Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
6657 Entscheidungen

Über getötete Mädchen identifizierbar berichtet

Die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung berichtet über einen schweren Verkehrsunfall, dem zwei junge Mädchen (beide wurden 15 Jahre alt) zum Opfer gefallen sind. Die Redaktion berichtet, dass die beiden in einem Sportverein Fußball gespielt hätten. Der Artikel ist mit einem Foto der beiden Mädchen bebildert. Im Bildtext heißt es: „Freundinnen auf dem Fußballplatz, in der Schule und in ihrer Freizeit. Auch auf Facebook zeigen Lisa (rechts im Bild) und Sonja, wie eng sie verbunden waren.“ Als Quelle wird „Screenshot Facebook“ genannt. Zwei Leser weisen darauf hin, dass es sich bei den beiden Todesopfern um minderjährige Mädchen handele. Beide Kinder würden identifizierbar dargestellt. Die Beschwerdeführer sehen ethische Grundsätze – hier Ziffer 8 (Schutz der Persönlichkeit), Richtlinien 8.2 (Opferschutz) und 8.3 (Kinder und Jugendliche) des Pressekodex – verletzt. Der Chefredakteur bedauert, dass die Berichterstattung mehrere Leser verärgert habe. Das sei nicht die Absicht der Redaktion gewesen. Der Tod der Jugendlichen habe die Redaktion ebenso erschüttert wie die Menschen in der Stadt, in der die Mädchen zu Hause gewesen seien. In einer Kleinstadt mit rund 10.000 Einwohnern sei der Unfalltod von zwei jungen Menschen für Stadt und Region ein außergewöhnlich tragisches Ereignis. Die Mädchen seien bekannt und beliebt gewesen, unter anderem durch ihr Engagement im örtlichen Sportverein. Derart erschütternde Ereignisse gehörten leider zum Zeitgeschehen, so der Chefredakteur weiter. Es gehöre daher zu den (traurigen) Aufgaben eines lokalen Mediums, die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Es dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass beide Mädchen sowohl ihre Freundschaft, als auch ihr Privatleben sehr extrovertiert in den sozialen Netzwerken ausgelebt hätten. Beide Facebook-Profile seien nach wie vor als Erinnerungsseiten abrufbar. Die Eltern der Toten hätten ihre jeweiligen Traueranzeigen mit Fotos der Verunglückten versehen. Der Chefredakteur spricht von einem Grenzfall. Da die Redaktion aber keinesfalls Trauernde verletzen wolle, habe sie sich dazu entschlossen, das Foto der beiden Mädchen aus dem Internet-Angebot der Zeitung zu entfernen.

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„Finanziert“ oder „finanziell gefördert“?

Eine Fachzeitschrift veröffentlicht eine Rezension über das 2015 im Ferdinand Schöningh Verlag erschienene Buch „Das Olympische Dorf von 1936. Planung, Bau und Nutzung“. Unter anderem heißt es dort: „Die Stiftung hat auch die Forschungen des jungen Münsteraner Historikers Emanuel Hübner über das Olympische Dorf finanziert.“ Beschwerdeführer in diesem Fall ist der Autor des rezensierten Buches. Er bezeichnet die Finanzierungs-Passage als falsch. Er habe diese beim Verlag beanstandet, der daraufhin eine Richtigstellung angeboten habe. Schließlich stellt sich heraus, dass das Buchprojekt von der DKB Stiftung für gesellschaftliches Engagement nicht finanziert, sondern lediglich finanziell gefördert worden ist, etwa durch einen Beitrag zu den Reise- und Druckkosten. Die Zeitschrift meint, keinen Grund zur Richtigstellung zu haben.

