Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel
Chefredakteur rechtfertigt Nennung von ethnischer Herkunft
In einer Großstadt wird eine Frau überfallen. Zwei algerische Asylbewerber ziehen die 30-Jährige hinter einer Gaststätte in ein Gebüsch. Einer der Angreifer schlägt der Frau ins Gesicht und verletzt sie. Es gelingt dem Opfer, per Handy die Polizei zu alarmieren. Daraufhin lassen die Männer von ihr ab und flüchten. Sie werden kurz darauf im Eingangsbereich der Landeserstaufnahmestelle (LEA) festgenommen. Die örtliche Zeitung berichtet über den Fall und nennt die ethnische Herkunft der Täter und deren Aufenthaltsstatus. Der Autor teilt am Ende seines Beitrages mit, dass es in der Stadt in letzter Zeit mehrfach zu Übergriffen auf Frauen gekommen sei. Eine Leserin der Zeitung wirft dieser vor, ohne begründbaren Sachbezug die Täter als algerische Asylbewerber zu bezeichnen. Die abschließende Anmerkung im Bericht suggeriere, dass auch für weitere Attacken auf Frauen Asylbewerber verantwortlich seien. Diese Passage sei geeignet, Vorurteile gegenüber Flüchtlingen zu schüren. Außerdem würden die jetzt Festgenommenen als Täter bezeichnet, obwohl sie bislang nur als Beschuldigte zu gelten hätten. Der Herausgeber und Chefredakteur der Zeitung hält den Sachbezug für gegeben und rechtfertigt damit die Art der Berichterstattung. Der Angriff, bei dem die Frau verletzt wurde, habe direkt neben der Landeserstaufnahmestelle (LEA) stattgefunden. Hier seien massive Sicherheitsinteressen von Frauen berührt. Zeugen stützten die Aussage, dass es sich bei den Tätern um Asylbewerber aus diesem Bereich handele. Ende Juli 2015 sei im direkten Umfeld der LEA eine junge Frau von einem nordafrikanischen Asylbewerber vergewaltigt worden. Damals habe die Polizei wegen einer möglichen öffentlichen Debatte den Fall verschwiegen, was wiederum in der Öffentlichkeit Unmut ausgelöst habe. Das Thema Sicherheit vor allem im Hinblick auf Frauen – so der Chefredakteur weiter – werde in der Stadt angesichts von mittlerweile 5.000 Flüchtlingen massiv diskutiert. Um sich nicht dem Vorwurf der Nachrichtenunterdrückung auszusetzen, müsse die Zeitung die Hintergründe nennen. Sonst bestehe die Gefahr, massiv an Glaubwürdigkeit zu verlieren, zumal das Internet dem Leser den Zugriff auf die Originalmitteilungen der Sicherheitsbehörden ermögliche. Die Nennung des Täterhintergrundes sei keine Diskriminierung. Es gehe vielmehr um einen wichtigen Beitrag zur Meinungsbildung in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage.