Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6644 Entscheidungen
Helene Fischer hat ein Kind namens Nala bekommen. Eine Boulevardzeitung berichtet mit zahlreichen Fotos über einen Ausflug der beiden auf dem Münchner Viktualienmarkt. Auf einem der Fotos sieht man die Sängerin einen Kinderwagen schieben. Die Zeitung spricht von einem „Kinderwagen voller Glück“. Sie nennt den Typ des Gefährts und seinen Preis. Die Rede ist vom „höchstem Fahrkomfort“ und „leichter Bedienung mit einer Hand“. Auf einem anderen Foto ist ein Baby-Kleid abgebildet, das Helene Fischer ihrer Tochter angezogen hat. Auch hier werden Hersteller und Preis genannt. Ein Leser der Zeitung sieht in dem Beitrag die erforderliche Trennung von redaktionellem Text und Werbung nicht gewährleistet. Er kritisiert die Nennung des Herstellers und des Preises des Kinderwagens. Die Rechtsvertretung der Zeitung hält die Berichterstattung in der gewählten Form für zulässig. Die Redaktion habe entsprechend dem begründeten Interesse der Öffentlichkeit Einzelheiten und Preise genannt, quasi als Leserservice für junge Mütter.
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Eine Programm-Zeitschrift berichtet unter der Überschrift „Was tun bei chronischer Erschöpfung?“ über das Fatigue-Syndrom und mögliche Gegenmaßnahmen. Im Beitrag ist dieser Satz enthalten: „Betroffene haben häufig insbesondere ein Defizit an Vitamin D und Eisen, vielfach fehlt auch Magnesium. Steter Stress lässt den Vitamin-B12-Pegel sinken. Hochdosierte Präparate füllen die körpereigenen Speicher gezielt auf.“ Neben dem Artikel auf gleicher Seite steht eine Anzeige für ein hochdosiertes Vitamin-B-12-Produkt. Ein Leser der Zeitschrift sieht in der räumlichen Nähe von Text und Anzeige einen Fall von Schleichwerbung. Zusätzlich sei das beworbene Mittel um Faktor 250 überhöht hinsichtlich der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Die Rechtsabteilung des Verlages nimmt zu der Beschwerde Stellung. Der Beschwerdeführer kritisiere den Inhalt der Anzeige (Überdosierung), auf den die Redaktion jedoch keinen Einfluss habe. Den Vorwurf der Schleichwerbung weist der Verlag zurück. Der monierte Artikel sei ein redaktioneller Beitrag, der unabhängig und ohne jegliche Gegenleistung oder Absprache erstellt worden sei.
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„300 Haushalte surfen schneller“ – so überschreibt eine Regionalzeitung einen Bericht, in dem es um den Ausbau des Glasfasernetzes in einem Ort des Verbreitungsgebietes durch die Telekom geht. Ein Unternehmenssprecher kommt zu Wort. Er äußert sich positiv über das Angebot. Am Ende des Beitrages werden eine Webadresse und Telefonnummern genannt, unter denen weiter Informationen zu bekommen sind. Ein Leser der Zeitung sieht in der Veröffentlichung eine Schleichwerbung für das Angebot der Telekom. Auf zwei Mitbewerber (Deutsche Giganetz und Vodafone) werde nicht hingewiesen. Der Redaktionsleiter teilt mit, dass es sich bei der Veröffentlichung um den Abdruck einer Pressemitteilung handele. Schnelles Internet sei in der Region immer ein großes Thema. Deshalb berichte seine Zeitung – so der Redaktionsleiter weiter – regelmäßig über Unternehmen, die tätig werden, sei es über die Deutsche Glasfaser, die Deutsche Giganetz und auch die Telekom. Der Redaktionsleiter räumt ein, dass zumindest der letzte Absatz nicht ins Blatt gehöre. Für die Leserschaft sei es leicht, diese Informationen selbst herauszufinden. Er weist allerdings den Vorwurf zurück, die Meldung entfalte einen Werbeeffekt für die genannten Unternehmen.
