Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
6657 Entscheidungen

E-Mail ohne Einwilligung weitergegeben

Der Umgang einer Lokalzeitung mit Leserbriefen ist der Auslöser einer Beschwerde beim Presserat. Der Beschwerdeführer berichtet, er habe an die Zeitung einen Leserbrief geschrieben. Diesen habe er mit seinem Namen und dem Zusatz „Kreisrat“ unterschrieben. Einige Tagte später sei ein Artikel mit der Überschrift „Kein Verständnis für Autofahrer“ erschienen. Darin sei er – der Beschwerdeführer – falsch zitiert und ohne Sachbezug mit seinem Pfarrertitel bezeichnet worden. Wiederum einige Tage später habe die Zeitung einen Leserbrief veröffentlicht, dessen Autor sich dezidiert auf ihn als Pfarrer bezogen habe. In einer „belehrenden“ E-Mail habe sich der Chefredakteur an ihn und weitere Empfänger gewandt. Diese hätten im Anhang auch seine ursprüngliche Mail lesen können. Der Beschwerdeführer beklagt sich darüber, dass er sinnentstellend zitiert worden sei. Dass Überschriften Aufmerksamkeit erzeugen sollen, sei in Ordnung. Nicht in Ordnung und ein Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht sei es jedoch, dass er von der Zeitung sinnentstellend zitiert worden sei. Der Beschwerdeführer ist schließlich der Ansicht, dass es nicht zulässig sei, ihn ohne sein Zutun als Pfarrer zu bezeichnen, wenn seine Leserbriefäußerung nicht im Zusammenhang mit seinem Beruf stehe. Er habe den Leserbrief als Bürger und Mandatsträger, nicht jedoch als Pfarrer geschrieben. Schlussendlich sei es nicht in Ordnung, wenn eine von ihm verfasste E-Mail ohne seine Einwilligung an Dritte weitergegeben werde. Der Redaktionsleiter steht auf dem Standpunkt, dass der Leserbriefschreiber sein Amt als Pfarrer nicht einfach abstreifen könne. Er sei eine im lokalen Umfeld weithin bekannte Persönlichkeit. Deshalb habe sich die Redaktion dazu entschlossen, seine berufliche Funktion anzugeben, obwohl der Einsender ausdrücklich darum gebeten habe, seinen Status als Pfarrer nicht zu erwähnen. Die Redaktion habe die Einsendung als Artikel im Lokalteil verarbeitet, weil das Thema nicht in die Rubrik Leserbriefe gehöre. Nach Ansicht der Redaktion sei die Leserbriefseite überdies keine Plattform für Mandatsträger, die gegenüber dem Leser ihre Politik erklären wollten. Dem Einsender gegenüber habe der Chefredakteur die Haltung der Redaktion erläutert. Er spricht auch von einer „Privatfehde“ des Kreisrats und Pfarrers gegen die Zeitung.

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Junge Frau und ihre Familie bloßgestellt

Eine Großstadtzeitung berichtet online unter den Überschriften „Esther S. (18) soll im Bad ihr Baby geboren und erstickt haben“ bzw. „Hinter dieser Tür tötete eine 18-Jährige ihr Neugeborenes“ über ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags. Im Artikel heißt es: „Im Tatverdacht steht die Gymnasiastin Ester S., die mit ihren Eltern in einem Jugendstilhaus (erbaut 1908) im gutbürgerlichen (…) lebt.“ Die Zeitung nennt einen Stadtteil einer deutschen Großstadt. Laut Staatsanwaltschaft hätten die Eltern von Schwangerschaft und Geburt offenbar nichts mitbekommen. Die junge Frau sei – so die Zeitung – mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht worden, wo man festgestellt habe, dass die eingelieferte Patientin offenbar vor kurzem ein Baby zur Welt gebracht habe. Die alarmierte Feuerwehr habe dann den toten Säugling gefunden. Dieser sei voll ausgebildet und lebensfähig gewesen und nach seiner Geburt von der jungen Mutter erstickt worden. Die Redaktion nennt den Vornamen und abgekürzten Nachnamen der jungen Frau sowie ihr Alter. Der Bericht enthält auch den Namen der Schule, die sie besucht, und die Information, dass sie bis vor einem halben Jahr zum Schüleraustausch in den USA gewesen sei. Schließlich teilt die Zeitung mit, dass die Mutter der 18-Jährigen Mode-Dozentin sei und der Vater als Verlagsmanager arbeite. Mehrere Fotos sind dem Artikel beigestellt. Sie zeigen unter anderem die Hausfassade, die Haustür und die Tür der Wohnung, in der die Familie wohnt. Eine Leserin der Zeitung bemängelt die Nennung von so vielen Details, so dass die Familie leicht zu identifizieren sei. Die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen würden missachtet. Es gebe kein öffentliches Interesse, dass etwa Fotos der Haus- und Wohnungstür gezeigt oder die Berufe der Eltern genannt würden. Auch die Unschuldsvermutung werde missachtet. Die Art der Berichterstattung sei sensationslüstern und existenzvernichtend, nicht nur für die Tatverdächtige, sondern auch für die ganze Familie. Die Rechtsvertretung der Zeitung teilt mit, die von der Redaktion vorgenommene, sorgsame Abwägung zwischen den Interessen der Betroffenen und dem öffentlichen Informationsinteresse sei zugunsten des Berichterstattungs- und Informationsinteresses der Leser ausgegangen. Sie hält die Berichterstattung für zulässig. Die Rechtsvertretung: Eine lokale Berichterstattung presseethisch zu sanktionieren, stelle eine unzulässige Verengung und Begrenzung und damit einen schwerwiegenden Eingriff in die Freiheit der Berichterstattung dar. Die Beschwerdeführerin wohne im gleichen Stadtteil wie die betroffene Familie. Da sei es kein Wunder, dass sie anhand der genannten Details die Familie identifizieren könne. Dies sei für Menschen, die in anderen Teilen der Stadt lebten, unmöglich.

