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Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

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Entscheidungsjahr
6657 Entscheidungen

Zwei Männer starben nach Cannabis-Konsum

„Totgekifft! Zum ersten Mal Tod durch Cannabis nachgewiesen“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Es sei deutschen Ärzten gelungen, „die ersten beiden Fälle“ nachzuweisen, „in denen Cannabis-Konsum zum Tod führte.“ Die Ergebnisse seien in einer englischen Fachzeitschrift veröffentlicht worden. Ein an der Untersuchung beteiligter Arzt wird mit den Worten zitiert: „Bei zwei Fällen konnten wir jede andere Todesursache komplett ausschließen. Die beiden Männer starben an Herzrhythmus-Störungen, die durch den Cannabis-Wirkstoff THC ausgelöst wurden.“ Im Bericht heißt es, die beiden Männer seien gesund gewesen. Drei Leser der Zeitung sind mit der Berichterstattung nicht einverstanden. Sie sehen einen Verstoß gegen Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltsplicht). Die Überschrift stelle einen Zusammenhang her, der im Artikel nicht konkret belegt oder erschöpfend bewiesen werde. Der Artikel sei schlecht recherchiert, denn schon in der Zusammenfassung des englischen Artikels heiße es nur, man „nehme an“ („we assume“), dass nach Ausschluss anderer Todesursachen die jungen Männer tödliche Herzrhythmus-Störungen erlitten hätten, hervorgerufen durch das Rauchen von Cannabis. Der ärztliche Bericht sei falsch übersetzt und vermittelt worden. Hätten die Autoren den Fachtext richtig gelesen bzw. übersetzt, hätte in ihrem Artikel dazu stehen müssen: „Eventuell, ganz vielleicht, might be….“ Die Rechtsvertretung der Zeitung hält die Beschwerde für offensichtlich unbegründet. Die Redaktion habe durch die direkte Kontaktaufnahme mit dem Urheber der Studie die presserechtlichen Sorgfaltspflichten übererfüllt. Auch die Überschrift sei nicht zu beanstanden. In ihrer Grundaussage sei sie bundesweit in vielen Veröffentlichungen vorgekommen.

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„Dreist und fern jeder Sachlichkeit“

„Cannabis erstmals als Todesursache nachgewiesen“ überschreibt eine Regionalzeitung einen Bericht, in dem es heißt, erstmals sei deutschen Ärzten der Beweis gelungen, dass zwei Männer an den Folgen ihres Cannabis-Konsums gestorben seien. Als Quelle nennt die Zeitung einen Fallbericht in der englischen Fachzeitschrift „Forensic Science International“. Ein Leser der Zeitung ist der Meinung, dass der Artikel gegen Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltsplicht) verstößt. Hätte die Redaktion den englischen Fachtext richtig gelesen bzw. übersetzt, hätte in ihrem Artikel dazu stehen müssen: „eventuell, ganz vielleicht, might be…“ Der Chef vom Dienst der Zeitung hält die Beschwerde für unbegründet. Der Beschwerdeführer nenne die Berichterstattung eine „dreiste Lüge“. Dreist und fern jeder Sachlichkeit sei jedoch das Vorgehen des Beschwerdeführers. Der Artikel stütze sich auf ein Gespräch mit einem der Verfasser der Studie, die erstmals nach allen verfügbaren wissenschaftlichen Standards nachgewiesen habe, dass unter dem Einfluss von Cannabis Herzrhythmus-Störungen tödlich verlaufen können. Mit ausführlichen Zitaten, die der Studienverfasser nicht zurückweise, berichte der Autor, dass es sich um ein seltenes Ereignis handele, das jedoch die Behauptung widerlege, der Konsum der Droge sei risikolos. Der Chef vom Dienst verweist auf einen zweiten Artikel. Schon in dessen Überschrift werde darauf hingewiesen, dass Cannabis beides sei, Medizin und gefährliche Droge. Der Verfasser des Beitrages habe im Übrigen vor wenigen Jahren mit einer Arbeit über ein kardiologisches Thema zum Dr. med. promoviert.

