Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.
6657 Entscheidungen
Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Elias (6) wurde von Silvio S. missbraucht und stranguliert“ über den Mord an einem kleinen Jungen. Die Ermittler hätten die Leiche des Kindes im Garten des geständigen Täters in einem Paket gefunden. Elias habe das furchtbare Schicksal des kleinen Mohammed geteilt, der ebenfalls von Silvio S. entführt, missbraucht und umgebracht worden sei. Ein Foto im Artikel zeigt die Polizeiabsperrung rund um den Fundort der Leiche. Weitere Bilder zeigen den mutmaßlichen Täter und seine Opfer. Der Beschwerdeführer – ein Leser der Zeitung – stellt fest, der Artikel sei in Wort und Bild an Pietätlosigkeit nicht zu überbieten. Es sei geradezu ekelhaft, dass die Zeitung auch noch stolz von der Exklusivität ihrer Informationen spreche. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist die Vorwürfe zurück. Die Redaktion stelle die Fakten der grausamen Verbrechen an den minderjährigen Opfern sowie das Obduktionsergebnis des kleinen Elias wahrheitsgetreu und unverfälscht dar. Sämtliche Informationen der Berichterstattung entstammten den offiziellen Ermittlungserkenntnissen und Presseinformationen der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Das berichtete Geschehen sei von überragendem öffentlichem Interesse. In der Abwägung zwischen der grundgesetzlich garantierten Informationsfreiheit und dem Anonymitätsinteresse des Täters müsse in einem solchen Fall letzteres zurückstehen. Auch die Abbildung der Opfer sei zulässig. Deren Fotos seien bei der deutschlandweiten Fahndung über Monate hinweg veröffentlicht worden. Den Vorwurf der Pietätlosigkeit weist die Zeitung ebenfalls zurück. Die Berichterstattung habe sich ausschließlich an den Fakten orientiert. Diese ließen eine beschönigende und realitätsverzeichnende Darstellung nicht zu.
Weiterlesen
Drei Mitglieder der Kölner Hooligan-Gruppe „Wilde Horde“ müssen sich vor Gericht verantworten, wie eine Boulevardzeitung gedruckt und online berichtet. Die Männer sind angeklagt, weil sie nach einem Fußballspiel mit drei Autos einen mit Fans der gegnerischen Mannschaft besetzten Bus von der Fahrbahn abdrängten. Auf einem Rastplatz haben sie dann die etwa fünfzig Businsassen mit Stangen, Steinen und einem Betonklotz angegriffen. Die Zeitung berichtet, dass die Angeklagten die Tat zugegeben hätten. Zwei von ihnen drohe eine Verurteilung von bis zu drei Jahren Haft wegen Nötigung. Der dritte Angeklagte sehe einer Verurteilung von bis zu zehn Jahren wegen besonders schweren Landfriedensbruchs entgegen. Die Männer werden von der Zeitung mit Vornamen, abgekürztem Nachnamen, Alter und Beruf genannt. Der Artikel enthält drei Porträtfotos der Angeklagten. Mehrere Beschwerdeführer kritisieren die Berichterstattung, weil sie einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit) zu erkennen glauben. Den Angeklagten werde kein Kapitalverbrechen zur Last gelegt. Die Tat sei über drei Jahre her. Der Abdruck von unverfremdeten Porträt-Fotos widerspreche dem Pressekodex. Der Schutz der Persönlichkeit habe einen höheren Wert als das Interesse der Öffentlichkeit an der identifizierenden Darstellung der beteiligten Personen. Auch eine Resozialisierung werde durch die ungepixelte Darstellung der Betroffenen erschwert. Die Rechtsabteilung der Zeitung erklärt, dass der kritisierte Beitrag die Aburteilung eines der schlimmsten Ausbrüche von Hooligan-Gewalt in der deutschen Fußball-Geschichte schildere. Über den Strafprozess werde jetzt aktuell berichtet. Vor diesem Hintergrund sei der Vorwurf, die Tat liege zu lange zurück, als dass noch über sie berichtet werden dürfe, geradezu absurd. Dem Vorwurf, die Tat sei kein Kapitalverbrechen und deshalb eine identifizierende Berichterstattung per se unzulässig, liege ein grundsätzliches Missverständnis zugrunde. Nach Richtlinie 8.1, Absatz 2, des Pressekodex dürfen Fotos der Beteiligten veröffentlicht werden, wenn das Interesse der Öffentlichkeit im Einzelfall die Interessen von Betroffenen überwiegt. Für ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit spreche, wenn es – wie in diesem Fall - um eine außergewöhnlich schwere Straftat gehe, die in aller Öffentlichkeit verübt worden sei. Es sei falsch, dass der Beitrag die Angeklagten denunziere. Alle drei hätten die Tat zugegeben und umfassende Geständnisse abgelegt.
