Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
6657 Entscheidungen

Drei junge Männer unter falschem Verdacht

„19-Jährige von drei Flüchtlingen attackiert?“ titelt eine regionale Boulevardzeitung über einen mutmaßlichen Angriff von drei Männern auf eine junge Frau. Dem Bericht der Zeitung zufolge haben drei Männer, bei denen es sich um Flüchtlinge handele, angeblich eine junge Frau verfolgt. Immer wieder sollen sie das Mädchen angegriffen haben. Nur durch massive körperliche Gegenwehr sei es einer Vergewaltigung entgangen. Die mutmaßlichen Täter – so die Zeitung weiter - seien alle 18 Jahre alt gewesen. Als Quellen nennt die Zeitung eine Nachrichtenagentur und eigene Recherchen. Dem Artikel ist ein als solches gekennzeichnetes Symbolfoto beigestellt. Darauf ist eine junge Frau von hinten zu sehen. In den Vordergrund des Bildes ist eine Männerhand montiert, die offensichtlich nach der Frau greift. Die Bildunterschrift lautet: „Drei 18-Jährige wollten in … eine junge Frau (19) missbrauchen.“ Unter dem Artikel steht ein fettgedruckter Absatz. Dieser lautet: „Update: Zwei Wochen nach dem Vorfall stellte sich heraus, dass die Geschichte von der 19-Jährigen frei erfunden wurde. Die Flüchtlinge saßen zu Unrecht zwei Wochen in Untersuchungshaft. Die Hintergründe finden sich hier.“ Beim letzten Satz handelt es sich um einen Link zu einem weiterführenden Artikel, in dem der wahre Sachverhalt dargestellt wird. Ein Leser der Zeitung hält die Berichterstattung für nicht sachgerecht. Sie entspreche nicht journalistischen Standards. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe der Zeitung erklärt minutiös den Ablauf der Ereignisse. Nach seinem Schreiben an den Presserat habe sich der Beschwerdeführer direkt an die Online-Redaktion gewandt. Man sei dabei ausführlich auf seine Vorhaltungen eingegangen und habe letztlich den Eindruck gewonnen, dass sich die Sache für den Beschwerdeführer damit erledigt habe.

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Foto von totem Mädchen kann gezeigt werden

„Warum scheiterte die Lösegeldübergabe?“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Es geht um den Entführungs- und Mordfall Annelie. Der Beitrag enthält ungepixelte Fotos des Opfers sowie von zwei Tatverdächtigen. Eine Leserin kritisiert die identifizierende Darstellung der Betroffenen. Deren Persönlichkeitsschutz werde dadurch verletzt. Die Rechtsvertretung der Zeitung bezeichnet die Tat als ein außergewöhnlich schweres Verbrechen im Sinne des Pressekodex. Die Polizei spreche von einem Mordfall, für den es in der bundesdeutschen Geschichte kein Beispiel gebe. Das Mädchen sei wohl getötet worden, weil die Lösegeldübergabe am beispiellosen Dilettantismus der Täter gescheitert sei. Im konkreten Fall überwiege das öffentliche Interesse den Persönlichkeitsschutz der Verdächtigen. Ihre Fotos hätten also veröffentlicht werden dürfen. Die Eltern des Opfers hätten in mehreren Gesprächen der weiteren Veröffentlichung des von der Polizei verbreiteten Fotos nicht widersprochen. Die Eltern gedächten ihrer Tochter auch mit zahlreichen Fotos und persönlichen Details auf einer öffentlich zugänglichen Homepage. Zudem habe der Vater des Mädchens mit vollem Namen einer Regionalzeitung ein Interview gegeben und dafür ein Urlaubsfoto freigegeben, das seine Tochter am Strand zeige.

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„Sherlock Holmes“ als Plage empfunden