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„Mit Glatze und Mordgedanken“

„Frank S., das Gespenst von Köln-Nippes“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Im Bericht geht es um den Mann, der im Herbst 2015 ein Messerattentat auf die damalige Oberbürgermeister-Kandidatin verübt hatte. Dem Beitrag ist ein Porträtfoto des Mannes beigestellt. Im Bildtext heißt es: „Bekennender Neonazi ohne Job, mit Glatze und Mordgedanken: Frank S. aus Nippes.“ Ein Leser der Zeitung vertritt die Ansicht, die Veröffentlichung des Fotos des Täters verstoße gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit). Die Tat sei geschehen, der Täter inzwischen gefasst und geständig. Eine Öffentlichkeitsfahndung der Polizei habe es nicht gegeben. Der Chefredakteur der Zeitung nimmt zu der Beschwerde Stellung. Er teilt mit, lediglich in den ersten Tagen nach dem Attentat hätte die Redaktion den Täter mit unverfremdeten Bildern gezeigt. In den folgenden Ausgaben sei das Foto des Mannes stets mit einem Gesichtsbalken versehen gewesen. Einige Ausgaben später habe die Redaktion unverfremdete Bilder gebracht. Dies habe die Redaktion angesichts des nationalen und internationalen Interesses an dem Fall für angemessen gehalten. Wegen der Schwere der Tat habe man das Informationsinteresse der Öffentlichkeit vorrangiger eingestuft als die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen. Im Übrigen habe die Redaktion nie den vollen Namen des Täters genannt.

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Von „Lynchmord“ ist gar nicht die Rede

Die Online-Ausgabe einer überregionalen Wochenzeitung berichtet über einen israelischen Beduinen, der an einem israelischen Busbahnhof ein Attentat begangen hat und anschließend von einem Wachmann erschossen wurde. Der Vorfall hat auch einen Flüchtling aus Eritrea das Leben gekostet. Dieser sei – so die Zeitung - zunächst fälschlicherweise für den Attentäter gehalten, angeschossen und schließlich gelyncht worden. Ein Leser der Zeitung teilt mit, gleich mehrere Zeitungen hätten den Tod des Eritreers als Lynchmord bezeichnet bzw. behauptet, der Mann sei gelyncht worden. Tatsächlich habe ihn ein Wachmann angeschossen. An dieser Verletzung sei er verstorben. Diese Zeitungen – und damit auch die jetzige Beschwerdegegnerin – hätten gegen den Pressekodex – hier Richtlinie 13.1 – verstoßen. Diese Richtlinie definiert den Begriff „Vorverurteilung“. Der Beschwerdeführer legt einen Artikel der „Jerusalem Post“ vor. Aus diesem geht hervor, dass das Opfer aufgrund seiner Schusswunden gestorben ist und nicht aufgrund von Schlageinwirkungen durch den Mob. Der von der Wochenzeitung beauftragte Anwalt trägt vor, diese habe berichtet, dass der Mann aus Eritrea versehentlich angeschossen worden sei. Tatsächlich sei er in angeschossenem Zustand von umstehenden Personen verprügelt worden. Danach sei er gestorben. Alle internationalen Medien hätten in ihrer Berichterstattung von Lynchen gesprochen. Selbst die israelische Zeitung „Haaretz“ habe noch von Lynchen gesprochen, nachdem sich bei der Autopsie des Mannes aus Eritrea herausgestellt habe, dass dieser an den Folgen des Schusses und nicht in erster Linie an den Schlägen gestorben sei. Das ändere an der Richtigkeit der Berichterstattung der von ihm vertretenen Zeitung aber nichts, so der Rechtsanwalt in seiner Erwiderung auf die Beschwerde. Der Jurist meint, möglicherweise beruhe die Beschwerde auf der oberflächlichen Lektüre des Artikels. In der Beschwerde werde behauptet, die Zeitung habe die Vorgänge als „Lynchmord“ bezeichnet. Das sei jedoch falsch, denn das Wort „Lynchmord“ werde im Artikel gar nicht verwendet. Dennoch hat die Zeitung den Artikel verändert. In der entscheidenden Passage heißt es jetzt: „Daraufhin starb nicht nur der Beduine, sondern auch ein Flüchtling aus Eritrea. Er wurde fälschlicherweise für den Attentäter gehalten, angeschossen und schließlich noch misshandelt.“ Unter dem Artikel steht der folgende Hinweis: „Hinweis der Redaktion. Der Artikel wurde geändert. In einer früheren Fassung war davon die Rede, der Eritreer sei ´gelyncht´ worden. Zwar ist er misshandelt worden, doch war die Todesursache der Schuss eines Wachmanns.“

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„Bürgerkriegsähnliche Zustände“