Weiterlesen
Die Polizei ermittelt gegen einen 31-jährigen Mann wegen Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung. Er befindet sich in U-Haft, berichtet eine Online-Zeitung unter Berufung auf Mitteilungen von Polizei und Staatsanwaltschaft. Nach bisherigen Ermittlungen habe der Verdächtige eine Frau von hinten angegriffen, in ein Gebüsch gezerrt und dort missbraucht. Bei der Haftprüfung soll er widersprüchliche Angaben gemacht haben. Die Zeitung berichtet weiter, bei dem mutmaßlichen Täter handele es sich um einen Asylbewerber aus Marokko. Ein Leser des Blattes sieht in der Berichterstattung einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Ziffer 12 des Pressekodex. Die Nationalität des mutmaßlichen Täters werde genannt, obwohl kein Zusammenhang mit der Tat bestehe. Der Beschwerdeführer weist auf die angespannte Lage durch die Flüchtlingskrise hin. In den Facebook-Kommentaren auf der Website der Zeitung finde sich die entsprechende rechte Hetze. Die Rechtsvertretung der Zeitung beruft sich auf die wahrheitsgemäße Berichterstattung und auf die Polizei als Quelle. Der beanstandete Beitrag enthalte keinerlei diskriminierende Äußerungen gegen marokkanische Staatsbürger oder sonstige ethnische, religiöse, soziale oder nationale Gruppen. Erwähnt werde nur die Staatsangehörigkeit des Tatverdächtigen. Der Anwalt der Zeitung verweist im Übrigen auf den Kommentar von Prof. Horst Pöttker in der „Zeit“. Darin hatte dieser die Abschaffung der Richtlinie 12.1 (Berichterstattung über Straftaten, Nennung der Zugehörigkeit der Täter oder Verdächtigen zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten) gefordert.
Weiterlesen
Eine Programmzeitschrift berichtet über das so genannte Darknet, „die dunkle Seite des Internets“, über das sich Kriminelle mit Drogen, Waffen, gefälschten Pässen etc. austauschen. Eine Leserin sieht in dem Artikel eine Anleitung zur Kriminalität und damit einen Verstoß gegen Ziffer 11 des Pressekodex (Sensationsberichterstattung, Jugendschutz). Die Rechtsvertretung der Zeitschrift widerspricht der Beschwerde und vermag aus ihrer Sicht einen Verstoß gegen presseethische Grundsätze nicht zu erkennen. Der Autor beschreibe sachlich und ausgewogen die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten eines anonymisierten Internet-Netzwerkes, das unter dem Namen „Darknet“ bekannt sei. Im Beitrag werde vor kriminellen Nutzungsmöglichkeiten gewarnt. Diese würden keineswegs verharmlost. Auch werde im Beitrag nicht zur Nutzung des Netzes für kriminelle Aktivitäten aufgerufen. Die im beigestellten Info-Kasten enthaltene „Nutzungsanleitung“ finde man in ähnlicher Form in einer Vielzahl frei zugänglicher Informationsquellen, wie etwa Wikipedia. Personen mit krimineller Energie seien – so die Rechtsvertretung weiter – nicht auf die Berichterstattung in den Medien angewiesen. Sie nutzten andere Kanäle. Mit ihrer Berichterstattung komme die Zeitschrift der Aufgabe der Medien nach, über Hintergründe, Nutzung und Missbrauch von Netzwerken im Internet zu informieren, aufzuklären und zu warnen.