„Wer stoppt Sherlock Holmes?“ – so überschreibt eine Regionalzeitung erst gedruckt und einen Tag später online einen Artikel. Die Unterzeile lautet: „Schmierereien, Schmährufe, Belästigungen: Anlieger zwischen Bahnhof und Rathaus sind genervt vom Mann mit der Trillerpfeife“. Es geht um einen Mitbürger, der in einer Stadt in der Öffentlichkeit auftritt und stets in ein Sherlock-Holmes-Kostüm gewandet ist. Anfangs habe man sich – so die Zeitung – über den kauzigen Kerl amüsiert. Inzwischen werde dieser vielerorts keineswegs mehr als witzig, sondern eher als Plage empfunden. In dem Artikel kommen Einzelhändler und Pastoren einer Gemeinde zu Wort, die über das Verhalten des Sonderlings berichten. Ein genervter Pastor suche Mitstreiter, die mithelfen sollen, den Druck auf den Mann zu erhöhen. Betroffene sollten ihre Erfahrungen mitteilen. Die Summe der dokumentierten Fälle könne möglicherweise auch die Gerichte zum Umdenken bewegen. Ein Leser der Zeitung sieht eine identifizierende Berichterstattung und damit die Persönlichkeitsrechte des selbst ernannten Sherlock Holmes verletzt. Unter dieser Bezeichnung sei der Mann in der Stadt bekannt. So werde er auch von Passanten begrüßt. Das lasse er sich gern gefallen. Auch die Auflistung der bisherigen Vorkommnisse trage zur Identifizierbarkeit bei. Der Zeitung gehe es nicht um die Unterrichtung der Öffentlichkeit. Vielmehr stecke offensichtlich die Absicht hinter der Berichterstattung, die Öffentlichkeit gegen einen Menschen aus ihrer Mitte zu mobilisieren. In einer Passage räume die Zeitung ein, dass der „Mann, der vermutlich einige Probleme hat“ möglicherweise schuldunfähig sein könnte. Er sei nie rechtskräftig verurteilt worden. Dem Mann würden kaum Straftaten vorgeworfen, sondern „kauzige Spielereien“. Er störe, provoziere, belästige Passanten, schreibe die Zeitung, ohne dass er dazu habe Stellung nehmen können. Der Redaktionsleiter merkt an, dass der Autor nicht identifizierend berichtet habe. Dieser habe nicht den Namen oder die Adresse des Mannes genannt oder gar ein Foto abgedruckt. Das wäre durchaus möglich gewesen, denn „Sherlock Holmes“ verteile seit Jahren Flugblätter und Schriften in der Innenstadt mit persönlichen Angaben und seiner (echten) Adresse. Die Zeitung habe über „Sherlock Holmes“ berichtet und diese Namensangabe doch wohl veröffentlichen können. Oder hätte die Redaktion von einem Mann berichten sollen, der sich in der Aufmachung „eines berühmten englischen Detektivs“ in der Öffentlichkeit bewege? Selbstverständlich habe die Redaktion versucht, von dem Mann eine Stellungnahme zu bekommen. Das habe dieser aber rundweg abgelehnt. Der Detektiv-Darsteller sei in der Stadt seit Jahren eine Person der Zeitgeschichte, gegen die allein im letzten Jahr 136 Strafanträge eingegangen seien. Die Vorwürfe hätten sich im Bereich von Sachbeschädigung, Diebstahls, Hausfriedensbruchs oder Körperverletzung bewegt.

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Suizid-Versuch einer Vierzehnjährigen

„Hier retten Polizisten einer 14-Jährigen das Leben“ – so überschreibt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung eine spektakuläre Rettungsaktion. Das Mädchen sei auf einem zwanzig Meter hohen Parkdeck über die Brüstung geklettert und habe lange in die Tiefe geblickt. Die Zeitung schreibt, die 14-Jährige scheine verzweifelt gewesen zu sein. Im Beitrag wird weiter berichtet, die Polizei habe mit ihr geredet und sie schließlich über die Brüstung zurück auf sicheren Grund gezogen. Fünf Fotos dokumentieren die Aktion. Gezeigt wird unter anderem, wie das Mädchen am Sims entlangklettert und wie die Beamten schließlich das Kind ergreifen und über das Geländer in Sicherheit bringen. Bilder, die das Mädchen zeigen, sind verpixelt. Ein Leser des Blattes hält die Berichterstattung für unangemessen sensationell. So könne man nicht über einen Suizid-Versuch berichten. Das dargestellte Mädchen sei keine öffentliche Person. Der Vorfall selbst sei nicht von großem allgemeinem Interesse. Er sieht die Persönlichkeitsrechte nach Ziffer 8 des Pressekodex verletzt. Außerdem sieht er eine Sensationsberichterstattung nach Ziffer 11 des Pressekodex. Im Gegensatz zum Beschwerdeführer stellt die Rechtsabteilung der Zeitung ein großes allgemeines Interesse an dem Vorfall fest. Die dramatische Rettung sei am helllichten Tag geschehen, mitten in einer Großstadt und unter den Augen von hunderten Menschen. Die Rechtsvertretung verweist auf die Chronistenpflicht, die die Redaktion geradezu verpflichtet habe, über das Ereignis zu berichten. Selbstverständlich sei das Mädchen unkenntlich gemacht worden. Auch habe man keinerlei identifizierende Details genannt. Schon aus der Überschrift ergebe sich, dass nicht etwa der Suizid-Versuch, sondern die spektakuläre Rettungsaktion im Mittelpunkt gestanden habe.

