Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6657 Entscheidungen
Eine Großstadtzeitung berichtet online über einen Gerichtsprozess. Im Beitrag geht es um die Verurteilung eines Mannes zu einer lebenslangen Haftstrafe wegen Mordes an seinem einjährigen Ziehsohn. Die Zeitung veröffentlicht ein Foto des Mannes, der als „Ricardo H. (37)“ bezeichnet wird. Fast zeitgleich berichtet die Redaktion über den Prozess gegen einen 27-jährigen Mann, der wegen Mordes an einer jungen Frau zu lebenslanger Haft verurteilt worden sei. Der Verurteilte wird als „Alexander H. (27)“ mit Foto dargestellt. Ein Leser sieht in beiden Fällen den Persönlichkeitsschutz der Verurteilten verletzt. Der Chefredakteur der Zeitung vertritt die Auffassung, dass an der identifizierenden Berichterstattung ein öffentliches Interesse bestanden habe, das die schutzwürdigen Belange der abgebildeten Angeklagten überwiege. Beide Männer hätten jeweils einen Menschen in den Tod gerissen und kaltblütig die Jugend und Hilflosigkeit ihrer Opfer ausgenutzt. Bei dem Opfer von Ricardo H. handele es sich um ein einjähriges Kind, dem der Täter eine mehrfach tödliche Überdosis Gift in den Brei gemischt habe. Alexander H. habe einer Schülerin hinterrücks die Kehle durchgeschnitten, nachdem er zuvor versucht habe, sie zu vergewaltigen. Es müsse möglich sein, derartige Mörder erkennbar darzustellen. Der Beschwerdeausschuss beschließt eine Erweiterung der Beschwerde auf die in dem zweiten Beitrag erfolgte Veröffentlichung eines Opfer-Fotos. Die Redaktion wird um eine ergänzende Stellungnahme gebeten. Sie bezieht sich ausschließlich auf die Veröffentlichung der Täter-Fotos. Diese sei in beiden Fällen ethisch gerechtfertigt, da es sich um schwerwiegende Verbrechen handele. Zu dem im zweiten Artikel veröffentlichten Opfer-Foto teilt sie nichts mit.
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Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online einen Artikel unter der Überschrift „Haftempfindlich, weil er kein Deutsch kann!“ Es geht im Beitrag um einen 28-jährigen Algerier, dessen Haftstrafe wegen „Haftempfindlichkeit“ von drei Jahren und fünf Monaten auf zwei Jahre und fünf Monate verkürzt worden sei. Dem Bericht ist das Foto eines verletzten Mannes beigestellt, dem der Verurteilte mit einem Messer die Wange aufgeschlitzt habe. Ein Leser der Zeitung sieht in dem veröffentlichten Foto eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt und Brutalität. Der Chefredakteur äußert in seiner Stellungnahme die Auffassung, dass aus der Beschwerde nicht hervorgehe, welches konkrete Foto der Beschwerdeführer kritisiere. Moniere er ein Bild des Straftäters, ein Foto des Opfers oder ein Bild des zuständigen Richters? Das Foto, das die Verletzung zeige, sei veröffentlicht worden, um deren Schwere zu verdeutlichen und damit die außergewöhnliche Brutalität der Tat darzustellen. Die Behandlung der Beschwerde wird erweitert auf die Veröffentlichung des Täterfotos. Der Chefredakteur wird um eine weitere Stellungnahme gebeten. Er rechtfertigt die Veröffentlichung des Fotos mit dem Hinweis, dass im konkreten Fall das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen des Täters überwiege. Bei dem Täter handele es sich um einen Kriminellen, der auf deutschem Boden – obwohl er nicht einmal eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland habe - in sieben Monaten sechs Straftaten begangen habe. Der Fall sei nicht nur vor dem Hintergrund der Debatte über ein strikteres Aufenthalts- bzw. Abschiebungsrecht von besonderem öffentlichem Interesse.
