Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6657 Entscheidungen
Die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins berichtet unter der Überschrift „In Israel knutschen Juden und Araber gegen ein Schulbuchverbot“ über eine „Kussaktion“. Es geht um das angebliche Verbot eines Schulbuches, in dessen Mittelpunkt die Liebesbeziehung zwischen einer Jüdin und einem Palästinenser stehe. Ein Leser der Zeitschrift teilt mit, dass das Buch an den Schulen nicht verboten worden sei. In Wahrheit sei es lediglich nicht in eine Lektüreliste für Abiturienten aufgenommen worden, die sich verstärkt mit Literatur beschäftigten. Das Buch könne problemlos an israelischen Schulen behandelt werden. Das Justiziariat des Nachrichtenmagazins teilt mit, das fragliche Buch sei zunächst von einem Expertenausschuss ausdrücklich für den Unterricht empfohlen, dann jedoch vom israelischen Unterrichtsministerium aus dem Lehrplan verbannt worden. Die Nichtzulassung des Buches habe in Israel zu Protestaktionen geführt. Das Ministerium habe dazu mitgeteilt, dass das Buch „lediglich nicht in die Lektüreliste für Abiturienten aufgenommen worden sei, die sich verstärkt mit Literatur beschäftigen.“ Die „Jüdische Allgemeine“ habe zu den Äußerungen des Ministeriums geschrieben: „In einer anderen Mitteilung heißt es, das Buch könne in alternativem Rahmen an Schulen behandelt werden.“ Dies gebe der Beschwerdeführer verkürzt mit „problemlos an Schulen behandelt werden“ wieder, wohl ahnend, dass sich hinter dem „alternativen Rahmen“ vermutlich Fragen ergäben. Hier stelle sich die Frage, ob eine Nichtzulassung einem Verbot gleichkomme. Der Artikel habe den Streitfall aufgegriffen und der Kritik an der Nichtzulassung/des Verbotes des Buches Raum gegeben. Wie auch immer man die Berechtigung der semantischen Kritik an dem Begriff „Verbot“ in der Überschrift beurteile: Dies sei kein Grund für eine Sanktion des Presserats, sondern einfach Ausdruck der Pluralität und des stets möglichen unterschiedlichen Blicks auf die Dinge.
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„Verdächtiger verhaftet – er ist erst 15!“ – so überschreibt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung einen Bericht über die Festnahme des letzten von vier Verdächtigen, denen die Vergewaltigung von zwei Mädchen vorgeworfen wird. Der erste Satz im Bericht lautet: „Jetzt haben sie alle Täter.“ Die Zeitung schreibt, dass es sich bei den Festgenommenen um einen anerkannten 21-jährigen Flüchtling, seinen 15-jährigen Bruder, der Asyl beantragt habe, und um zwei 14-Jährige handele, die in den Niederlanden und in der Schweiz lebten. Ein Leser der Zeitung sieht in der Bezeichnung der Festgenommenen als „Täter“ eine Vorverurteilung. Der Presserat erweitert die Beschwerde auf Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierung). Die Rechtsabteilung der Zeitung weist den Vorwurf zurück, gegen presseethische Grundsätze verstoßen zu haben. Nationalitäten und Aufenthaltsstatus der mutmaßlichen Vergewaltiger seien im Fließtext sachlich-neutral erwähnt worden. Der Justiziar hält es sogar für geboten, die Nationalität zu erwähnen. Es gehöre zur Aufgabe der Medien, die Bevölkerung umfassend zu informieren.
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Eine Regionalzeitung berichtet online, ein 25-jähriger Mann aus Nordafrika sei festgenommen worden, der mit dem sogenannten Antänzer-Trick einem 29-jährigen Passanten die Geldbörse gestohlen haben soll. Der Nordafrikaner sei in Polizeigewahrsam. Eine Leserin der Zeitung kritisiert, diese Art der Berichterstattung fördere einen latenten Rassismus in der Gesellschaft. Nationalitäten würden genannt, um Vorurteile zu schüren. Der Chefredakteur hält die Beschwerde angesichts des aktuellen gesellschaftlichen Umfeldes sowie der Diskussion über die Rolle der Medien in diesem Zusammenhang für offensichtlich unbegründet. Die Herkunft des Täters sei hier selbstverständlich relevant. Sie zu veröffentlichen, sei keine Frage von Diskriminierung sondern von Wahrhaftigkeit.
