Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6657 Entscheidungen
Die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins berichtet über ein von der türkischen Küstenwache veröffentlichtes Video, das angeblich zeigt, wie Besatzungsmitglieder der griechischen Küstenwache versucht hätten, ein vollbesetztes Flüchtlingsboot zum Kentern zu bringen. Die Überschrift lautet: „Griechische Küstenwache versucht, vollbesetztes Flüchtlingsboot zu versenken.“ In den verstörenden Aufnahmen sei zu sehen, wie die Flüchtlinge in einem Schlauchboot auf das griechische Schiff zu paddelten und mit ausgestreckten Armen um Hilfe gebeten hätten. Statt die Menschen zu retten, hätten die Besatzungsmitglieder lange Stangen eingesetzt, um das Schlauchboot zu versenken. Die Bootsinsassen hätten in Panik geschrien. Die türkische Küstenwache, von der das Video stamme, habe die Flüchtlinge retten können. Ein Leser des Nachrichtenmagazins kritisiert die Berichterstattung, weil er den Pressekodex in mehrfacher Weise verletzt sieht. Das Blatt erwecke den Eindruck, dass die griechische Küstenwache tatsächlich versucht habe, ein Flüchtlingsboot zu versenken. Das sei von der griechischen Regierung bzw. der Küstenwache dementiert worden. Nach deren Darstellung sei das Video eine Fälschung. Als Quelle für das Video werde von der Redaktion die türkische Küstenwache angegeben. In Wirklichkeit stamme es von dem Turkish Institute of Public Diplomacy. Diese gehöre zum Turkish Asian Center for Strategic Studies, einem Think Tank. Zu dessen Zielen gehöre es nach eigenen Angaben, den internationalen Einfluss der Türkei über sogenannte soft power zu verbessern. Es handele sich dabei um ein Konzept der Machtausübung ohne militärische Mittel. Der Chef der Online-Ausgabe teilt mit, dass die Einbindung und Erläuterung des Videos auf Veröffentlichungen internationaler Medien basiert habe, die sich wiederum auf eine renommierte Nachrichtenagentur bezogen hätten. Auf diese Quellen habe sich die Redaktion verlassen. Sie verweist darauf, dass der Vorgang nicht als Tatsache gemeldet worden sei. Im fettgestalteten Einleitungssatz stehe ausdrücklich das Wort „angeblich“. Im Lichte späterer Erkenntnisse, die bei der Erstveröffentlichung noch nicht vorgelegen hätten, habe die Redaktion den Artikel modifiziert. Das Video selbst sei aus dem Netz entfernt worden. In der jetzigen Fassung gebe der Textbeitrag den Sachverhalt vollständig und umfassend wieder. Die Richtigstellung sei für den Nutzer erkennbar.
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Gedruckt und online veröffentlicht eine überregionale Zeitung einen Artikel unter der Überschrift „Schönschreiben mit Federhalter“. Es geht um Schreibgeräte eines bestimmten und namentlich genannten Herstellers. Die Produkte werden vorgestellt und positiv bewertet. Am Ende des Beitrags werden Preise genannt. In der Online-Ausgabe veröffentlicht die Redaktion eine Bilderstrecke der Produkte. Zwei Beschwerdeführer sehen in der Veröffentlichung einen Verstoß gegen das Trennungsgebot nach Ziffer 7 des Pressekodex. Geschäftsführung und Justiziariat der Zeitung vertreten die Meinung, dass es sich hier nicht um bezahlte Werbung handele und somit kein Verstoß gegen Richtlinie 7.1 des Pressekodex (Trennung von Werbung und Redaktion) vorliege. Es liege auch kein Verstoß gegen Richtlinie 7.2 vor, da der Beitrag sich auch negativ mit den Produkten auseinandersetze. So sei die Rede davon, dass ein Füller ohne den optional erhältlichen Halteclip billig wirke. Ein anderer Stift eigne sich wegen seines Gewichts nicht für ein längeres Skizzieren und sein Material wirke kalt. Diese Beurteilungen ließen erkennen, dass sich die Autorin kritisch mit den Schreibgeräten auseinandergesetzt habe. Wenn sie hauptsächlich positiv über die Schreibgeräte schreibe, dann deshalb, weil es sich nach ihrer Ansicht um gute Produkte handele. Einem Journalisten müsse eine solche Bewertung gestattet sein, ohne sich dem Vorwurf der Schleichwerbung ausgesetzt zu sehen.