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Eine Fachzeitschrift berichtet unter der Überschrift „365 Tage Saison“ über unterschiedliche Heizkonzepte auf Segelyachten. Dabei werden mehrere Produkte vorgestellt und bewertet. Ein Leser der Zeitschrift wirft dieser vor, besonders gut kämen in der Berichterstattung Produkte weg, die der Autor in seinem Laden verkaufe. Der Geschäftsführer der Zeitschrift teilt mit, in dem Artikel sei es um die verschiedenen Möglichkeiten gegangen, eine Yacht zu heizen. Es sei eine ausschließlich technische Beschreibung der Anwendungsmöglichkeiten, des Betriebs und der Installation. Eine wie immer geartete Bewertung sei nicht enthalten. Der Autor des Beitrages sei nicht nur Autor dieser Zeitschrift, sondern auch in anderen medialen Bereichen tätig. Selbstverständlich könne er zwischen dem Geschäft und redaktioneller Tätigkeit unterscheiden, die er sauber trenne. Der Geschäftsführer des Verlags weist darauf hin, dass der Autor bislang 22 Artikel für die Zeitschrift geschrieben habe. In keinem Fall habe es eine wie auch immer geartete Beanstandung gegeben. Einzige Ausnahme: Die des Beschwerdeführers.
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Eine Regionalzeitung veröffentlicht ein Interview mit dem Inhaber einer kleinen lokalen IT-Firma. Überschrift: „In anderthalb Stunden 10.000 Euro abgeräumt“. Thema sind verschiedene Formen der Cyberkriminalität. Der Interviewte schildert, wie seine Firma ihren Kunden hilft. Dabei stellt er die angebotenen Dienstleistungen ausführlich vor. Ein Leser der Zeitung vermutet Schleichwerbung und wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Der Chefredakteur der Zeitung weist den Vorwurf zurück. Nach seiner Wertung wird im Bericht die Grenze zur Schleichwerbung nicht überschritten. Für das Thema bestehe ein begründetes öffentliches Interesse angesichts der Zunahme von Betrugsversuchen und der großen Zahl von Bürgern mit Computerproblemen. Bewusst habe der Autor die Form des Interviews gewählt, weil es ihm eben nicht darum ging, PR für eine Firma zu machen, sondern einem Fachmann die Fragen der Bürger zu stellen. Das dabei auch nach Preisen gefragt werde, sei keine Schleichwerbung für das Geschäft, sondern eine der wichtigsten Fragen für Menschen, die mit ihrem Geld haushalten müssen.
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Unter der Überschrift „Die Sehnsucht nach Liebe war ihr Tod“ berichtet eine Boulevardzeitung über das Tötungsdelikt an einer Frau. Diese war von ihrem Ex-Freund in einem Supermarkt erschossen worden. Sie habe die Beziehung schon seit längerem beendet, doch habe ihr der Mann aufgelauert. Noch am Abend zuvor habe sie den Notruf gewählt, weil ihr Ex-Freund sie in ihrer Wohnung offenbar bedroht habe. Die Frau – eine Deutschrussin – habe den Mann wegen Körperverletzung, Nötigung und Nachstellung angezeigt. Die Redaktion berichtet über Details aus dem Leben der Frau und zeigt ein unverpixeltes Porträtfoto des Opfers mit dem Quellenhinweis „privat“. Ein weiteres Foto zeigt das Wohnhaus der Frau ohne Angabe der genauen Adresse. Im Artikel wird jedoch ihr Wohnort genannt. Zwei Beschwerdeführerinnen kritisieren die Berichterstattung. Die Überschrift „Die Sehnsucht nach Liebe war ihr Tod“ sei irreführend. Die Frau werde so dargestellt, als ob ihre Sehnsucht nach Liebe die Tat rechtfertigen oder zumindest erklären würde. Es gebe keinen entsprechenden Zusammenhang, zumal die Frau tot sei und nichts mehr dazu sagen könne. Der Vorsitzende des Beschwerdeausschusses sieht zunächst in der Schlagzeile eine zulässige Interpretation durch die Redaktion, da diese sich auf einen wahren Kern, nämlich die Partnersuche durch das Opfer, beziehe. Deshalb wird die Beschwerde auf Ziffer 8 (Persönlichkeitsrechte) beschränkt. Dabei geht es um die Frage, ob Angehörige der Veröffentlichung des Porträtfotos zugestimmt haben, bzw. ob die Abbildung des Wohnhauses der Frau presseethisch in Ordnung war. Die Redaktion nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.
