Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
6657 Entscheidungen

Ein Foto, das Emotionen auslöst

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung veröffentlicht unter der Überschrift „Wir trauern“ das Foto des toten syrischen Flüchtlingsjungen, dessen Leichnam an einem Strand im türkischen Bodrum angeschwemmt worden war. In der Bildunterschrift zu dem Foto, das wie eine Traueranzeige in einen schwarzen Rahmen eingebettet ist, heißt es: „Bilder wie dieses sind schändlich alltäglich geworden. Wir ertragen sie nicht mehr, aber wir wollen, wir müssen sie zeigen, denn sie dokumentieren das historische Versagen unserer Zivilisation in dieser Flüchtlingskrise (…). Dieses Foto ist eine Botschaft an die ganze Welt, endlich vereint dafür zu sorgen, dass kein einziges Kind mehr auf der Flucht stirbt. Denn wer sind wir, was sind unsere Werte wirklich wert, wenn wir so etwas weiter geschehen lassen?“ In der Printausgabe erscheint das Foto tags darauf in gleicher Aufmachung. Die Bildunterschrift ist identisch. Beide Fotos zeigen das Kind seitlich von hinten. Dreizehn Leser der Zeitung wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Sie sehen die Würde des Kindes durch den Abdruck dieses Fotos verletzt. Auch die Rechte der Angehörigen würden verletzt. Die Zeitung präsentiere sich besorgt, doch spiele sie mit den Gefühlen der Menschen. Andere Leser sehen weitere presseethische Grundsätze verletzt. Es sei unangemessen und pietätlos, ein Foto des toten Kindes ohne Verpixelung und ohne Einwilligung der Eltern zu zeigen. Das Kind sei auf dem Bild sehr gut zu erkennen. Bei der Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und der Darstellung des toten Jungen müsse das Informationsinteresse zurücktreten. Nach Richtlinie 11.3 müsse das Leid von Opfern, insbesondere von Kindern, respektiert werden und dürfe nicht dargestellt werden. Andere Beschwerdeführer argumentieren, dass Zeitungen auch Schreckliches dokumentieren könnten, ohne die Würde eines toten Menschen zu verletzen. Das Thema Flüchtlinge müsse dokumentiert werden, aber nicht auf diese Weise. Die Rechtsabteilung der Zeitung gibt keine detaillierte Stellungnahme ab. Aus ihrer Sicht spreche die Berichterstattung für sich.

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Erschreckendes Dokument der Zeitgeschichte

Der vierjährige Aylan aus Syrien stirbt auf der Flucht. Sein kleiner Körper wird an der türkischen Küste bei Bodrum an den Strand gespült. Ein Fotograf macht das Foto, das um die Welt geht. Kaum ein Medium weltweit, dass sich nicht mit dem tragischen Geschehen befasst hätte, so auch die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins. Dessen Chefredakteur kommentiert. Der Beitrag enthält das Foto. Die entsprechende Textpassage lautet: „Der Junge ist tot. Die Welt dreht sich weiter. Nicht bei uns. Jedenfalls nicht heute. Der Junge am Strand wird den ganzen Tag bei uns zu sehen sein. Ganz oben. 24 Stunden. Passiere, was wolle. Denn sein Recht auf ein Leben wurde ihm genommen. Dann hat er zumindest das Recht, noch einmal gesehen zu werden.“ Zwei Leser der Zeitschrift sehen mit der Berichterstattung und dem Kommentar presseethische Grundsätze verletzt. Durch die pietätlose Zurschaustellung werde die Ehre des toten Kindes verletzt. Es handele sich um Sensationsjournalismus um vieler Klicks willen, auch wenn der Text etwas Anderes suggeriere. Das Foto eines toten Kindes hätte nicht veröffentlicht werden dürfen. Die Rechtsabteilung der Zeitschrift stellt aus ihrer Sicht fest, dass dies kein Fall einer unangemessen sensationellen Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid sei. Das Foto dokumentiere ein grausames Geschehen, den Tod eines Kindes. Dies geschehe nicht auf sensationslüsterne oder voyeuristische Weise. Auch werde das Opfer nicht herabgewürdigt. Der Betrachter begegne ihm vielmehr mit Mitgefühl und Entsetzen angesichts des Schicksals, das im nahöstlichen Flüchtlingsdrama so vielen Menschen widerfahren sei. Das Foto des kleinen Aylan belege auf tragische Weise das absolute Versagen der Politik. Es sei somit ein erschreckendes Dokument der Zeitgeschichte. Die Wirklichkeit, die dieses Bild wiedergebe, möge schwer zu ertragen sein. Dennoch bewege sich die Berichterstattung im Rahmen der Grenzen des Pressekodex.

