Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6657 Entscheidungen
„Mann metzelt Mutter vor den Augen der Kinder nieder“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Es geht im Bericht um ein Gewaltverbrechen. Ein Mann hat versucht, seine Frau zu erstechen. Im Beitrag heißt es: „Die beiden Kinder des syrischen Paares sollen die Bluttat mit angesehen haben.“ Eine Leserin der Zeitung sieht die Ziffer 12 (Diskriminierungen) des Pressekodex verletzt. Die Chefredaktion beruft sich wegen der Nennung der Herkunft des Ehepaares auf eine Mitteilung der Polizei. Die Information sei auch nicht in der Überschrift hervorgehoben, sondern eher versteckt in einer Bildunterschrift mitgeteilt worden. Die Redaktion erachtet die zurückhaltende Erwähnung der Nationalität des Paares insofern für relevant, als die Familie höchstwahrscheinlich durch den Krieg in ihrem Heimatland stark traumatisiert und nach der Flucht psychisch beeinträchtigt gewesen sei. Der Chefredakteur sieht durch die Erwähnung keine Gefahr der Diskriminierung aller Syrer. Es sei klar, dass hier über ein individuelles Fehlverhalten berichtet worden sei.
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Die Polizei warnt vor aggressiven Bettlern. Darüber berichtet die örtliche Zeitung. Geschildert wird ein Vorfall. „Sechs Rumänen eines Familienclans…“ heißt es im Beitrag. „Die Polizei kontrollierte die Bettler und stellte fest, dass alle Personen aus der gleichen Ortschaft in Rumänien stammten. Sie sind alle bereits polizeibekannt, teilweise auch wegen Betrugs oder Diebstahls.“ Zwei Beschwerdeführer sehen kein begründetes öffentliches Interesse, die Herkunft der Bettler zu nennen. Die Zeitung erwecke den Eindruck, dass bettelende Rumänen Diebe und Betrüger seien. Es handele sich jedoch um Einzelfälle. Der Artikel verbreite einseitig Hetze gegen Bettler. Nur weil bedürftige Menschen organisiert umherreisen und betteln, werde eine Notlage nicht vorgetäuscht. Bettelnde Familien pauschal als Familienclans herabzuwürdigen, sei rassistisch. Außerdem erwecke die Zeitung unterschwellig den Eindruck, dass es sich bei den Bettlern um Roma-Angehörige handele.
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Ein Mann hat mutmaßlich beim Joggen an einem See Frauen begrapscht. Eine Regionalzeitung berichtet über den darauf folgenden Prozess. Eine Passage aus dem Beitrag: „Der gebürtige Rumäne schaut verschämt drein und stammelt in schlechtem Deutsch Worte der Entschuldigung – keine der Frauen antwortet ihm, einige wirken, als könnten sie es nicht fassen, dass dieses Häuflein Elend so demütigen konnte. Er habe damals viel getrunken, sagt der Angeklagte, mittlerweile trinke er nicht mehr. Seine Eltern seien aus Rumänien zu ihm gezogen und hätten ihn nun im Blick.“ Der Prozess gegen den Mann endet wegen tätlicher Beleidigung mit einer achtmonatigen Bewährungsstrafe. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass diese den Angeklagten als gebürtigen Rumänen bezeichne. An der Nennung der Herkunft gebe es kein begründetes öffentliches Interesse. Der Chefredakteur der Zeitung nimmt zu den Vorwürfen Stellung. Regelmäßig habe die Redaktion über Tätlichkeiten gegenüber Frauen berichtet. Die Personenbeschreibungen seien oft stark voneinander abgewichen. Dies unter anderem deshalb, weil hinsichtlich der mutmaßlichen Nationalität des Täters höchst unterschiedliche Angaben gemacht worden seien. Mehrmals seien Asylbewerber und Muslime unter Generalverdacht geraten. Vor diesem Hintergrund habe es die Autorin für richtig gehalten, klarzustellen, dass der mutmaßliche Täter nicht nordafrikanischer Herkunft oder/und Asylbewerber sei, sondern aus einem EU-Land stamme. Der Bericht habe auf eine gute Sozialprognose hindeuten sollen. Keinesfalls habe die Autorin auf eine diskriminierende Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens abgezielt. Aus Sicht des Chefredakteurs hätte es rückblickend wohl nicht der konkreten Nennung der Nationalität des Täters sowie des Herkunftslandes seiner Eltern bedurft. Es wäre ausreichend gewesen, allgemein auf eine Herkunft aus Osteuropa zu verweisen. Sollte ein diskriminierender Eindruck entstanden sein, bedauere die Chefredaktion dies außerordentlich und nehme es zum Anlass, in vergleichbaren Fällen eine höhere Sensibilität walten zu lassen.