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Der frühere Ehemann kam nicht zu Wort

Eine Wochenzeitung berichtet über eine Frau mit Asperger-Syndrom. Sie habe jahrelang ein Doppelleben als Mutter von vier Kindern in einem Reihenhaus in Brühl bei Köln geführt, dann aber entschieden, ihre Familie zu verlassen und künftig mit ihrer Freundin zusammenzuleben. Die Diagnose Asperger-Syndrom bezeichnet sie dem Autor gegenüber als das Beste, was ihr in ihrem Leben passiert sei. Grund für diese Behauptung: Sie komme sich seit dieser Erkenntnis nicht mehr vor wie in einer fremden Welt, ohne zu wissen, warum. Der Artikel beschreibt auch die ehelichen Konflikte und die Probleme der Kinder seit der Trennung von der Mutter. Über den Ex-Ehemann heißt es im Beitrag, er sei Versicherungsmathematiker. Die Frau wird mit ihrem vollen Namen genannt. Beschwerdeführer ist der Ex-Ehemann. Er hält diese Art der Berichterstattung für einen Verstoß gegen die Ziffern 2 und 8 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht bzw. Persönlichkeitsrechte). Die Zeitung habe personenbezogene Daten von ihm veröffentlicht, nämlich seinen früheren Wohnort Brühl und seinen Beruf als Versicherungsmathematiker. Beide Angaben seien für das eigentliche Thema des Berichtes irrelevant. Durch sie habe die Zeitung ihn jedoch eindeutig identifizierbar gemacht. Er gehöre – so der Beschwerdeführer weiter – seit geraumer Zeit der Führungsebene einer großen Versicherung an. Davor sei er dreizehn Jahre lang als Berater und Projektleiter in einem Software- und Beratungshaus beschäftigt gewesen, das ausschließlich in der Versicherungswirtschaft tätig sei. Darüber hinaus arbeite er in Arbeitskreisen und Ausschüssen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft mit. Mehrere hundert Menschen in seinem beruflichen Umfeld wüssten, um wen es gehe, wenn die Zeitung den „Versicherungsmathematiker …“ (hier steht der Familienname) nennt. Einen Verstoß gegen die Ziffer 2 sieht der Beschwerdeführer darin, dass die Zeitung einige angebliche Zitate bzw. Dialoge von ihm in wörtlicher Rede wiedergebe, obwohl niemand aus der Redaktion mit ihm gesprochen habe. Der Beschwerdeführer erwartet, dass die Zeitung seine personenbezogenen Daten und die Zitate bzw. Dialoge aus dem Netz löscht. Die Rechtsvertretung der Zeitung nimmt Stellung. Ziffer 8, hier vor allem Richtlinie 8.4 des Pressekodex, schütze das Persönlichkeitsrecht der von einer Berichterstattung betroffenen Familienmitglieder. Es sei jedoch gegen die Pressefreiheit und das öffentliche Informationsinteresse abzuwägen. Sobald letzteres überwiege, sei eine Berichterstattung zulässig, so wie in diesem Fall. Es sei vom Persönlichkeitsrecht der geschiedenen Ehefrau gedeckt, einer Zeitung ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Dass der Artikel auch Angaben zu ihren Mitmenschen mache, sei nahezu unvermeidlich. Auch dass der Ex-Ehemann, der in vielfältiger Weise eine Rolle im öffentlichen Leben spiele, durch eine einfache Internet-Recherche identifizierbar sei, liege auf der Hand. Die Identifizierbarkeit des Ex-Ehemanns ergebe sich schon aus dem Umstand, dass die interviewte Ehefrau auf der Nennung ihres Namens bestanden habe. Sie habe Zitate und Dialoge aus Gesprächen mit ihrem früheren Ehemann in das Interview mit einfließen lassen. Dadurch seien presseethische Grundsätze nicht verletzt worden.

