Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6739 Entscheidungen
Unter der Überschrift “Verbrechen im Namen der Ehre” veröffentlicht ein Nachrichtenmagazin einen Beitrag, in dem es um das Urteil gegen drei Türken geht, die ihre Schwester umgebracht haben. Der familiäre Hintergrund wird ebenso dargestellt wie die auf das Urteil folgende öffentliche Diskussion. Mit dem Artikel werden auch Fotos der Geschwister des Opfers abgedruckt. Von einer Schwester des Opfers ist die Rede, die sich künftig um das Kind der Getöteten kümmern werde. Der Beschwerdeführer wendet sich an den Deutschen Presserat, weil Familienangehörige von Opfer und Tätern im Bild gezeigt werden. Die Abbildung verletze deren Persönlichkeitsrechte. Auch die Abbildung des Opfers mit voller Namensnennung hält der Beschwerdeführer für unzulässig. Die Rechtsvertretung des Magazins rechtfertigt die Veröffentlichung des Fotos mit mehreren Familienangehörigen und Freunden des Opfers. Es sei kurz nach dem Urteil gegen die drei Brüder aufgenommen worden. Dass diese auf dem Bild beste Laune demonstrierten, mache deutlich, dass die Ermordung der Schwester bei der Familie offenbar zu keiner sichtbaren Trauer geführt habe. Der Beitrag, so die Rechtsvertretung des Magazins weiter, habe sich über das konkrete Beispiel hinaus mit den so genannten Ehrenmorden befasst, für die dieser Fall exemplarisch das überragende öffentliche Interesse an diesem Thema beweise. Zum Foto des Opfers verweist das Magazin auf die Besonderheiten dieses Falles. Dadurch, dass das Opfer auf dem Foto als fröhliche junge Mutter gezeigt werde, die sich äußerlich nicht von jungen europäischen Durchschnittsfrauen unterscheide, komme deren Lebenseinstellung für den Leser nachvollziehbar zum Ausdruck. Im Vergleich mit dem Bild ihrer Schwestern, die beide ein Kopftuch trügen, werde klar, dass sich eine junge Frau den Vorgaben ihrer Familie widersetzt habe. Die getötete junge Frau sei zum Symbol für die Opfer so genannten Ehrenmorde geworden und damit eine zeitgeschichtliche Person von überragendem öffentlichem Interesse. Diese Einschätzung teilten auch andere Medien. (2006)
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“Oma vererbt 80.000 Euro – an die Polizei” - so überschreibt eine Sonntagszeitung einen Bericht über eine Erbschaft, mit der eine ältere Dame den Dienststellenleiter einer Polizeidirektion unter der Auflage bedacht hatte, das Geld für soziale Zwecke zu verwenden. Damit, so die Zeitung, habe die Frau den einzig legalen Weg gefunden, einer Behörde Geld zu vererben. Auf zwei Fotos ist die Erblasserin als junges Mädchen und als alte Dame zu sehen. Der Beschwerdeführer moniert, dass der Artikel die Intimsphäre der Frau missachte. Die mittlerweile verstorbene alte Dame sei ohne ihre Einwilligung in der Zeitung abgebildet worden. Und das, obwohl sie keine Person der Zeitgeschichte sei. Der Beschwerdeführer wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Rechtsabteilung der Zeitung kann keine Verletzung der Intimsphäre durch die Bildveröffentlichung erkennen. Es habe eine Einwilligung zur Veröffentlichung der Fotos vorgelegen: Die Polizeidirektion, aufgrund des Erbes Rechtsnachfolgerin der alten Dame, habe der Redaktion die Fotos zur Veröffentlichung überlassen. Die Zeitung hält die Veröffentlichung allein schon wegen des öffentlichen Interesses für zulässig. Die Frau habe die Berichterstattung durch ihre ungewöhnliche und rechtlich brisante gute Tat, einer Polizeidirektion ihr Vermögen zu vermachen, selbst ausgelöst. (2006)