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„Jan Josef Liefers und Anna Loos. Traurige Trennung! Jetzt wird alles anders“ – so überschreibt eine Frauenzeitschrift einen Bericht über das Ende der Ehe des Schauspielerehepaares. Nach zahlreichen Schlagzeilen um ihre Ehe kehre – so die Zeitschrift - keine Ruhe ein. Jetzt sorge Tochter Lilly für Aufregung. Sie habe ihr Abitur bestanden und werde das Elternhaus bald verlassen. Die Redaktion befasst sich dann mit Lillys Plänen und dem sogenannten „Leere-Nest-Syndrom“: Wenn Kinder das Elternhaus verließen, würden besonders viele Ehen geschieden. Ein Leser kritisiert, dass die Schlagzeile die Trennung der Eheleute Liefers und Loos suggeriere. Davon sei im eigentlichen Artikel jedoch nicht die Rede. Der Beschwerdeführer äußert die Vermutung, dass es der Redaktion nur um möglichst hohe Klick-Zahlen gegangen sei. Das Justiziariat des Verlages stellt fest, die Überschrift müsse im Kontext des Artikels gelesen werden. Der Begriff „Trennung“ sei auslegungsoffen und daher als zulässige Meinungsäußerung zu sehen. Der Begriff beziehe sich auf die vermutlich bald anstehende Trennung der Eheleute Liefers-Loos von der gemeinsamen Tochter Lilly.
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Eine Boulevardzeitung berichtet gedruckt und online über den Christopher-Street-Day in Münster, bei dem ein Teilnehmer getötet worden war. In der gedruckten Ausgabe lautet die Überschrift „Trans-Mann Malte (25) totgeschlagen, als er Frauen helfen wollte: Hier läuft der Boxer zum Richter“. Online lautet die Überschrift: „Homophober CSD-Killer in U-Haft: Nuradi A. hätte Deutschland längst verlassen müssen“. Im Text wird erwähnt, dass Nuradi russischer Staatsbürger und abgelehnter Asylbewerber sei. Er dürfe gar nicht mehr in Deutschland sein. Er solle beim Christopher-Street-Day in Münster den „Tans-Mann“ Malte C. ins Koma geprügelt haben. Das Opfer sei in einer Klinik gestorben. Der Vater des Verdächtigen lebe nach Informationen der Redaktion in Tschetschenien, wo Homosexuelle seit vielen Jahren drangsaliert und sogar umgebracht würden. Nuradi A. sei inzwischen in U-Haft. Er sei mehrfach vorbestraft. Die Ausländerbehörde hatte seinen Aufenthaltstitel aufgrund des Krieges um ein Jahr verlängert, da es derzeit ein Abschiebeverbot nach Russland gebe. Die Redaktion zeigt ein Foto des Verdächtigen, wie er von der Polizei ins Amtsgericht geführt wird. Sein Gesicht ist mit einem Augenbalken versehen. Das Foto des Opfers kurz vor der Attacke auf dem Christopfer-Street-Day ist hingegen unverpixelt. Der Beschwerdeführer sieht in der Berichterstattung Verstöße gegen die Ziffern 8, Richtlinie 8.1, und 11 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit bzw. Kriminalberichterstattung). Die Staatsangehörigkeit und der Asylstatus des Tatverdächtigen stünden in keiner direkten Verbindung zur Tat. Der Beschwerdeausschuss bittet die Redaktion um Auskunft, ob die identifizierende Abbildung des Opfers mit dessen Angehörigen abgesprochen war. Die Redaktion nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.