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Eine Auseinandersetzung in einem städtischen Bus ist Gegenstand der Berichterstattung in der Online-Ausgabe einer überregionalen Zeitung. Überschrift: „Streit um laute Musik im Bus – Fahrgast sticht plötzlich zu“. Ein Mann sei lebensgefährlich verletzt worden, nachdem ihn ein anderer Fahrgast niedergestochen hatte. Der Grund sei zu laute Musik gewesen Die Zeitung schreibt: „Nun hat die Polizei einen 16-jährigen Deutsch-Afghanen festgenommen.“ Ein Leser der Zeitung kritisiert die Nennung der Herkunft des mutmaßlichen Angreifers. Er sieht Ziffer 12, Richtlinie 12.1, des Pressekodex (Diskriminierungen bzw. Berichterstattung über Straftaten) verletzt. Ein begründetes öffentliches Interesse dafür, die Herkunft zu nennen, bestehe nicht. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe verweist auf die Lügenpresse-Debatte nach den Ereignissen der Kölner Silvesternacht. Wegen der Tragweite des Messerangriffs – für das Opfer habe Lebensgefahr bestanden – habe sich die Redaktion dazu entschlossen, die Information der Polizei über die Herkunft des Täters zu übernehmen. Aus beiden Gründen habe dazu ein öffentliches Interesse bestanden.
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Eine Regionalzeitung veröffentlicht gedruckt und online Beiträge über einen neuen Kalender, dessen Hauptthema die Ansichten einer Stadt im Verbreitungsgebiet sind. Die Beschreibung der Neuerscheinung durch die Redaktion ist äußerst positiv. Der Kalender sei im Handel der Stadt und im „City-Center-Treff“ der Zeitung zu kaufen. Der Preis steht auch dabei. Der Beschwerdeführer – ein Leser der Zeitung – sieht durch die Veröffentlichung den Grundsatz der klaren Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten nach Ziffer 7 des Pressekodex verletzt. Der Chefredakteur der Zeitung weist auf die nach seiner Meinung bestehende Besonderheit des Kalenders hin. Es gehe hier um einen Stadt-Kalender mit einer langen Tradition und vielen Fans, die auf das erneute Erscheinen warteten. Insofern sei die Neuerscheinung auch ein Thema für die Lokalredaktion. Der Chefredakteur räumt jedoch ein, dass der Autor bei seiner Beschreibung des neuen Kalenders die Wortwahl überzogen habe. Auch seien die Kaufhinweise zu ausführlich geraten. Sie überschritten zum Teil presseethische Grenzen. Der Chefredakteur bedauert dies. Er habe den Fall zum Anlass genommen, mit der Lokalredaktion ausführlich über die Grenzen zwischen Redaktion und Schleichwerbung zu sprechen.
