Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6657 Entscheidungen

„Meldungslage“ politisch beeinflusst?

Eine Internetzeitung veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „Merkwürdige Meldungslage“. Es geht vor dem Hintergrund der Kölner Silvester-Ereignisse um die „´Meldungslage´ zu kriminellen Handlungen von Ausländern, insbesondere Flüchtlingen“. Die Zeitung stellt die Frage, ob die Nennung bzw. Nichtnennung von Nationalitäten in diesem Zusammenhang politisch motiviert ist. Die Redaktion wisse aus zuverlässiger Quelle, dass insbesondere die Meldungslage zu arabischen, minderjährigen Straftätern beeinflusst worden sei. Was das Thema Kriminalität und Flüchtlinge angehe, so die Zeitung, habe sie sich auch mit Gerüchten auseinandergesetzt, die sie als falsch habe entlarven können. Besonders bei schwerer Kriminalität sei die Polizei kurz angebunden. Von der Staatsanwaltschaft sei kaum etwas zu erfahren. Aus bruchstückhaften Informationen in der Langzeitbeobachtung sei jedoch einiges abzuleiten. Verschiedene Flüchtlingsunterkünfte seien zentraler Umschlagplatz für Drogen und Hehlerware. Gambier seien besonders aktiv beim Verkauf von Drogen. Ein Leser der Internetzeitung kritisiert die Nennung von Ethnien im Zusammenhang mit Straftaten ohne einen begründeten Sachbezug. Er sieht eine Verletzung der Ziffer 12, Richtlinie 12.1, des Pressekodex (Diskriminierungen/Berichterstattung über Straftaten). Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, die Berichterstattung stütze sich auf Pressemitteilungen von Polizei und Staatsanwaltschaft. Er verweist auf einen Beitrag, mit dem seine Zeitung über die Beschwerde berichtet hat. Darin werde mehrfach festgestellt, dass man aus der Nennung der ethnischen Zugehörigkeit von Kriminellen nicht auf die gesamte Ethnie schließen dürfe. Es werde aber ebenso darauf hingewiesen, dass gewisse Herkunftsländer oder ethnische Zugehörigkeiten in speziellen Deliktbereichen auffällig seien. Der Chefredakteur teilt nicht die Ansicht des Beschwerdeführers, wonach Ethnien im Zusammenhang mit Straftaten erwähnt würden, ohne dass ein begründbarer Sachbezug bestehe. Immerhin habe die Polizei in mehreren Flüchtlingsunterkünften eine Großrazzia gegenüber 140 Personen aus Gambia durchgeführt und dabei 20 Haftbefehle vollstreckt.

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Zu positive Darstellung nicht beabsichtigt

Eine Regionalzeitung berichtet online, dass ein Fitness-Studio sein Trainingssystem auf Grund des Wunsches vieler Mitglieder umgestellt habe. Die Inhaberin bekommt die Gelegenheit, das neue Programm ausführlich und ausschließlich positiv darzustellen. Das hält ein Leser der Zeitung für presseethisch bedenklich, weil nach seiner Meinung die Zeitung gegen das Trennungsgebot nach Ziffer 7 des Pressekodex verstoßen hat. Der Beschwerdeführer spricht von einer ausschließlich positiven Darstellung durch die Redaktion ohne jegliche kritische Anmerkung. Der Chefredakteur der Zeitung nimmt zu der Beschwerde Stellung. Eine lesernahe Berichterstattung bedeute auch, über die örtliche Entwicklung unterschiedlicher Branchen und auch einzelner Unternehmen zu informieren. Deshalb habe sich die Redaktion auch in diesem Fall dazu entschlossen, über den Wechsel des Trainingsprogramms in einem Fitness-Studio zu berichten. Die beanstandete Schilderung sei einseitig zugunsten des Studios erfolgt, weil ausschließlich positive Aspekte herausgestellt worden seien. Das sei nicht beabsichtigt gewesen und hätte so nicht veröffentlicht werden dürfen. Aus dem Internet sei der Beitrag unverzüglich entfernt worden. Der Chefredakteur spricht von einem „Ausreißer“ und bittet den Presserat, diesen Umstand bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen.

