„Sterbendes“ Kind im Bild gezeigt
Zwölfjähriger getötet, weil er einen Mordbefehl verweigerte
„Hier umarmt ein Vater seinen sterbenden Sohn“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Im Bericht geht es um ein Gewaltverbrechen, das in Guatemala-Stadt von einer Drogenbande verübt wurde. Die Bande stieß einen Zwölfjährigen von einer Brücke, weil er dem Befehl, einen Menschen zu töten, nicht nachgekommen war. Der Vater des Jungen durchkämmte die Gegend mit Hilfe eines Suchtrupps und fand schließlich sein schwerverletztes Kind. Zum Beitrag gestellt sind drei Fotos. Zwei davon zeigen, wie der Vater seinen schwerverletzten Sohn im Arm hält. Ein Hubschrauber brachte den Jungen in ein Krankenhaus, wo die Ärzte zwei Wochen lang um sein Leben kämpften. Diese Bemühungen waren letztlich vergebens. Eine Leserin der Zeitung wirft der Redaktion einen Verstoß gegen Ziffer 1 des Pressekodex (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde) vor. Die Zeitung zeige Fotos eines schwerverletzten, sterbenden Kindes. Sie missachte damit die Menschenwürde. Nach Darstellung der Rechtsabteilung der Zeitung achtet die Redaktion immer die Menschenwürde, was auch bei dieser Berichterstattung der Fall gewesen sei. Das kritisierte Foto zeige den Jungen lebend in den Armen seines Vaters. Damit sei er eindeutig nicht zum Objekt herabgewürdigt worden. Die Redaktion habe sorgsam abgewogen zwischen den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen und dem Informationsinteresse der Leser. Diese Abwägung sei zugunsten des Leserinteresses ausgegangen. Für ein starkes Informationsinteresse der Öffentlichkeit spreche das weltweite Aufsehen, dass dieser Fall ausgelöst habe. Hier sei das tragische Einzelschicksal eines Kindes dokumentiert worden, das sein eigenes Leben riskiert habe, um einen anderen Menschen zu retten. Der Fall stehe exemplarisch für die Zustände in Guatemala als einem Land mit einer extrem hohen Kriminalitätsrate. Auf diese Zustände hinzuweisen, gehöre zu den Aufgaben der Presse.