Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6739 Entscheidungen
In mehreren Artikeln beschäftigt sich eine Lokalzeitung mit einem „heimischen Oberanarchisten“, der die Kandidatin der Grünen für das Amt des Oberbürgermeisters an deren Wahlkampfstand verbal beleidigt und mit einer Gießkanne zu bewässern versucht habe. Die Wahlkämpferin habe mit einer schallenden Ohrfeige reagiert. Erst als der Geohrfeigte so lange darüber lamentierte, dass die Polizei nicht mehr habe weghören können, sei er für einige Stunden aus dem Verkehr gezogen worden. Seit der Freilassung gebe er nun den Märtyrer – und zufällig habe die Zahl der Verunstaltungen von Wahlplakaten der Grünen in dieser Woche deutlich zugenommen. In einem anderen Artikel wird mitgeteilt, dass sich der Mann vor Gericht verantworten musste, weil er einem Polizeibeamten ins Gesicht getreten habe. Dafür habe der Richter im Amtsgericht eine Einsatzstrafe von sechs Monaten verhängt. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat weist der Betroffene den Vorwurf der Sachbeschädigung zurück. Dafür gebe es keine Belege. Es handele sich um eine reine Spekulation. Die Behauptung in dem zweiten Artikel, er sei zu einer Einsatzstrafe von sechs Monaten verurteilt worden, sei falsch. Das Urteil sei zum Zeitpunkt der Berichterstattung nicht rechtskräftig gewesen, da er Berufung eingelegt habe. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt in ihrer Stellungnahme, der Beschwerdeführer tanze nach allgemeiner Einschätzung dem Rechtsstaat auf der Nase und lege sich mit nahezu allen gesellschaftlichen Gruppen an. In ihrem Artikel deute die Zeitung vage einen Zusammenhang zwischen der Freilassung des Beschwerdeführers und der Verunstaltung von Wahlplakaten an. Auch die konkreten Umstände – der Zorn des Mannes über die etablierten Grünen, die Parteinahme der Polizei für die beleidigte OB-Kandidatin und der zeitliche Zusammenhang mit dem Vorfall in der Fußgängerzone – würden für die Vermutung sprechen, dass der Beschwerdeführer bzw. Aktivisten aus seinem Umfeld für die Beschädigung der Plakate verantwortlich sind. Die gewählte Form der Andeutung ohne direkte Beschuldigung hält man für zulässig. Die Passage in dem zweiten Beitrag, der Betroffene habe sich u.a. verantworten müssen, weil er einem Beamten ins Gesicht getreten habe, stehe nicht für sich allein, sondern im Zusammenhang mit dem direkt folgenden Satz „Dafür verhängte der Richter im Amtsgericht eine Einsatzstrafe von sechs Monaten“. Die Passage sei zwar in der Tat nicht geschickt formuliert, aber ein Rückblick auf das erstinstanzliche Urteil, das mit dem aktuellen Berufungsverfahren angefochten wurde. Es sei gängige Praxis, das nach einem Urteil das Delikt dem Täter nicht mehr im Konjunktiv zugeordnet werden müsse. Die Frage, ob das Urteil gleich rechtskräftig oder später angefochten werde, sei dabei nicht relevant. Von einer Vorverurteilung könne somit nicht die Rede sein. (2004)
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In mehreren Beiträgen beschäftigt sich eine Boulevardzeitung mit den Hauptdarstellern eines Films, der anlässlich der Berlinale 2004 mit einem “Goldenen Bären” ausgezeichnet worden ist. Unter der Überschrift “Deutsche Film-Diva in Wahrheit Porno-Star” wird über die Vergangenheit der bejubelten Schauspielerin berichtet und mitgeteilt, sie habe ihr Filmhandwerk in Hardcore-Pornos gelernt. Die Zeitung wartet mit Details auf, zeigt entsprechende Szenen im Bild. In einem weiteren Beitrag unter der Schlagzeile “Eltern verstoßen sündige