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Strittiger Bericht über ein Seniorenheim

Die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung berichtet über die Schließung und Auslagerung der Wäscherei eines Caritas-Seniorenheims. Sie schildert den Verlauf eines Informationsabends für Angehörige der Bewohner. Die Kritik der Angehörigen an der Schließung erhält in der Berichterstattung breiten Raum. Ein Leser der Zeitung weist darauf hin, dass der Autor des Artikels selbst Angehöriger einer Heimbewohnerin ist und mit der Veröffentlichung ein persönliches Interesse verfolge. Dabei gehe es um ökonomische Interessen. Der Autor selbst habe den Widerstand und den Protest gegen die Schließung selbst inszeniert. Die Zeitung hätte ihn wegen Befangenheit nicht mit der Berichterstattung beauftragen dürfen. Die Rechtsvertretung der Zeitung räumt ein, dass der Autor zwar aus privaten Gründen als Angehöriger einer Heimbewohnerin von der Versammlung erfahren habe. Seine Beschreibung der Versammlung und deren Hintergründe genügten jedoch allen journalistischen Anforderungen. Der Autor gibt eine eigene Stellungnahme ab. Er betont, dass er wahrheitsgemäß über die Versammlung berichtet und nichts „inszeniert“ habe. Kritik am Vorgehen der Caritas sei von mehreren Besuchern unabhängig und teils harsch geäußert worden. Völlig ins Leere gehe der Vorwurf, er habe mit dem Artikel „persönliche wirtschaftliche Interessen“ verfolgt. Seine Mutter befinde sich zwar in dem Heim, doch sie sei voll geschäftsfähig und trage die anfallenden Pflegekosten zu hundert Prozent aus eigenen Mitteln. Er sei weder als ihr Betreuer bestellt, noch in irgendeiner Weise finanziell oder in anderer wirtschaftlicher Form involviert.

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„Das Sinnbild der Tragödie“

Die Online-Ausgabe einer Wirtschaftszeitung veröffentlicht unter der Überschrift „Das Sinnbild der Tragödie“ einen Beitrag über den vierjährigen Aylan aus Syrien. Dieser war bei der Flucht nach Europa ums Leben gekommen und an einem Strand bei Bodrum an der türkischen Küste angeschwemmt worden. Ein Fotograf hatte ein Foto gemacht, das um die Welt ging. Auch diese Zeitung zeigt das Bild. Der Junge ist seitlich von hinten zu sehen. Das Gesicht ist nicht erkennbar. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Veröffentlichung des Fotos. Es diene nur dazu, Auflage zu machen und rücke nicht das Kernproblem, die Flüchtlingskatastrophe, in den Vordergrund. Der Beschwerdeführer empfindet das Foto als anstößig. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält dagegen, das kritisierte Foto symbolisiere die dramatischen Schicksale, die viele Flüchtlinge aus Syrien und anderen Krisengebieten erlitten, wenn sie sich auf den Weg nach Europa machten. Es sei wichtig zu sehen, dass hinter den politischen Diskussionen Menschen stünden, die dringend Hilfe bräuchten. Die große Not der Flüchtlinge sei für viele Menschen in Europa nicht greifbar. Es sei hilfreich, wenn nicht gar erforderlich, durch die Veröffentlichung derartiger Dokumente das Bewusstsein für die Belange der Hilfesuchenden wachzuhalten. Der Tod des jungen Aylan in Verbindung mit dem Foto sei das Sinnbild der Tragödie und führe der Öffentlichkeit das Schicksal zahlreicher Flüchtlinge besonders vor Augen. Der Junge werde nicht herabgewürdigt. Das Bild zeige ihn seitlich von hinten; das Gesicht sei nicht zu sehen. Angesichts der Flüchtlingsdebatte, in deren Folge sich in Deutschland immer mehr radikale Lager bildeten, sei es notwendig, die Gesellschaft auf die Schicksale „dahinter“ aufmerksam zu machen. Das kritisierte Foto sei dafür ein Sinnbild.