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„Flapsige Zusammenfassung klar daneben“

Dem rechtsmedizinischen Institut der Uniklinik Düsseldorf sei es zum ersten Mal gelungen, zwei Todesfälle auf den Konsum von Cannabis zurückzuführen. Die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins berichtet über das aufsehenerregende Forschungsergebnis unter der Überschrift „Forscher sicher: Cannabis erstmals als Todesursache nachgewiesen.“ Das Magazin zitiert einen der beteiligten Mediziner, der sich im Gespräch mit einer anderen Zeitung geäußert hatte: „Nach unserem Wissen sind das weltweit die ersten Todesfälle, die komplett nach den heutigen wissenschaftlichen Standards aufgearbeitet wurden.“ Der Beschwerdeführer, ein Leser des Magazins, sieht in der Veröffentlichung einen Verstoß gegen Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht). Hätte die Redaktion den englischen Fachtext richtig gelesen bzw. übersetzt, hätte in ihrem Artikel stehen müssen: „Eventuell, ganz vielleicht, might be…“ Der stellvertretende Chefredakteur des Nachrichtenmagazins ist der Ansicht, die Beschwerde sei unbegründet. Der Artikel gebe die Forschungsergebnisse, deren Seriosität auch der Beschwerdeführer nicht anzweifle, zutreffend und in angemessener Form wieder. Ein Kernsatz der wissenschaftlichen Studie sei dieser: „Nach Ausschluss anderer Todesursachen nehmen wir an, dass die jungen Männer tödliche cardiovaskuläre Komplikationen erlitten, die durch das Rauchen von Cannabis ausgelöst wurden. Dieser Satz über den Ausschluss anderer Todesursachen zeige, so der stellvertretende Chefredakteur weiter, dass das Forschungsergebnis im Artikel in keiner Weise übertrieben dargestellt worden sei. Demgegenüber liege der Beschwerdeführer mit seiner flapsigen Zusammenfassung des Studienergebnisses „Eventuell, ganz vielleicht, might be“ klar daneben. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers spreche der angebliche „Vormarsch der Cannabis-Legalisierung“ nicht gegen, sondern für die Notwendigkeit einer Berichterstattung auch über wenig bekannte Risiken dieser Droge.

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Gebotene Zurückhaltung blieb unbeachtet

„Hätte diese Tragödie vermieden werden können?“ – so überschreibt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung ihren Bericht über den Suizid einer Nachwuchs-Biathletin. Über ein mögliches Motiv heißt es in dem Beitrag: „Menschen aus dem Umfeld von (…) berichten, die Eltern hätten hohe Erwartungen an ihre Tochter gehabt. Vater Bernd, ein gebürtiger Winterberger, war einst selbst als Nordischer Kombinierer aktiv, allerdings wenig erfolgreich. Mutter Sibylle kommt aus dem sächsischen Kreischa und versuchte zu DDR-Zeiten als Turnerin ihr Glück.“ Über die Umstände des Suizids schreibt die Zeitung: „Unmittelbar vor ihrer Verzweiflungstat soll (…) ihre Eltern noch einmal angerufen haben. (…) Seit längerem lebte sie in einer Beziehung mit dem zwei Jahre älteren Rodler (…). Zuletzt soll er sich von ihr getrennt haben.“ Der Thüringer habe als große Nachwuchshoffnung gegolten. Er habe seine Ex-Freundin offenbar noch nach Hause gefahren, ehe sich diese das Leben genommen habe. Zum Suizid selbst schreibt die Zeitung, dass die Biathletin sich im Haus ihrer Eltern mit einem Biathlon-Kleinkalibergewehr erschossen habe. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass sowohl die Suizidmethode als auch Zeitpunkt und Ort der Tat genannt würden. Zudem würden nähere Begleitumstände erwähnt, so auch das Fehlen eines Abschiedsbriefes. Die Zeitung spekuliere über die Motivation für den Suizid und dessen Ursachen. Insgesamt sei der Beitrag nicht mit der nach Ziffer 8, Richtlinie 8.7, gebotenen Zurückhaltung vereinbar. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung beruft sich auf offizielle Polizeiangaben. Die Zeitung habe nicht nur über den tragischen Tod der Biathletin berichtet, sondern ganz grundsätzlich auch eine gesellschaftliche Diskussion anstoßen wollen, nämlich die über den richtigen Umgang mit Waffen in Privathaushalten. Damit sei ein übergeordnetes, öffentliches Interesse eindeutig gegeben. Die Zeitung habe somit nicht gegen presseethische Grundsätze verstoßen.

