Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6644 Entscheidungen

Ein Bekenntnis nach 110 Minuten

Im vorliegenden Fall geht es um das Rechercheverhalten der Redaktion einer Fachzeitschrift, die sich mit Oldtimern beschäftigt. Der Beschwerdeführer berichtet, er besitze einen Oldtimer. Bei einem Besichtigungstermin habe sich auch ein vermeintlicher Kaufinteressent eingefunden. Der Termin habe 110 Minuten gedauert. Erst dann habe der angebliche Kaufinteressent überraschend seine wahre Identität als Journalist offenbart. Er habe mitgeteilt, dass er einen bebilderten, anonymisierten Artikel über den angebotenen Oldtimer veröffentlichen wolle. Auf Nachfrage hinsichtlich der frei erfundenen Hintergrundgeschichte habe der Käufer erklärt, dass nur auf diesem Wege eine wahrheitsgetreue Darstellung des Verkäufers über seinen Oldtimer möglich wäre. Der Chefredakteur der Zeitschrift reagiert auf die Beschwerde überrascht, zumal der Beschwerdeführer bei dem eigentlichen Vorgang nur unbeteiligter Beobachter gewesen sei. Ziffer 4 des Pressekodex – so der Chefredakteur weiter – besage, dass sich Journalisten grundsätzlich zu erkennen geben. Wörtlich steht da: „Unwahre Angaben des recherchierenden Journalisten über seine Identität und darüber, welches Organ er vertritt, sind grundsätzlich mit dem Ansehen und der Funktion der Presse nicht vereinbar.“ Allerdings heiße es im nächsten Absatz: „Verdeckte Recherche ist im Einzelfall gerechtfertigt, wenn damit Informationen von besonderem öffentlichem Interesse beschafft werden, die auf andere Weise nicht zugänglich sind.“

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Seit 1945 gab es in Europa 15 Kriege

Eine Regionalzeitung berichtet unter der Überschrift „Sie setzen ein Zeichen der Solidarität mit der Ukraine“ über eine Karnevalsveranstaltung im Zeichen des Krieges in der Ukraine. Unter anderem heißt es im Beitrag: „Fastnacht feiern, obwohl der erste Krieg seit über 70 Jahren in Europa ist?“ Ein Leser der Zeitung kritisiert die Passage „der erste Krieg seit über 70 Jahren in Europa“. Seit dem Ende des zweiten Weltkrieges habe es in Europa mindestens 15 Kriege gegeben. Er zählt diese Konflikte im Detail auf. Der Geschäftsführer der Zeitung stellt fest, der Beschwerdeführer habe mit seiner Kritik zweifellos recht. Die bearbeitende Kollegin habe leider missverständlich formuliert. Sie habe einen Angriffskrieg in Mitteleuropa gemeint, den es seit 1945 in dieser Größenordnung nicht gegeben habe. Aus der Leserschaft habe es keinerlei Reaktionen gegeben. Daher könne man davon ausgehen, dass Leserinnen und Leser das so verstanden hätten. Zudem stehe außer Frage, dass keine der vom Beschwerdeführer erwähnten anderen kriegerischen Auseinandersetzungen die Dimension des Überfalls Russlands auf die Ukraine gehabt hätten.

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„Ausländisch wirkende Männer“

Eine Lokal-Zeitung berichtet über Prügeleien in einer Kleinstadt. Die Zeitung zitiert Zeugen, die von Gruppen sprechen, die in die Schlägereien verwickelt gewesen seien. Es ist von „ausländisch wirkenden Männern“ die Rede, die auf Deutsche getroffen seien. Die Polizei mache keine Angaben zur Herkunft der Beteiligten. Zeugen würden gesucht. In der Onlineausgabe der Zeitung berichtet die Redaktion ebenfalls über die Auseinandersetzungen. Auch hier beschreiben Zeugen ausländische Männer und Deutsche. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass diese eine Zeugin zitiere, die die beteiligten Männer als Ausländer bezeichne. Dies sei in seinen Augen eine unangebrachte Darstellung, bei der aufgrund der Hautfarbe der vermeintlichen Täter eine Herkunft außerhalb von Deutschland impliziert werde. Der Chefredakteur der Zeitung hält die Beschwerde für unbegründet. In der Online-Berichterstattung zeige die Redaktion ein Video, in dem die Männer zu sehen seien, die an den Prügeleien beteiligt gewesen seien. Es seien „ausländisch aussehende und fremdländisch sprechende Männer“. Einer von ihnen sei „Ali“ gerufen worden sein. Es wäre höchst unglaubwürdig, dies zu verschweigen. Außerdem beinhalte der Artikel einen Zeugenaufruf der Polizei, der zumindest einige Merkmale der gesuchten Personen enthalten sollte. Die Vorfälle hätten sich vor vielen Zeugen ereignet. Leserinnen und Leser hätten das Recht auf möglichst viele Informationen, um das Geschehen einordnen zu können.