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Ein Fachblatt druckt unter der Überschrift “Die Sehnsucht-Verwalter” eine Reportage über eine Seglervereinigung. Darin wird berichtet, dass der Club in seinen Anfängen wie ein Geheimbund angemutet habe. Ein Weltumsegler wird zitiert: “Man habe etwas gehört, aber niemand habe etwas Genaues gewusst”. Auch der Ehrenvorsitzende kommt mit dem Zitat zu Wort: “Die Gründung…(des Clubs)… war eine Schnapsidee. Das Dutzend Mitglieder, das …(der Club)… am Anfang hatte, das waren alle Verbrecher”. Diese Anmerkung findet sich auch fettgedruckt in großer Schrift im Text eingeklinkt. Der Sohn eines inzwischen verstorbenen Gründungsmitglieds sieht dessen Persönlichkeitsrechte durch den Abdruck des Zitats verletzt. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. Der Chefredakteur des Fachblattes beruft sich auf die Schilderung glaubwürdiger und kompetenter Zeitzeugen. Aus deren Sicht seien die Gründungsmitglieder außerordentlich sympathische Leute gewesen, aber auch “weltfremde Spinner”, “zweifelhafte Individuen”, und “Anarchisten”. Über den Club urteilten die Zeitzeugen, es habe sich um einen “Geheimbund” und eine “suspekte Vereinigung” gehandelt. Auch diese Begrifflichkeiten, so der Chefredakteur weiter, hätten ihre Berechtigung. Aus damaliger Sicht sei das Hochseesegeln eine äußerst exotische Beschäftigung gewesen. Der unbändige Pioniergeist der Gründer sei in diesem Kontext sehr trefflich und voller Respekt transportiert worden. Die beanstandete Passage sei im Interview so bildhaft formuliert worden. Aus dem Zusammenhang erschließe sich eindeutig, dass die Aussage nicht wörtlich gemeint war. (2006)
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“Gewalt an der Schule: Ich wollte mich umbringen!” titelt eine Jugendzeitschrift. In dem Beitrag geht es um einen Schüler, der vorgibt, von seinen Mitschülern gequält worden zu sein und daraufhin einen Selbsttötungsversuch unternommen zu haben. Das Blatt druckt ein ungepixeltes Foto des Jungen. Der Bericht ist mit Zeugnissen der Schule illustriert. Auch wenn deren Name nicht erkennbar ist, deuten doch andere Hinweise darauf hin, in welchem Landkreis sie liegt. Beschwerdeführer ist der Leiter der Schule, der durch die Schilderung die Grenzen der guten Sitten und des Anstandes verletzt sieht. Die Schülerakte stelle den Fall ganz anders dar. Daraus seien auch andere Gründe für den Selbsttötungsversuch erkennbar. Der Schulleiter, der den Deutschen Presserat anruft, beschwert sich auch darüber, dass die Schule zu dem Vorfall nicht gehört worden sei. Die Rechtsabteilung der Zeitschrift vertritt den Standpunkt, dass eine Identifizierung der Schule aufgrund des Artikels nicht möglich gewesen sei, da in dem Bericht weder die Schule noch deren Lehrer noch weitere Schüler namentlich erwähnt worden seien. Es sei nur einem sehr begrenzten Personenkreis möglich gewesen, den Schüler dieser Schule zuzuordnen. Die Zeitschrift habe die Erfahrung gemacht, dass weder Schulleitung noch Elternbeiräte sich auf Anfrage der Redaktion zu dem Thema “Gewalt an der Schule” äußerten. Deshalb habe man auch in diesem Fall davon abgesehen, die Schule anzuhören. Die Parteien hätten sich unter Vermittlung des Schulelternbeirats auf die Veröffentlichung eines Leserbriefes geeinigt, der mittlerweile erschienen sei und der Schulleitung und Elternbeirat als Autoren ausweise. Der Schulleiter wolle die Beschwerde dennoch aufrechterhalten. (2006)