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Das Opfer in einen Schrebergarten gelockt

„Horror-Stiefvater verhöhnt Mordopfer auf Facebook“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Im Bericht geht es um den Mord an einer jungen Frau, den mutmaßlich ihr Stiefvater begangen hat. Der Bericht enthält ein Foto des Mannes, dessen Augenpartie von einem schwarzen Balken überdeckt ist. In das Bild ist eine Facebook-Statusmeldung kopiert. Dem Artikel zufolge gehört der angegebene Facebook-Name zu dem Verdächtigen. Am Beginn des Berichts heißt es: „Er lockte die hübsche Madeleine W. (23) in seinen Schrebergarten, dann fesselte und knebelte er die junge Mutter, begrub sie vermutlich lebendig neben der Laube.“ Ein Leser der Zeitung sieht den Pressekodex in zweifacher Hinsicht verletzt. Die Nennung des Facebook-Namens verletze Ziffer 8 (Persönlichkeitsrechte), weil auf der Facebook-Seite Bilder des Verdächtigen sowie Fotos von einem kleinen Mädchen zu sehen seien, bei dem es sich wahrscheinlich um die Tochter des Opfers handele. Ziffer 13 (Unschuldsvermutung) sei durch die Nennung des Facebook-Namens sowie das oben erwähnte Zitat verletzt. Die Rechtsabteilung der Zeitung verweist auf das erhebliche öffentliche Informationsinteresse, das der Fall ausgelöst habe. Der Tatverdächtige habe sich bereits zum Zeitpunkt des Mordes in einem laufenden Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs verantworten müssen. Nunmehr habe er im dringenden Verdacht gestanden, seine Stieftochter, mit der er zuvor ein Kind gezeugt habe, auf grausame Weise umgebracht zu haben. Der Fall sei von besonderer Grausamkeit gekennzeichnet gewesen. Entscheidend sei, dass der Tatverdächtige zum Zeitpunkt der Berichterstattung wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft gesessen habe, der Richter also von einem dringenden Tatverdacht ausgegangen sei. Die Ermittler hätten den Journalisten detailliert geschildert, wie der Verdächtige den Mord durchgeführt haben soll. Daher das wörtliche Zitat: „Nach der Tat zog er heimlich fünf Tage in seine Laube und vergrub seine Stieftochter. Danach betonierte er seelenruhig alles zu.“ Die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung und der die Persönlichkeit wahrenden Veröffentlichung seien nach alledem weder presserechtlich noch presseethisch zu beanstanden. Der Beschwerdeführer konzentriere sich – was die Ziffer 13 (Unschuldsvermutung) anbelangt – auf den einleitenden Satz des Artikels. Dieser gebe jedoch nur das wieder, was der Redaktion von einem der Ermittler wörtlich geschildert worden sei. Bei Feststellungen und Einschätzungen der Ermittlungsbehörden als privilegierter Quelle dürfe sich die Presse grundsätzlich auf deren Richtigkeit verlassen.

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Brief an den „aufgeschwemmten Mausepaul“

In der Online-Ausgabe einer Zeitschrift schreibt Matthias Matussek einen offenen Brief an den Blogger Stefan Niggemeier. Dem Schlagabtausch zugrunde liegt eine längere Diskussion zwischen mehreren Publizisten über das Thema Homosexualität und dem Umgang damit im Schulunterricht. Stein des Anstoßes war ursprünglich ein Papier der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), das einen Fragebogen für Siebtklässler enthielt, der die Absurdität eben dieser Fragen darlegen sollte. Jetzt schreibt Matussek an Niggemeier, den er unter anderem „Niggi“ nennt und als „Kartonschädel-Niggi“ anspricht: “Sie argumentieren wie ein Hitlerjunge, dem die bürgerliche Bildung ein Popanz ist; die gute Gesinnung, jetzt nicht die völkische, sondern der derzeit herrschende linke Konsens, finden Sie eher ´in der Kommentardiskussion im Internet´, als deren Blockwart Sie sich verstehen.“ An anderer Stelle heißt es: „Wissen Sie, Niggi, aufgeschwemmter Mausepaul,…“ und: „Ihr Job als Blog-Wart ist die Denunziation, die Verfemung unter dem Beifall merkwürdig erfrorener Lemuren…“. Schließlich nennt Matussek Niggemeier noch „alter Regenbogenhaudegen“ und erklärt, er habe seine Aussage „Ich bin wohl homophob, und das ist auch gut so“ als satirische Zuspitzung gemeint, „eine Anspielung auf welchen Partybürgermeister, na Sie Trottel?“ Ein Leser der Zeitschrift sieht Ziffer 9 des Pressekodex (Schutz der Ehre) verletzt, da Matussek vielfach indirekt und in einigen Fällen ganz konkret Niggemeier beleidige und in seiner Ehre verletze. Der Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift schickt anstelle einer Stellungnahme eine E-Mail, in der er mitteilt, man habe die Beschwerde an den Autor weitergeleitet. Er werde sich beim Presserat melden, wenn er dies wolle. Sein Blatt, so der Chefredakteur abschließend, sei ein Debatten-Magazin. Autorinnen und Autoren verträten ihre eigene Meinung.