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Hinweis auf Flüchtlingsstatus nicht zulässig

Unter den Überschriften „Frau zu Hause vergewaltigt“ und „Sexualdelikt in (..)“ berichtet eine Regionalzeitung gedruckt und online über eine Straftat. Eine Frau habe einen Bekannten, Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft, zu sich nach Hause eingeladen. Der Mann habe sich – so berichtet die Zeitung - bei dieser Gelegenheit an der Frau vergangen. Ein Leser der Zeitung sieht in der Berichterstattung eine Vorverurteilung. Außerdem kritisiert er den Hinweis auf den Flüchtlingsstatus des Verdächtigen. Dieser habe mit der Tat nichts zu tun. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, dass die Meldung aufgrund des frühen Ermittlungsstadiums zurückhaltend formuliert worden sei. Sie lasse die Unschuldsvermutung nicht außer Acht. Auch habe die Redaktion nicht die nationale und ethnische Herkunft des Tatverdächtigen genannt, sondern sich auf die Angabe beschränkt, dass der Tatverdächtige Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft sei. Der Autor des Beitrages habe diesen Hinweis für erforderlich gehalten, weil damit das Beziehungsgeflecht zwischen dem Opfer und dem mutmaßlichen Täter beschrieben werde.

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Frauen streiten um alte Klamotten

„Amtsgericht muss sich mit Kleiderstreit beschäftigen“ titelt eine Regionalzeitung. Die Unterzeile lautet: „Bürgermeisterin stellt Anzeige wegen Unterschlagung/Freispruch auf Steuerzahlerkosten“. Drei alte Kleider seien der Grund gewesen, warum die Bürgermeisterin einer Kleinstadt vor Gericht gezogen sei. Sie habe ihre ehemalige Freundin und Ex-Stadträtin wegen Unterschlagung angezeigt. Im Prozess geht es um drei Kleidungsstücke, die die Bürgermeisterin der Ex-Stadträtin vor einigen Jahren überlassen habe. Diese sagt vor Gericht, dass sie die Kleider gar nicht gewollt und sie deshalb entsorgt habe. Nachdem die Freundschaft der beiden Frauen – so die Zeitung – zerbrochen sei, habe die Bürgermeisterin die Sachen wieder zurück haben wollen. Dann habe sie Anzeige wegen Unterschlagung erstattet. Beschwerdeführerin in diesem Fall ist die Bürgermeisterin. Nach deren Meinung verstößt der Artikel massiv gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte). Entgegen aller journalistischen Gepflogenheit werde im Gerichtsbericht mit Klarnamen über eine Verhandlung berichtet, zu der sie als Zeugin bzw. Nebenklägerin geladen gewesen sei. Sie sei zwar als Bürgermeisterin in gewisser Weise eine Person des öffentlichen Lebens, doch sei dieser Gerichtstermin eindeutig ihrer Privatsphäre zuzuordnen. Hinzukomme, dass der Anlass für den Prozess vor ihrer Wahl zur Bürgermeisterin gewesen sei. Die Angeklagte sei lediglich vier Jahre lang Stadträtin gewesen und sei heute eine Privatperson. Der Chefredakteur der Zeitung vertritt die Ansicht, dass für Politiker in einem herausgehobenen Amt andere Regeln als für Privatpersonen gelten. Die Redaktion habe sorgfältig abgewogen, ob es angemessen sei, den Namen der amtierenden Bürgermeisterin zu nennen. Sie sei zu dem Schluss gekommen, dass zumindest im lokalen und regionalen Umfeld von öffentlichem Interesse sei, wenn die Bürgermeisterin einer Stadt einen völlig bedeutungslosen Streit unter ehemaligen Freundinnen vor Gericht austrage und die Justiz für private Scharmützel instrumentalisiere. Die Glaubwürdigkeit der Zeitung hätte wohl sogar Schaden genommen, wenn man den unwürdigen Auftritt der Bürgermeisterin vor Gericht nicht öffentlich gemacht hätte. Der Chefredakteur kann den Vorwurf der Bürgermeisterin, die Lokalzeitung veranstalte eine Kampagne gegen sie, nicht nachvollziehen. Die Lokalredaktion gehe gerade im Fall der Beschwerdeführerin mit aller gebotenen Sorgfalt vor. Angesichts der zahlreichen (erfolglosen) Gegendarstellungsforderungen und regelmäßigen Drohungen mit dem Presserat sei die Redaktion noch mehr sensibilisiert, keine Angriffsflächen zu bieten.