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„Terror-Alarm in München! Verdächtige mit falschen Uniformen planten Anschlag mit Gasflaschen“ – unter dieser Überschrift berichtet ein Nachrichtenmagazin online über die angebliche Planung eines Attentats. Spezialkräfte der Polizei hätten nach Angaben des Magazins eine verdächtige arabische Gruppe entdeckt, die offenbar einen Anschlag vorbereitet habe. Die vermeintlichen Attentäter hätten sich dabei offensichtlich einiger Polizeiuniformen bedienen wollen, die die Polizei in einem Hotelzimmer entdeckt habe. Dort hätten die Beamten auch einige Gasflaschen beschlagnahmt. Dem Bericht der Zeitschrift steht die Stellungnahme der Münchner Polizei entgegen. Diese teilt mit, dass der Einsatz nicht im Zusammenhang mit einem Terrorverdacht stehe. Bei der Durchsuchung des Hotelzimmers seien keine verdächtigen Gegenstände gefunden worden. Die Gasflasche habe zu einem Campingkocher gehört. Bei den Hotelgästen habe es sich um Iraner gehandelt, die in dem Hotel ein Apartment für eine Familienfeier angemietet hätten. Die angeblichen Polizeiuniformen hätten sich als eine Baseballkappe mit der Aufschrift „Police“ entpuppt. Das Nachrichtenmagazin bleibt bei seiner Darstellung. Drei Leser des Magazins werfen der Redaktion die Verletzung mehrerer presseethischer Grundsätze vor. Diese habe falsche Tatsachen verbreitet und unnötig Panik geschürt. Schon kurz nach der Veröffentlichung habe die Münchner Polizei ein Dementi herausgegeben. Die Redaktion habe den Artikel dann unauffällig geändert und nicht mehr von „Terror-Alarm“, sondern von „Terror-Verdacht“ gesprochen. Die Nachrichtenchefin des Magazins berichtet, die Sicherheitsbehörden hätten den Verdacht in den ersten Stunden so ernst genommen, dass der ganze „Apparat“ in Bewegung gesetzt worden sei. Zwei sehr erfahrene und gut vernetzte Reporter hätten als erste berichten können – natürlich über den damals aktuellen Informationsstand. Es sei ein grundlegendes Missverständnis, wenn dann auf Grund neuer Entwicklungen die erste Nachricht als „Falschmeldung“ bezeichnet werde. Fair urteilen könne nur, wer die Erkenntnismöglichkeiten des Mediums zum Zeitpunkt der Berichterstattung zugrunde lege. Wer dagegen – wie die Beschwerdeführer – seine Vorwürfe auf ein Wissen stütze, das erst nach der Veröffentlichung habe erlangt werden können, lege unerfüllbare Maßstäbe an.