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Foto aus dem Inneren eines zerstörten Hauses

Die Lokalausgabe einer Regionalzeitung berichtet online mit drei Beiträgen über eine Propangasexplosion in einem Wohnhaus in Görlitz an der polnischen Grenze. Die Überschriften lauten: „Explosion: Bilder aus der Wohnung“, „Explosion: Ermittler gegen Bewohner“ und „Notgeburt nach Explosion“. Beschwerdeführer sind die ehemaligen Eigentümer des Wohnhauses. Sie hätten das Gebäude wenige Wochen zuvor an eine polnische Familie verkauft, die nun Opfer der Explosion sei. Derzeit befinde man sich in der Phase der Umschreibung des Grundbuchs. Das Eigentum sei faktisch auf die polnische Familie übergegangen. Die Umschreibung stehe noch aus. Dementsprechend bestünden im Zusammenhang mit dem Wohngebäude noch Rechte und Pflichten. Ein MDR-Team – so die Beschwerdeführer weiter – sei ohne Genehmigung des Eigentümers nach der Gas-Explosion in das Haus gelangt. Es hätte Fotos angefertigt und gefilmt. Die Eigentümer hätten den MDR-Redakteur darauf hingewiesen, dass dem Team keine Drehgenehmigung erteilt worden sei. Der MDR-Mann habe sich daraufhin entschuldigt und das Material aus der Mediathek genommen. Der zuständige Leiter der Redaktion der Regionalzeitung habe keinerlei Einsicht gezeigt und sich geweigert, die Fotos der Innenräume zu entfernen und die Berichterstattung zu korrigieren. Das Gespräch zwischen den Eigentümern und dem Redaktionsleiter sei äußerst unangenehm verlaufen. Die Beschwerdeführer berichten, die Reaktionen auf die Fotos der Privaträume in der Online-Ausgabe der Zeitung seien erschreckend. Die nette, freundliche und voller Enthusiasmus steckende polnische Familie, die das Großprojekt „Sanierung eines Mehrfamilienhauses“ habe stemmen wollen, werde nunmehr im Netz diffamiert. Von Obdachlosen und Hartz-IV-Empfängern sei die Rede und auch davon, dass dies ein Fall für das Jugendamt sei. Die Familie befinde sich verletzt im Krankenhaus. Wenn sie eines Tages geheilt zurückkehre, werde sie sich mit diesen Verleumdungen konfrontiert sehen. Der Chefredakteur der Zeitung hält die Berichterstattung für zulässig, weil die beanstandeten Fotos einen Unglücksort und keine Privaträume zeigten. Auch Ziffer 12 sei nicht verletzt. Görlitz/Zgorzelec sei eine deutsch-polnische Europastadt. Man berichte täglich über Polen auf der deutschen und Deutsche auf der polnischen Seite. Aus Sicht der Redaktion sei damit in der Lokalausgabe Görlitz keine Diskriminierung verbunden, sondern eine in einer Grenzstadt sinnvolle und jahrelang gelebte Information.