Film-Diva” wird gemeldet, dass die Eltern der Schauspielerin entsetzt seien und sich von ihrer Tochter abwenden. Unter der Überschrift “Nach Porno-Skandal neuer Berlinale-Schock: Zärtlicher Film-Held im wahren Leben vorbestraft” enthüllt die Zeitung schließlich, dass auch der männliche Hauptdarsteller in dem preisgekrönten Film eine zwielichtige Vergangenheit habe. Die deutsche Staatsanwaltschaft habe gegen den Schauspieler zahlreiche Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Schauspieler sei schon mehrmals verurteilt worden. Eine Medienwissenschaftlerin führt Beschwerde beim Deutschen Presserat. Sie belegt ihren Vorwurf einer diskriminierenden Berichterstattung mit einer umfänglichen wissenschaftlichen Analyse. Regisseur, Schauspieler und Schauspielerin würden in erheblicher Weise in ihren Persönlichkeitsrechten und in ihrer Menschenwürde verletzt sowie in rassistischer und sexistischer Weise diskriminiert. Die Rechtsabteilung der Zeitung weist den Vorwurf einer sexistischen und rassistischen Berichterstattung zurück. Er erscheine angesichts der näheren Umstände geradezu aberwitzig. Die Schauspielerin habe zwölf Pornofilme gedreht. Ferner gebe es mindestens zwei Bildbände sowie Kalender mit Aktaufnahmen von ihr. Es sei also keineswegs so, dass irgendjemand die Intim- oder Persönlichkeitssphäre der Betroffenen verletzt hätte. Vielmehr habe die Schauspielerin ihre Haut selbst auf den Markt getragen. Wer Pornos drehe, die am Markt frei erworben werden können, wolle keine Intimsphäre, sondern das Gegenteil. Als der nun ausgezeichnete Film in Berlin aufgeführt worden sei, habe der Regisseur seine Hauptdarstellerin als eine “Neuentdeckung” vorgestellt, die noch nie vor einer Kamera gestanden habe und per Zufall beim Einkaufen entdeckt worden sei. All dies habe sich als eine PR-Lüge erwiesen. Erst die Boulevardzeitung habe die zahlreichen Unwahrheiten aufgedeckt. Die Überprüfung und Korrektur unwahrer Behauptungen gehöre zu den zentralen Aufgaben der Medien. Eine ordnungsgemäße Recherche habe auch im Falle des männlichen Hauptdarstellers stattgefunden. Zusammenfassend lasse sich feststellen, dass die Redaktion ein Thema von großem öffentlichen Interesse sauber recherchiert und weder bewusst falsch noch diskriminierend berichtet habe. (2004)
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Eine Tageszeitung schildert in zwei Beiträgen die Ängste besorgter Eltern, die erfahren hätten, dass in ihrer Nachbarschaft ein Mann lebe, der öffentlich fordere, Sex mit Kindern zu legalisieren. Das Blatt berichtet, der mehrfach vorbestrafte Mann habe in zwei Städten versucht, seine Pädosexuellen-Vereinigung als Verein anzumelden. In beiden Städten sei der Antrag abgelehnt worden. Nach einer Erklärung der Richter verharmlose der Internet-Auftritt der Vereinigung Straftatbestände. Was zunächst schlicht als Verharmlosung gehandelt worden sei, habe für den Pädosexuellen mehrmals im Knast geendet. In Luxemburg habe er gesessen, weil er Kinderpornos vertrieben habe. Ob er sie selbst hergestellt habe, habe man ihm damals nicht nachweisen können. Im vergangenen Jahr sei er für ein Jahr hinter Gitter gewandert. Diesmal wegen der Verbreitung kinderpornografischer Schriften. Nun versuche er offenbar, sein Netzwerk im Ruhrgebiet aufzuziehen. Rechtlich sei der Mann derzeit nicht zu belangen. Vor wenigen Monaten habe die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen ihn wegen mangelnden Tatverdachts eingestellt. In einer westdeutschen Großstadt laufe noch ein Verfahren gegen