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Ein Asylbewerber aus Gambia hat in einem Bus eine junge Frau angegriffen und geschlagen. Die örtliche Zeitung berichtet online unter der Überschrift „Asylbewerber schlägt 16-Jährige im Bus nach …“ über den Vorfall, der sich in einem Linienbus zugetragen habe. Am nächsten Tag berichtet die gedruckte Zeitung über das gleiche Ereignis unter der Überschrift „Flüchtling schlägt auf Schulweg zu“. Beide Berichte enden mit dem von der Polizei stammenden Hinweis, dass dieser Vorfall nichts mit einem ähnlich gelagerten Geschehen in der Nähe zu tun habe, bei dem eine 15-Jährige von zwei Männern mit ausländischem Akzent festgehalten und geschlagen worden sei. Ein Leser der Zeitung sieht Ziffer 12, Richtlinie 12.1, des Pressekodex (Diskriminierungen/Berichterstattung über Straftaten) verletzt. Es würden durch die Nennung der Herkunft der Tatverdächtigen Vorurteile gegenüber Menschen aus Gambia und Flüchtlingen im Allgemeinen geschürt. Der Chefredakteur hält die Berichterstattung auch angesichts der Beschwerde für angemessen und korrekt. Die Tat sei in einer Zeit passiert, in der immer offensichtlicher geworden sei, dass junge Männer aus Afrika, die vom Machismo geprägt seien, für die Gesellschaft ein zunehmendes Problem seien. Er beruft sich auf Meinungsäußerungen offizieller Stellen, Polizeibeamter, Ehrenamtlicher aus Flüchtlingsunterkünften, frauenpolitischer Sprecher und sozialer Träger. Viele dieser Meinungen würden nur hinter vorgehaltener Hand geäußert. Der Tatverdächtige im vorliegenden Fall habe kurze Zeit wieder in einem Bus zugeschlagen. Daraufhin sei für ihn ein Busverbot ausgesprochen worden. Diese Fälle seien letztlich ein Fingerzeig auf Entwicklungen, die in der Silvesternacht in Köln, Hamburg und anderswo exzessiv ausgelebt worden seien. Auch da hätten Behörden und Medien Nationalitäten genannt. Der Chefredakteur sieht es als Pflicht der Redaktion an, die Leser bei solchen Straftaten vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise und der allgemeinen Migrationsthematik wahrhaftig zu informieren (Ziffer 1 des Pressekodex). Seine Zeitung sei für ihr soziales Engagement in einer Stadt mit der bundesweit höchsten Migrationsquote bekannt. Sie wolle mit ihrer Berichterstattung keinesfalls Vorurteile schüren. Eine Zeitung, die ihre Wächterrolle innerhalb der Gesellschaft ernst nehme, habe jedoch die Aufgabe, Probleme im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise klar zu benennen. Die Zeitung sehe es auch als ihre Aufgabe an, Gerüchte über kriminelle Asylbewerber, die im Internet kursierten, zu entkräften. Natürlich werde auch dargestellt, wo die Integration funktioniere. Im Übrigen sei die Zeitung 2013 mit dem Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung für eine Integrationsserie ausgezeichnet worden.
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Ein Videobeitrag in der Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins berichtet über eine „große Technik-Offensive“ bei einem Discounter. In der Überschrift spricht die Redaktion diese Empfehlung aus: „Bei diesen Angeboten sollten Sie zugreifen.“ Es geht im Film um Technik-Angebote (PC, Drucker, externe Festplatte, Fernseher, Computer-Bildschirm). Sie werden positiv dargestellt. Ein Nutzer des Internetauftritts kritisiert, dass das Magazin Discounter-Produkte auslobe. Eine Trennlinie zwischen Werbung und Redaktion sei nicht festzustellen. Ein „Editorial Head of Video“ antwortet auf die Beschwerde. Danach würden zahlreiche Medien die Prospekte von Technikanbietern analysieren und Ratschläge geben, wo sich das Zugreifen lohne und wo nicht. Das Nachrichtenmagazin habe in diesem Fall mit einer Computer-Zeitschrift kooperiert. Der Antwort auf die Beschwerde liegt der Ausdruck einer zwölfteiligen Artikelserie bei, die Grundlage des kritisierten Videos gewesen sei. Aus Zeitgründen habe man nur einen Teil der Produkte erwähnt. Der Inhalt des Videos sei komplett redaktionell erstellt worden. Es habe keinerlei Einflussnahme durch den Discounter oder die jeweiligen Hersteller gegeben. Auch habe die Zeitschrift kein Geld oder sonstige Vorteile erhalten. Das Video basiere allein auf den ebenfalls redaktionell unabhängigen Einschätzungen der kooperierenden Computer-Zeitschrift. Das „Störgefühl“ des Beschwerdeführers könne daher rühren, dass zufällig alle fünf in dem Video vorgestellten Produkte positiv bewertet worden seien. Gerade bei dem genannten Discounter sei das Preis-Leistungs-Verhältnis nun einmal in den meisten Fällen sehr gut.