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Freie diskutieren über „Weisungen von oben“

Der Online-Dienst einer Verlagsgruppe berichtet unter der Überschrift „Kein Persilschein: Offener Brief war unter WDR-Freien hochumstritten“ über eine Diskussion unter WDR-Freien. Es geht um einen offenen Brief der Mitarbeiter. Darin hatten sich die Unterzeichner gegen die Unterstellung gewehrt, es gebe bei dem öffentlich-rechtlichen Sender Anweisungen, in einer bestimmten Richtung zu berichten. Diskussionsgrundlage sei – so der Onlinedienst - eine Mailingliste, über die etwa 580 freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diskutierten, die für den WDR arbeiteten. Mehrere WDR-Freie hätten Unverständnis über die Stellungnahme einer WDR-Autorin geäußert. Diese habe im niederländischen Radio behauptet, dass ihr Sender beauftragt sei, die Regierungssicht zu verbreiten. Einhellige Meinung derer, die sich über die Mailingliste geäußert hätten, scheine zu sein, dass die Autorin im Radio eine nicht zutreffende Zustandsbeschreibung abgegeben habe. Der Beschwerdeführer in diesem Fall beklagt, dass er von dem Onlinedienst ausgiebig zitiert werde, obwohl diese Aussagen aus einer vertraulichen Quelle – eben der genannten Mailingliste - stammten. Der Autor des Online-Beitrages hätte ihn fragen müssen, ob er ihn zitieren dürfe. Der Beschwerdeführer beklagt einen Verstoß gegen die Vertraulichkeit des Wortes. Die Beschwerde wird in der Vorprüfung als offensichtlich unbegründet bewertet. Dagegen erhebt der Beschwerdeführer Einspruch. Daraufhin leitet der Presserat ein Beschwerdeverfahren ein. Die Rechtsvertretung der Verlagsgruppe steht auf dem Standpunkt, dass die Beschwerde in jeder Hinsicht unbegründet sei. Es sei zutreffend, dass der Autor des beanstandeten Artikels Mitglied der Mailingliste gewesen sei. In diese sei er schon Jahre vor der Veröffentlichung des nunmehr kritisierten Artikels aufgenommen worden und nicht etwa auf kurzfristige Anfrage vor dem Verfassen des Artikels, um Kritikwürdiges zu einer Berichterstattung über den WDR herauszufinden. Die Rechtsvertretung nimmt zu jedem der vom Beschwerdeführer angeführten und vermuteten Kodex-Verstöße Stellung. Sie schließt ihre Stellungnahme mit dem Hinweis, dass die WDR-Freienliste zum Zeitpunkt der Veröffentlichung rund 580 Abonnenten gehabt habe und damit nicht mehr nur für einen begrenzten Personenkreis zugänglich gewesen sei. Bislang sei keiner der Zitierten an den Online-Dienst herangetreten, um eine Entfernung seiner Aussage aus dem Artikel zu erreichen.

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Fristlos Entlassener beim Namen genannt

Ein großer Agrarhändler nimmt an einem seiner Standorte gravierende personelle Veränderungen vor. Die Leitung soll von sechs auf zwei Geschäftsführer reduziert werden. Die Zeitung am Ort berichtet über den Vorgang. Sie zitiert den Pressesprecher des Mutterkonzerns, der die Verkleinerung der örtlichen Geschäftsführung bestätigt. Vier Mitglieder der bisherigen Leitung seien von ihren Tätigkeiten entbunden und freigestellt, einer von ihnen fristlos gekündigt worden. Hintergrund – so zitiert die Zeitung den Pressereferenten – sei die beabsichtigte Verschlankung der Management-Ebene. Im Fall des fristlos Entlassenen seien „einige interne Unregelmäßigkeiten“ hinzugekommen. In der Stellungnahme des Pressereferenten werden die Namen der sechs Geschäftsführer genannt. So verfährt auch die Redaktion. Ein Leser der Zeitung sieht einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte). Es sei presseethisch fragwürdig, wenn die Zeitung die Namen der entlassenen Geschäftsführer nenne. Zumindest der fristlos Gekündigte dürfte kaum eine neue Stelle finden. Die Zeitung nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.

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Spießrutenlauf der namentlich Genannten