„Übergriffe auf Rettungskräfte?“ – so überschreibt eine Regionalzeitung gedruckt und online ihren Bericht über einen Rettungseinsatz in einer Flüchtlingsunterkunft. Ein Flüchtling sei aus dem dritten Stockwerk des Gebäudes gestürzt. Weiter berichtet die Zeitung, in der Unterkunft sei es zu gewalttätigen Übergriffen gekommen. Nach Recherchen der Redaktion sollen Einsatzkräfte im Bereich der Unterkunft attackiert und massiv bedroht worden sein. Bewohner der Unterkunft sollen sogar versucht haben, einen Rettungshubschrauber zu beschädigen. Zeugen des Geschehens hätten – so die Zeitung – von „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ gesprochen. Sie hätten der Zeitung anvertraut, dass erst ein massives Polizeiaufgebot dafür gesorgt habe, die aufgebrachte Menge zurückzudrängen. Die Besatzung eines Rettungswagens sei eingeschüchtert worden. Eine offizielle Bestätigung der Vorfälle habe es seitens der Polizeileitstelle nicht gegeben. Auf eine Anfrage der Zeitung sei die Auskunft gegeben worden, Attacken auf Rettungskräfte habe es nicht gegeben. Ein Leser der Zeitung sieht mehrere presseethische Grundsätze durch die Berichterstattung verletzt. Alle im Artikel geäußerten Vermutungen entbehrten jeder Grundlage. Am besagten Tag habe sich ein Flüchtling das Leben genommen. In diesem Zusammenhang habe es einen Rettungseinsatz gegeben, der jedoch friedlich verlaufen sei. Der Beschwerdeführer teilt mit, er selbst habe versucht, die im Artikel genannten Straftaten zur Anzeige zu bringen. Die Polizei habe aber gesagt, dass nichts davon wahr sei. Als Vertreter des Ehrenamts in der Unterkunft sei er mehrfach auf die Zeitung zugegangen, habe sie über den Sachverhalt informiert und gebeten, den Artikel zu dementieren und vom Netz zu nehmen. Er habe auch darauf hingewiesen, dass der Artikel leider von rechtslastigen Seiten und Blogs im Internet weiterverbreitet werde. Der Chefredakteur spricht in seiner Stellungnahme von zuverlässigen Quellen, auf denen der Artikel beruhe, die man aber wegen des Quellenschutzes nicht nennen könne. Da die Redaktion selbst nicht vor Ort gewesen sei und es sich bei dem Bericht bei aller Zuverlässigkeit der Quellen um die Wiedergabe der Wahrnehmung Dritter gehandelt habe, habe die Redaktion die Überschrift „Übergriffe auf Rettungskräfte“ mit einem Fragezeichen versehen. Dass die Polizei die Bedrohung von Rettungskräften nicht bestätigt habe, komme in dem Artikel deutlich zum Ausdruck. Aus der Tatsache, dass die Erklärung der Polizei und die Schilderungen der Informanten nicht deckungsgleich seien, ergebe sich nicht zwangsläufig ein Widerspruch. Wie schon „Köln“ gezeigt habe, könne sich bei großen Menschenansammlungen das Lagebild sehr schnell ändern. Das Eintreffen der Polizei könne beruhigend gewirkt haben oder als beruhigend empfunden worden sein. Dabei empfänden Menschen eine aggressive Stimmung und Bedrohung ohnehin unterschiedlich.

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Herkunft und Status von Asylbewerbern genannt