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Eine Regionalzeitung berichtet über eine Straftat am Verlagsort. Ein Auto wurde mit Hilfe einer Eisenstange aufgebrochen. Der inzwischen festgenommene Mann wird als Asylbewerber aus Algerien bezeichnet. Eine Leserin der Zeitung kritisiert dies und sieht einen Verstoß gegen Richtlinie 12.1 des Pressekodex. Es gebe keinen begründbaren Sachbezug, den Mann mit seiner Ethnie und seinem Aufenthaltsstatus zu nennen. Dem widerspricht der Herausgeber und Chefredakteur der Zeitung. Er sieht sehr wohl einen begründbaren Sachbezug. Die Nennung sei wichtig, da damit die Ausstellung eines Haftbefehls zu erklären ist. Wenige Tage vor seiner Verhaftung sei der Mann schon einmal wegen des gleichen Delikts festgenommen worden. Der Chefredakteur weist auf die Häufung von Delikten in der Stadt hin. Seit eine Landeserstaufnahmestelle (LEA) eingerichtet worden sei, hätte es 550 zusätzliche polizeirelevante Vorfälle gegeben. Im Wesentlichen gehe es dabei um Diebstähle und Kfz-Aufbrüche durch nordafrikanische Tätergruppen. So sei auch der vorliegende Fall gelagert. Die Sicherheitsbehörden hätten eine Strategie der Offenheit und der Transparenz entwickelt. In ihren offiziellen Mitteilungen würden die Herkunft und der Status der mutmaßlichen Täter genannt. Die innere Sicherheit werde in der Stadt massiv diskutiert. In einem Interview habe ein Vertreter der Staatsanwaltschaft ausdrücklich auf die problematische Gruppe von nordafrikanischen Tätern hingewiesen. Wegen der ungesicherten Aufenthaltsorte komme es immer häufiger zu Festnahmen. Die Zeitung könne nicht auf die Nennung der Hintergründe verzichten, ohne bei den Lesern massiv an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Die Redaktion bemühe sich, dem Vorwurf der bewussten Nachrichtenunterdrückung entgegenzuwirken. Die Nennung des Täterhintergrundes sei nicht als Diskriminierung zu werten, sondern als notwendiger Beitrag zur Meinungsbildung in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage.