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„Fuzzy“ mit und ohne Anführungszeichen

Eine überregionale Tageszeitung berichtet gedruckt und online unter dem Titel „What a man“ über den Online-Chefredakteur einer Boulevardzeitung und seinen Kampf für die Pressefreiheit. In einem „Liebesbrief“ an ihn heißt es, dass er der „meistgehasste Journalist“ Deutschlands sei – ein Fuzzy, Troll, Vollpfosten, Arschkriecher, Hetzer, publizistischer Vollidiot. In der Online-Ausgabe werden die Bezeichnungen später in Anführungszeichen gesetzt. Dies geschieht mit dem Hinweis, der Autor habe den Chefredakteur nicht selbst so bezeichnen wollen; sondern er habe lediglich Twitter-User zitiert. Die Printausgabe zeigt eine Fotomontage des Journalisten mit seinem Kopf und einem Bodybuilder-Körper. Ein Leser der Zeitung sieht mit der Veröffentlichung dessen Menschenwürde und Ehre nach Ziffer 9 des Pressekodex verletzt. Die online erfolgte Korrektur mit den Anführungszeichen sei halbherzig. Der Autor hätte in seinem Text gleich schreiben können, dass er Twitter-User zitiere. Eine Korrektur in der gedruckten Ausgabe sei nicht erfolgt. Der Beschwerdeführer hält auch die Fotomontage für fragwürdig. Die Rechtsvertretung der Zeitung spricht von einer Parodie eines offenen Briefes. Auch einem durchschnittlich gebildeten Leser könne man zutrauen, verschiedene Stilformen zu erkennen und sie ihrem jeweiligen Kontext zuzuordnen. Es sei klar, dass die Aufzählung beispielhafter Titulierungen von Dritten geäußert worden sei. Der Autor des Beitrags äußert im Rahmen der Stellungnahme der Rechtsvertretung die Ansicht, dass eine Korrektur des Beitrages nicht erforderlich gewesen sei, da man auch so verstehen könne, dass es sich bei den kritisierten Bezeichnungen um Zitate handele.

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Gewaltbereiter Mob formiert sich im Netz