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Ein Foto, das die Welt erschütterte

„Ein Foto erschüttert die Welt“ – so überschreibt die Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung ihren Bericht über den tragischen Tod des vierjährigen Aylan aus Syrien, der auf der Flucht nach Europa ertrunken ist und an einem Strand nahe dem türkischen Bodrum angeschwemmt wurde. Eine der dem Bericht beigestellten Abbildungen zeigt, wie Polizisten den leblosen Körper wegtragen. Das zweite Foto geht an diesem Tag um die Welt. Es zeigt den toten Aylan am Strand liegend. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Veröffentlichung dieses Fotos. Hier stehe die Sensation im Vordergrund, nicht aber das eigentliche Flüchtlingsproblem. Der Beschwerdeführer sieht in der Veröffentlichung einen Fall von Sensationsberichterstattung. Nach Ansicht der Rechtsabteilung der Zeitung liegt hier keine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid (Ziffer 11 des Pressekodex) vor. Über den Jungen werde in einer respektvollen Weise berichtet, die allein dem öffentlichen Interesse und dem Informationsinteresse der Leser diene. Dieses Interesse sei bei dem dominierenden Thema der europaweiten Bewältigung des Umgangs mit Millionen Schutzsuchenden und Bürgerkriegsflüchtlingen von besonderer Bedeutung. Über das im Pressekodex definierte öffentliche Informationsinteresse gehe diese Berichterstattung nicht hinaus. Die Darstellung beschränke sich auf die Wiedergabe des konkreten tragischen Ereignisses. Es sei von besonderem öffentlichem Interesse. Dabei werde die Würde des Opfers nicht herabgesetzt. Das Foto sei ein Sinnbild für die tödlichen Gefahren der Flucht. Es stehe auch für das Scheitern einer geordneten Zuwanderung von Schutzsuchenden. Diesem Scheitern fielen am Ende auch Kinder zum Opfer.

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Verschmutzte Straße gefährdet „Dorffrieden“