Weiterlesen
Bei einem schrecklichen Autounfall sterben zwei Kinder. Der Vater der beiden wird schwer verletzt. Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung titelt: „Vater (46) rast seine beiden Kinder (4,5) in den Tod“. Ein Polizeisprecher wird mit den Worten zitiert: „Wir ermitteln in alle Richtungen. Auch ein Suizidversuch kann nicht ausgeschlossen werden.“ Der Wagen war von der Straße abgekommen und gegen zwei Bäume geprallt. Der Beitrag ist mit vier Fotos des zerstörten Autos bebildert. In einer Bildunterschrift heißt es: „Der Vater war offenbar mit voller Absicht gegen einen Baum gerast.“ Ein Leser der Zeitung kritisiert die Berichterstattung. Ihn stört vor allem, dass die Redaktion ohne jegliche Belege einen erweiterten Suizid als wahrscheinlich darstelle. Für erweiterte Suizide gelte genauso wie für einfache Selbsttötungen die Wirksamkeit des sogenannten Werther-Effekts. Für den geringen Nachrichtenwert, den diese spekulative und sensationsheischende Berichterstattung habe, werde das Leben von potentiellen Nachahmern gefährdet. Der Beschwerdeführer sieht einen Verstoß gegen den Pressekodex. Die Rechtsvertretung der Zeitung widerspricht der These vom geringen Nachrichtenwert des Berichteten. Es gehe hier um den grauenvollen Fall eines Doppelmordes. Die Staatsanwaltschaft werfe dem Mann „das schlimmste aller denkbaren Verbrechen“ vor, begangen an den eigenen Kindern. Es stehe außer Frage, dass die Zeitung darüber habe berichten dürfen. Von sensationsheischender Berichterstattung könne keine Rede sein. Das überragende Informationsinteresse an dem Unglück belege schon der Umstand, dass sämtliche Medien in der Region – gedruckt und online – darüber berichtet hätten.
Weiterlesen
„Das ist der Kinder-Mörder!“ titelt eine Boulevardzeitung. Im Bericht geht es um den Mord an zwei vier und sechs Jahre alten Jungen. Weiter heißt es auf der Titelseite, Silvio S. (32) habe die abscheulichen Taten gestanden. Er habe den vierjährigen Flüchtlingsjungen Mohammed erdrosselt, weil der „quengelte“, und den sechsjährigen Jungen Elisas ermordet und im Garten vergraben. Der mutmaßliche Täter und die Opfer werden mit Porträtfotos gezeigt. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass der mutmaßliche Täter kurz nach seiner Verhaftung von der Zeitung als „Kinder-Mörder“ bezeichnet worden sei. Sie zeige ihn im Bild und verweise auch auf seinen Wohnort. So schrecklich die Taten seien, so hätten Menschen doch Persönlichkeitsrechte. Die Tatsachenbehauptung „Kinder-Mörder“ greife rechtsstaatlichen Mitteln der Justiz vor. Schließlich habe nur diese das Recht festzustellen, welche Schuld ein Mensch auf sich geladen habe. In der Vorprüfung erweitert der Presserat die Beschwerde auf die Darstellung der Zeitung, soweit es um die Opfer geht. Die Rechtsvertretung des Verlages weist die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet zurück. Im kritisierten Artikel werde die Öffentlichkeit wahrheitsgemäß informiert. Der