Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
6739 Entscheidungen

Falsche Tatsachenbehauptung

„Lesen Sie mal, was im Knast so alles erlaubt ist“ titelt eine Boulevardzeitung, die über Freizeitangebote in deutschen Justizvollzugsanstalten (JVA) berichtet. Sie zeigt das Foto einer Stretchlimousine vor einer JVA. Ein Ausriss zeigt einen Häftling, der sich in diesem Auto zu einer Beerdigung fahren lässt. In dem Artikel wird unter anderem über Schwerverbrecher berichtet, die ohne Handschellen zwischen Kindern und Touristen in einem „Spaßbad“ planschten. Ferner wird ein Foto gezeigt, auf dem das Gebäude der JVA Straubing und ein Teil eines Wasserbeckens abgebildet sind. Das Foto trägt die Überschrift: “In der JVA Straubing können die Häftlinge im Pool schwimmen“. Der Beschwerdeführer, der in einer JVA die Gefangenenzeitung macht, kritisiert eine Passage des Berichts, wonach in der JVA Lübeck Schwerverbrecher einsitzen. Dort würden nur Kurzstrafen bis zu zwei Jahren vollzogen. Bei dem „Pool“ der JVA Straubing handle es sich um ein Löschwasserbecken, das im Sommer auch von Strafgefangenen als Schwimmbecken benutzt werden dürfe. Er vertritt ferner die Ansicht, dass es jedem Strafgefangenen selbst überlassen bleiben sollte, in welchem Auto er im Rahmen seiner Haftlockerung zu einer Beerdigung fährt. Er ruft den Deutschen Presserat an. Die Rechtsabteilung der Zeitung steht auf dem Standpunkt, es sei keineswegs einem wegen Betrugs verurteilten Strafgefangenen überlassen, mit welchem Auto er zu einer Beerdigung fahre. Dies sei eher eine Verhöhnung der Geschädigten und der Allgemeinheit. Geradezu absurd wirke die Darstellung des Beschwerdeführers im Hinblick auf den Pool in der JVA Straubing. Dabei handle es sich erkennbar um ein Schwimmbecken, bei dem nicht bestritten werden könne, dass es zumindest in den Sommermonaten von den Strafgefangenen genutzt werde. Mit der Angabe, dass in der JVA Lübeck nur Strafgefangene mit so genannten Kurzstrafen untergebracht seien, belege der Beschwerdeführer seine Unkenntnis oder wolle absichtlich täuschen. Der in der Berichterstattung angesprochene Fall des „Spaßbades“ habe in Norddeutschland zu einer erheblichen Welle der Empörung geführt. Es habe sich nicht um Täter mit kleinen Strafen gehandelt. Vielmehr sei es um zwei Insassen gegangen, die jeweils zu lebenslanger Haft verurteilt seien, einen Vergewaltiger und einen gefährlichen Räuber. (2003)

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Leserbrief inhaltlich verändert

Eine Bürgerin einer Stadt, die zu einer türkischen Stadt partnerschaftliche Beziehungen unterhält, ärgert sich darüber, dass ihre Verdienste um das Zu Stande kommen dieser Partnerschaft bei deren zehnjährigem Bestehen mit keinem Wort erwähnt werden. Sie schickt an die Zeitung am Ort einen Leserbrief und ärgert sich noch einmal, als sie den gedruckten Brief liest, denn die Redaktion hat ihren Text in einem Punkt verändert. Sie hatte einen heimischen Politiker mit Namen genannt, der mit seiner Frau jedes Jahr kostenlosen Urlaub im Gästehaus der türkischen Partnerstadt mache und sich dort noch rühme, er habe die Städte-Freundschaft in die Wege geleitet. Statt dieser Formulierung findet sich jetzt die Anmerkung in den Brief, dass jedes Jahr Politiker der Stadt dort ihren Urlaub machen und alle jetzt von der Stadt für besondere Verdienste um die Städtepartnerschaft geehrt werden. Ein Landtagsabgeordneter und eine Ratsfrau aus der betroffenen Stadt tragen den Vorgang dem Deutschen Presserat vor. Die Zeitung habe den Leserbrief nicht nur gekürzt, sondern auch inhaltlich verfälscht. Durch das Weglassen des Politikernamens, den die Autorin des Leserbriefes gemeint habe, habe die Lokalredaktion billigend in Kauf genommen, dass die Beschuldigungen gegen andere Politiker – auch die Beschwerdeführer – umgemünzt werden. Im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführer SPD-Mitglieder seien und die Zeitung sich in letzter Zeit durch nicht sachgerechte Berichterstattung gegenüber Teilen der SPD hervorgetan habe, müsse davon ausgegangen werden, dass bewusst eine Sinn entstellende Änderung des Leserbriefes erfolgt sei, um damit den Beschwerdeführern vorsätzlich zu schaden. Die Redaktionsleitung des Blattes weist diese Vorwürfe zurück. Richtig sei, dass der Leserbrief gekürzt, abwegig sei jedoch, dass der Brief inhaltlich verfälscht worden sei. Der Name des Politikers, den die Leserbriefschreiberin in Zusammenhang mit dem Vorwurf der Vorteilsnahme genannt habe, sei bewusst weggelassen worden, um den Leserbrief zu „entschärfen“. Diese Veränderung sei notwendig gewesen, weil die Behauptung der Leserbriefschreiberin nicht hätte ungeprüft veröffentlicht werden dürfen. (2002)