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Die Online-Ausgabe einer Wochenzeitung berichtet über die Festnahme eines Mannes, der mutmaßlich den Bombenanschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund verübt hat. Eine Passage aus dem Artikel: „In den Morgenstunden nahm die Polizei nach Angaben der Bundesstaatsanwaltschaft einen 28-jährigen Deutschrussen fest.“ Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass der Migrationshintergrund des Mannes erwähnt werde. Damit verletze die Redaktion Richtlinie 12.1 des Pressekodex (Berichterstattung über Straftaten). Die Rechtsvertretung der Wochenzeitung nimmt Stellung zu der Beschwerde. In diesem Fall habe es gute Gründe gegeben, die Person als Deutschrussen zu bezeichnen. Der Mann lebe seit vielen Jahren in Deutschland, stamme aber aus Russland. Die Staatsanwaltschaft habe offiziell bekanntgegeben, dass der Beschuldigte die deutsche und die russische Staatsbürgerschaft besitze. Es gebe keine Gründe, dem Mann mit rassistischen Vorurteilen gegenüber zu treten. Er sei in Deutschland integriert, habe eine Lehre gemacht, die Bundeswehr absolviert und als Elektriker in einem Betrieb in Baden-Württemberg gearbeitet. Der Beschuldigte habe darüber hinaus selbst einen Grund geliefert, über seinen Migrationshintergrund zu spekulieren. In seinen gefälschten Bekennerschreiben habe er die Verantwortung des sogenannten Islamischen Staates (IS) für die Tat reklamiert. Es habe also einiges dafür gesprochen, einen Täter mit arabisch-islamischem Hintergrund als Verursacher des Bombenanschlags zu suchen. Wenn sich nun herausstelle, dass ein Deutschrusse für die Tat verantwortlich sei, dann sei diese Information zur Abgrenzung von den Tatbekenntnissen des Beschuldigten erforderlich.
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Ein Car-Sharing-Unternehmen in einer Großstadt hat ein Problem. Es muss immer häufiger für Strafzettel bezahlen, die fällig werden, wenn seine Kunden falsch parken. Eine örtliche Zeitung berichtet über das Thema und nennt den Namen des Unternehmens. Ein Leser der Zeitung sieht in dem Bericht versteckte Werbung für die Car-Sharing-Firma. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung sieht den Fall anders. Es gehe in diesem Beitrag um ein Phänomen, das in der Stadt eine Rolle spiele, weil immer mehr Autofahrer die Dienste von Car-Sharing-Unternehmen in Anspruch nähmen. Um Werbung handele es sich hier nicht. Wenn schon, dann wohl eher um Anti-Werbung.
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Eine Finanz-Fachzeitschrift veröffentlicht einen Testbericht über mehr als tausend Online-Shops unter der Überschrift „Die besten Online-Shops“. Der Beitrag enthält eine Tabelle der Testsieger in verschiedenen Kategorien mit URL und Bewertungsnote. Beigestellt ist ein Kasten mit der Überschrift „Test und Methodik“. Die Frage an die Verbraucher: „Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit den folgenden Online-Shops? Bitte beurteilen Sie aus eigener Kundenerfahrung in den letzten zwölf Monaten.“ Die Zeitschrift teilt mit, dass aus dem Mittelwert aller abgegebenen Stimmen ein Ranking aller Shops in 90 Kategorien erstellt worden sei. Der Befragung lägen mehr als eine Million Kundenurteile zugrunde. Die jeweiligen Sieger hätten das Prädikat „Bester Online-Shop“ erhalten. Anbieter, deren Kundenzufriedenheit weit über dem Mittelwert ihrer Branche liege, seien als „Top Online-Shop“ ausgezeichnet worden. Der Beschwerdeführer, der einen Online-Shop vertritt, sieht einen Verstoß gegen Ziffer 2 des Pressekodex. Nach seiner Meinung habe überhaupt keine Recherche stattgefunden. Der Test führe Verbraucher in die Irre und sei somit unseriös. Er konterkariere die Bemühungen des Verbraucherschutzes in fahrlässiger Art. Ein Shop werde als Testsieger aufgeführt, gegen den schon seit Monaten oder gar Jahren massive Betrugsvorwürfe von Bestellern erhoben würden. Gegen seinen Betreiber ermittle die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betrugs. Der Chefredakteur der Zeitschrift weist die Beschwerde als unbegründet zurück. Sie sei auf der Basis einer Studie eines renommierten Analyse- und Beratungshauses entstanden. Dieses Haus erstelle ähnliche Studien für andere renommierte Medien. Der Presserat prüft den Artikel im Hinblick auf eine Verletzung der Ziffer 7 des Pressekodex. Daraufhin antwortet der Chefredakteur erneut. Der als Verlagssonderveröffentlichung gekennzeichnete Beitrag stelle keine redaktionelle Qualitätsbeurteilung dar, sondern gebe jeweils die Kundenzufriedenheit wieder.