ihn. Ausführlich berichtet die Zeitung über eine Demonstration von Eltern, Nachbarn sowie Vertretern von Kinderschutzbund, Politik und Kirche gegen den Mann, dem inzwischen von seinem Vermieter gekündigt worden sei. Der Betroffene, Chefredakteur einer Online-Redaktion und nach eigenen Angaben bekennender Pädophiler, weist den Deutschen Presserat auf falsche Tatsachenbehauptungen in den Artikeln hin. Er habe nur eine Vorstrafe wegen Verbreitung pornografischer Schriften. Diese liege schon zehn Jahre zurück. Ein weiteres Verfahren sei noch nicht abgeschlossen. Urteile eines Amts- und eines Landgerichts seien durch ein Oberlandesgericht aufgehoben worden. In einer westdeutschen Großstadt laufe kein Verfahren gegen ihn. Er habe weder einen Antrag auf Aufnahme ins Vereinsregister gestellt, noch sei er jemals verhaftet worden oder habe er im Gefängnis gesessen. Er ziehe zur Zeit auch kein Netzwerk auf, sondern lebe in seiner Wohnung ausschließlich als Privatperson. Die Chefredakteurin der Zeitung betont, dass ihre Zeitung die Persönlichkeitsrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt habe. Der Mann werde in der Berichterstattung nicht erkennbar. Seinen Familiennamen habe man abgekürzt. Der Beschwerdeführer lebe in seinem jetzigen Wohnort nicht als Privatperson. Seine Privatwohnung diene offenbar als Zweigstelle seiner Internetredaktion, die einschlägige Internetforen für Pädosexuelle bediene. Die Behauptung, dass der Mann mehrfach vorbestraft sei, beruhe auf zahlreichen Meldungen etablierter Nachrichtenagenturen. Die Chefredakteurin nennt schließlich seriöse Quellen, die das Bestehen eines Vereins und den Versuch einer Anmeldung desselben belegen. (2004)
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Eine Tageszeitung berichtet in mehreren Beiträgen über einen bekennenden Pädophilen, der jetzt im Verbreitungsgebiet wohnhaft sei, mit einem Verein für Sex mit Kindern werbe und das auch für sein gutes Recht halte. „Alles, was unter dem Begriff Kinder-Pornografie läuft“, zitiert ihn das Blatt, „wurde in der Regel freiwillig und mit Spaß bei der Sache hergestellt.“ Der ehemalige Bundesgrenzschutz-Beamte sei noch vor Tagen im ZDF mit dem Bekenntnis „Wir Pädophilen lieben die Kinder“ zitiert worden. In dem Beitrag wird auf die bewegte Vergangenheit des Mannes verwiesen. So sei er 1996 zu 18 Monaten Haft verurteilt worden, weil er einen Versandhandel für Kinderpornos betrieben habe. In einem der Artikel gibt die Zeitung ein Gespräch mit dem Betroffenen wieder. Zärtlichkeiten mit Kindern müssten erlaubt sein, zitiert sie seine Einstellung. Wenn dabei mal einer durchknalle und sich das mit Gewalt nehme, liege das am Druck der Gesellschaft. In diesem Zusammenhang gibt die Zeitung eine Feststellung des Sprechers der Polizei wieder: So lange werde die Polizei warten müssen, denn ihr seien die Hände gebunden. Dem Artikel ist ein Foto des Hauses beigestellt, in dem der Pädophile wohnt. In einem weiteren Artikel, in dem über Unruhe und Ängste in dem Wohnviertel berichtet wird, findet sich ein Porträtfoto des Mannes. Seine Augenpartie ist geschwärzt. In einem anderen Artikel wird mitgeteilt, der Ex-Grenzschützer und Jugendamt-Mitarbeiter sei schon mehrfach in den Fokus der Ermittlungsbehörden geraten. Der Betroffene, der sich als Chefredakteur einer Online-Redaktion ausweist, beklagt beim Deutschen Presserat falsche Tatsachenbehauptungen. Er habe nie gesagt, dass alles, was unter dem Begriff Kinderpornografie laufe, in der Regel freiwillig und mit Spaß an der Sache hergestellt worden sei. Er sei auch nicht im ZDF zitiert worden. 