Eine Zeitschrift, die sich vornehmlich landwirtschaftlichen Themen widmet, berichtet unter der Überschrift „Beim Viehtrieb läuft die Angst mit“ über einen Nachbarschaftsstreit. Ein Nachbar kritisiert in scharfer Form den Viehtrieb eines benachbarten Milchbauern. Hauptgrund ist die Verschmutzung der Straße, über die das Vieh morgens und abends getrieben wird. Die Polizei registrierte bislang 16 Anzeigen. Beim Gassi-Gehen mit seinem Hund habe der Nachbar stets eine Kamera dabei. Er fotografiere alles, was sich auf dem Hof des Viehbesitzers tue. Der Kreisveterinär, die Polizei und das Bauamt seien die Empfänger dieser Bilder, die auch ins Netz gestellt werden. Angestrengte Verfahren seien eingestellt worden. Die Autorin des Beitrages berichtet, dass die Frau des Bauern vom Auto des Nachbarn erfasst und verletzt worden sei. Sie befinde sich seitdem in psychotherapeutischer Behandlung. Auch die Kinder seien von dem Nachbarschaftsstreit gezeichnet. Trotz der Anfeindungen wolle die Familie den Hof jedoch nicht aufgeben. Der im Bericht mehrfach genannte Nachbar beschwert sich beim Presserat über die Berichterstattung. Die Umstände des Streits würden falsch wiedergegeben. Er sei auch nicht der einzige Nachbar, den die Situation störe. Mehrere Nachbarn forderten seit Jahren ihre Rechte ein. Eine Anzeige wegen der verschmutzten Fahrbahn habe es während der letzten Zeit überhaupt nicht gegeben. Dass die Bäuerin angefahren worden sei, stimme auch nicht. Der Beschwerdeführer sieht seine Persönlichkeitsrechte verletzt, denn er sei der einzige Nachbar, der mit seinem Hund Gassi gehe. So sei er leicht identifizierbar. Der Chefredakteur der Zeitschrift teilt mit, die Redaktion habe sich – entgegen sonstigen Gepflogenheiten – darauf beschränkt, die Situation aus der Sicht des Viehhofbesitzers darzustellen. Ziel der Berichterstattung sei es gewesen, die Leser für eine ordnungsgemäße Durchführung des Viehtriebes über öffentliche Straßen zu sensibilisieren. Der Nachbar und Beschwerdeführer sei bewusst anonymisiert worden, um ihn im Interesse des „Dorffriedens“ aus der Sache herauszuhalten. Die Autorin teilt mit, sie habe niemanden an den Pranger stellen wollen. Ihr sei es darum gegangen, anhand dieses Beispiels zu verdeutlichen, wie wichtig die Einhaltung der Pflicht zur Rücksichtnahme für Landwirte ist, um Konflikten vorzubeugen.

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Die Welt ist bestürzt wegen eines Fotos

Der vierjährige syrische Junge Aylan wird tot an der türkischen Küste bei Bodrum angeschwemmt. Ein Fotograf dokumentiert das Geschehen. Der leblose Körper ist seitlich von vorne zu sehen; das Gesicht ist verpixelt. Im Gegensatz zu anderen Medien verbreitet die Zeitung zunächst dieses Foto und nicht jenes, das den kleinen Aylan seitlich von hinten zeigt und das um die Welt geht. Dieses Bild veröffentlicht die Zeitung einen Tag später in der Printausgabe, in der dem Thema eine ganze Seite gewidmet ist. In einer umfänglichen Bildunterschrift weist die Redaktion darauf hin, dass es vor der Veröffentlichung eine ausführliche Diskussion innerhalb der Kollegenschaft gegeben habe. Die Redaktion habe sich schließlich für den Abdruck entschieden, da sie hoffe, dass das weltweit verbreitete Foto ein Umdenken in der Flüchtlingspolitik auslösen werde. In einem weiteren Beitrag nimmt ein Medienpsychologe grundsätzlich zur Wirkung von Bildern Stellung. Das viel zu kurze Leben von Aylan wird ebenfalls geschildert. Ein Leser der Zeitung ist der Auffassung, das online verbreitete Foto verletze die Ehre des toten Kindes. Es sei unangemessen sensationell. Der Leseranwalt der Zeitung stellt fest, das Foto sei zu einem Symbol für die gefährliche und oft tödliche Massenflucht aus den Krisen- und Kriegsgebieten geworden. Das kritisierte Foto sei in eine verantwortungsvolle Textberichterstattung eingebettet. Die Redaktion habe es sich nicht leicht gemacht. Sie sei schließlich zu dem Ergebnis gekommen, dass das Foto, das das Kind seitlich von hinten zeige, nicht dessen Ehre verletze. Das sei auch im Fall der Online-Veröffentlichung nicht geschehen, da hier das Gesicht Aylans verpixelt worden sei.