Täter habe zwei Kinder ermordet. Diese Feststellung sei wahr, und das müsse die Presse beim Namen nennen dürfen. Es sei schlicht falsch, von einem „mutmaßlichen Täter“ zu sprechen, da dieser zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits ein umfassendes Geständnis abgelegt habe. Im Übrigen thematisiere die Zeitung einen der bedeutendsten Kriminalfälle der letzten Jahre, der Gegenstand einer sich über Monate hinziehenden „medialen Fahndung“ gewesen sei. Das berichtete Geschehen sei von überragendem öffentlichem Interesse, das insbesondere an der Veröffentlichung des Fotos des Straftäters bestehe. In der Sache gelte der Täter aufgrund seines Geständnisses als überführt. In der Abwägung zwischen der grundgesetzlich garantierten Informationsfreiheit und dem Anonymitätsinteresse des Täters müsse in einem solchen Fall letzteres zurückstehen. Die Zeitung steht auch auf dem Standpunkt, dass es presseethisch zulässig gewesen sei, die Opfer im Bild zu zeigen. Es handele sich um Fotos, die monatelang in den Medien präsent gewesen seien, um die Fahndung nach dem Täter zu voranzutreiben. Die Veröffentlichung derartiger Fotos auch nach Abschluss der Fahndung könne presseethisch nicht unzulässig sein.
Weiterlesen
Eine Regionalzeitung berichtet über die Wiederwahl des Oberbürgermeisters in einer Stadt des Verbreitungsgebietes. Im Text heißt es, der Vorsitzende einer Ratsfraktion habe den seiner Partei angehörenden OB dafür gelobt, dass dieser während seiner Amtszeit keine Neuverschuldung zugelassen habe. Ein Leser der Zeitung stellt fest, aus seiner Sicht verstoße die Berichterstattung gegen den Pressekodex. Laut Veröffentlichung des Statistischen Landesamtes habe die Verschuldung der Stadt im Jahr 2006 bei rund 60 Millionen Euro gelegen. Bis zum Jahr 2012 (letzte amtliche Veröffentlichung) sei die Verschuldung auf 81 Millionen Euro angestiegen. Die Berichterstattung zeige, dass die verantwortlichen Redaktionsmitglieder keinerlei Interesse an einer korrekten und wahrheitsgemäßen Berichterstattung hätten. Nicht nur im Bund und in den Ländern werde mit der Verschuldungsproblematik handfeste Wählerbeeinflussung zugunsten der eigenen Partei gemacht. Das sei auch in den Kommunen der Fall. Die Redaktion sei sprichwörtlich als „Hofberichterstatter“ unterwegs. Die Zeitung teilt mit, dass es sich bei der beanstandeten Passage um eine Stellungnahme des Fraktionsvorsitzenden handele, was für den Leser klar erkennbar sei. Die Aussagen seien auch nicht unwahr, da sie sich allein auf die Finanzsituation der „Kernstadt“ bezögen. Die Verschuldung der Eigenbetriebe, insbesondere die der Stadtwerke, sei nicht einbezogen. Dabei handele es sich um sogenannte rentierliche Schulden. Aufgrund der aktuell anstehenden Haushaltsplanungen für das kommende Kalenderjahr plane man eine erneute Berichterstattung,. Dann werde die Redaktion der Leserschaft die Thematik und die mit ihr einhergehenden Differenzierungen näher bringen und erklären.