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Mitarbeiter eines städtischen Kulturzentrums. Die örtliche Zeitung berichtet über den Fall unter der Überschrift „Krumme Geschäfte im Kulturwerk?“ Der Vorstand des Kulturwerk-Vereins und seine Stellvertreterin hätten bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen Unbekannt erstattet. In einem an die Chefredaktion gerichteten Brief sei von „finanziellen Unregelmäßigkeiten“ die Rede. Auf die Nachfrage der Redaktion, um wieviel Geld es gehe und was es mit den erwähnten Unregelmäßigkeiten auf sich habe, hätten sich die Verantwortlichen im Verein, der Bürgermeister und die Staatsanwaltschaft nicht äußern wollen. Die beiden hauptamtlichen Mitarbeiter des Vereins seien nicht erreichbar gewesen. Dass aufgrund der vagen Aussagen des Vorstandes der Verdacht auf eben diese Mitarbeiter fallen könnte, habe die stellvertretende Vorsitzende gegenüber der Zeitung bestätigt. Der Bürgermeister habe am Tag vor Erscheinen des Artikels mitgeteilt, ebenfalls informiert zu sein. Der Verdacht habe sich zwar erhärtet, doch habe er – der Bürgermeister – davor gewarnt, diesen nur einer bestimmten Person zuzuordnen. Die Redaktion nennt in ihrem Beitrag die Namen der beiden hauptamtlichen Mitarbeiter des Vereins. Dies trifft auf den Widerspruch eines Lesers, der durch die Namensnennung die Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte) verletzt sieht. Die beiden „direkt-indirekt“ verdächtigten Personen seien in Stadt und Landkreis durch ihre Tätigkeit sehr vielen Menschen bekannt. Es sei anzunehmen, dass jeder Gang außer Haus für beide – ob schuldig oder unschuldig – zum Spießrutenlauf gerate. Die Zeitung nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.

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Ermittlungsgruppe Mehrfachtäter gegründet

Eine Regionalzeitung berichtet an drei Tagen unter den Überschriften „Haftbefehl gegen Ladendieb“, „Ladendieb kommt in Haft“ und „Dieb prügelt auf Detektiv ein“ über Vorkommnisse in einer großen Stadt des Verbreitungsgebietes. Im ersten Beitrag berichtet die Zeitung, der Ladendieb sei ein Georgier. In der zweiten Veröffentlichung ist von einem Albaner die Rede. Bei dessen Mittätern handele es sich um zwei 18-Jährige aus Albanien und dem Kosovo. Im dritten Bericht informiert die Zeitung über den Angriff eines Ladendiebs auf den Detektiv einer Drogeriefiliale. Bei diesem mutmaßlichen Täter handele es sich um einen Asylbewerber aus Russland. Eine Leserin der Zeitung hält die Erwähnung der Herkunft bzw. des Asylbewerberstatus für unzulässig. Diese Art der Berichterstattung verstoße gegen Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierungen). Der Verleger, Herausgeber und Chefredakteur der Zeitung sieht im Gegensatz zur Beschwerdeführerin durchaus einen Sachbezug für die Nennung der Herkunft der Ladendiebe bzw. des Asylbewerberstatus eines der Beschuldigten. Bei zweien der Festgenommenen handele es sich um Wiederholungstäter. Die örtliche Polizei habe angesichts der auffälligen Häufung von Straftaten eine Ermittlungsgruppe „Mehrfachtäter Zuwanderung“ gegründet. Es mache keinen Sinn, über diese speziell eingerichtete Ermittlungsgruppe zu berichten, nicht hingegen über die zu ihrer Gründung führenden Einzeltaten und Täter. Die Nationalität des albanischen Asylbewerbers habe die Redaktion genannt, weil der Supermarkt, in dem der Diebstahl geschah, im direkten Umfeld einer großen Flüchtlingsunterkunft liege. Dort habe es immer wieder Diebstähle durch Bewohner der Unterkunft gegeben. Die Nennung der Nationalitäten halte die Zeitung für geboten. Die Zahl der Diebstahldelikte in der Innenstadt ebenso wie Raubdelikte und Angriffe auf Personen habe massiv zugenommen. Nach der Präambel des Pressekodex sei es Teil der journalistischen Berufsethik, das Ansehen der Presse zu wahren. Die Nennung des Täterhintergrundes sei in diesem Zusammenhang nicht als Diskriminierung zu sehen, sondern als notwendiger Beitrag zur Meinungsbildung in der Öffentlichkeit. Diese sei von diesem Thema in besonderem Maße berührt. Eine sachliche Darstellung des Täterhintergrundes habe deshalb keine Prangerwirkung. Ohne dessen Angabe würde man sich in weiten Kreisen der Leserschaft dem Vorwurf der Nachrichtenunterdrückung aussetzen.