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„Nach Erdogan-Fotos: Mehrheit für Ausschluss von Özil und Gündogan aus Nationalelf“ – so überschreibt ein Nachrichtenmagazin online einen Bericht, in dem es um eine repräsentative Meinungsumfrage zum Verhalten der beiden Fußballer geht. Die Frage – so die Redaktion – habe gelautet: „Sollten Özil und Gündogan nach ihrem Treffen mit Präsident Erdogan weiter für die deutsche Nationalmannschaft spielen?“ 58 Prozent hätten darauf mit „Nein, auf keinen Fall“ und 22 Prozent mit „Eher nein“ geantwortet. Nur 7,2 Prozent der Befragten hätten mit „Ja, auf jeden Fall“ geantwortet, 7,1 Prozent mit „Eher ja“. 5,2 Prozent hätten mit „Unentschieden“ geantwortet. Beschwerdeführer in diesem Fall sind Repräsentanten bekannter Markt- und Meinungsforschungsinstitute. Ihre Beschwerde betreffe im Prinzip alle mit repräsentativer Markt- und Meinungsforschung zu behandelnden Themen. Wenig plausibel erscheine aufgrund der Erfahrungen der empirischen Sozialforschung, dass sich sogleich eine so große Mehrheit der Bevölkerung für eine so drastische Strafmaßnahme ausgesprochen habe. Die Veröffentlichung eines solchen Ergebnisses hätte also nach den Grundsätzen journalistischer Sorgfalt einer weiteren plausiblen Erläuterung bedurft. Das Nachrichtenmagazin behaupte, dass die Ergebnisse der Umfrage „repräsentativ“ seien. Bei der Umfrage sei jedoch ein Befragungsdesign verwendet worden, das nach den allgemein anerkannten wissenschaftlichen Kriterien der empirischen Sozialforschung grundsätzlich nicht geeignet sei, repräsentative Ergebnisse zu liefern. Der Chefredakteur des Nachrichtenmagazins weist die Beschwerden zurück und stellt fest, dass die Redaktion die Anforderungen der Richtlinie 2.1 (Umfrageergebnisse) des Pressekodex uneingeschränkt eingehalten habe. Die Beschwerdeführer wollten ihre brancheninternen Streitigkeiten und Methodendiskussionen aus der Markt- und Sozialforschung nach Art eines Stellvertreterkrieges auf dem Feld der Presseethik austragen. Die Presse sollte selbst entscheiden, nach welchen Regeln Meinungsumfragen durchgeführt werden müssten, um als repräsentativ zu gelten.
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Die Bayerische Staatszeitung veröffentlicht gedruckt und online einen Beitrag unter dem Titel „BSZ-Leser für Ausweitung der Grenzkontrollen“. Grundlage des Artikels sind die Ergebnisse einer Umfrage zum Thema „Vorschlag der CSU zur Erweiterung der Grenzkontrollen“. Die Redaktion berichtet, dass 70 Prozent der Umfrageteilnehmer den Vorstoß gut finden. Anschließend startet die Zeitung drei Umfragen zu den Themen „Soll EU-Ausländern mit Nachwuchs im Ausland das Kindergeld gekürzt werden?“, „Soll die Hobbyjagd verboten werden?“ und „Ankerzentren für Flüchtlinge: Eine sinnvolle Idee?“ Der Beschwerdeführer, der dem Bündnis 90/Die Grünen angehört, beteiligt sich mehrfach an den Umfragen und verändert dadurch nach eigener Darstellung das Abstimmungsergebnis deutlich. Er informiert den Chefredakteur der Zeitung über diesen Sachverhalt. Trotzdem werden die Umfragen fortgesetzt und ihre Ergebnisse auf der Archiv-Seite der Zeitung veröffentlicht. In diese Zeit fällt ein Beitrag unter dem Titel „BSZ-Leser befürworten Ankerzentren“. Er enthält die Aussage, dass „drei Viertel der User“ solche Einrichtungen für eine gute Idee hielten und ein Viertel sich dagegen ausgesprochen hätten. Der Beschwerdeführer kritisiert eine Verletzung der Ziffer 2, Richtlinie 2.1, des Pressekodex (Umfrageergebnisse). Die Umfragen seien manipulierbar. Einzelne Personen könnten mehrere Stimmen abgeben. Es hätte deshalb korrekt heißen müssen: „70 Prozent der abgegebenen Stimmen“. Der Grünen-Politiker wirft der Zeitung vor, trotz korrigierender Hinweise am Umfrage-Modus und an ihrer Bewertung festzuhalten. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, er habe den Beschwerdeführer gebeten, der Redaktion etwas Zeit zur Reaktion zu geben und dies mit dem Hinweis auf sein kleines Team begründet. Leider sei dieser nicht auf die Bitte eingegangen. Mittlerweile weise die Redaktion auf ihrer Homepage unter der „Frage der Woche“ auf den Sinn der Umfragen mit dem Hinweis hin, dass sie Trends aufzeigen sollen und keinen repräsentativen Charakter hätten.