Weiterlesen
„Hier umarmt ein Vater seinen sterbenden Sohn“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Im Bericht geht es um ein Gewaltverbrechen, das in Guatemala-Stadt von einer Drogenbande verübt wurde. Die Bande stieß einen Zwölfjährigen von einer Brücke, weil er dem Befehl, einen Menschen zu töten, nicht nachgekommen war. Der Vater des Jungen durchkämmte die Gegend mit Hilfe eines Suchtrupps und fand schließlich sein schwerverletztes Kind. Zum Beitrag gestellt sind drei Fotos. Zwei davon zeigen, wie der Vater seinen schwerverletzten Sohn im Arm hält. Ein Hubschrauber brachte den Jungen in ein Krankenhaus, wo die Ärzte zwei Wochen lang um sein Leben kämpften. Diese Bemühungen waren letztlich vergebens. Eine Leserin der Zeitung wirft der Redaktion einen Verstoß gegen Ziffer 1 des Pressekodex (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde) vor. Die Zeitung zeige Fotos eines schwerverletzten, sterbenden Kindes. Sie missachte damit die Menschenwürde. Nach Darstellung der Rechtsabteilung der Zeitung achtet die Redaktion immer die Menschenwürde, was auch bei dieser Berichterstattung der Fall gewesen sei. Das kritisierte Foto zeige den Jungen lebend in den Armen seines Vaters. Damit sei er eindeutig nicht zum Objekt herabgewürdigt worden. Die Redaktion habe sorgsam abgewogen zwischen den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen und dem Informationsinteresse der Leser. Diese Abwägung sei zugunsten des Leserinteresses ausgegangen. Für ein starkes Informationsinteresse der Öffentlichkeit spreche das weltweite Aufsehen, dass dieser Fall ausgelöst habe. Hier sei das tragische Einzelschicksal eines Kindes dokumentiert worden, das sein eigenes Leben riskiert habe, um einen anderen Menschen zu retten. Der Fall stehe exemplarisch für die Zustände in Guatemala als einem Land mit einer extrem hohen Kriminalitätsrate. Auf diese Zustände hinzuweisen, gehöre zu den Aufgaben der Presse.
Weiterlesen
Unter der Überschrift „Dreister AfD-Politiker provoziert bei Jauch-Talk mit Deutschland-Fahne“ veröffentlicht die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins eine TV-Kolumne. Darin heißt es: „Justizminister Maas rede wie Honecker, die deutsche Frau habe blond zu sein, der Ausländer vergewaltige oft: Und dann packt AfD-Mann Höcke auch noch die Deutschlandfahne aus.“ Der Beschwerdeführer – ein Leser der Zeitschrift – wirft dieser eine falsche Tatsachenbehauptung vor. Der Kolumnist behaupte, Höcke habe gesagt, eine deutsche Frau habe blond zu sein. Das entspreche nicht der Wahrheit. Diese Aussage sei in der besagten Sendung nicht gefallen. Wörtlich habe Höcke gesagt: „Die Angstträume werden größer, gerade für blonde Frauen.“ Er habe später noch entschuldigend ergänzt: „Natürlich waren auch brünette, rothaarige und schwarzhaarige gemeint.“ Der Beschwerdeführer stellt weiter fest, die Deutschlandfahne sei keine Provokation, sondern ein Hoheitszeichen. Der Presserat beschränkt die Beschwerde auf ein mögliches falsches Zitieren. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe stellt fest, bei der kritisierten Kolumne handele es sich um einen Meinungsbeitrag. Da erwarte der Leser nicht die präzise Wiedergabe eines Geschehens, sondern eine wertende Einordnung. Daher sei es völlig in Ordnung, wenn die Autorin sich nicht nur mit dem auseinandersetze, was AfD-Politiker Höcke wörtlich gesagt habe, sondern damit, was er durch die Gesamtheit seiner Aussagen und seines Auftritts transportiert habe. Wenn jemand wie Björn Höcke von größer werdenden Angstträumen „gerade für blonde Frauen“ spreche, während er ein Deutschlandfähnchen auf seine Sessellehne hänge, dann sei klar, dass er sich nicht um blonde Migrantinnen sorge. Die Haarfarbe werde hier als Chiffre für die nationale Zugehörigkeit verwendet. Die Formulierung im Text sei eine Zuspitzung, als solche aber auch erkennbar. Hier werde ersichtlich nicht wörtlich wiedergegeben, was Höcke gesagt habe, sondern wie die Autorin ihn aufgrund seines gesamten Auftritts sehe. Für solche Meinungen müsse Platz sein. Dies vor allem im Zusammenhang mit Politikern, die selbst polemisch agierten.