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„Er war ein luxuriöses Schwein“

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht eine Kolumne unter der Überschrift „Liebe Ukrainer“. Darin schreibt der Kommentator an die Bewohner der Ukraine vor dem Hintergrund der Ereignisse auf dem Maidan in Kiew. Diese hatten zur Flucht des Präsidenten geführt. Der Autor beschreibt das luxuriöse Leben des damaligen Präsidenten und sein Anwesen. Über ihn heißt es am Ende der Kolumne: „Er war ein egoistisches, luxuriöses Schwein.“ Ein Leser der Zeitung sieht mit dieser Passage den Pressekodex verletzt. Die Rechtsabteilung der Zeitung argumentiert, die Texte des Kolumnisten hätten durch ihre teilweise saloppen Formulierungen und durch ihre Zuspitzung immer wieder intensive Diskussionen zur Folge. Dieser Effekt sei jedoch ausdrücklich erwünscht und Teil des gesellschaftlichen und politischen Diskurses im demokratischen Staat. Die Zeitung verweist auf eine Kolumne des gleichen Autors aus dem Jahr 2012. Dabei ging es um den Gesetzentwurf, homosexuelle Lebenspartnerschaften mit der Ehe gleichzusetzen. Der Presserat hatte über eine Beschwerde in diesem Fall zu entscheiden. Sein Urteil: Die Beschwerde war unbegründet. Grund für die Entscheidung war, dass es sich um eine zugespitzte Positionierung handele, die erkennbar Raum für Interpretationen der Leser lasse. Nichts Anderes gelte nach Ansicht der Zeitung im jetzt vorliegenden Fall. Die Bezeichnung des ukrainischen Ex-Präsidenten als „egoistisches, luxuriöses Schwein“ sei eine Formulierung, mit der der luxuriöse Lebensstil Janukowitschs bewertet werde.

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Verstörende Einzelheiten eines Missbrauchs

Eine Lokalzeitung berichtet gedruckt und online unter der Überschrift „Siebenjährige vom eigenen Onkel im Bett sexuell missbraucht“ über die Verurteilung eines Mannes. Die Artikel enthalten detaillierte Beschreibungen der Taten. Gleichzeitig wird berichtet, dass sich die Prozessbeteiligten im Rahmen eines so genannten Deals auf das Strafmaß geeinigt und dem Mädchen so einen Auftritt vor Gericht erspart hätten. Eine Leserin der Zeitung – sie ist Lehrerin an einer Grundschule – sieht einen Verstoß gegen Richtlinie 11.1 des Pressekodex (Sensationsberichterstattung, Jugendschutz). Die Anonymität des Kindes, seiner Familie und des Täters sei zwar gewahrt worden, doch wüssten viele Menschen, um wen es sich handele. Umso schlimmer sei es, dass die Handlungen des Täters in verstörenden Einzelheiten geschildert worden seien. Diese seien zum Verständnis des Geschehenen nicht erforderlich gewesen seien. Die Zeitung habe das Verbrechen an einem Kind unangemessen sensationell dargestellt. Die Beschwerdeführerin befürchtet, dass diese Art der Berichterstattung für das Opfer mit Blick auf Reaktionen aus dem sozialen Umfeld noch auf Jahre hinaus schwerwiegende negative Folgen haben werde. Der Chefredakteur der Zeitung hält die Beschwerde für berechtigt. Die Details des sexuellen Missbrauchs gehörten in der kritisierten Form nicht in die Zeitung. Die Chefredaktion bedauert die Darstellung, die sich in dieser Art nicht wiederholen werde. Zum Verständnis merkt der Chefredakteur an, dass der Autor mit den beschriebenen Details lediglich die Schwere der Tat habe verdeutlichen wollen. Er habe die Beschwerdeführerin über das Eingeständnis des Fehlers informiert.