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Ein am Verlagsort ansässiges Unternehmen, das Zangen produziert, ist Thema in der Online-Ausgabe einer Regionalzeitung. Überschrift: „Innovative Zangen packen besser zu“. Ein Leser der Zeitung ist mit der Veröffentlichung nicht einverstanden, weil er darin eine Schleichwerbung sieht. Der Text des Beitrages wirke, als wäre er einem Werbeprospekt entnommen. Der Chefredakteur teilt mit, dass der kritisierte Artikel im Rahmen einer 30-teiligen Serie über heimische und von der Zeitung als „Weltmarktführer“ bezeichnete Firmen erschienen sei. In dieser Folge befasse sich die Zeitung mit einem in der Region ansässigen Unternehmen, das sich durch Innovation, Erfindergeist und Produktqualität von der Mehrheit der Betriebe abhebe. Zumindest im Verbreitungsgebiet der Zeitung verfüge das Unternehmen über klare Alleinstellungsmerkmale. Die Veröffentlichung gehe nicht über ein öffentliches Interesse bzw. das Informationsinteresse der Leser hinaus. Die Darstellung sei auch nicht als übertrieben werblich anzusehen und auch nicht bezahlt worden. Seine Zeitung – so der Chefredakteur abschließend – habe über einen Betrieb berichtet, der ein herausragendes Beispiel für modernen, erfolgreichen Unternehmergeist am Standort darstelle und in der Stadt für sein vielfaches gesellschaftliches Engagement mit teils erheblichen Summen für vielfältige Projekte bekannt sei.
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Eine Lokalzeitung veröffentlicht online einen Beitrag unter der Überschrift „Räuber in einer Tankstelle in (…) eingesperrt“. Ein 18 Jahre alter Asylbewerber aus dem Irak – so die Zeitung – sei wegen räuberischer Erpressung von der Polizei festgenommen worden. Der Mann habe von einer Angestellten Geld gefordert. Als diese ihm nichts geben wollte, habe der 18-Jährige mit einer Eisenkette auf den Tresen geschlagen. Die Angestellte sei in einen Nebenraum geflüchtet, habe von dort aus die Außentür verriegelt und die Polizei verständigt. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Zeitung, weil sie die ethnische Herkunft des Täters genannt und damit gegen Ziffer 12, Richtlinie 12.1, des Pressekodex verstoßen habe. Der Leiter der Onlineredaktion vertritt die Ansicht, dass es im Interesse der Glaubwürdigkeit der Zeitung notwendig sei, die Herkunft des Straftäters zu nennen. Die Tat habe sich an einer stark frequentierten Tankstelle im Zentrum des Verlagsortes ereignet. Der Pächter, seine Mitarbeiter und auch andere Kunden hätten gewusst, dass es sich bei dem Täter um einen Asylbewerber gehandelt habe. Die Nachricht habe sich schnell in der Stadt verbreitet. Der Tankstellen-Pächter habe ein Video von dem Überfall auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht. Hätte die Zeitung als führendes lokales Medium die Herkunft des Täters verschwiegen, hätte man ihr zu Recht den Vorwurf machen können, sie verschweige bewusst Straftaten von Flüchtlingen. Der Redaktionsleiter schließt seine Stellungnahme mit dem Hinweis, der Tankstellen-Überfall habe sich auf dem Höhepunkt der bundesweiten Diskussion über die Ereignisse in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof ereignet. Gerade die durch die Kölner Ereignisse entfachte Diskussion stelle nach Auffassung der Zeitung einen „begründbaren Sachbezug“ im Sinne von Richtlinie 12.1 dar.