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Eine Boulevardzeitung berichtet online über den Prozess gegen einen Mann, der seine Lebensgefährtin mit acht Messerstichen getötet haben soll. Die Anklage laute auf heimtückischen Mord. Die Staatsanwaltschaft gehe davon aus, dass der aus Eriträa stammende Angeklagte möglicherweise wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung durchgedreht sei. Eventuell sei er nicht in vollem Umfang schuldfähig. Die Überschrift lautet: „Plötzlich rammte Merhawi (35) ihr das Messer in den Hals“. Aufgemacht ist der Artikel mit einem Familienfoto des späteren Opfers (identifizierbar), des mutmaßlichen Täters (mit Augenbalken) und der einjährigen Tochter (verpixelt). Ein Leser wirft der Redaktion vor, sie zeige das Gesicht des Opfers ohne Anonymisierung. Weder hätten die Angehörigen dieser Art der Berichterstattung zugestimmt noch handele es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens. Als Quelle des Fotos gibt die Redaktion den Begriff „Foto: Repro“ an. Dies ist häufig ein Hinweis darauf, dass der Fotograf ein von Trauernden in der Öffentlichkeit aufgestelltes Foto abfotografiert habe. Das Aufstellen des Fotos, auch wenn es an einem öffentlichen Ort geschehe, sei nicht für die Medienöffentlichkeit bestimmt. Die Überschrift verletze zudem das Gebot der Unschuldsvermutung. Der Presserat erweitert die Beschwerde auf Ziffer 8, Richtlinie 8.1, des Pressekodex (Kriminalberichterstattung). Die Rechtsabteilung des Verlages teilt mit, dass kein Einverständnis der Angehörigen zur Bildveröffentlichung vorgelegen habe. Die Redaktion sehe den Fall presseethisch anders als der Beschwerdeführer. Das Bild eines Mordopfers gehöre immer „zur Geschichte“.
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„Nackte Frau rennt durch Singener Innenstadt: Das steckt dahinter“ - so überschreibt eine Regionalzeitung ihren Bericht über ein ungewöhnliches Ereignis. Eine nackte Frau sei durch die Innenstadt gerannt und dabei von Passanten gefilmt worden. Drei Standbilder aus diesen Videos sind im Artikel enthalten. Eine Polizeisprecherin wird in dem Beitrag mit den Worten zitiert, dass die Frau sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden habe und in eine Fachklinik gebracht worden sei. Der Beschwerdeführer sieht in der Berichterstattung – vor allem durch die Veröffentlichung der Fotos – eine unangemessen sensationelle Darstellung einer psychisch kranken Person und einen Eingriff in deren Intimsphäre. Ein Mitglied der Chefredaktion nimmt Stellung. Angesichts wilder Spekulationen und zum Teil hämischer Kommentare im Internet habe es die Redaktion für erforderlich gehalten, die Öffentlichkeit über die Hintergründe aufzuklären. Bei der Berichterstattung habe man den Sachverhalt verantwortungsvoll und zurückhaltend aufgegriffen und sachlich-nüchtern berichtet. Da der Vorfall bereits zum Stadtgespräch geworden sei, habe es die Redaktion für richtig gehalten, auch Bildmaterial zu zeigen. Die Menschenwürde der betroffenen Frau werde durch den Bericht gewahrt. Sie sei in den veröffentlichten Bildern verpixelt und allenfalls schemenhaft abgebildet worden. Sie sei in keiner Weise identifizierbar.
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