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Nutzer schauen Menschen beim Sterben zu

„Taschendiebstahl endet in tödlichen Schüssen“ – so überschreibt die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins ihren Bericht über ein Verbrechen in Ecuador. Der Fall: Ein Mann und sein Sohn werden bei einem Überfall in einem Bus getötet, als sie sich dagegen wehren, ihre Brieftasche herauszugeben. Die mutmaßlichen Täter seien – so die Redaktion – inzwischen verhaftet. Der Beitrag enthält ein Video, das den Überfall detailliert zeigt. Zwei Nutzer des Online-Portals kritisieren dies. Im Beitrag werde darauf hingewiesen, die Filmsequenz diene der Ergreifung der Täter. Das Video zeige jedoch die sterbenden Personen. Der Nutzer erhalte weder Informationen über den Zeitpunkt der Tat noch über die Täter. Auch mit Blick auf den Jugendschutz sei die dargestellte Gewalt bedenklich. Zudem werde der Persönlichkeitsschutz der Opfer verletzt. Sie hätten ein Recht auf einen würdevollen und vor allem nichtöffentlichen Tod. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit müsse hinter dem Opferschutz zurückstehen. Obwohl keine Namen genannt würden, seien die Opfer zu erkennen. Der stellvertretende Chefredakteur des Nachrichtenmagazins verweist darauf, dass das Video zu Fahndungszwecken öffentlich gemacht worden sei. Eine Identifizierung der Opfer aus Ecuador auf dem Umweg über eine deutsche Internetseite sei unwahrscheinlich. Vor der Veröffentlichung des Videos habe sich eine schwierige Abwägungsfrage gestellt. Die Redaktion stehe dazu, dass sie sich schließlich für die Veröffentlichung entschieden habe. Maßgeblich sei gewesen, dass die eigentliche Gewalttat in den Aufnahmen wegen der schlechten Bildqualität nur schemenhaft erkennbar sei. Die rein textliche Beschreibung der kaltblütigen Tat unter den Augen vieler Menschen sei nicht annähernd so eindringlich wie das Video. Journalistisch halte die Redaktion deshalb diese Form der Realitätsvermittlung für gerechtfertigt. Unabhängig davon habe sie schon mehrere Wochen vor Eingang der Beschwerde entschieden, das Video nicht mehr zu zeigen. Anlass sei damals eine Leserkritik unter dem Blickwinkel des Jugendschutzes gewesen. (2014)

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Nutzer schauen Menschen beim Sterben zu

„Taschendiebstahl endet in tödlichen Schüssen“ – so überschreibt die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins ihren Bericht über ein Verbrechen in Ecuador. Der Fall: Ein Mann und sein Sohn werden bei einem Überfall in einem Bus getötet, als sie sich dagegen wehren, ihre Brieftasche herauszugeben. Die mutmaßlichen Täter seien – so die Redaktion – inzwischen verhaftet. Der Beitrag enthält ein Video, das den Überfall detailliert zeigt. Zwei Nutzer des Online-Portals kritisieren dies. Im Beitrag werde darauf hingewiesen, die Filmsequenz diene der Ergreifung der Täter. Das Video zeige jedoch die sterbenden Personen. Der Nutzer erhalte weder Informationen über den Zeitpunkt der Tat noch über die Täter. Auch mit Blick auf den Jugendschutz sei die dargestellte Gewalt bedenklich. Zudem werde der Persönlichkeitsschutz der Opfer verletzt. Sie hätten ein Recht auf einen würdevollen und vor allem nichtöffentlichen Tod. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit müsse hinter dem Opferschutz zurückstehen. Obwohl keine Namen genannt würden, seien die Opfer zu erkennen. Der stellvertretende Chefredakteur des Nachrichtenmagazins verweist darauf, dass das Video zu Fahndungszwecken öffentlich gemacht worden sei. Eine Identifizierung der Opfer aus Ecuador auf dem Umweg über eine deutsche Internetseite sei unwahrscheinlich. Vor der Veröffentlichung des Videos habe sich eine schwierige Abwägungsfrage gestellt. Die Redaktion stehe dazu, dass sie sich schließlich für die Veröffentlichung entschieden habe. Maßgeblich sei gewesen, dass die eigentliche Gewalttat in den Aufnahmen wegen der schlechten Bildqualität nur schemenhaft erkennbar sei. Die rein textliche Beschreibung der kaltblütigen Tat unter den Augen vieler Menschen sei nicht annähernd so eindringlich wie das Video. Journalistisch halte die Redaktion deshalb diese Form der Realitätsvermittlung für gerechtfertigt. Unabhängig davon habe sie schon mehrere Wochen vor Eingang der Beschwerde entschieden, das Video nicht mehr zu zeigen. Anlass sei damals eine Leserkritik unter dem Blickwinkel des Jugendschutzes gewesen.

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