Eine Regionalzeitung berichtet in ihrer Online-Ausgabe über eine Attacke von zwei algerischen Asylbewerbern auf eine junge Frau. Gedruckt berichtet die Redaktion tags darauf unter der Überschrift „Asylbewerber attackieren Frau“ über den Vorfall. Am Ende des Beitrages heißt es: „Im Juli war in der Nähe eine junge Frau von einem Asylbewerber vergewaltigt worden.“ Ein Leser der Zeitung hält Überschrift und Text für reißerisch. Er sieht einen Verstoß gegen Ziffer 12, Richtlinie 12.1, des Pressekodex (Diskriminierung; Berichterstattung über Straftaten). Der Chefredakteur der Zeitung nimmt zu den Vorwürfen Stellung. Die Tat stehe im Kontext zu einer brutalen Vergewaltigung im Sommer des vergangenen Jahres, die ebenfalls im Umfeld der Landeserstaufnahme geschehen sei. Diese Tat sei von der Polizei wochenlang verheimlicht worden. Der Chefredakteur sieht es als Pflicht der Redaktion an, die Leser nach solchen Straftaten vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise und der allgemeinen Migrationsproblematik wahrhaftig zu informieren. Er berichtet über ein Gespräch mit dem örtlichen Polizeipräsidenten, der ganz klar gesagt habe, dass mehr Flüchtlinge mehr Arbeit für die Polizei bedeuteten. In der örtlichen Erstaufnahme fahre die Polizei im Durchschnitt täglich 50 Flüchtlingseinsätze. Der Chefredakteur weiter: Seine Zeitung sei bundesweit für ihr soziales Engagement in der Stadt mit der höchsten Migrationsquote bekannt. Sie wolle keineswegs Vorurteile schüren. Als Zeitung, die ihre Wächterrolle innerhalb der Gesellschaft ernst nehme, sei sie verpflichtet, Probleme im Zusammenhang mit der Flüchtlingsproblematik klar zu benennen. Die Zeitung sehe es auch als Aufgabe an, Gerüchte über kriminelle Asylbewerber, die im Internet kursierten, zu entkräften. Natürlich werde auch dargestellt, wo die Integration von Flüchtlingen funktioniere. Die Zeitung sei für eine Integrationsserie mit dem Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung ausgezeichnet worden.

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Ein Journalist in Doppelfunktion

Die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung berichtet über einen Vorgang an einer Uni im Verbreitungsgebiet. Dort ist der Schweizer Historiker Dr. Daniele Ganser zu einem Vortrag eingeladen. Der Mann wird oft als „Verschwörungstheoretiker“ angesehen. SPD, Grüne, Jusos, Grüne Jugend, die Antifa, das soziokulturelle Zentrum „Trotz Allem“ sowie die Piraten sprechen sich in einem Offenen Brief für die Ausladung des umstrittenen Wissenschaftlers aus. Der Mann soll nach Angaben der Zeitung Vorträge vor Rechtspopulisten gehalten haben. Ganser weist den Vorwurf, ein „Verschwörungstheoretiker“ zu sein, zurück. Er sieht sich als Historiker und Friedensforscher. Ein Nutzer der Zeitung bemängelt, dass dem Leser eine wichtige Information vorenthalten werde. Der Autor des Beitrages sei Vorstandsmitglied bei den örtlichen Jusos und damit Mit-Initiator des Offenen Briefes. Der Beschwerdeführer sieht Ziffer 6 des Pressekodex (Trennung von Tätigkeiten) verletzt. Der Autor habe es unterlassen, auf sein politisches Amt hinzuweisen. Der Leser kritisiert auch eine tendenziöse und diffamierende Beschreibung des Schweizer Wissenschaftlers Dr. Ganser. Die Recherchearbeit der Zeitung basiere zu hundert Prozent auf den Aussagen aus dem Offenen Brief und einem äußerst umstrittenen Wikipedia-Artikel. Ein neutraler Berichterstatter hätte auch erwähnt, dass Ganser in Publikationen wie Le Monde Diplomatique, der Basler Zeitung, dem Standard, dem Handelsblatt oder der Neuen Zürcher Zeitung Beiträge veröffentlicht habe. Die Rechtsabteilung der Zeitung teilt mit, der Autor des Beitrages sei von einem Mitglied der „Piraten“ kontaktiert und somit in die Berichterstattung involviert worden. Zu diesem Zeitpunkt sei nur klar gewesen, dass die Piraten die Ganser-Ausladung forderten. Kurz vor der Veröffentlichung habe sich herausgestellt, dass mehrere Gruppen und Parteien – darunter die Jusos – hinter der Ausladungsforderung stünden. Aus zeitlichen Gründen sei es nicht mehr möglich gewesen, einen anderen Redakteur mit der Fertigstellung des Beitrages zu betrauen. Die Tatsache, dass der Autor Juso-Mitglied sei, habe also erkennbar keinen Einfluss auf die Berichterstattung gehabt. Im Übrigen sei die Berichterstattung nicht einseitig. Der Artikel sei sorgfältig recherchiert. Über Dr. Ganser werde differenziert berichtet. Auch die Gegenansicht des Historikers werde wiedergegeben.