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„Polizist tötet seine Frau und sich selbst“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Regionalzeitung über ein Beziehungsdelikt. Nach ersten Erkenntnisse von Polizei und Staatsanwaltschaft habe der Mann, ein Polizeibeamter, zuerst seine Frau und dann sich selbst mit seiner Dienstwaffe erschossen. Kollegen des Mannes hätten nach einem Hinweis auf das Geschehen das Paar in seiner Wohnung in einem Reihenhaus gefunden. Den beiden Töchtern des Ehepaares, die ebenfalls im Haus gewesen seien, sei nichts passiert. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sind Hintergründe der Tat wahrscheinlich Beziehungsstreitigkeiten. Offenbar seien die beiden kurz vor ihrer Trennung gestanden, nachdem sie sich früher schon einmal getrennt hätten. Der Mann soll seine Frau verfolgt und überwacht haben, hätten Bekannte der Familie der Zeitung berichtet. Sie hätten von Stalking gesprochen. Die Zeitung nennt die Vornamen und den abgekürzten Nachnamen sowie das Alter und den Wohnort der Ehepartner. Außerdem gibt sie das Alter der beiden Töchter an. Fotos zeigen die Beteiligten. Schließlich teilt die Zeitung mit, dass die Frau ein Modegeschäft betrieben habe. Zwei Leser der Zeitung sehen Verstöße gegen mehrere Ziffern des Pressekodex. Täter und Opfer seien zweifelsfrei zu identifizieren. Sie äußern die Vermutung, dass das Sensationsinteresse das Informationsinteresse sowie den Opferschutz überwogen habe. Wegen der Tragweite der Tragödie und auch des Schutzes der überlebenden Töchter hätte die Zeitung auf die Veröffentlichung der Fotos verzichten müssen. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, die Berichterstattung sei das Ergebnis einer gewissenhaften Abwägung in der Redaktion zwischen Informationspflicht und Persönlichkeitsrechten gewesen. Die getötete Ehefrau sei oft bewusst als Model und Designerin in die Öffentlichkeit getreten. Sie sei eine in der Stadt bekannte und beliebte Person des öffentlichen Lebens gewesen. Überdies habe sie sich in zahlreichen Veranstaltungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eingesetzt. Aus den Verkaufserlösen ihrer Modeartikel habe sie Geld für Kinderbetreuungseinrichtungen gespendet. Die örtliche Presse und das lokale Fernsehen hätten immer wieder über die Aktivitäten der Frau berichtet. Die Familie und das direkte Umfeld der Frau hätten sich über die Art der Berichterstattung nicht beschwert. Im Gegenteil hätten sie Todesanzeigen mit vollem Namen und Porträtbild veröffentlicht. Die riesige Resonanz bei der Trauerfeier habe gezeigt, wie populär die Verstorbene gewesen sei und welch großen Anteil die Bevölkerung an dieser Familientragödie genommen habe.
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Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung veröffentlicht einen Bericht unter der Überschrift „Schwangere Anastasia erschlagen und in die Donau geworfen“. Der 24-jährige Freund der Getöteten sei verhaftet worden. Zu dem Todesfall äußert sich laut Angaben der Zeitung der Bruder des Opfers. Zum Bericht gestellt sind mehrere Fotos. Eines davon zeigt die Getötete, wie sie ihren Bauch befühlt. Weitere Bilder zeigen die Bergung der Leiche und den Trauerzug bei der Beerdigung. Die Mutter des Opfers ist in diesem Fall Beschwerdeführerin. Sie berichtet, kurz nach dem Tod der Tochter sei ein Reporter mit einem Blumenstrauß vor ihrer Tür gestanden und habe um ein Interview gebeten. Sie habe abgelehnt und betont, dass sie keinen Bericht in der Zeitung sehen wolle. Nun stelle sie fest, dass das Blatt über den gewaltsamen Tod ihrer Tochter mit Bildern berichte, die sie gar nicht kenne. Auf einem Foto sei ihr Sohn – der Bruder der getöteten Frau – zu sehen. Ein Urnenträger habe – wie auf einem Foto zu sehen – dem Fotografen mit dem Zeigefinger gedroht, als er den fotografierenden Journalisten bemerkt habe. Die Mutter sieht in alldem einen Fall von Persönlichkeitsverletzung. Die Rechtsvertretung der Zeitung verweist darauf, dass der Redaktion nicht bekannt gewesen sei, dass die Mutter der getöteten Frau gegen die Veröffentlichung der Fotos Einwände gehabt habe. Ein Redakteur der Zeitung habe mit dem Bruder der Getöteten im Haus der Mutter und in deren Anwesenheit gesprochen. Das Gespräch habe nach einem Treffen der Beteiligten mit zwei Reportern der örtlichen Zeitung stattgefunden. Die Fotos habe die Redaktion dem Internet entnommen. Dort sei kein Hinweis zu erkennen gewesen, dass der Zugriff auf die Fotos durch Dritte limitiert oder untersagt gewesen sei. Insofern habe die Redaktion von einem Einverständnis zur Veröffentlichung ausgehen können. Nach Darstellung der Zeitung trifft es nicht zu, dass einer der Urnenträger dem Fotografen mit dem Finger gedroht habe.