1996 sei er nicht zu 18 Monaten, sondern lediglich zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Ferner kritisiert er, dass die Zeitung ein Foto des Hauses, in dem er wohnt, veröffentlicht hat. Dadurch werde seine Wohnung erkennbar. Die Behauptung, die Polizei werde warten müssen, schüre Ängste und Hysterie. Es werde suggeriert, dass er eine konkrete Gefahr darstelle und es zu Gewalttaten kommen könne. Schließlich verletze die Veröffentlichung seines Porträtfotos sein Persönlichkeitsrecht. Und es sei falsch, dass er einmal Mitarbeiter eines Jugendamtes gewesen sei. Das Justitiariat der Zeitung erklärt, dass die Berichterstattung auf den eigenen Aussagen des Beschwerdeführers und auf sorgfältigen Recherchen des Autors beruhe. In keinem der Artikel werde der Betroffene namentlich genannt. Immer sei sein Nachname abgekürzt. Die Recherche des Autors habe ergeben, dass sich der ehemalige Pädophilenverein unter der Wohnadresse des Beschwerdeführers befinde. Bei einem Telefonanruf habe sich der Beschwerdeführer entsprechend gemeldet. Die Verwendung des Porträtfotos sei der Redaktion nicht untersagt worden. Der Betroffene habe im Gegenteil sogar verlangt, das Foto ohne Balken abzudrucken. Um ihn zu schützen, habe die Redaktion dieses Ansinnen abgelehnt. Die Aussage, dass der Verein für Sex mit Kindern werbe, werde durch einen entsprechenden Bericht in einer Sonntagszeitung bestätigt. Dieser Bericht sei im Rahmen eines Internetauftritts vom Beschwerdeführer ausdrücklich als korrekt bezeichnet und positiv bewertet worden. Der Vorwurf, die Zeitung schüre Ängste und Hysterie, entbehre jeglicher Grundlage. Der Autor zitiere lediglich den Sprecher der örtlichen Polizei. (2004)
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Eine Tageszeitung veröffentlicht eine Karikatur. Ein Mann mit einem Davidstern auf dem Rücken randaliert vor einem französischen Bistro mit dem Namen „Chez Jacques“ und wirft die auf der Straße aufgestellten Tische und Stühle durch die Gegend. Eine Sprechblase enthält die Frage: „Warum spüre ich keine Sympathie?“ Die Karikatur auf der Meinungsseite der Zeitung trägt den Untertitel „Sympathieträger“. Anlass der Veröffentlichung war die Tatsache, dass der französische Premierminister Chirac den israelischen Premierminister Scharon zur unerwünschten Person erklärt hat. Scharon hatte sich dahingehend geäußert, dass es in Frankreich einen Antisemitismus gebe, und die Juden Frankreichs aufgefordert, nach Israel auszuwandern. Ein Leser des Blattes ruft den Deutschen Presserat an. Er meint, die Karikatur bediene sich in hohem Maße antisemitischer Klischees. Vor dem Hintergrund der historischen Verantwortung, die unser Land gegenüber den Juden und dem Staat Israel habe, halte er diese Art von Journalismus für untragbar. Der Chefredakteur der Zeitung antwortet, dass es weder in der Absicht des Zeichners noch im Bestreben der Redaktion gelegen habe, antisemitische Klischees zu bedienen. Die Karikatur beziehe sich auf den Appell des israelischen Premiers Ariel Scharon an die Juden Frankreichs, ihr Heimatland zu verlassen („Geht so schnell wie möglich nach Israel!“), und die Verärgerung der Regierung in Paris, die von „nicht hinnehmbaren Äußerungen“ gesprochen habe. Es habe mehrere Leserbriefe mit ähnlichen Beschwerden gegeben, welche die Zeitung auch veröffentlicht habe. (2004)