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„Mann stößt Frau vor U-Bahn – Verdächtiger kommt in psychiatrische Klinik“ und „Mann stößt 20-Jährige mit Anlauf vor U-Bahn“ – unter diesen Überschriften berichtet eine überregionale Zeitung gedruckt und online an zwei Tagen über ein Verbrechen in einem Berliner U-Bahnhof. Zeugen hätten den Mann festgehalten und der Polizei übergeben. Einem Gutachten zufolge gebe es – so die Zeitung weiter – Anzeichen für eine erheblich geminderte bis aufgehobene Schuldfähigkeit. Deshalb sei er in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht worden. Über den Mann berichtet die Zeitung, dass er 28 Jahre alt und in Hamburg geborener Iraner sei. Laut Staatsanwaltschaft habe er vor 15 Jahren eine „erhebliche Straftat“ begangen. In jüngster Zeit habe es mehrere Verfahren gegen ihn gegeben. Er habe unter Betreuung gestanden. Ein Leser der Zeitung sieht Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierungen) verletzt. Es sei nicht erkennbar, inwiefern die Erwähnung der iranischen Staatsangehörigkeit des vor 28 Jahren in Deutschland Geborenen für das Verständnis der Tat oder ihre Hintergründe hilfreich sein könnte. Die Rechtsabteilung des Verlages widerspricht dem Vorwurf. Bei der Erwähnung der Herkunft des Täters handele es sich nicht um eine unreflektierte Übernahme einer polizeilichen Mitteilung, sondern um das Ergebnis praktizierter redaktioneller Sorgfalt. Generell sehe sich die Presse seit den Ereignissen der Kölner Silvesternacht in einem Spannungsfeld: Einerseits die Anforderungen des Pressekodex (keine Nennung ethnischer Hintergründe). Andererseits die immer stärkere Kritik aus der Bevölkerung, wenn vermeintlich interessierende ethnisch/politische Hintergründe Verdächtiger nicht erwähnt werden. Natürlich habe sich auch die Redaktion dieser Zeitung Gedanken gemacht, um für die Nach-Köln-Berichterstattung eine Lösung zu finden, die ihrem eigenen Grundverständnis entspreche und die die Vorgaben des Pressekodex einhalte. Das Ergebnis: Jeder Einzelfall werde gesondert bewertet. Bei schweren Gewalttaten bestehe lediglich die Tendenz, den Hintergrund des Verdächtigen zu nennen. Im vorliegenden Fall – so die Rechtsvertretung weiter – sei die Redaktion nach sorgfältiger Abwägung zu dem Schluss gekommen, dass man kodex-konform über die Nationalität des Verdächtigen berichten könne.
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„Fahrgäste retten Frau im Regionalexpress vor sexuellem Übergriff“ – so überschreibt die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung einen Bericht, demzufolge eine Frau auf der Zug-Toilette von einem Mann aus Südosteuropa bedrängt worden sei. Die Zeitung schreibt: „Der Zuwanderer lebte im Raum Dortmund, sein aufenthaltsrechtlicher Status wird zurzeit geklärt.“ Zwei Beschwerdeführer stehen auf dem Standpunkt, die Zeitung habe gegen Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierung) verstoßen. Die Nennung der Herkunft des Mannes habe genauso wenig etwas mit der Tat zu tun, wie sein ungeklärter Aufenthaltsstatus. Der Redaktionsleiter verteidigt die Nennung von Herkunft und Status. Es handele sich nicht um eine Straftat, für die es Dutzende von Beispielen gebe. Es sei also gerechtfertigt, die Herkunft zu nennen. Seit den Ereignissen in der Silvesternacht in Köln und anderswo sei es klar, dass es zwischen sexuell motivierten Straftaten und der Herkunft der Täter einen begründbaren Sachbezug geben könne. Der Einwand, der Täter komme nicht aus Nordafrika, sondern aus Südosteuropa, ziehe nicht. Er verweise nämlich nur auf die Tatsache, dass das bislang veröffentlichte Wissen über Täter und Hintergründe von Straftaten lückenhafter ist als es der Gesamtgesellschaft bewusst sei.
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Unter dem Titel „Mit der Kraft der Natur abnehmen“ veröffentlicht eine Programm-Zeitschrift ein Interview mit dem Inhaber eines Unternehmens, das ein Mittel zum Abnehmen herstellt. Der Interview-Partner erhält im Verlauf des Gesprächs die Gelegenheit, sein Produkt und seine Wirkungsweise ausführlich und positiv zu beschreiben. Am Ende der Berichterstattung ist ein Produktfoto abgedruckt. Ein Leser der Zeitschrift sieht Ziffer 7 des Pressekodex (Trennung von Werbung und Redaktion) verletzt. Er vermutet, dass die Veröffentlichung bezahlt worden sei. Sie enthalte anpreisende Formulierungen. Mit der Aufmachung als Interview und den Fragestellungen werde eine nicht gegebene neutrale bzw. kritische Berichterstattung suggeriert. Dem widerspricht die Rechtsvertretung der Zeitschrift. Sie bezeichnet die an den Firmenchef gestellten Fragen als kritisch und objektiv. Die Antworten seien so übernommen worden, wie der Gesprächspartner sie gegeben habe. Die Veröffentlichung sei unter Wahrung der redaktionellen Unabhängigkeit erfolgt. Der Beitrag sei nicht bezahlt worden. Auch seien sonstige Vermögensvorteile nicht gewährt worden. Die Äußerungen hätten bei den Lesern keine Werbewirkung, da sie wüssten, dass diese von einem Firmenchef und nicht von der Stiftung Warentest stammten. Selbstverständlich müssten auch Interviews mit Firmenchefs möglich sein. Der kritisierte Beitrag enthalte weder werbliche Botschaften noch andere Werbeelemente. Das Produktfoto sei abgedruckt worden, damit der Leser wisse, von welchem Abnehm-Mittel in dem Interview die Rede sei.