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Nennung der Nationalität war zulässig

Unter der Überschrift „Lkw-Fahrer unter Drogen – Polizei zieht Sattelzug auf der A7 aus dem Verkehr“ veröffentlicht eine Regionalzeitung einen Beitrag. Im Artikel wird mitgeteilt, dass aufgrund eines positiven Vortests des Fahrers die Polizei einen polnischen Sattelzug aus dem Verkehr gezogen hat. Die polnische Staatsangehörigkeit des Fahrers wird genannt. Zudem heißt es, dass gegen den Fahrer ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde und er eine Sicherheitsleistung in Form von Bargeld erbringen musste. Ein Leser der Zeitung bittet um Prüfung, ob die Angabe der Nationalität des Fahrers durch ein öffentliches Interesse gedeckt ist. Dies bejaht die Rechtsvertretung der Zeitung. Andernfalls wäre die Information zur geleisteten Sicherheitsleistung nicht nachzuvollziehen gewesen. Im vorliegenden Fall sei zu erwarten gewesen, dass ein Bußgeldbescheid wegen einer Ordnungswidrigkeit erlassen werde. Der Fahrer habe keinen deutschen Wohnsitz, wodurch grundsätzlich ein Haftbefehl hätte ausgestellt werden können. Allerdings hätte dieser nicht in einem vernünftigen Verhältnis zur zu erwartenden Geldstrafe gestanden. So sei vorläufig ein Bargeldbetrag als Sicherheitsleistung erhoben worden, um dem Fahrer die Ausreise zu ermöglichen. Die Information über die Nationalität – so die Zeitung abschließend – sei daher zur Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit für die Leserschaft notwendig gewesen.

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Wann gilt was bei der Einreise?

„Zahlen schießen wieder in die Höhe – Urlaubsländer bringen 3G zurück“ – unter dieser Überschrift berichtet ein Nachrichtenmagazin online über neue Einreisebestimmungen. Unter anderem heißt es: „Portugal (nur Festland): (ab 12 Jahren, Genesung maximal sechs Monate gültig. PCR-Test für Ungeimpfte.“ Ein Leser wirft der Redaktion vor, sie behaupte fälschlicherweise, dass mehrere Länder, darunter auch Portugal, einzig PCR-Tests für eine Einreise akzeptieren. Eine kurze Recherche auf der Internet-Seite des Auswärtigen Amtes habe ergeben, dass eine Einreise auch weiterhin mit sogenannten Antigen-Tests möglich ist. Der Chefredakteur stellt fest, die Regelungen zur Einreise in Urlaubsländer in den Zeiten der Covid-Pandemie unterlägen laufenden Veränderungen. So habe bei Erscheinen des Artikels für Portugal für ungeimpfte Personen noch gegolten, einen negativen Test vorzuweisen. Dieses Erfordernis sei dann später entfallen. Es lasse sich im Nachhinein nicht mehr exakt klären, auf welcher Grundlage der Autor des fraglichen Beitrages die Angaben zusammengestellt hat. Nachdem die Einreiseregelungen sich wiederum geändert hätten – so der Chefredakteur abschließend – habe die Redaktion den Beitrag aus dem Online-Angebot genommen.

