein Arbeitsplatz wird genannt. Auch von ihm veröffentlicht die Redaktion ein stark verfremdetes Foto. Ein Leser der Zeitung wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Er sieht eine Verletzung des Persönlichkeitsschutzes. Die Rechtsabteilung des Verlages vertritt die Ansicht, dass der Täter durch die Berichterstattung nicht identifizierbar wird. Sein Nachname wird nicht genannt; auf dem Foto trage er eine FFP2-Maske. Zusätzlich sei das Foto durch einen Augenbalken verfremdet. Unabhängig davon wäre auch die Veröffentlichung seines Namens und eines Fotos von einem berechtigten öffentlichen Interesse gedeckt, da es sich bei dem ihm vorgeworfenen Delikt um eine schwere Tat handele, die in aller Öffentlichkeit geschehen sei. Auch die Art und Dimension lasse eine identifizierende Berichterstattung zu, da der Angeklagte seinen Vater getötet und dann versucht habe, etwaige Spuren durch einen Hausbrand zu verdecken. Auch eine Verletzung des Opferschutzes – so die Rechtsvertretung weiter – sei in diesem Fall nicht gegeben, da auch hier eine identifizierende Darstellung nicht vorliege.
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Eine Sonntagszeitung berichtet über ein mutmaßliches Sexualverbrechen. Die Überschrift lautet: „Mädchen (11) vergewaltigt! Afghane in U-Haft“. Im Text des Beitrages heißt es, in einem Park „solle“ ein elfjähriges Mädchen Opfer eines Sexualverbrechens gewesen sein. Der mutmaßliche Täter sei gefasst worden, stelle die Ermittler jedoch vor ein Rätsel. Der Jugendliche sitze in U-Haft, habe aber keinen Ausweis. Seine Identität sei unklar. Er schweige zu dem Vorwurf. Sein Anwalt – so die Zeitung – habe der Polizei gesagt, er sei ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling. Ein Leser der Zeitung vermutet einen Verstoß gegen Ziffer 12, Richtlinie 12.1, des Pressekodex. Er kritisiert die Redaktion. Sie hätte die Nationalität des Verdächtigen nicht nennen dürfen. Zudem werde in der Überschrift behauptet, was im Text korrekt als Mutmaßung dargestellt werde. Die Rechtsabteilung des Verlages widerspricht der Beschwerde. Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Ziffer 12 des Pressekodex sei nicht ersichtlich. Bekanntlich sei die Nennung der Nationalität nach Richtlinie 12.1 des Kodex zulässig, wenn ein begründetes öffentliches Interesse daran bestehe. Die Rechtsvertretung verweist auf den Text im Artikel, der diesen Satz enthalte: „Der mutmaßliche Täter ist gefasst, doch er stellt die Ermittler vor ein Rätsel.“ Sie vertritt die Auffassung, dass der Verdacht einer besonders schweren Straftat für das Bestehen eines begründeten öffentlichen Interesses spreche. Im Bericht werde nirgends in verallgemeinerter Form von der Person des Verdächtigen auf die Volksgruppe der Afghanen geschlossen. Die Rechtsvertretung hält am Ende ihrer Stellungnahme fest, dass die Frage des „Wer?“ zu den traditionellen „fünf W´s“ informativer Medienberichterstattung gehöre. Das Verschweigen oder die Verschleierung der Tatsache, dass der Betroffene Angehöriger einer bestimmten Nationalität sei, widerspreche dem traditionellen Selbstverständnis von der Presse als Chronistin des Zeitgeschehens.