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Grundsätzlich positiv berichtet eine Regionalzeitung über die bevorstehende Abschiebung einer Familie aus dem Kosovo. Die gute Integration der Familie wird gelobt, das Engagement der Bevölkerung gegen die Abschiebung hervorgehoben. Dennoch bezieht sich der Artikel an einer Stelle auf eine gegen den Familienvater verhängte Geldstrafe von 67 Tagessätzen. Nach Informationen der Zeitung soll er mehrfach Beihilfe zur illegalen Einreise nach Deutschland geleistet haben. Sie zitiert den Mann mit den Worten: “…das war 1994, ein dummer Fehler von mir, es tut mir leid”. Ein Leser der Zeitung bemängelt, der Familienvater werde öffentlich an den Pranger gestellt, obwohl die ihm vorgeworfenen Vergehen verjährt seien. Es liege keine Eintragung im Bundeszentralregister mehr vor. Die Preisgabe dieser Informationen sei nicht förderlich für das Bleibegesuch der Familie. Außerdem mutmaßt er, die Zeitung habe sich diese Informationen illegal beschafft. Der Leser ruft den Deutschen Presserat an. Die Chefredaktion der Zeitung verweist darauf, dass sich die Redaktion von journalistischen Maßstäben habe leiten lassen, nicht jedoch von dem Gedanken, was der von der Ausweisung bedrohten Familie am ehesten helfe. Im Rahmen der Recherche habe die Zeitung den zuständigen Landrat befragt, der wörtlich erklärt habe, dass “die Kreisverwaltung nach wie vor keine legale Möglichkeit habe, der Familie … ein dauerhaftes Bleiberecht einzuräumen”. Auch spezielle Altfallregelungen hätten nicht genutzt werden können, “weil sie nur in Betracht kommen, wenn der Betroffene strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Die Zeitung habe daraufhin die Recherche fortgesetzt und sei auf die genannten Delikte gestoßen. Diese seine, obwohl sie 12 Jahre zurücklägen, erwähnt worden, weil sich die Kreisverwaltung bei ihrer ablehnenden Entscheidung auf diese bezogen habe. Insgesamt sei die Zeitung davon ausgegangen, zur umfassenden Bewertung dieses Asylfalles transparent zu machen, womit der Landrat eine Ablehnung des Bleiberechts konkret begründet habe. Daher sei es zum vollen Verständnis des Falles geboten gewesen, die alten Delikte zu erwähnen. (2006)
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“Irrer Amokläufer – Wegen eines Messers flog er von der Schule” – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung über den Amoklauf eines 16-jährigen in einer Großstadt. Dabei wurden 36 Menschen verletzt. Der Bericht befasst sich mit den Tathintergründen und der Persönlichkeit des Täters. Ein früher aufgenommenes Foto und zwei Bilder von der Festnahme illustrieren den Artikel. Auf einem der bei der Festnahme gemachten Fotos ist sein Gesicht erkennbar. Der Beschwerdeführer prangert an, dass der minderjährige Tatverdächtige abgebildet ist. Der Artikel verletze seine Intimsphäre, weil darin Details aus seinem Leben genannt würden. Der Hochschullehrer schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Rechtsabteilung der Zeitung verweist auf den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang der Berichterstattung mit dem Amoklauf. Wegen des zeitgeschichtlichen Charakters des Ereignisses sei es zulässig gewesen, Personen kenntlich abzubilden. Die Zeitung habe insbesondere den Täter identifizierbar abbilden dürfen, da der Haftbefehl auf mehrfachen Mord gelautet habe. Außerdem sei die Tat in aller Öffentlichkeit geschehen. (2006)