Eine Online-Zeitung veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „200 Deutsche riefen Flüchtlingen zu: ´Willkommen!´ Jetzt zeigen wir die andere Seite: Hier sprechen die Hassfratzen.“ Nachdem die Zeitung 200 Stellungnahmen – Grundtenor: „Willkommen, liebe Flüchtlinge. Gut, dass Ihr hier seid“ – veröffentlicht hat, sieht sich die Redaktion mit zahlreichen negativen Einträgen auf ihrer Facebook-Seite konfrontiert. Die Anfeindungen hätten nicht nur die Kommentarspalten der Zeitung gefüllt. Kurz darauf hätten sich auch Hassmails in den privaten Posteingängen der Statementgeber gefunden, berichtet die Zeitung weiter. Nach Ansicht der Redaktion hat sich ein zuweilen gewaltbereiter Mob im Netz formiert. Dieser habe mit den Werten des Grundgesetzes gebrochen. Die Zeitung schreibt: „Diese Entwicklung war nur möglich, weil wir alle viel zu lange rumgemerkelt haben. Immer wenn es hieß, dass man rechtem Gedankenmüll keine Bühne geben darf, haben wir so getan, als ob die Parolen und all der Hass nicht existierten. Wir müssen uns mit der kranken Gedankenwelt der Menschen auseinandersetzen. Aber es reicht nicht, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Wir zeigen ihre Gesichter, so, wie sie sich in sozialen Netzwerken und damit auch auf der Facebook-Seite (der Zeitung) präsentieren. Und ihre Namen. Denn wer auf der Seite eines Mediums solche Meinungen vertritt, sollte auch zu ihnen stehen. Sie rufen nach Meinungsfreiheit – wir nehmen sie beim Wort.“ Die Redaktion hat die nach ihrer Meinung schlimmsten Kommentare der vergangenen Monate zusammengestellt. Sie veröffentlicht 108 Kommentare von Lesern, die mit Klarnamen genannt werden. Einige Zitate: „die sollen bleiben, wo der Pfeffer wächst, drecksgesindel“, „Flüchtlinge haben nichts zu sagen. Die haben sich einzufügen und erst einmal die Klappe zu halten“, „Nicht nur das, die wollen auch alle ein eigenes Schloss mit Personal, und endlos Kohle.“ (Schreibweise und Interpunktion im Original). Der Beitrag zieht 22 Beschwerden nach sich. Hauptkritikpunkt ist aus Sicht der Leserinnen und Leser ein Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte), da die Redaktion Leserkommentare von Lesern mit Fotos und Klarnamen veröffentlicht habe, ohne deren Einwilligung dazu einzuholen. Diese Bürger würden pauschal als „Hassfratzen“ bezeichnet und an den Pranger gestellt. Aus Sicht der Beschwerdeführer habe die Redaktion nicht das Recht dazu, auch wenn die Äußerungen absolut untragbar seien. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, rassistische, ausländerfeindliche und hetzerische Statements in den sozialen Netzwerken seien zu einer Alltagserscheinung geworden. Nach langer interner Diskussion habe sich die Redaktion dazu entschieden, so zu verfahren. Dabei sei nur das veröffentlicht worden, was die Kommentatoren selbst weltweit und unbeschränkt abrufbar gemacht hätten. Mit ihren Statements hätten die Kommentatoren versucht, die Meinung anderer Leser zu beeinflussen. Sie hätten versucht, Reaktionen zu erzeugen. Eine solche Reaktion hätten sie auch von der Redaktion bekommen. Diese habe ein klares Signal ausgesendet: Wir akzeptieren eure Hetze nicht!

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Über mutmaßlichen Täter identifizierbar berichtet

Der Leibwächter von Verona Poth soll seine Frau erwürgt haben. Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet über den Fall unter der Überschrift „Veronas Leibwächter tötete seine Frau im Bad“. Der Mann habe Bekannten berichtet, dass seine Frau hilflos in der Wohnung liege. Diese hätten die Tochter des Paares alarmiert, die die Mutter tot aufgefunden und sofort die Polizei gerufen habe. Die Zeitung berichtet, der mutmaßliche Täter habe sich in der Nähe des Tatorts aufgehalten. In einer Mülltonne vor dem Haus sei eine Tüte mit „tatrelevanten Gegenständen“ gefunden worden. Nachbarn wollen den Leibwächter gesehen haben, als er die Tüte in die Mülltonne entsorgt habe. Der Mann sei von Verona Pooth regelmäßig als Fahrer und Bodyguard gebucht worden. In ersten Befragungen habe er die Tat zugegeben. Laut Obduktion habe er seine Frau gewürgt, ihr jedoch auch Schnittverletzungen zugefügt. Der Staatsanwalt wird von der Zeitung mit den Worten zitiert: „Wir gehen davon aus, dass das Opfer bei dem Angriff wehrlos war. Wir ermitteln deshalb wegen heimtückischen Mordes.“ Der mutmaßliche Täter und das Opfer werden in dem Artikel mit Vornamen, abgekürztem Nachnamen und dem Alter genannt. Zudem erwähnt der Autor, dass sich die gemeinsame Wohnung in einem Neubaugebiet einer rheinischen Großstadt befinde. Vier Fotos sind dem Beitrag beigestellt. Eines davon zeigt Verona Pooth mit dem Leibwächter. Ein weiteres zeigt ihn gemeinsam mit einem Beamten im Polizeiauto. Auf einem dritten Bild ist der Mann mit seiner Frau zu sehen, deren Augenpartie gepixelt ist. Ein viertes Foto zeigt ihn, wie er von Polizeibeamten abgeführt wird. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass über den mutmaßlichen Täter bereits vor einer Verurteilung identifizierend berichtet werde. Eine derartige Berichterstattung bediene bloße Sensationsinteressen. Dass der Tatverdächtige zeitweise in den Diensten von Verona Pooth gestanden habe, mache ihn noch nicht zu einer Person des öffentlichen Lebens. Die Rechtsabteilung der Zeitung merkt an, der Tatverdächtige habe bereits zum Zeitpunkt der Berichterstattung zugegeben, seine Frau getötet zu haben. Darauf hätten die Ermittlungsbehörden einen Haftbefehl wegen Mordes erwirkt. Die Zeitung habe über den Fall rein nachrichtlich berichtet. Es entspreche journalistischen Gepflogenheiten, den Täter mit Vornamen, abgekürztem Nachnamen und Alter zu nennen. Die Arbeit des Mannes als gelegentlicher Fahrer und Bodyguard von Verona Pooth rechtfertige die Veröffentlichung der Fotos. Das Gesicht des Betroffenen sei aufgrund seiner Tätigkeit in der Öffentlichkeit ohnehin schon bekannt gewesen.