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In ihrem Veranstaltungskalender „Ticket“ kündigt eine Regionalzeitung den Zombiefilm „Braindead“ an und zeigt in einem großformatigen und farbigen Foto den zerplatzenden Kopf eines Mannes. Zu sehen ist, wie die Hälfte des Gesichts schon weggesprengt ist und aus dem Rest eine Blutfontäne spritzt. Der Beitrag trägt die Überschrift „Eine Filmreihe, die an die Grenzen geht“. Das Bild selbst ist betitelt mit „Und bald trieft hier das Blut“. Ein Leser ist empört. Er fragt den Chefredakteur, ob er von allen guten Geistern verlassen sei, und wendet sich mit einer Beschwerde an den Deutschen Presserat. Die Darstellung sei brutal und unangemessen. Besonders gegenüber Kindern und Jugendlichen, die freien Zugang zur Tageszeitung hätten, sei diese Veröffentlichung nicht zu verantworten. In einem Beitrag „Wir über uns“ gesteht der stellvertretende Chefredakteur anderntags unter der Überschrift „Jenseits der Geschmacksgrenze“ einen Fehlgriff ein. Von einem Fehlgriff spricht auch der Chefredakteur in einer Stellungnahme gegenüber dem Presserat. Er teile die Verärgerung des Lesers über das Bild. Sein Stellvertreter habe sich – da er selbst in Urlaub gewesen sei – am darauf folgenden Tag in der Zeitung für die Fehlleistung entschuldigt. (2004)
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Arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen an der Musikschule der Stadt sind das Thema eines groß aufgemachten Artikels in der Zeitung am Ort.
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Unter der Überschrift „Sado-Maso-Folter live im TV!“ berichtet eine Boulevardzeitung, dass sich eine „Big-Brother“-Kandidatin vor laufender Kamera eine Brustwarze habe durchstechen lassen. „Warum lässt sich dieses Mädchen vor der TV-Kamera quälen?“ fragt das Blatt in einer zweiten Schlagzeile, schildert die Piercing-Szene und zitiert abschließend Politiker, Jugendschützer und Medienforscher, die sich kritisch zu dem Vorgang äußern. Drei Fotos zeigen die betroffene junge Frau auf einem Tisch liegend, während ein Piercing-Fachmann Hand anlegt. Daniela habe offenbar nicht gewusst, worauf sie sich eingelassen habe. Das Piercing habe unglaublich weh getan. Die Zeitung spricht von widerlichen Bildern und stellt entrüstet fest, dass im „Schmuddel-TV“ alle Schamgrenzen fallen. Die Frauenbeauftragte eines Landkreises sieht in der Veröffentlichung eine Verletzung der Menschenwürde und einen Verstoß gegen die Würde der Frauen, da hier unmenschliche Gewaltanwendung verharmlost werde. Sie bekundet gegenüber dem Deutschen Presserat, dass die Fotos über die Grenze des Erträglichen gehen. Die Überschrift „Sado-Maso-Folter live im TV!“ suggeriere, dass hier tatsächlich Folterpraktiken gezeigt würden. Auch wenn die betroffene Person das Piercing mit ihrem Einverständnis habe machen lassen, so sei die Darstellung auf dem Foto dennoch nicht zumutbar. Nach Ansicht ihres Frauenforums handele es sich hierbei um eine Misshandlung, erklärt die Beschwerdeführerin. Diese suggeriere, dass Gewalt und Demütigung akzeptabel seien, soweit Menschen dabei freiwillig mitmachen. Angesichts zahlloser misshandelter, vergewaltigter Frauen und Kinder sei es nicht hinzunehmen, dass solche Szenen öffentlich dargestellt werden mit dem Ziel, Zuschauer- und Leserquoten zu erhöhen. Die Rechtsabteilung des Verlages kann in der Veröffentlichung keine Verstöße gegen den Pressekodex sehen. Körperpiercings seien eine modische Erscheinung, bei der nicht nur das schmückende Element im Vordergrund stehe, sondern auch der Schmerz beim Stechen selbst als Grenzerfahrung Teil des Trends sei. Dabei sei bei Männern wie auch bei