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Wissenschaftler und das Ende des Eisbären Knut

Online und tags darauf gedruckt berichtet eine Großstadtzeitung unter der Überschrift „Das Rätsel um den Tod von Eisbär Knut ist gelöst“ über das Ende des einst bundesweit bekannten und geliebten Eisbär-Babys. Der Zeitung zufolge sei er an einer Autoimmunerkrankung verendet. Das Tier war 2011 wegen eines epileptischen Anfalls ins Wasser gefallen und ertrunken. Wissenschaftler hätten in den folgenden Jahren gerätselt, was die Todesursache habe sein können. Erst eine Zusammenarbeit von Hirn- und Wildtierforschern habe die Lösung gebracht. Wörtliche Passage: „Wie das Wissenschaftsmagazin Scientific Reports berichtet, hat Harald Prüß, Wissenschaftler am Berliner Standort des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen Bonn und Facharzt an der Klinik für Neurologie an der Charité, den Autopsiebericht über Knut gelesen und Parallelen zu seinen Studien über menschliche Hirnerkrankungen festgestellt. Mit seinem Kollegen Alex Greenwood, dieser leitet am Leibniz-Institut für Wildtierforschung Berlin die Abteilung Wildtierkrankheiten, entdeckte er eine Autoimmunerkrankung, die bisher nur bei Menschen bekannt war und sich mit Medikamenten gut behandeln lässt.“ Beschwerdeführer ist der Forschungsverbund Berlin. Dieser setzt sich zusammen aus den drei Berliner Forschungseinrichtungen Leibnitz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, Charité und Universitätsmedizin Berlin und Deutsches Zentrum für Neurogenerative Erkrankungen. Der Forschungsverbund habe kürzlich die tatsächliche Todesursache des Berliner Eisbären Knut herausgefunden. Dessen tragischer Tod habe 2011 weltweit Beachtung gefunden. Die Todesursache sei wissenschaftlich von größtem internationalem Interesse. Der Forschungsverbund habe seinerzeit ausgewählte Medienvertreter zu einer Pressekonferenz eingeladen. Diese sei mit einer strikten Sperrfrist belegt gewesen. Die Zeitung habe jedoch sofort berichtet und damit die Sperrfrist missachtet. Dies sei ein Verstoß gegen Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht). Da zum Zeitpunkt des „Embargo-Bruchs“ das wissenschaftliche Manuskript noch nicht veröffentlicht gewesen sei, habe für die Wissenschaftler die akute Gefahr bestanden, dass das Manuskript von der Zeitschrift Scientific Reports als bereits veröffentlicht zurückgewiesen werden könnte. Die jahrelange Forschung der international renommierten Arbeitsgruppen wäre damit entwertet worden. Der Forschungsverbund hält das Verhalten der Redaktion auch anderen Medien gegenüber, die sich an die Sperrfrist gehalten hätten, für höchst unfair. Die Chefredaktion der Zeitung gibt zu der Beschwerde keine Stellungnahme ab.

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Ein Rechtsanwalt steht im Kreuzfeuer

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet über schwere Vorwürfe gegen den früheren Rechtsanwalt des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt. Die Rede ist von Streit zwischen dem ehemaligen Betreuer Gurlitts und seinem ehemaligen Rechtsanwalt, der unter anderem für die Verhandlungen mit den Anspruchstellern der Raubkunstbilder zuständig gewesen sei. Es gehe um Schmähungen der Jewish Claims Conference (JCC), Vorwürfe des Titelmissbrauchs und der Geschäftemacherei auf Kosten der Nachfahren von Raubkunstopfern. Der Rechtsanwalt soll versucht haben, Geld von den Raubkunst-Erben für die Rückgabe der Bilder herauszuschlagen. Diese Vorwürfe würden von dem Rechtsanwalt bestritten. In einer E-Mail soll der Anwalt einen hochrangigen Vertreter der JCC als „Obergauner“ bezeichnet haben. Nach den Recherchen der Redaktion hätten dies der ehemalige Sprecher Gurlitts, der gerichtlich bestellte Betreuer und die übrigen Anwälte aus dem Team Gurlitt bestätigt. Als Reaktion darauf habe – so die Zeitung – der Betreuer Gurlitts den Anwalt wegen Verletzung seiner Pflichten abgemahnt und später vom Mandat entbunden. Beschwerdeführer ist in diesem Fall der im Artikel genannte Anwalt. Er hält die Berichterstattung für falsch und bedauert, dass der Artikel weiterhin im Internet abrufbar sei und sich nicht wie ein Print-Bericht verflüchtige. Er sieht Verfehlungen des Verfassers des Berichts und kündigt an, gegen diesen in einem gerichtlichen Hauptverfahren vorzugehen. Der Autor missbrauche seine Medienmacht, um ihn öffentlich an den Pranger zu stellen. Die Rechtsabteilung des Verlages sieht die Beschwerde als gegenstandslos an, weil die kritisierte Berichterstattung schon mehr als ein Jahr vor der Beschwerde erfolgt sei. Auch die Tatsache, dass der Anwalt den Autor juristisch belangen will, spreche dagegen, dass sich der Beschwerdeausschuss mit dem Fall überhaupt befasse. Im Übrigen sei die Beschwerde eindeutig unbegründet. Der Beschwerdeführer behaupte wortreich, durch den Artikel „schwer diffamiert“ worden zu sein. Er bleibe aber jeden Beweis und jegliche Begründung schuldig, was an dem Bericht unzutreffend, unsauber und in sonstiger Weise presseethisch zu beanstanden sei. Nach Darstellung der Rechtsvertretung ist der Artikel vielmehr ein Musterbeispiel für eine zulässige Verdachtsberichterstattung. Der Autor des kritisierten Beitrages habe den angegriffenen Rechtsanwalt zu Wort kommen lassen und ihn sogar zweimal wörtlich zitiert.