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Herkunft eines Ladendiebs genannt

Ein Ladendieb wird auf frischer Tat ertappt. Ein aufmerksamer Detektiv hat ihn beobachtet, verfolgt, gefasst und der Polizei übergeben. Die örtliche Zeitung berichtet. Über den Täter schreibt die Redaktion: „Der Asylbewerber aus Albanien….“. Eine Leserin der Zeitung sieht Ziffer 12 des Pressekodex verletzt. Für die Erwähnung der Nationalität des Mannes bestehe kein Sachbezug. Der Herausgeber und Chefredakteur weist den Vorwurf zurück. Die Zahl der Diebstahlsdelikte im Zentrum des Verlagsortes habe massiv zugenommen. Allein auf das Konto von Flüchtlingen gingen 550 zusätzliche polizeirelevante Vorfälle. Im Wesentlichen drehe sich immer alles um zwei Delikte: Diebstähle und Autoaufbrüche. Stadtverwaltung und Polizei hätten deshalb angesichts stark gestiegener Zahlen verschiedener Delikte im Umfeld von Aufnahmeeinrichtungen die Initiative ergriffen. Der Zeitung gegenüber und im Rahmen einer Bürgerversammlung sei eine Linie der Transparenz und der Offenheit verkündet worden. Diese Linie zeige sich bereits in den Pressemitteilungen beider Institutionen. Auch im vorliegenden Fall habe die Polizei berichtet, dass es sich bei dem gefassten Ladendieb um einen Asylbewerber aus Albanien handele. Das Thema „Öffentliche Sicherheit“ werde in der Stadt angesichts von mittlerweile 5000 Flüchtlingen massiv diskutiert. Um Gerüchten und Falschmeldungen und dem Vorwurf der bewussten Nachrichtenunterdrückung entgegen zu wirken, könne die Zeitung in derart gelagerten Fällen nicht auf die Nennung von Hintergründen verzichten. Jeder Bürger habe per Internet Zugriff auf die Originalmeldungen der Sicherheitsbehörden. Es sei im Interesse der Wahrung des Ansehens der Zeitung zumindest zum jetzigen Zeitpunkt erforderlich, bei Straftaten mit gewalttätigem Einschlag im Bereich der Stadt auf einen etwa bestehenden Flüchtlingshintergrund hinzuweisen. Die Nennung des Täterhintergrundes sei nicht als Diskriminierung zu werten, sondern als notwendiger Beitrag zur Meinungsbildung in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage.

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Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel