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In einer Regionalzeitung erscheint unter dem Leit-Thema „Das geschah 2009“ aus Anlass des Jubiläums des 150-jährigen Bestehens der Zeitung eine Jahreschronik. Unter der Zwischenüberschrift „Regional“ erwähnt die Redaktion, dass 2009 ein damals 38-jähriger – im Bericht namentlich genannter - Mann seine Ehefrau (46) und seine Tochter (7) mit mehr als 150 Messerstichen getötet habe. Der Mann sei zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der verurteilte Täter ist in diesem Fall der Beschwerdeführer. Er hält die Berichterstattung mit dem Pressekodex nicht vereinbar. Die Erwähnung seines Namens wirke sich negativ auf sein Fortkommen im Rahmen seiner derzeitigen, bereits sehr weit fortgeschrittenen Resozialisierung aus. Der Chefredakteur Online der Zeitung nimmt zu der Beschwerde Stellung. Der Mord an Frau und Tochter sei einer der aufsehenerregendsten in der Geschichte der Region gewesen. Viele Menschen in der Stadt und in ihrem Umkreis verbänden mit dem Namen des Mannes die Morde von 2009. Die Taten seien als Teil der regionalen Zeitgeschichte anzusehen. Die Behauptung des Beschwerdeführers, seine Resozialisierung sei „bereits sehr weit fortgeschritten“, kommentiert der Chefredakteur mit dem Hinweis, dass sich der Mann nach wie vor im geschlossenen Vollzug befinde.
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„Bad Aibling – Video zeigt schockierende Szenen nach der Kollision“ überschreibt eine Boulevardzeitung online ihren Bericht über die Filmaufnahmen eines Augenzeugen von der Eisenbahnkollision im Februar 2016. Dieser saß in einem der beiden Züge und hat unmittelbar nach dem Zusammenstoß mit seiner Kamera ein Video gedreht. „Menschen liegen verletzt am Boden des Zuges, man hört schmerzerfülltes Wimmern und blickt in schockierte Gesichter“ – so beschreibt die Redaktion den Video-Inhalt. Sie stellt ihren Lesern den Film zur Verfügung und weist ihnen den Weg, um ihn auf Youtube anzuschauen. Er ist 8:37 Minuten lang; als Quelle gibt die Redaktion „Marcello Collio“ an. Der Beschwerdeführer – ein Leser der Zeitung – sieht mehrere Ziffern des Pressekodex verletzt. Es sei nicht in Ordnung, verletzte und hilflose Menschen unverpixelt in einem öffentlich zugänglichen Medium zu präsentieren. Der Leiter der Online-Ausgabe berichtet von einer intensiven Diskussion, die der Veröffentlichung in der Redaktion vorangegangen sei. Eine Rolle habe dabei gespielt, dass die Tagesschau schon am Unglückstag eine Sequenz aus dem Video ausgestrahlt habe. Letztlich habe sich die Redaktion trotz vieler Bedenken zur Veröffentlichung entschlossen. Es sei ihr darum gegangen, das außerordentliche Ereignis – das schwerste Eisenbahnunglück in Deutschland seit vierzig Jahren – rational greifbar zu machen. Die Redaktion habe das Video nicht einfach ins Netz gestellt, sondern mit einem einordnenden Text versehen. Der Film könne zudem nur durch aktives Vorgehen des Nutzers gestartet werden. Es liege an ihm, ob er das Video sehen wolle oder nicht.
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