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Werbung für Pflegeprodukte und Hotels

Eine Zeitschrift, deren Schwerpunkte im Bereich Wohnen und Mode liegen, veröffentlicht einen Artikel über Pflegeprodukte eines bestimmten und namentlich genannten Herstellers. Sie werden in Wort und Bild und mit Preisen vorgestellt und als „Kultprodukte“ bezeichnet. In der gleichen Ausgabe erscheint ein Beitrag unter der Überschrift „Mega Citys, Mini-Budget“, der sich mit Kurzurlauben in europäischen Großstädten befasst. Bei jeder Stadt findet sich ein Hinweis auf eine namentlich genannte Hotel-Kette. Die Besitzer der Unterkünfte werden vorgestellt. Hotelmanagern werden drei Fragen gestellt. Diese und die jeweiligen Antworten werden von der Redaktion wiedergegeben. Eine Leserin der Zeitschrift sieht in beiden Veröffentlichungen Schleichwerbung nach Ziffer 7 des Pressekodex. Es könne sich auch jeweils um nicht gekennzeichnete Werbung handeln. Die Rechtsabteilung des Verlages bezeichnet die kritisierten Beiträge als redaktionelle Berichterstattung. Geld sei dafür nicht geflossen. Die Pflegeprodukte eines bestimmten Herstellers seien vorgestellt worden, weil deren Wirkstoffe aufeinander abgestellt seien. Die Rechtsvertretung verweist auf andere Beiträge im gleichen Heft, in denen mehrere Hersteller berücksichtigt worden seien. Im Fall der Hotel-Vorstellung verweist die Zeitschrift auf eine Kooperation des Verlages mit der Hotel-Kette. Sie ist der Ansicht, dass diese Kooperation durch die Art der Präsentation (Einleger in anderer Aufmachung als sonstige Beiträge) eindeutig sei.

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Schleichwerbung im „Prospekt-Check“

Eine Computer-Fachzeitschrift befasst sich online mit dem Angebot einer Kette, die im Bereich Computer, Unterhaltungselektronik und Haushaltswaren etc. unterwegs ist. Der Artikel wird von einem Video begleitet. Hauptthema ist das aktuelle Angebot der Kette. Die Redaktion empfiehlt zwanzig Produkte aus verschiedenen Bereichen. Im Text wird ein Laptop eingehend vorgestellt. Im Video geht es auch um einen Fernseher und einen Wäschetrockner. Im Text und im Video findet der Nutzer Bestell-Links zu den einzelnen Produkten. Ein Leser der Zeitschrift sieht in den Veröffentlichungen einen Fall von Schleichwerbung nach Ziffer 7 des Pressekodex bzw. eine ungekennzeichnete Werbung für den Anbieter. Die Chefredaktion der Zeitschrift teilt mit, dass diese seit Jahren so verfährt. Im Rahmen der Test- und Kaufberatung handele es sich um ein in unterschiedlichen Ausprägungen etabliertes Beitragsformat, den sogenannten „Prospekt-Check“. Im Rahmen dieser Reihe schätze die Redaktion objektiv die Angebote relevanter Marktteilnehmer ein, um den Lesern Orientierung für ihre Kaufentscheidung zu geben. Der Chefredakteur nennt die Namen der Ketten, die regelmäßig mit entsprechenden Angeboten aus dem redaktionsthematischen Umfeld gegenüber den Nutzern in Erscheinung träten. Die Stellungnahme schließt mit dem Hinweis, dass es sich bei der beanstandeten Veröffentlichung also weder um ein von dem Anbieter gekauftes „redaktionelles Special“ handele noch um Schleichwerbung auf Basis von PR-Material der Kette.

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Zeitung verstößt massiv gegen den Opferschutz

Unter der Überschrift „Ihr schuldet den elf Opfern die Wahrheit!“ veröffentlicht die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung eine Bildergalerie, die die Opfer des Zugunglücks von Bad Aibling im Februar 2016 zeigt. Die elf Totdesopfer werden jeweils mit Foto, Vornamen, abgekürztem Nachnamen, Alter und Herkunftsort vorgestellt. Zudem nennt der Beitrag zu jedem der Opfer in einem Satz persönliche Details wie Beruf und Arbeitsstätte, Wohnort, Name des Partners und gegebenenfalls Anzahl der Kinder. Eine Leserin der Zeitung sieht in der Berichterstattung einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte). Fotos und die Nennung privater Informationen verstoßen nach ihrer Meinung gegen Richtlinie 8.2 (Opferschutz). Auch ein Zugunglück mache die Opfer nicht zu Personen des öffentlichen Lebens. Bis auf Ausnahmen drucke die Zeitung die Bilder ohne Fotohinweis ab. Diese stammten vermutlich aus sozialen Netzwerken und seien wohl ohne Genehmigung publiziert worden. Die Bilder mit Fotohinweis sähen aus wie digital abfotografierte Papierbilder. Dies lege den Verdacht nahe, dass der Fotograf „Witwenschütteln“ betrieben habe. Das Zeigen der Opfer solle besondere Betroffenheit heucheln, sei aber letztlich nichts anderes als „Clickbaiting“. Dabei handelt es sich um Inhalte fragwürdiger Art, mit deren Hilfe im Online-Geschäft möglichst viele Klicks erzeugt werden sollen. Die Medienabteilung der Zeitung rechtfertigt die Berichterstattung mit dem Hinweis auf das große bundesweite Informationsinteresse an dem Bad Aiblinger Unglück. Die Berichterstattung auch über grausame Realitäten gehöre zu den Aufgaben der Presse. Sie finde ihre Grenzen im Respekt vor dem Leid der Opfer und den Gefühlen der Hinterbliebenen. Die vom Unglück Betroffenen sollten grundsätzlich durch die Darstellung nicht zum zweiten Mal zu Opfern werden. An diese Grundsätze habe sich die Zeitung gehalten. Die von der Redaktion getroffene Abwägung zwischen den Interessen der Betroffenen sei zugunsten des öffentlichen Interesses und dem Informationsinteresse der Leser ausgegangen. Die Zeitung steht auf dem Standpunkt, sie habe den erforderlichen Opferschutz bei der Veröffentlichung von Opferfotos und bei der Nennung von Details über die Toten eingehalten. Viele Hinterbliebene hätten Traueranzeigen mit Opferfotos veröffentlicht, um dem Leid ein Gesicht zu geben.