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In einer Frauenzeitschrift erscheint ein Interview mit einem Volksmusiker, der dem Blatt gegenüber bekundet, er habe für Liebeskummer keine Zeit. Der Entertainer berichtet, dass er für die „Molkerei Müller“ werbe. Die Redaktion fragt nach, ob er die Buttermilch meine, für die er jetzt werbe. Darauf der Musiker: Ich bevorzuge die mit den roten Früchten. Eine Leserin der Zeitschrift kritisiert die Nennung des Werbepartners des Volksmusikers, sowie die Nachfrage der Redaktion, die es dem Interview-Partner erst ermögliche, weiter ins Detail zu gehen. Die Rechtsvertretung der Frauenzeitschrift meint, es sei von öffentlichem Interesse, für welche Unternehmen der Sänger werbe und aus welchen Motiven er dies tue. Darüber hinaus habe er seine Werbeaktivitäten selbst angesprochen. Die Redaktion habe lediglich klarstellend nachgehakt. Der Musiker erläutere seine Tätigkeit für die Molkerei im Zusammenhang mit seinem kometenhaften Aufstieg, der ihn auch für große Konzerne als Werbepartner interessant mache. Die Entwicklung sei insoweit Bestandteil seiner Karriere. Auch die Tatsache, dass er viel Eiweiß in Form von Buttermilch zu sich nehme, sei für seine Fans bzw. die Leser von Interesse.
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„Großfamilie auf Diebestour“ – unter dieser Überschrift berichtet die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung über den Prozess gegen zwei Mitglieder einer polnischen Bande. Diese wird in der Dachzeile des Beitrages als „polnischer Sinti- und Rom-Clan“ bezeichnet. Dieser bestehe aus etwa 80 Personen. Gegen die Hälfte von ihnen werde immer wieder ermittelt. Der Vorwurf: Sie hätten über Mittelsmänner Autos angemietet und dann nach Polen verschoben. Die Mittelsmänner – so die Zeitung – seien dann selbst spurlos nach Polen entschwunden. Zusätzlich gehe es in dem Prozess um Diebstahl und Betrügereien. Zwei Leser wenden sich mit Beschwerden an den Presserat. Sie sehen Richtlinie 12.1 des Pressekodex (Berichterstattung über Straftaten) verletzt. Es sei überflüssig, die Zugehörigkeit der Beschuldigten zur Minderheit der Sinti und Roma in den Vordergrund zu stellen. Die Bezeichnung „Sippe“ im Text sei ebenfalls dazu geeignet, Vorurteile zu schüren. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe berichtet, nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in der Redaktion werde der Inhalt der Richtlinie 12.1 des Kodex kontrovers diskutiert. Nach Ansicht der Redaktion lasse sich ein begründbarer Sachbezug nicht pauschal definieren, sondern müsse im Einzelfall beurteilt und entschieden werden. Die Redaktion habe es in letzter Zeit oft mit Grenzfällen zu tun gehabt. Diese häuften sich, da die Behörden inzwischen dazu übergegangen seien, die ethnische und nationale Herkunft von mutmaßlichen Tätern pauschal zu nennen. Sie wollten sich nicht dem Vorwurf aussetzen, etwas zu verschweigen. Dennoch stehe die Redaktion nach wie vor in der Pflicht, im Einzelfall zu prüfen, ob sie die Information der Behörden an die Leser weiterreiche oder nicht. Im vorliegenden Fall bekräftigt der Chefredakteur, dass die Redaktion richtig entschieden habe. Ohne Kenntnis des kulturellen Hintergrundes sei es für die Leser nahezu unmöglich, die beschriebenen Ermittlungsschwierigkeiten zu verstehen und einzuordnen.
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