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Anonymisierung wäre erforderlich gewesen

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online einen Artikel unter der Überschrift „´Ich hoffe, Sie hören für den Rest Ihres Lebens die Schreie´“. Der Beitrag informiert über den Prozess gegen einen 29-jährigen Mann, der wegen der fahrlässigen Tötung von drei Menschen zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt wurde. Die Redaktion veröffentlicht ein Foto des Mannes und nennt seinen Vornamen und den abgekürzten Nachnamen. Mehrere Leser der Zeitung sehen den Persönlichkeitsschutz des Verurteilten verletzt, da er identifizierbar dargestellt werde. Es bestehe kein öffentliches Interesse an dieser Art der Berichterstattung. Dieser Ansicht widerspricht die Rechtsvertretung der Zeitung. Der Beitrag informiere über den letzten Verhandlungstag und die Urteilsverkündung. Es liege eine besonders schwere Straftat vor, die zudem in der Öffentlichkeit begangen worden sei. Der Angeklagte habe auf einer öffentlichen Straße drei Menschen getötet und sei deshalb verurteilt worden. Schon deshalb sei eine nicht-anonymisierte Berichterstattung zulässig. Das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung überwiege die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen. Im konkreten Fall gehe es nur um eine Fotoveröffentlichung, die im Zeitalter des Internets weit weniger belastend sei als eine volle Namensnennung. Deshalb sei der Nachname des Angeklagten von der Redaktion abgekürzt worden, damit der Mann später, dann möglicherweise zu einem resozialisierungsrelevanten Zeitpunkt nicht mehr direkt auffindbar sei.

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„Überschrift ist zutiefst sexistisch“

„Lea Schüller privat: Schießt uns dieser Hammer-Hintern zum EM-Sieg?“ – so überschreibt ein Internet-Portal einen Bericht. Die Redaktion berichtet darüber, was die Nationalspielerin Lea Schüller vom FC Bayern abseits des Spielfeldes treibt und wer sie privat glücklich macht. Eine Zwischenüberschrift enthält den Begriff „POPOläres Paar“. Die Rede ist von der Fußballerin und ihrer Freundin, der Sportseglerin Lara Vadlau. Weitere Passage im Bericht: „Auf Instagram sorgten die sexy Ladys in der Vergangenheit bereits mehrfach mit verführerischen Schnappschüssen für Schlagzeilen. Bis heute unvergessen, ihr gemeinsamer Popo-Kracher. Oben ohne samt sexy Hinterteil heizten die schönen Sportlerinnen ihren Followern beim Foto- und Video-Netzwerk Instagram ein.“ Ein Nutzer des Portals kritisiert die Überschrift als zutiefst sexistisch. Sie reduziere eine Fußballspielerin ausschließlich auf ein Körperteil. Die Redaktion reagiert auf die Beschwerde, indem sie dem Beschwerdeführer Recht gibt. Der fragliche Beitrag sei mehrfach umgearbeitet worden und habe nur für kurze Zeit in der strittigen Variante online gestanden. Die Redaktion bittet Lea Schüller und alle Leserinnen, deren Unmut sie mit der Formulierung auf sich gezogen habe, um Entschuldigung.

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Eine Umfrage produziert Fragezeichen

Eine Regionalzeitung berichtet unter der Überschrift „Große Mehrheit wünscht sich ein neues Stadion“ über eine von der Redaktion durchgeführte Online-Umfrage. 71 Prozent seien der Meinung, dass ein Neubau die richtige Lösung sei. 18 Prozent hätten für die Sanierung der bestehenden Sportstätte gestimmt, elf Prozent seien unentschlossen. Zur Umfrage heißt es im letzten Absatz: „Binnen sechs Tagen haben sich tausende Menschen aus der Region an der Umfrage beteiligt. Fast 5000 von ihnen beantworteten alle acht Fragen.“ Ein Leser kritisiert die Zeitung. Grundlage der Titelzeilen sei eine höchst fragwürdige Umfrage. Diese erfülle keinerlei demoskopische Kriterien. Sie sei nicht einmal ansatzweise repräsentativ. Nicht einmal 5000 Nutzer aus der Stadt hätten sich an der Umfrage beteiligt und das bei einer Einwohnerzahl von 170.000. Die Zeitung habe auch keinerlei Vorkehrungen getroffen, bei der Umfrage Mehrfachabstimmungen zu verhindern. Auf mehreren Internet-Plattformen sei vielmehr dazu aufgerufen worden, auch die Möglichkeit der Mehrfachabstimmung für einen Stadionneubau zu nutzen. Ein Mitglied der Chefredaktion teilt mit, die kritisierte Umfrage bilde ein Stimmungsbild zu verschiedenen Aspekten rund um das Thema Stadionneubau ab. Einen Anspruch auf Repräsentativität habe man nicht erhoben. Der Begriff „Mehrheit“ beziehe sich eindeutig nicht auf alle Bewohner der Stadt, sondern auf die Umfrage-Teilnehmer.