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Tötung von zwei Menschen im Video gezeigt

„So trauert ihr Verlobter um die ermordete Reporterin“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Im Beitrag geht es um ein Tötungsdelikt im US-Bundesstaat Virginia und dessen Folgen für die Hinterbliebenen. Ein ehemaliger Mitarbeiter eines Fernsehsenders hatte eine Reporterin des Senders und einen Kameramann erschossen, die Tat auf Video aufgezeichnet und dieses dann ins Netz gestellt. Die panischen Schreie der Sterbenden sind zu hören. Der Artikel enthält zudem fünf Fotos. Davon zeigt eines die Reporterin und ihren Verlobten, ein weiteres den Täter und ein drittes die Reporterin zusammen mit dem Kameramann. Alle Beteiligten sind in dem Artikel namentlich genannt. Eine Leserin der Zeitung hält die Berichterstattung für einen Verstoß gegen presseethische Grundsätze. Ein Video von der Tötung der Journalistin und ihres Kameramannes online zu stellen, sei nicht akzeptabel und respektlos gegenüber den Toten. Die Rechtsvertretung des Verlages berichtet, die Redaktion habe sich die Entscheidung zu dieser Art der Berichterstattung nicht leicht gemacht. Sie sei aber zu dem Schluss gekommen, dass das große öffentliche Interesse an dieser Tat die umfassende Berichterstattung rechtfertigt, ja sogar dazu verpflichtet. Den Ausschlag für die Wiedergabe des Videos habe die Tatsache gegeben, dass dieses im amerikanischen Fernsehen gezeigt worden sei. Ein Verstoß gegen Ziffer 1 des Pressekodex (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde) sei nicht erkennbar, weil der Moment der Tötung von Reporterin und Kameramann im Video nicht zu sehen sei. Eine Herabwürdigung zu bloßen Objekten der beiden Opfer finde nicht statt.

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Redaktion dokumentiert die Realität

Eine Boulevardzeitung berichtet online und tags darauf in der gedruckten Ausgabe unter der Überschrift „Das Foto der Schande“ über den Erstickungstod von 71 Flüchtlingen in einem Lastwagen auf einer österreichischen Autobahn. Die Menschen seien von Schleppern im luftdichten Laderaum eines Lastwagens zusammengepfercht worden, wo sie qualvoll erstickt seien. Im Beitrag steht die Passage: „Dieses Foto der Schande dokumentiert alles, was die Flüchtlingskatastrophe 2015 so unerträglich macht. Das Grauen der Flucht. Das Elend der Flüchtlinge. Die Brutalität der Schlepper. Aber auch das komplette Versagen der Politik, die dem Flüchtlingsdrama viel zu lange tatenlos zugesehen hat.“ 18 Beschwerdeführer kritisieren gleich mehrere Verstöße gegen presseethische Grundsätze. Sie führen die Ziffern 1, 8, 9 und 11 des Pressekodex an. Einige Leser sind der Ansicht, dass die Abbildung der erstickten Menschen gegen die Würde der Toten verstoße. Es handele sich hier um eine unangemessen sensationelle Berichterstattung. Das vermeintliche Anliegen des Artikels – Hilfe für Flüchtlinge – wirke angesichts der reißerischen Darstellung wie ein redaktionelles Feigenblatt. Der Verweis auf das Ziel, aufrütteln zu wollen, sei möglicherweise vorgetäuscht, da es der Zeitung wohl in erster Linie um Klickzahlen im Online-Angebot gehe. Einige der Beschwerdeführer sehen auch die Persönlichkeitsrechte der Opfer verletzt. Etwaige Angehörige oder Hinterbliebene seien vor der Veröffentlichung des Fotos wohl nicht um ihre Zustimmung gebeten worden. Einige der Leser argumentieren, dass die Darstellung der Toten auf der Titelseite sehr verstörend auf Kinder und Jugendliche wirken könne. Viele Menschen seien mit dem Bild konfrontiert worden, ob sie das gewollt hätten oder nicht. Es wird vermutet, dass das Bild von der Polizei zunächst an eine österreichische Zeitung weitergegeben worden sei. Die Staatsanwaltschaft untersuche den Fall. Dieser Umstand lasse die Rechtmäßigkeit umso zweifelhafter erscheinen. Die Rechtsvertretung der Zeitung lässt die Beschwerden von einem jungen Wirtschaftswissenschaftler aus Aleppo (Syrien) beantworten. Die Redaktion habe diesen und seine Freunde bei ihrer Flucht über das Mittelmeer und über den Balkan begleitet. Feras, wie die Redaktion den Syrer nennt, vertritt die Ansicht, es sei wichtig, das Bild der toten Menschen in dem Lastwagen zu zeigen. So hätten die Menschen sehen können, wie Flüchtlinge leiden müssen, um in ein sicheres Land zu gelangen. Die Schlepper spielten mit dem Leben dieser Menschen. Die Überfahrt zwischen der Türkei und Griechenland sei lebensgefährlich und danach bestehe die Gefahr, auf der Flucht nach Ungarn bzw. von Ungarn nach Deutschland ausgeraubt oder getötet zu werden. Dies sei in diesem Fall ebenfalls passiert. Feras´ Appell: Die europäischen Länder sollten etwas tun, um eine sichere Reise von Flüchtlingen zu ermöglichen.