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Die Saat einer Falschmeldung ging auf

„Empörung, Proteste – wegen gar nichts“ titelt die Online-Ausgabe einer überregionalen Zeitung. Es geht um den Fall eines minderjährigen russischstämmigen Mädchens, das behauptet habe, von einer Gruppe Ausländer entführt und vergewaltigt worden zu sein. Eine örtliche Freiwillige Feuerwehr – so die Zeitung – habe auf ihrer Facebook-Seite eine Vermisstenmeldung veröffentlicht und das vermisste Mädchen beschrieben. Der Aufruf habe sich rasch im Netz verbreitet, allerdings ergänzt um die Worte „Vergewaltigt – festgehalten – gedemütigt“. Das russische Staatsfernsehen habe daraufhin über „Vergewaltigungen von Minderjährigen durch Migranten“ in Deutschland berichtet. Obwohl dies die Polizei längst dementiert habe, hätten russische TV-Sender und Zeitungen den Vorgang in Berlin als Tatsache dargestellt. In der russlanddeutschen Community sei die Saat aufgegangen. Die Zeitung berichtet weiter, die Berliner Polizei habe auf ihrer Facebook-Seite mitgeteilt: „Ja, es ist richtig – das Mädchen war kurzzeitig vermisst gemeldet und ist inzwischen wieder zurück.“ Nach den Ermittlungen des Landeskriminalamtes habe es weder eine Entführung noch eine Vergewaltigung gegeben. Die Redaktion zitiert einen Sprecher der Berliner Justiz mit den Worten: „Wir gehen derzeit von einvernehmlichem Sex aus.“ Ein Leser der Zeitung sieht Verstöße gegen presseethische Grundsätze. Am Ende des Beitrages werde berichtet, dass wegen des sexuellen Missbrauchs eines Kindes ermittelt werde. Andererseits ist von einvernehmlichem Sex die Rede. Dabei handele es sich um eine schwere Sexualstraftat an einem Kind, was durch die Überschrift bagatellisiert werde. Das etwaige Einverständnis eines Kindes ändere an der Strafbarkeit nichts. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, in dem kritisierten Text gehe es um die verheerende Dynamik des Hörensagens und Weitersagens von Unwahrheiten in sozialen Netzwerken. Alles, was in der Ausgangs-„Nachricht“, einer Facebook-Mitteilung, genannt worden sei, sei ganz und gar unwahr. Im Kern gehe es darum, dass angeblich drei ausländisch aussehende Männer das Kind dreißig Stunden lang festgehalten und vergewaltigt hätten, was nicht stimme. Es gehe zudem um die Instrumentalisierung dieser „Nachricht“, von der am Ende nichts übrig geblieben sei. Auf diesen Kern der Geschichte ziele völlig zu Recht die Überschrift. Dass einvernehmlicher Sex mit Personen unter vierzehn Jahren in Deutschland strafbar ist, stehe auch im Text. Demnach liege ein Verstoß gegen den Kodex nicht vor.

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Junger Mann onanierend im Zug erwischt

Die Online-Ausgabe einer Großstadtzeitung berichtet über einen Mann, der in einem Kleinkind-Zugabteil zwischen Hannover und Göttingen erwischt worden sei. Er habe auf seinem Handy einen Pornofilm angesehen und dabei onaniert. Er sei in dem Abteil allein gewesen und habe dessen Vorhänge zugezogen. Die Zeitung teilt auch mit, dass es sich um einen 22-jährigen Syrer handele, der in Mecklenburg-Vorpommern wohne. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Nennung der Herkunft des Mannes. Die Nationalität spiele keine Rolle für das Verständnis des Tathergangs. Der Beschwerdeführer sieht die Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierungen) verletzt. Durch die Angabe, er sei in einem Kleinkindabteil ertappt worden, werde suggeriert, der Mann habe Kindesmissbrauch betrieben. Erst ganz am Ende des Artikels werde klargestellt, dass das Zugabteil leer und seine Vorhänge zugezogen gewesen seien. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält die Vorwürfe für unbegründet. Intention der Redaktion sei es nicht gewesen, aufzuzeigen, dass einheimische oder nicht einheimische Menschen in der Öffentlichkeit onanieren. Es sei ihr darum gegangen, möglichst umfassende Informationen zu einem Vorgang und dem Beteiligten zu veröffentlichen. Eine Persönlichkeits- oder Menschenrechtsverletzung liege nicht vor. Der Mann werde weder zum Objekt degradiert noch bloßgestellt oder unangemessener Kritik ausgesetzt. Er sei auch nicht zu identifizieren. Aufgabe der Presse sei es, zu informieren. Dieser Zweck solle nicht dadurch unterlaufen werden, indem man die Herkunft verschweige. Der Leser solle sich selbst ein Bild zu einem Vorgang machen können. Die ethnische Herkunft eines Täters in einem konkreten einzelnen Fall zu nennen, sei noch lange keine Verallgemeinerung. Der kritisierte Artikel sei ein Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung. Dies sei – so die Zeitung abschließend – eine der wichtigsten Aufgaben der Presse.

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