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Zeitung zeigt mumifizierten Segler

Unter der Überschrift „Mumifizierter deutscher Segler auf Yacht gefunden“ berichtet die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung über einen Leichenfund in philippinischen Gewässern. Die Redaktion nennt den Vornamen, den abgekürzten Nachnamen und das Alter des Verstorbenen sowie den Vornamen seiner bereits zuvor verstorbenen Frau. Auch der Name des Segelbootes wird erwähnt. Der Artikel ist mehrfach bebildert. Darunter sind zwei Fotos, die den Leichnam zusammengesunken am Kartentisch der Yacht zeigen. Weitere Bilder geben ein Porträt des Verstorbenen und die Ablichtung eines Dokuments einer Äquatorüberschreitung wieder. Darauf sind die Namen des Mannes und seiner Frau eindeutig erkennbar. Ein Leser der Zeitung sieht in der Berichterstattung Verstöße gegen mehrere Grundsätze des Pressekodex. Die Veröffentlichung des Fotos der mumifizierten Leiche des Seglers verletze die Menschenwürde des Verstorbenen nach Ziffer 1. Der Beschwerdeführer kritisiert eine unangemessen sensationelle Darstellung und eine Missachtung des Jugendschutzes nach Ziffer 11 des Pressekodex. Der Presserat erweitert die Beschwerde auf die Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen die Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte). Der Rechtsvertreter der Zeitung sieht die Menschenwürde des Verstorbenen nach Ziffer 1 des Pressekodex durch das beanstandete Foto nicht verletzt. Das Foto des mumifizierten Leichnams zeige den Verstorbenen friedlich sitzend am Kartentisch seiner Yacht. Entstellungen durch den Tod oder eine etwaige Verwesung der Leiche seien nicht erkennbar. Die Bilder hätten rein informativen Charakter. Auch liege kein Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte) vor. Eine Identifizierung des Toten sei durch die Fotos nicht möglich. Der Segler sei vor zwanzig Jahren ausgewandert. Es sei unwahrscheinlich, dass er nach so langer Zeit von Dritten erkannt werde. Die Todesumstände des Mannes seien so ungewöhnlich, dass an Informationen darüber ein hohes öffentliches Interesse bestanden habe. Später hat der Anwalt dem Presserat ergänzend mitgeteilt, dass der Chefredakteur der Zeitung in der Folgeberichterstattung Artikel und Bilder habe bearbeiten lassen. So sei das Bild mit der mumifizierten Leiche verpixelt worden.

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Mumifizierte Leiche als „Kunstwerk“