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Ein Nachrichtenmagazin berichtet unter der Überschrift “Nach den Cocktails kam der Tod” über den mysteriösen Mord an einer deutschen Prostituierten in den USA, deren Lebensgefährte wegen dieses Mordes einst beschuldigt, inhaftiert und zum Tode verurteilt wurde. Nachdem nunmehr entlastende Tatzeugen aufgetaucht sind, soll der Fall neu aufgerollt werden. Im Rahmen des Artikels wurden ein Foto des mutmaßlichen Täters ohne Pixelung oder Blende und ein Foto des Opfers abgedruckt, dessen Kopf (Augen, Haare, ein Ohr) überwiegend verdeckt ist. Dennoch ist das von den tödlichen Verletzungen herrührende Blut im Gesicht des Opfers gut zu erkennen. Eine Leserin ist der Auffassung, dass der Abdruck des Fotos zum Verständnis des Artikels nicht erforderlich und insgesamt unangemessen war. Es trage nicht zu einer sachlichen Berichterstattung bei. Sie wendet sich an den Deutschen Presserat. Das Justitiariat des Magazins vertritt die Auffassung, dass das Fotomotiv Gewalt nicht übermäßig darstelle. Zwar sei ein wenig Blut zu sehen, doch seien weder konkrete Verletzungen noch “unappetitliche” Details zu erkennen. Das Gesicht der Leiche sei kaum erkennbar und das Opfer befinde sich in einer Haltung, die als schlafend und mithin “eher normal” zu bezeichnen sei. Insgesamt bestehe ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit. In dem erneuten Verfahren gehe es darum, ob der verurteilte Mann womöglich doch nicht der Täter war. Die Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Beurteilung der Tat ergäben, würden möglicherweise durch Indizien beantwortet, zu denen auch die Position der im Wagen aufgefundenen Toten gehöre. Deshalb habe das Foto dokumentarischen Charakter. Es sei nicht voyeuristisch aufgemacht. (2006)
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Unter der Überschrift “Aids-Alarm nach Amoklauf” berichtet eine Sonntagszeitung über die Tat eines 16-Jährigen in Berlin, die dieser am Freitagabend begangen hatte. Eines der ersten durch Messerstiche verletzten Opfer hatte eine HIV-Infektion, so dass die später Verletzten befürchten mussten, an Aids zu erkranken. Teil der Berichterstattung ist ein unscharfes Foto, das den Täter bei der Festnahme zeigt. Auf einem weiteren Foto kümmern sich Helfer um eines der Opfer. Dabei ragt dessen Kopf unter einer Decke hervor; das Gesicht ist zur Hälfte von einer Hand verdeckt. Der Beschwerdeführer sieht in der Berichterstattung eine Missachtung von Opfer und Täter. Die Überschrift überschreite die Grenze zur unangemessen sensationellen Berichterstattung. Die Rechtsabteilung der Zeitung verweist auf den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Ereignis und der Berichterstattung. Sie beruft sich auf den zeitgeschichtlichen Charakter der Fotos. Die identifizierbare Abbildung von Personen sei im Kontext mit dem Amoklauf in Berlin zwei Wochen vor der Eröffnung der Fußball-WM zulässig gewesen. Insbesondere das Foto des Täters habe die Zeitung ohne Anonymisierung abdrucken dürfen. Die Bilder zeigten ihn unmittelbar nach der Tat. Diese sei in aller Öffentlichkeit geschehen. Hinsichtlich der Opferfotos verweist die Zeitung auf den zeitgeschichtlichen Charakter des Geschehens. Die dargestellten Personen seien nicht zu erkennen. Porträt und Nahaufnahme des abgebildeten Opfers seien mit dessen Einverständnis abgedruckt worden. Der Überschrift “Aids-Alarm nach Amoklauf” habe eine Agentur-Eil-Meldung zugrunde gelegen, wonach einer der zuerst Verletzen HIV-positiv sei. Opfer und Helfer seien von Medizinern und der Polizei aufgefordert worden, sich in Krankenhäusern mit vorbeugenden Medikamenten versorgen zu lassen. (2006)
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