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Ein Gemetzel im Pizzeria-Keller

Eine Boulevardzeitung berichtet gedruckt unter der Überschrift „Pizza MORDzarella“ und Online unter dem Titel „Töteten sich Gianni und Rosario gegenseitig?“ über ein Tötungsdelikt in einer Edel-Pizzeria. Der Besitzer und der Geschäftsführer sollen sich im Keller eingeschlossen und gegenseitig niedergemetzelt haben. Sowohl gedruckt als auch online veröffentlicht die Redaktion ein großes Foto der beiden Männer. Zudem werden beide mit vollständigem Vor- und abgekürztem Familiennamen genannt. Laut Polizei und Staatsanwaltschaft gebe es keine Hinweise auf dritte an der Tat Beteiligte. Ein Leser der Zeitung hält durch die Berichterstattung mehrere presseethische Grundsätze für verletzt. Er sieht in der Überschrift mit Bild eine Respektlosigkeit gegenüber den beiden verstorbenen Italienern, den hinterbliebenen Familienangehörigen, Freunden und Italienern in Deutschland. Die Anspielung auf „Pizza MORDzarella“ gehöre hier wirklich nicht hin. Jeder von ihnen könnte sich in dieser Situation befinden. Niemand wolle, dass eine Zeitung so etwas über einen schreibe. Die Rechtsvertretung der Zeitung bezeichnet die Überschrift als reines Wortspiel. Ob dieses gelungen sei oder nicht, sei eine reine Geschmacksfrage, die nicht vom Presserat zu beantworten und zu werten sei. Bei den verstorbenen Gastwirten handele es sich um stadtbekannte Restaurantbetreiber. Ihr Bekanntheitsgrad lasse eine identifizierende Berichterstattung zu.

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Der Leserbrief, der keiner war

Eine Lokalzeitung veröffentlicht unter der Rubrik „Der Leser hat das Wort“ einen Beitrag mit der Überschrift „´Klare Absage´“, der sich auf einen Artikel mit der Überschrift „Stadtrat lehnt Bürgerbegehren ab“ bezieht. Die Veröffentlichung ist gezeichnet mit dem Namen und Wohnort des Verfassers. Beschwerdeführer in diesem Fall ist der Verfasser des Leserbriefes. Er habe den als Leserbrief abgedruckten Text mit eindeutigen Hinweisen und mit Kennzeichnung der Verantwortlichkeit im Namen einer Bürgerinitiative als Pressemitteilung an die Redaktion geschickt. Mit der Veröffentlichung seiner Einsendung als Leserbrief sehe er sich schwer geschädigt. Der Redaktionsleiter teilt mit, die strittige Einsendung sei mit dem Betreff „Leserbrief“ an die Redaktion geschickt worden. Der Einsender habe in der jüngsten Zeit des Öfteren Leserbriefe an die Redaktion geschickt, weshalb eine weitere Zuschrift nicht verwunderlich gewesen sei. Die Redaktion habe sich auf die Angabe im Betreff gestützt und die widersprüchlichen Angaben im Anschreiben nicht wahrgenommen. Die Redaktion teilt mit, es sei aus ihrer Sicht ärgerlich, dass die Pressemitteilung in der falschen Rubrik gelandet sei. Der Beschwerdeführer sei einer der Vertreter der Bürgerinitiative, habe sich der Zeitung gegenüber jedoch vor allem als Leserbrief-Schreiber engagiert. Auch das habe für eine gewisse Verwirrung gesorgt. Die Redaktion habe sich bei der Leserschaft für den Fehler entschuldigt.

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