Eine überregionale Tageszeitung berichtet gedruckt und online unter den Überschriften „Einsamer Segler“ und „Feingefühl unter Wasser“ über einen Leichenfund. Die sterblichen Überreste eines deutschen Seglers waren in mumifiziertem Zustand auf seiner Yacht in philippinischen Gewässern aufgefunden worden. Dem Artikel ist ein Foto beigestellt, auf dem die Leiche – am Kartentisch des Bootes sitzend – zu sehen ist. Die Zeitung berichtet über das Thema unter der Rubrik „Alte Meister“ und interpretiert die Aufnahme von der Leiche als Kunstwerk. Die Redaktion meint, die Haltung des Toten, die bedrohliche Stimmung und die Perspektive erinnerten an das Gemälde „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“ von Francisco de Goya. Über den Verstorbenen schreibt sie, die Mumie heiße Manfred, sei 59 Jahre alt geworden und komme aus dem Ruhrgebiet. Zwei Leser der Zeitung sehen in der Berichterstattung gleich mehrere Verstöße gegen publizistische Grundsätze. Im Text werde der Verstorbene verhöhnt und beleidigt. Es handele sich bei ihm nicht um eine Person des öffentlichen Lebens. Das Bild habe keinen Nachrichtenwert. Die Veröffentlichung sei geeignet, die Hinterbliebenen des Mannes zu traumatisieren. Die im Text angegebenen Details zur Person (Vorname, Alter, Beruf und Herkunft) machten den Segler für das gesamte weitere soziale Umfeld identifizierbar. Nach Auffassung der Beschwerdeführer sei der Umgang der Zeitung mit den Gefühlen der Hinterbliebenen skrupellos und ungeheuerlich. Die Veröffentlichung verletze schließlich den Konsens darüber, dass nicht nur die Würde eines Lebenden, sondern auch die eines Verstorbenen zu respektieren sei. Der Justiziar der Zeitung spricht von einem kunsthistorisch-ikonografischen Duktus, der der Veröffentlichung zugrunde liege. Die Zeitung verzichte bei ihrer Darstellung auf jegliche Form sensationsheischender Berichterstattung. Der Rechtsvertreter widerspricht der Meinung der Beschwerdeführer, dass der tote Segler durch die genannten Details auch für einen mehr oder weniger großen Bekanntenkreis identifizierbar sei. Die Autorin des Beitrages ergänzt die Stellungnahme des Juristen mit dem Hinweis, dass die Redaktion zunächst davon ausgehen musste, dass der Segler schon vor sieben Jahren den Tod gefunden habe. Erst später habe sich herausgestellt, dass der Mann erst kürzlich verstorben sei und die Familie deshalb erst dann von dem Ableben des Seglers erfahren habe. Die Journalistin kann die Verärgerung der Hinterbliebenen nachvollziehen. Der Beitrag sei gelöscht worden.

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„Achtung, verstörender Inhalt!“

Eine Fachzeitschrift, die sich vorrangig mit dem Segel- und Yachtsport beschäftigt, berichtet online unter der Überschrift „Mumifizierte Leiche auf Yacht entdeckt“ über einen deutschen Segler, der in philippinischen Gewässern aufgefunden wurde. Der Mann war während einer Weltumseglung ums Leben gekommen. Die Redaktion nennt den vollständigen Namen und das Alter des Toten. Sie teilt auch mit, dass er vor mehr als zwanzig Jahren gemeinsam mit seiner Frau Claudia aus Deutschland ausgewandert sei. Die Frau sei bei einem ersten Versuch, die Erde zu umsegeln, in Martinique gestorben. Die Zeitschrift zeigt ein Bild des mumifizierten und am Kartentisch seines Bootes sitzenden Leichnams des Seglers. Durch heftige Reaktionen aus der Leserschaft sieht sich die Redaktion zu einer Erklärung veranlasst. Sie stellt die Frage, wie sie einen Mittelweg finden könne zwischen der Informations- und Dokumentationspflicht und dem Schutz der Privatsphäre. Die Redaktion habe Für und Wider sorgfältig abgewogen und sich schließlich für diese Art der Darstellung entschieden. Sie habe an die entsprechende Online-Meldung diesen Hinweis angehängt: „Es existiert ein Bild der verwesten Leiche am Kartentisch. Dieses ist auf der nächsten Seite des Artikels zu sehen. Achtung, verstörender Inhalt!“ Die Redaktion zeige das Foto, jedoch mit einer vorangestellten Warnung. Ein Leser der Zeitschrift widerspricht dieser Erklärung. Das Foto des toten Seglers sei nicht - wie behauptet - erst auf der zweiten Seite der Berichterstattung und nach einem entsprechenden Hinweis veröffentlicht worden. Vielmehr sei es gleich auf der ersten Seite ohne jeglichen Hinweis auf den verstörenden Inhalt erschienen. Überdies – so der Beschwerdeführer – sei die Veröffentlichung des Bildes unangemessen sensationell. In der Stellungnahme der Redaktion heißt es, dass sich eine Mitarbeiterin nicht an die mit der Chefredaktion getroffene Vereinbarung gehalten habe. Schon 16 Minuten nach dem Erscheinen sei der Fehler erkannt und dadurch beseitigt worden, dass das beanstandete Foto auf eine hintere Seite mit dem obengenannten Hinweis gestellt worden sei.

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