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Porträt eines Obdachlosen

Eine Regionalzeitung berichtet über einen alkoholkranken Obdachlosen, der eine öffentliche Toilette blockiert. Der Autor vergleicht diesen Zustand mit einem Vorfall in einer Lufthansa-Maschine auf dem Flug nach München im Jahre 1981, in der ein bekanntes amerikanisches Musikgenie unter Drogeneinfluss den „einzigen erreichbaren 1.-Klasse-Pott“ besetzt gehalten habe. Der bekannteste Obdachlose der Stadt mache sich gerade desselben Verbrechens schuldig und ahne nicht mal den Notstand vor der Tür des innerstädtischen „Penner-Palastes“. Der Beitrag schildert zugespitzt, aber auch einfühlsam das Schicksal des Mannes, der sich freiwillig für das Leben auf der Straße entschieden habe. Doch das liege weit zurück. Längst taumele der Alkoholiker von Aufenthaltsort zu Aufenthaltsort. Rufe wie „Hier ist die Polizei. Machen Sie auf!“ kämen in seiner Birne einfach nicht mehr an. In diesem Kopf sei nämlich nichts mehr richtig verdrahtet. Das Ding sei hin. Der Alkohol habe es ruiniert. Gott habe den erwähnten Amerikaner 1995 zu sich geholt. Vielleicht spiele er schon Gitarre im Himmelsorchester. Der Autor schließt das Porträt des Obdachlosen mit der Frage: „Was machen wir bloß mit P.?“ Ein Leser des Blattes legt den Beitrag dem Deutschen Presserat mit der Feststellung vor, hier werde die Menschenwürde eines offensichtlich alkoholkranken Obdachlosen in schlimmster Weise missachtet. Menschenverachtende Formulierungen steigerten sich in dem unglaublichen Aufruf zum Totschlag. Die Chefredaktion betont, der verantwortliche Redakteur sei den Lesern des Lokalteils als Schreiber bekannt, der regelmäßig auf sozialkritische Themen eingehe. Daher könne an der Zielrichtung seiner Artikel kein Zweifel bestehen. Einen Aufruf zum Totschlag, wie der Beschwerdeführer den Schluss des Artikels deute, könne die Chefredaktion beim besten Willen nicht erkennen. Der Beitrag habe zu einer Fülle von Leserbriefen geführt. Diese seien zu einem großen Teil abgedruckt worden, und zwar sowohl die kritisierenden Meinungsäußerungen als auch die zustimmenden Briefe. Um möglichen Fehleinschätzungen und Missdeutungen in der Leserschaft vorzubeugen, habe der Leiter der Lokalredaktion zwei Tage nach Erscheinen des Artikels einen Kommentar veröffentlicht und das Anliegen des Kollegen interpretiert, der sich bislang helfend für den Obdachlosen eingesetzt und weitere Hilfe angemahnt habe. (2003)

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Namensnennung eines Kassenwarts

Interview hat nicht stattgefunden

„Lust will gefüttert werden“ – unter dieser Überschrift veröffentlicht eine Regionalzeitung ein angebliches Interview mit dem Leiter des Instituts für Sexualwissenschaften an einem großen Klinikum. Dessen Rechtsvertreter teilt mit, das Interview habe nie stattgefunden. Die zitierten Äußerungen seien zudem teilweise inhaltlich falsch und unseriös. Der Ruf des Klinikums und des renommierten Instituts sei durch die Veröffentlichung empfindliche beeinträchtigt worden. Er schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Chefredaktion der Zeitung teilt mit, der fragliche Beitrag stamme von einer Berliner Agentur. Diese habe die Zeitung seit vielen Jahren mit Beiträgen beliefert, ohne dass es zu Beanstandungen gekommen sei. Aufgrund des Vorgangs habe man den Vertrag mit dieser Agentur jedoch gekündigt. Die Leiterin der Agentur erklärt, das „Interview“ sei ihr von einer Mitarbeiterin per E-Mail zugeschickt worden. Diese habe versichert, sie habe das Interview Zeile für Zeile präzise wiedergegeben. Allerdings sei ein Jahr zuvor entstanden, so dass sich der „interviewte“ Professor vielleicht deshalb nicht mehr erinnern könne. (2002)