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Eine Großstadtzeitung berichtet gedruckt und online unter der Überschrift „Zwischen Berlin und Stendal hackt´s wohl“ über einen Markenrechtsstreit zwischen einem Gastronomen aus Stendal und zwei Berliner Unternehmen. Der Beschwerdeführer teilt mit, es sei mit dem Autor abgesprochen gewesen, dass ihm der Artikel vor der Veröffentlichung zur Durchsicht bzw. Korrektur gemailt wird. Bis auf wenige Änderungen habe er den Inhalt akzeptieren können, weshalb er auch nicht widersprochen habe. Der Artikel, der dann veröffentlicht worden sei, habe nichts mehr mit dem ursprünglichen Text gemein. Er sei verunglimpfend und geschäftsschädigend. Da der Beitrag ohne seine Zustimmung auch bei Facebook erschienen sei, sei zudem eine unerwünschte Diskussionsplattform geboten worden. Die dort zu lesenden Reaktionen grenzten an Beleidigung. Der Beschwerdeführer nennt als besonders gravierend diese Passagen: Die Überschrift „Zwischen Berlin und Stendal hackt´s wohl, Gastronom zieht wegen Markenrechtsverletzung in den Bouletten-Krieg“, den Bildtext „Michael Rittmann aus Stendal findet seine Boulettis besser als die Berliner Bouletten“, das Zitat „Jetzt hackt´s aber…“ habe er nie gesagt und der Ausdruck „Und Rittmann hat offenbar keine Angst, sich zum Klops zu machen…“ sei wie die anderen Anmerkungen unwahr, polemisch und beleidigend. Ihm sei es nie darum gegangen, Unternehmen zu diskreditieren. Sein Anliegen sei gewesen, die Berliner über die Qualität ihrer Imbisse zu informieren. Es sei ihm ferngelegen, deren Kochkunst und die traditionellen Speisen der Berliner Küche anzuzweifeln. Schließlich sei er – der Beschwerdeführer – davon überzeugt, dass der Autor bei verschiedenen Telefonaten Tonbandaufnahmen gemacht habe, denen er nicht zugestimmt habe. Die Zeitung nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.
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„Sind Polizisten Rassisten, wenn sie Afrikaner kontrollieren?“ titelt eine Boulevardzeitung online. Hintergrund für den Artikel ist ein Gerichtsurteil, nach dem Polizisten niemanden wegen seiner Hautfarbe kontrollieren dürfen, weil dies diskriminierend sei. Ein Mann mit dunkler Hautfarbe sei von zwei Bundespolizisten kontrolliert worden. Dieser hatte gegen die Kontrolle geklagt. Im Beitrag kommen zahlreiche Politiker zu Wort, die fordern, dass nicht die Hautfarbe, sondern nur ein konkreter Verdacht der Grund für eine polizeiliche Kontrolle sein dürfe. Eine Leserin der Zeitung kritisiert die Bezeichnung „Afrikaner“. Es möge zwar sein, dass es in Afrika mehr Menschen mit dunkler Hautfarbe gebe als solche mit heller Haut. Aber in Afrika gebe es auch Menschen mit heller Hautfarbe und in den USA und Europa auch Menschen mit dunkler Hautfarbe. In dem Urteil sei es um die Hautfarbe gegangen und nicht um Afrika. Wenn die Zeitung nun schreibe, Menschen mit dunkler Hautfarbe kämen aus Afrika, dann sei dies Rassismus. Die Beschwerdeführerin fordert, man sollte die Zeitung wegen Volksverhetzung anzeigen. Der Chefredakteur der Zeitung hält die Beschwerde für absurd. Der Autor des Beitrages habe den Sachverhalt neutral und distanziert geschildert. Im Urteil des Gerichts habe es geheißen, Kontrollen nur aufgrund der Hautfarbe des Kontrollierten verstießen gegen das verfassungsrechtlich definierte Diskriminierungsverbot. Die deutsche Justiz halte es mit anderen Worten für rechtswidrig, wenn Polizisten eine Person allein wegen ihrer Hautfarbe kontrollieren. Der Chefredakteur fragt: Über ein solches Urteil solle man nicht berichten dürfen?