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Eine Regionalzeitung berichtet über eine über 40 Jahre zurückliegende Tötung einer 13-Jährigen. Das Mädchen war nach einem Besuch bei seiner Großmutter auf dem Heimweg erstochen worden. Der Artikel ist Teil einer Serie, in der die Redaktion an Verbrechen in der Region erinnert. Die Zeitung nennt mehrfach den Vornamen des Opfers und erwähnt auch ein Lied, das später mit der Mordtat als Thema geschrieben wurde. Zum Beitrag gestellt ist ein Bild von dem damaligen Fahndungsaufruf der Polizei, der auch den Familiennamen des Mädchens enthält. Der Wohnort der Großmutter und der Tatort werden genannt. Zudem enthält der Beitrag eine Skizze mit dem Weg des Mädchens vom Wohnort der Großmutter bis zum Tatort. Auf der Skizze ist das Haus der Großmutter durch eine Markierung hervorgehoben. Nach Meinung eines Lesers der Zeitung verstößt der Beitrag gegen mehrere presseethische Grundsätze. Es bestehe kein den Opferschutz überwiegendes Interesse an der detaillierten Schilderung des Mordes an einem Kind, der 40 Jahre zurückliege. Der Beschwerdeführer bezeichnet die mehrfache Wiederholung des Vornamens des Opfers als reißerisch und journalistisch durch nichts zu rechtfertigen. Die Chefredakteurin der Zeitung betont, dass die Redaktion bei ihrer täglichen Arbeit stets den Pressekodex beachte. Zum konkreten Fall stellt sie fest, dass der Schutz des Opfers in dem Bericht gewahrt worden sei. Das Opfer sei nicht identifizierbar. Das Privatleben des Opfers sei im Bericht nicht erwähnt worden. Für ein überwiegendes öffentliches Interesse und damit eine Berichterstattung auch Jahre später spreche die außergewöhnlich schwere und in ihrer Dimension besonders schwere Straftat.
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Ein regionales Wochenblatt veröffentlicht einen Artikel mit der Überschrift „Italiener rammt Kollegen ein Messer ins Herz“. Im Beitrag geht es um den Prozess gegen einen 39-Jährigen wegen versuchten Totschlags. Die Nationalität des Mannes wird auch im Text genannt. Ein Leser des Blattes kritisiert die Nennung der Nationalität des Angeklagten. Die Redaktionsleiterin teilt mit, dass die beanstandete Überschrift nach reiflicher Abwägung und Diskussion in der Redaktion entstanden sei. Sie habe in einem eigenen Beitrag begründet, warum die Redaktion diese Überschrift gewählt habe. Sie steht auf dem Standpunkt, dass für die Angabe der Nationalität des Angeklagten ein begründetes öffentliches Interesse vorgelegen habe. Die Tat sei auf einer Nordseeinsel mit 1000 Bewohnern begangen worden, wo jeder jeden kenne. Eine derartige Straftat erwecke schon deshalb ein besonderes öffentliches Interesse. Die Tat habe sich in einer Gemeinschaftsunterkunft abgespielt, in der ausschließlich italienische Restaurantmitarbeiter lebten. Das Opfer sei Italiener. Auch alle anderen Beteiligten seien Italiener. Zwischen Tat und Nationalität bestehe in diesem Fall ein Zusammenhang. Der Streit, der Tatort und die beteiligten Personen seien als Einheit zu sehen. Bei dem Angeklagten handele es sich nicht um einen einheimischen und auch keinen x-beliebigen Restaurantmitarbeiter. Dies dürfe die Leserschaft bereits durch die Überschrift erfahren.
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Das Online-Portal einer Regionalzeitung veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „33 Prozent günstiger: So sparen Sie beim Bahnfahren richtig viel Geld.“ Der Artikel informiert über die Aktion eines Süßwarenherstellers, der seinen Produkten Gutscheine in Höhe von zehn Euro für die Deutsche Bahn beilegt. Die Redaktion empfiehlt ihrer Leserschaft, die öfter mit der Bahn unterwegs ist, darüber nachzudenken, sich einen kleinen Vorrat an Gutscheinen zuzulegen. Ein Leser der Zeitung sieht in dem Beitrag einen Fall von Werbung für den namentlich genannten Süßwarenhersteller. Ein Vertreter der Redaktion vertritt die Auffassung, dass die Berichterstattung von öffentlichem Interesse sei. Eine Bezahlung von dritter Seite habe es nicht gegeben. Der Artikel informiere sachlich über die Aktion. Die Redaktion weise dabei auch auf deren Tücken hin. So könne der Gutschein erst ab einem Fahrkartenpreis von 29,90 Euro eingelöst werden. Auch müsse mindestens ein ICE-, EC- oder IC-Zug genutzt werden.