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Foto eines Mordopfers

Eine Regionalzeitung berichtet in vierspaltiger Aufmachung über den tragischen Tod einer jungen Frau in der Türkei. Der Artikel ist mit einem großen Foto illustriert, das das spätere Opfer und den Täter zeigt. In einem Bericht über den Beginn der Badesaison war das Foto zwei Jahre zuvor schon einmal veröffentlicht worden. Ein Leser der Zeitung hält die jetzige Veröffentlichung für pietätlos. Es habe wohl kaum ein Einverständnis der Eltern der Toten vorgelegen, das in ganz anderem Zusammenhang vor Jahren gemachte Foto noch einmal zu veröffentlichen. Der Balken über den Gesichtern der Dargestellten sei allenfalls ein juristisches Feigenblättchen. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Chefredaktion der Zeitung räumt ein, in dieser sensationsheischenden Weise hätte das Bild nicht erscheinen dürfen. Aber das sei wohl eher eine Geschmacksfrage. Das Foto sei mit Einverständnis der später getöteten jungen Frau im Rahmen einer Sommerreportage über Schwimmbäder in der Stadt aufgenommen und veröffentlicht worden. Nach dem Verbrechen habe ein Leser die Redaktion darauf aufmerksam gemacht, dass das damalige Bild sowohl das Opfer wie auch den Täter gezeigt habe. Die Zeitung ist der Ansicht, dass durch die Tat, ihre spektakulären Umstände und die Veröffentlichungen in vielen anderen Medien Opfer und Täter zu relativen Personen der Zeitgeschichte geworden seien. Man habe in dem Foto deshalb ebenfalls ein Dokument der Zeitgeschichte gesehen. Die Zeitung, so der Chefredakteur, habe sich verpflichtet, das Foto nicht mehr zu veröffentlichen. Gleichzeitig habe er den Eltern der Getöteten ein Gesprächsangebot gemacht. Es habe nicht in der Absicht der Zeitung gelegen, das Andenken an die junge Frau durch die missglückte Aufmachung zu belasten. (2003)

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Vorverurteilung eines Popstars

Ein Boulevardblatt berichtet unter der Überschrift „Die Sex-Akte Michael Jackson“ über ein TV-Interview, in dem es um einen zehn Jahre zurückliegenden Fall geht. Damals war der Popstar beschuldigt worden, einen damals 12-jährigen Jungen sexuell missbraucht zu haben. Ein weiblicher Fan Michael Jacksons kritisiert in dem Beitrag mehrere falsche Behauptungen. So sei es falsch, dass der Staatsanwalt aufgrund des TV-Interviews erste Ermittlungen eingeleitet habe. Weiterhin sei es nicht korrekt, dass der zehn Jahre alte Fall „geöffnet, aber inaktiv“ sei. Auch sei die Behauptung falsch, Jackson habe dem Jungen umgerechnet 23 Millionen Euro Schweigegeld gezahlt. Die Beschwerdeführerin, die den Deutschen Presserat einschaltet, kritisiert außerdem die Formulierung „Michael Jackson scheint auf direktem Weg in den Knast“. Diese Behauptung sei ehrverletzend. Insbesondere würden in dem Beitrag auch die Persönlichkeitsrechte von Michael Jackson und Jordan Chandler verletzt. Dies geschehe durch die Veröffentlichung der zehn Jahre alten eidesstattlichen Aussage von Chandler, die nicht in die Presse gehöre. Die Rechtsabteilung der Zeitung teilt mit, Jackson habe im Rahmen einer neunzigminütigen Dokumentation eingestanden, schon mit vielen kleinen Jungen in einem Bett geschlafen zu haben. Dies habe zu einer heftigen Diskussion geführt. Die Sendung, die in den USA und in Großbritannien ausgestrahlt wurde, habe bei vielen Menschen Empörung ausgelöst, auch wenn Jackson sexuelle Kontakte zu den Kindern bestritten habe. (2003)

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Selbsttötung

Unter der Überschrift „Gleich springt er vom Dach“ berichtet eine Boulevardzeitung über einen 29jährigen Mann, der sich vom Baugerüst einer Kirche in den Tod gestürzt hatte. Die Veröffentlichung enthält mehrere Fotos, die den Selbstmörder vor und während des Sprunges zeigen und ihn klar identifizierbar machen. Im Text wird angemerkt, dass es sich bei dem Mann um einen psychisch kranken Italiener handelt. Die Zeitung nennt Vornamen, Anfangs-buchstaben des Familiennamens und Alter des Betroffenen. Die Leiterin einer Krisen- und Lebensberatung ruft im Namen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Deutschen Presse-rat an. Als seit über 30 Jahren tätige Anlaufstelle für Menschen in Krisen habe man ein be-sonderes fachliches Interesse an einer verantwortlichen und seriösen Berichterstattung über Menschen, die sich das Leben genommen haben. Im vorliegenden Fall werde der tragische Suizid eines jungen Mannes in reißerischer Weise funktionalisiert, um eine äußerst fragwür-dige Sensationslust zu bedienen. Die Zeitung setze sich über die Erkenntnis hinweg, dass eine verantwortungsvolle und behutsame Berichterstattung signifikant die Suizidrate senkt. Die Redaktionsleitung des Blattes ist der Meinung, dass über den Vorfall berichtet werden musste, da eine große Öffentlichkeit in der Stadt daran teilgenommen habe. Tausende von Schaulustigen hätten das Geschehen in der City live verfolgt. Wenn man den Bericht aufmerksam lese, könne man feststellen, dass es sich nicht um eine reißerische Sensationsstory, sondern ausschließlich um eine Dokumentation des Vorganges handele. (2003)

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