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Leserkommentar „unterirdischer Tiefpunkt“

Die Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung veröffentlicht unter der Überschrift „Die ertrunkenen Kinder, denen niemand helfen wollte“ einen Beitrag, in dem es um die Details der Flucht des vierjährigen syrischen Jungen Aylan und seiner Familie geht. Ein Foto zeigt, wie das tote Kind von Polizisten weggetragen wird. Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite der Zeitung gepostet. Die Folge sind zahlreiche Kommentare. Die Diskussion driftet schnell in eine allgemeine Debatte über die Flüchtlingspolitik in Deutschland ab. Eine Leserin spricht von Syrern als „Pack“ und beklagt ein Totalversagen der EU und der Bundesregierung. Alle, die das derzeitige Asylrecht in Frage stellten, würden gleich als Nazis, Rechtsradikale oder Asylantenhasser hingestellt. Die Redaktion kommentiert diese Äußerungen so: „Das sind deine Gedanken beim Anblick dieses Bildes? Wahnsinn, Birgit! Dieser Kommentar ist heute mit Abstand der unterirdische Tiefpunkt. Niemand will dich mundtot machen. Du hast auch hier Platz für eine kritische Auseinandersetzung mit der aktuellen Flüchtlingsdebatte. Offenbar ist aber in deiner Wut auch der letzte Funken Menschlichkeit fortgespült worden. Mit diesem Kommentar hast du gezeigt, wes Geistes Kind du bist – und das ist wirklich erschütternd.“ Andere Kommentarverfasser kritisieren daraufhin den Kommentator der Redaktion, der sich nicht neutral verhalten habe. Eine Nutzerin der Online-Ausgabe hält dessen Kommentar für unangemessen und teilweise ehrenrührig. Der stellvertretende Chefredakteur des Online-Auftritts der Zeitung hält es für ungeklärt, ob Äußerungen von Lesern in den Kommentarbereichen digitaler Zeitungen unter den Kriterien des Pressekodex zu bewerten seien. Sollte der Presserat zu dem Schluss kommen, dass für den Inhalt der Leser-Kommentare allein die Redaktionen verantwortlich seien, so müssten wohl umgehend die meisten Kommentarspalten und Social Media Profile abgeschafft werden. Die Redaktion habe in diesem Fall auf einen pietätlosen Kommentar in aller Schärfe reagiert. Der Redaktions-Kommentar bewege sich nicht, wie von der Beschwerdeführerin vermutet, im „strafrechtlichen“ und „ehrenrührigen“ Bereich. Er stelle vielmehr eine Verwarnung dar, wie sie auf der Facebook-Seite der Zeitung üblich sei und auf manchen Facebook-Seiten wünschenswert wäre.

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