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„Die Diät, die Spritzen überflüssig machen kann“ – unter dieser Überschrift berichtet eine überregionale Tageszeitung über eine Diät eines namentlich genannten Unternehmens aus der Gesundheitsbranche. Die Veröffentlichung trägt die Bezeichnung „Brand Story“. Dieser Begriff wird erläutert. Zusätzlich ist der Beitrag mit dem Hinweis“ Anzeige“ gekennzeichnet. Die Zeitung weist darauf hin, dass die Inhalte dieser Seite ein Angebot des genannten Werbepartners sind. Die Redaktion sei daran nicht beteiligt gewesen. Ein Leser der Zeitung sieht in dem Beitrag Werbung, die nicht klar als solche erkennbar sei. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, dass der angesprochene Inhalt ausschließlich über Elemente zu erreichen sei, die mit dem Wort „Anzeige“ gekennzeichnet seien und darüber hinaus die Kennzeichnung „Brand Story“ trügen. Diese Bezeichnung unterscheide sich von sämtlichen im redaktionellen Bereich verwendeten Kennungen. Es werde erläutert, dass es sich bei einer „Brand Story“ nicht um redaktionelle Inhalte handele. Im Übrigen trügen entsprechende Beiträge immer einen Hinweis, wonach es sich um einen werblichen Inhalt handele.
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Eine Fachzeitschrift aus dem medizinischen Bereich veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „Ehrenamtliches Engagement junger Ärztinnen und Ärzte“ über das „Psychosoziale Zentrum für Geflüchtete und Migrant*innen“. Im Artikel wird die Einrichtung „Psychosoziales Zentrum für Geflüchtete und Migranten“ genannt. In der folgenden Ausgabe veröffentlicht die Redaktion den Leserbrief einer Ärztin, die in dem genannten Zentrum arbeitet. Sie kritisiert die Nennung des falschen Institut-Namens. Der Vizepräsident der regionalen Ärztekammer nimmt für das Ärzteblatt Stellung. Die Einleitung zu den Beiträgen lautet: „Auf Wunsch der Autorin des Leserbriefes veröffentlichen wir den gesamten Schriftwechsel mit dem Vizepräsidenten Dr. Schimanke und wollen damit verdeutlichen, wie skurril die Entstellung der deutschen Sprache durch den Genderwahn werden kann. Falsch verstandener Feminismus entstellt nicht nur die Sprache, sondern besitzt das Potential zur Spaltung der gesamten Gesellschaft. Beschwerdeführerin ist die genannte Ärztin des Psychosozialen Zentrums. Diese sieht in der redaktionell nicht gekennzeichneten Änderung des Eigennamens eine Verletzung der Präambel des Pressekodex, sowie der Ziffer 12 (Diskriminierungen). Darüber hinaus sehe sie in der redaktionellen Einleitung ihres Leserbriefes die Präambel, Ziffer 9, 10 und 12 des Pressekodex verletzt. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitschrift nimmt zu den Vorwürfen Stellung. Die Redaktion habe bereits vor längerer Zeit festgelegt, dass sie sich insbesondere bei Pluralformen an die korrekte deutsche Grammatik halte und eine Gendersymbolik (Sternchen Doppelpunkt etc.) nicht verwende. Dementsprechend gebe es in jedem Heft auf der Seite des Inhaltsverzeichnisses einen Hinweis zur genderneutralen Sprache. Erst durch den Leserbrief habe die Redaktion erfahren, dass es sich bei dem „Psychosozialen Zentrum für Geflüchtete und Migrant*innen“ um einen Eigennamen handele.
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Die Online-Version einer überregionalen Zeitung berichtet unter der Überschrift „Attacke aus der Nacht“ über die Wandlung eines Dopingaufklärers des DDR-Sports. Im Bericht heißt es unter anderem: „Im ´Rotfuchs´ nimmt sich inzwischen ein gewisser Johann Weber des Themas an. Die Zeitschrift ist vom Sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz 2009 als neostalinistisch beschrieben worden.“ Beschwerdeführer in diesem Fall ist der namentlich genannte Autor. Er teilt mit, er habe vom sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz die Auskunft bekommen, der Begriff „neostalinistisch“ sei nicht im Zusammenhangmit ihm nicht gebraucht worden. Die entsprechende Veröffentlichung sei eine Lüge. Die Zeitung begehe an ihm vorsätzlich Rufmord. Er habe dies dem Autor mitgeteilt, doch sei die Lüge weiterhin online zu lesen. Die Rechtsabteilung der Zeitung nimmt zu der Beschwerde Stellung. Von Rufmord könne schon deshalb keine Rede sein, weil sich die beanstandete Äußerung nicht auf den Beschwerdeführer, sondern auf die genannte Zeitschrift beziehe.