Frauen das Piercen der empfindlichen Brustwarze offensichtlich eine besondere Herausforderung. Mit Demütigung oder sexualisierter Gewalt habe dieses Phänomen jedoch nichts zu tun. Piercing sei zwar ein kontroverses Thema, jedoch spiele die Diskriminierung von Frauen in der Diskussion darüber keine Rolle. Vielmehr gehe es darum, ob diese Form der Selbstverschönerung noch mit den guten Sitten vereinbar sei. Genau diese Kontroverse nehme der kritisierte Artikel auf. Dass die Überschrift recht polemisch formuliert sei, möge nicht jedem Geschmack entsprechen, stelle jedoch keine Verletzung der presseethischen Grundsätze dar. In dem Beitrag werde weder Gewalt verharmlost, noch als akzeptabel dargestellt. Die Assoziation des Piercing-Aktes mit einer Folterszene drücke gerade das Unverständnis über eine derartige Selbstverstümmelung aus und sei eine legitime Meinungsäußerung. Zudem würden in dem Beitrag auch kritische Stimmen über die Sendung veröffentlicht. Die junge Frau habe das Piercing ausdrücklich und selbstbestimmend in Auftrag gegeben und sei mit der Ausstrahlung der Szene einverstanden gewesen. Sie habe die spektakuläre Aktion bewusst veranlasst, um ihren Bekanntheitsgrad zu steigern. Darüber hinaus hätten sich alle Containerbewohner für die Teilnahme an der Sendung honorieren lassen. Schon deshalb scheide eine Verletzung der Menschenwürde als Argument gegen die Veröffentlichung aus. Die Fotos zeigten zudem keine Gewaltanwendung und seien nicht brutal. Sie zeigten einen Eingriff, der mit einer Schönheitsoperation vergleichbar sei. Dies sei mittlerweile in den Medien üblich. Außerdem lasse sich am Gesichtsausdruck der jungen Frau deutlich ablesen, dass sie nicht fremdbestimmt und kein Opfer von Gewalt sei. Es gehöre zu den Aufgaben einer Zeitung, sich auch mit spektakulären Entwicklungen in den Medien auseinander zusetzen. Setze man die Kritik der Beschwerdeführerin fort, so wäre künftig jede Berichterstattung über ähnliche Themen stark erschwert und eine kritische Auseinandersetzung mit Formaten wie „The Swan“ würde unmöglich werden. Es könne nicht im Sinne des Pressekodex sein, Kritik an Medienphänomenen dieser Art wegen angeblicher Gewaltverherrlichung zu beschneiden. (2004)
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Unter der Überschrift “Berliner Forscher: Krebs besiegt” kündigt ein Boulevardblatt in großer Aufmachung eine medizinische Sensation an: Charité-Ärzte hätten den ersten Impfstoff gegen Leukämie entwickelt. Das Mittel stärke das Immunsystem der Patienten. Dadurch würden die wachsenden Krebszellen bekämpft. Bei zwei Patienten sei der Impfstoff schon mit Erfolg eingesetzt worden. Die Zellen hätten sich zurückgebildet. Die Zeitung zitiert den Chef der Hämatologie. Der Impfstoff, eine Mischung aus künstlichem Eiweiß und Präparaten aus der Meeresschnecke, bewirke, dass sich die Leukämiezellen nicht mehr vermehren können, sondern absterben. Die neue Therapie schlage jedoch nicht an, wenn der Blutkrebs zum ersten Mal auftrete. Somit könne der Stoff lediglich ein Wiederauftreten der Leukämie stoppen. Die Ankündigung veranlasst einen Leser des Blattes zu einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Er kritisiert eine unangemessen sensationelle Berichterstattung über ein medizinisches Thema im Sinne von Ziffer 14 des Pressekodex. Durch den Beitrag entstehe der irreführende Eindruck, als sei die Forschung bereits abgeschlossen. Eine Stellungnahme der Zeitung liegt dem Presserat nicht vor. (2004)
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