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Furchtbares Bild darf gezeigt werden

Eine Großstadtzeitung berichtet in der Printausgabe unter der Überschrift „Das grausame Foto der qualvoll erstickten Flüchtlinge im Laster“ auf der Titelseite über ein Flüchtlingsdrama in Österreich. Dabei waren 71 Menschen qualvoll im luftdichten Laderaum eines Lastwagens erstickt. Ein Foto zeigt den Lkw mit geöffneter Laderaum-Tür. Mehrere Leichen sind zu sehen. In der Online-Ausgabe veröffentlicht die Redaktion am gleichen Tag einen Beitrag, in dem sie erläutert, warum sie das Foto abgedruckt hat. Es sei nicht pure Lust an der Sensation gewesen. Vielmehr dokumentiere das Foto eine Wirklichkeit, der viele Deutsche nur mit Zynismus, Dummheit und Lügen begegneten. Bebildert ist der vom Chefredakteur geschriebene Beitrag mit einem Ausriss des Fotos mit den toten Flüchtlingen, das die Printausgabe auf ihrer Titelseite veröffentlicht hatte. Zahlreiche Beschwerdeführer kritisieren die Veröffentlichung des unverpixelten Fotos. Unangemessen sensationell würden Gewalt, Brutalität und Leid dargestellt. Eindeutig werde die Grenze des Informationsinteresses der Öffentlichkeit überschritten. Durch die Platzierung des Fotos auf der Titelseite missachte die Zeitung die mögliche Wirkung auf Kinder und Jugendliche. Ein überwiegendes öffentliches Interesse am Abdruck liege nicht vor. Es überwiege ein gefühlter Tabubruch und Verstoß gegen den Pressekodex mit dem Ziel, Auflage zu machen. Die abgebildeten Menschen bzw. ihre Angehörigen hätten keine Chance, den ihnen zustehenden Opferschutz nach Richtlinie 8.2 in Anspruch zu nehmen. Der Opferschutz sei von der Redaktion in eklatanter Weise verletzt worden. Die Rechtsabteilung der Zeitung lässt Feras, einen jungen syrischen Wirtschaftswissenschaftler, auf die Beschwerden antworten. Die Redaktion habe Feras und seine Freunde auf ihrer Flucht begleitet. Feras nimmt in englischer Sprache Stellung. Er hält die Veröffentlichung für sehr wichtig. So könnten die Menschen in Deutschland sehen, wie sehr viele Flüchtlinge leiden müssen, wenn sie in ein sicheres Land gelangen wollten. Die Schlepper würden mit dem Leben der Menschen spielen. Erst sei die Überfahrt von der Türkei nach Griechenland lebensgefährlich und anschließend bestehe die Gefahr, auf dem weiteren Weg nach Mitteleuropa ausgeraubt oder gar getötet zu werden. Das sei in diesem Fall passiert.

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