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„Der Held von Mailand“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung über den Polizisten, der den Berlin-Attentäter Anis Amri in Mailand erschoss. Der Beitrag erscheint auf der Titelseite und wird im Innenteil der Zeitung fortgesetzt. Der Beitrag ist unter anderem mit zwei Porträtfotos des Schützen und eines vor Ort ebenfalls anwesenden Kollegen bebildert. Zwei Beschwerdeführer kritisieren einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit). Die Chefredaktion der Zeitung ist der Ansicht, dass die Öffentlichkeit bei zeitgeschichtlich bedeutsamen Ereignissen, wie Terroranschlägen, Bombenattentaten oder Amokläufen ein besonderes Interesse daran habe, von den Medien umfassend über alle Aspekte der jeweiligen Tat unterrichtet zu werden. Zu den Details zählen danach nähere Informationen über den Täter und auch über seine Opfer. Bei dem Polizisten, der Anis Amris Flucht mit einem Schuss beendete, handele es sich um eine am Geschehen wesentlich beteiligte Person, die daher auch personalisiert dargestellt werden durfte. Die Befürchtung, der Polizist könne aufgrund der Darstellung einem Racheakt zum Opfer fallen, sei – so die Chefredaktion – abwegig. Auf Presserats-Nachfrage teilt sie mit, dass die Pressestelle der italienischen Polizei die Fotos der beteiligten Beamten zur Veröffentlichung freigegeben habe. Ganz offensichtlich würden die beiden Beamten, die den Berlin-Attentäter gestellt und erschossen haben, in Italien als Helden gelten.
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Eine Regionalzeitung titelt online „Auf den Spuren der AfD“ und berichtet über das Wirken dieser Partei in einer Stadt des Verbreitungsgebietes. Die Zeitung schreibt, ihr liege eine Liste mit den Teilnehmern beim Stuttgarter Parteitag der AfD vor. Die Liste habe durch ein Datenleck den Weg ins Netz gefunden. Dabei ist auch von einem namentlich genannten praktizierenden Zahnarzt die Rede. Dieser wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Er spricht von einer falschen Darstellung. Tatsache sei, dass er zu dem Parteitag angemeldet, dort aber nicht erschienen sei. Seiner Darstellung zufolge ist er ein halbes Jahr zuvor aus der Partei ausgetreten. Außerdem habe er mittlerweile seine Zahnarztpraxis aufgegeben. Die Zeitung nenne im Artikel selbst die illegal veröffentlichte Liste der Teilnehmer des Parteitages. Die Redaktion habe ihrer Berichterstattung eine illegale Sekundärquelle zugrunde gelegt. Der Chefredakteur der Zeitung habe sich geweigert, den Artikel aus dem Netz zu nehmen und behauptet, der Beschwerdeführer habe am Parteitag teilgenommen, wofür die Redaktion Belege habe. Der Chefredakteur beruft sich auf zwei voneinander unabhängige Quellen. Diese hätten bestätigt, dass es sich bei den im Netz veröffentlichten Informationen um die Teilnehmerlisten des Parteitages gehandelt habe. Es habe für die Redaktion keinen vernünftigen Grund gegeben, an der Echtheit und Authentizität zu zweifeln. Darüber hinaus habe die Redaktion sich ausreichend und nach den zeitlichen Umständen mehr als hartnäckig bemüht, mit dem Beschwerdeführer Kontakt aufzunehmen, was dieser erfolgreich abgewehrt habe. Nach Vertagung dieses Falles und erneuter Stellungnahme der Redaktion geht es um die Frage, ob die Nennung des Namens des Zahnarztes gegen die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen nach Ziffer 8 des Pressekodex verstößt. Die politische Tätigkeit – so der Chefredakteur – einer Person des öffentlichen Lebens gehöre nicht zur Privatsphäre, sondern zur Sozialsphäre der betreffenden Person. Bei dem Zahnarzt handele es sich im überschaubaren regionalen Umfeld um eine Person des öffentlichen Lebens.
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