Weiterlesen
„Wer ist der Galgen-Träger von der Pegida-Demo?“ titelt eine Boulevardzeitung gedruckt und online. Es geht um einen Mann, der bei einer Demonstration einen Galgen mit sich geführt hat, an dem zwei Stricke hingen, „reserviert“ für Angela Merkel und Sigmar Gabriel. Die Zeitung habe nach eigenem Bekunden den als „Bernd A. (39)“ bezeichneten Werkzeughändler aus einem Ort rund 100 Kilometer von Dresden entfernt gefunden. Er werde inzwischen auch vom Staatsschutz wegen „Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten“ und „öffentlicher Aufforderung zu Straftaten“ gesucht. Die Zeitung berichtet, sie habe den Mann in einer Erdgeschosswohnung in einem heruntergekommenen Mehrfamilienhaus ausfindig gemacht. Ihr Reporter habe mit dem Mann gesprochen, der sagt, dass er den Galgen in seiner Werkstatt zusammengebastelt habe. Er berichte von zahlreichen positiven Reaktionen und bestehe darauf, dass es sich bei seiner Aktion nur um Satire und schwarzen Humor gehandelt habe. Er wolle nicht, dass Merkel und Gabriel etwas passiere. Die Polizei habe sich noch nicht bei ihm gemeldet. Er habe nichts gegen Ausländer, doch auf seinem öffentlichen Facebook-Profil habe er unter anderem „Deutsches Reich“ und „Wehrmacht/Waffen-SS/Luftwaffe“ mit „Gefällt mir“ angeklickt. Der Mann bekennt, dass er Lutz Bachmann, den Pegida-Chef, möge. Vor kurzem habe er noch Kommentare wie etwa „Ferkel muss weg“ veröffentlicht. Zum Artikel gestellt sind drei Fotos. Zwei zeigen den Mann, an die Tür seiner Wohnung gelehnt. Es sind heimlich gemachte Fotos, wie sich später herausstellen wird. Das dritte Bild zeigt ihn mit Galgen bei der Demonstration. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass die Zeitung den Mann unverpixelt an seiner Haustür zeige. Ein Teil der Wohnung sei zu erkennen. Dass der Pegida-Demonstrant einen symbolischen Galgen für Merkel und Gabriel mitgeführt habe, rechtfertige nicht den Eingriff in seine Privatsphäre. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe der Zeitung hält es nicht nur für gerechtfertigt, sondern für eine journalistische Pflicht, exponierte Persönlichkeiten der Pegida-Bewegung auszuleuchten. Es wäre grundfalsch, sich bei der Berichterstattung auf das Umfeld zu beschränken, das Pegida-Leute sich selbst für ihre Hetze und Propaganda wählten. Nach dem Grundgesetz sei in Deutschland die Todesstrafe abgeschafft. Wer diese durch Worte oder Symbole trotzdem fordere, der begebe sich in eine rechtliche Grauzone. Er mache sich selbst – besonders vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte – wissentlich und willentlich zu einer zeitgeschichtlich relevanten Person und zum Gegenstand intensiver Berichterstattung. Er gebe sich als jemand zu erkennen, der den Staat als Feind betrachte und dessen gewählte Repräsentanten gern beseitigt sehen würde. Bernd A. habe dem Reporter vor seiner Haustür erklärt, der von ihm präsentierte Galgen sei ein Symbol für den „Volksverrat“ deutscher Politiker. Er bediene sich dabei eindeutig einer Diktion aus dem Dritten Reich - so der Chefredakteur, der die Berichterstattung für zulässig und sogar erforderlich hält.
Weiterlesen