In einer Großstadt wird eine Frau überfallen. Zwei algerische Asylbewerber ziehen die 30-Jährige hinter einer Gaststätte in ein Gebüsch. Einer der Angreifer schlägt der Frau ins Gesicht und verletzt sie. Es gelingt dem Opfer, per Handy die Polizei zu alarmieren. Daraufhin lassen die Männer von ihr ab und flüchten. Sie werden kurz darauf im Eingangsbereich der Landeserstaufnahmestelle (LEA) festgenommen. Die örtliche Zeitung berichtet über den Fall und nennt die ethnische Herkunft der Täter und deren Aufenthaltsstatus. Der Autor teilt am Ende seines Beitrages mit, dass es in der Stadt in letzter Zeit mehrfach zu Übergriffen auf Frauen gekommen sei. Eine Leserin der Zeitung wirft dieser vor, ohne begründbaren Sachbezug die Täter als algerische Asylbewerber zu bezeichnen. Die abschließende Anmerkung im Bericht suggeriere, dass auch für weitere Attacken auf Frauen Asylbewerber verantwortlich seien. Diese Passage sei geeignet, Vorurteile gegenüber Flüchtlingen zu schüren. Außerdem würden die jetzt Festgenommenen als Täter bezeichnet, obwohl sie bislang nur als Beschuldigte zu gelten hätten. Der Herausgeber und Chefredakteur der Zeitung hält den Sachbezug für gegeben und rechtfertigt damit die Art der Berichterstattung. Der Angriff, bei dem die Frau verletzt wurde, habe direkt neben der Landeserstaufnahmestelle (LEA) stattgefunden. Hier seien massive Sicherheitsinteressen von Frauen berührt. Zeugen stützten die Aussage, dass es sich bei den Tätern um Asylbewerber aus diesem Bereich handele. Ende Juli 2015 sei im direkten Umfeld der LEA eine junge Frau von einem nordafrikanischen Asylbewerber vergewaltigt worden. Damals habe die Polizei wegen einer möglichen öffentlichen Debatte den Fall verschwiegen, was wiederum in der Öffentlichkeit Unmut ausgelöst habe. Das Thema Sicherheit vor allem im Hinblick auf Frauen – so der Chefredakteur weiter – werde in der Stadt angesichts von mittlerweile 5.000 Flüchtlingen massiv diskutiert. Um sich nicht dem Vorwurf der Nachrichtenunterdrückung auszusetzen, müsse die Zeitung die Hintergründe nennen. Sonst bestehe die Gefahr, massiv an Glaubwürdigkeit zu verlieren, zumal das Internet dem Leser den Zugriff auf die Originalmitteilungen der Sicherheitsbehörden ermögliche. Die Nennung des Täterhintergrundes sei keine Diskriminierung. Es gehe vielmehr um einen wichtigen Beitrag zur Meinungsbildung in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage.

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Lieblingsenkel als mutmaßlicher Mörder

„Mordfälle Elias und Mohammed aufgeklärt – Oma-Liebling, Einzelgänger, Kindermörder –(… - Name der Zeitung) auf Spurensuche im Leben des Serienmörders Silvio S.“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Sie berichtet über Einzelheiten aus dem Leben des mutmaßlichen Mörders der kleinen Jungen Elias und Mohammed. Zum Bericht gestellt ist ein großflächiges Foto von Silvio S. Zwei kleinere Bilder zeigen die Opfer. Über die Schulzeit des mutmaßlichen Täters wird berichtet und auch, dass er der Lieblingsenkel seiner Oma gewesen sei. Diese wird mehrfach zitiert. Sie könne sich die Taten nicht erklären. In den Text sind weitere Fotos von Silvio S. eingebettet. Auf einem Familienfoto, das am 80. Geburtstag der Oma aufgenommen worden ist, ist nur Silvio S. unverpixelt zu sehen. Auch werden Fotos von einer Überwachungskamera abgedruckt, die zur Festnahme des mutmaßlichen Täters geführt haben. Dieser wird außerdem noch auf weiteren Fotos gezeigt, die in früheren Tagen aufgenommen wurden. Eine Leserin der Zeitung kritisiert, dass Silvio S. ungepixelt gezeigt wird. Der Presserat erweitert das Verfahren auf eine mögliche Verletzung von Ziffer 8 des Pressekodex, weil die Zeitung die beiden ermordeten Kinder im Bild zeigt. Die Rechtsvertretung der Zeitung hält die Beschwerde für unbegründet und spricht von einem der bedeutendsten Kriminalfälle der letzten Jahre. Die Suche nach den Kindern habe deutschlandweit großes Aufsehen erregt. Das Foto des (mutmaßlichen, d. Red.) Täters sei von überragendem Interesse. Am Vortag der Veröffentlichung habe Silvio S. die Morde gestanden. Wenn auch noch nicht strafprozessual schuldig gesprochen, sei der Mann doch in der Sache überführt. Die Rechtsvertretung kommt zu dem Schluss, dass die Persönlichkeitsrechte von Silvio S. hinter das überragende öffentliche Interesse an der Berichterstattung zurücktreten müssten. Es sei Pflicht der Medien, über die Aufklärung der Verbrechen zu berichten. Auch die Abbildung der Opfer sei presseethisch zulässig. Es handele sich um Fahndungsfotos, die in der Öffentlichkeit zum Zeitpunkt der Berichterstattung schon bekannt gewesen seien. Es müsse zulässig sein, die Suchbilder auch über den Abschluss der Fahndung hinaus zu veröffentlichen.

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