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„Schlechte Noten für das Online-Studium“ – so überschreibt eine Regionalzeitung ihren Bericht über eine bundesweite Umfrage unter Studenten durch das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE). Ein Leser der Zeitung sieht in dem Artikel eine Verletzung des Sorgfaltsgrundsatzes. Es werde berichtet: „So vergab ein Fünftel der Befragten für digitale Lehrveranstaltungen ihrer Dozenten nur eine Schulnote zwischen vier und sechs.“ Die Aussage sei im Vergleich zu der von den CHE-Autorinnen und -Autoren selbst vorgenommenen Schlussfolgerung semantisch bedeutsam abweichend formuliert. In der Pressemitteilung heiße es: „So vergab ein Fünftel der Befragten für die Ansprache durch Lehrende in digitalen Lehrveranstaltungen nur eine Schulnote zwischen vier und sechs.“ Die in der Artikelüberschrift gezogene Schlussfolgerung sei mit dem berichteten Sachverhalt nicht in Einklang zu bringen, da 80 Prozent der in der Studie befragten Studierenden Noten zwischen eins und drei vergeben hätten. Die Artikelüberschrift erscheine somit sinnentstellend und wahrheitsverzerrend. Sie transportiere darüber hinaus eine von der CHE-Schlussfolgerung signifikant abweichende Aussagetendenz. Die Rechtsvertretung des Verlages stellt fest, dass in dem beanstandeten Artikel korrekt dargestellt werde, dass ein Fünftel der Befragten ihren Dozenten für die digitalen Lehrveranstaltungen nur eine Schulnote zwischen vier und sechs gegeben hätten. Eine signifikante Abweichung dieser Aussage im Vergleich zu dem von der Autorin gezogenen Fazit könne nicht festgestellt werden. Im Ergebnis komme es aber ohnehin auch nicht darauf an, ob das gezogene Fazit mit dem der Autorin der Studie vollkommen deckungsgleich sei. Die dem Fazit zugrundliegenden Umfrageergebnisse seien der Leserschaft verständlich und unzweideutig mitgeteilt worden.
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Eine Regionalzeitung berichtet unter den Überschriften „CDU: Verein macht gemeinsame Sache mit Radikalen“ (Printausgabe) und „Zusammenarbeit mit Extremisten? Zoff zwischen CDU und dem Verein ´Fulda stellt sich quer“ (online) über Kritik der Fuldaer CDU an dem Verein. Einige Tage später berichtet die Zeitung über eine mögliche Nähe des Vereins zur „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN). Beschwerdeführer tragen vor, sie sehen in der Textzeile „Die VVN gilt als linksextremistisch beeinflusst und wird vom Bundesverfassungsschutz beobachtet“ Verstöße gegen die Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht). Die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten“ (VVN-BdA) werde im bayerischen Verfassungsschutzbericht lediglich erwähnt. Der Autor des Zeitungsbeitrages sei Mitglied der CDU, was problematisch sei. Die von der Zeitung beauftragte Rechtsanwältin trägt vor, auch bei erneuter und kritischer Betrachtung des Artikels könne kein Verstoß gegen den Pressekodex festgestellt werden. In dem Artikel seien beide Seiten ausgewogen beleuchtet worden. Beiden Parteien sei auch die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden. Die jeweiligen Stellungnahmen seien veröffentlicht worden. Der Autor des kritisierten Beitrages verwahre sich gegen jeglichen Vorwurf der parteiischen Berichterstattung. Auch er könne bei erneuter Lektüre seines Artikels keinerlei einseitige Berichterstattung erkennen.
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