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Eine Zeitschrift berichtet über die Liebesbeziehung einer namentlich genannten Rechtsextremismus-Forscherin mit einem Funktionär der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB). Der sei zwar von seinem Posten inzwischen zurückgetreten, doch scheine ein Gesinnungswandel wenig wahrscheinlich. Die Forscherin habe in einem Artikel gefordert, Hochschulen sollten Betroffenen rechter Agitation von sich aus Unterstützung anbieten und diese vor rechtsextremer Propaganda und Übergriffen schützen. Gemeint seien offensichtlich diejenigen, die Rechte aufzuwiegeln versuchten. Von Opfern rechter Gewalt sei nicht die Rede. Beschwerdeführerin ist in diesem Fall die im Artikel genannte Rechtsextremismus-Forscherin. Sie sieht in der Erwähnung einer Liebesbeziehung mit dem IB-Funktionär einen Verstoß gegen die Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht). Die Aussage sei dahingehend falsch, als dass die betroffene Person kein IB-Funktionär sei. Außerdem bestehe keine Liebesbeziehung. Der Hinweis, auf den sich die Zeitschrift stütze, stamme aus einer Privatnachricht an Freundinnen. Sie sei zu keiner Zeit öffentlich gewesen. Das Veröffentlichen ihrer Privatnachrichten stelle einen schweren Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte nach Ziffer 8 des Pressekodex dar. Die Zeitschrift nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.
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Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online einen Beitrag unter der Überschrift „Afghane (17) vergewaltigt 18-Jährigen“. Sie informiert über die Festnahme eines jungen Mannes, der im Verdacht steht, einen fast Gleichaltrigen vergewaltigt zu haben. Der Verdächtige stamme aus Afghanistan und sei Flüchtling. Ein Leser der Zeitung kritisiert den Hinweis auf den Flüchtlingsstatus des Verdächtigen. Dies sei ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Ziffer 12 des Kodex. Der Chefredakteur der Zeitung betont in seiner Stellungnahme, dass die Redaktion an der in derartigen Fällen regelmäßig vertretenen Auffassung festhalte. Die Öffentlichkeit habe insbesondere bei spektakulären Straftaten, die sich im öffentlichen Raum ereigneten, ein besonderes Interesse daran, von den Medien umfassend informiert zu werden. Dass dieses presseethische Verständnis branchenüblich sei, zeige im konkreten Fall die nahezu identische Berichterstattung anderer Medien. Die Redaktion habe auf den Flüchtlingsstatus hingewiesen, weil die Information journalistisch zur Geschichte gehöre. Die Leser hätten ein Recht auf diese Information. Die Nennung der Herkunft führe nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens. Im Übrigen sei ohnehin ein begründetes öffentliches Interesse an der Nennung des Flüchtlingsstatus gegeben. Eine Verurteilung des Tatverdächtigen zu einer Haftstrafe von nicht unter zwei Jahren sei wahrscheinlich, was aufenthaltsrechtlich zu einer besonderen Gewichtung des staatlichen Ausweisungsinteresses führen könne. Da somit in der Verhandlung mittelbar auch über die Bleibeperspektive des Verdächtigen entschieden werde, sei die Nennung des Flüchtlingsstatus nicht zu beanstanden.
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„Rechtsextremer Anschlag motiviert den Widerstand“ so überschreibt eine Regionalzeitung einen Bericht, in dem es um das ein Jahr zurückliegende Fahrzeugattentat eines Neonazis im amerikanischen Charlottesville geht. Dabei war eine junge Frau getötet worden. Zum Artikel gestellt ist ein Foto, das zeigt, wie Menschen von dem Auto durch die Luft gewirbelt werden. Ein Leser der Zeitung hält die Veröffentlichung des Fotos für eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt im Sinne der Ziffer 11 des Pressekodex. Die Chefredaktion der Zeitung teilt mit, dass es sich bei dem Foto um ein Dokument der Zeitgeschichte handele, das in abschreckender Weise die Folgen von Gewalt zeige. Es habe aufklärerischen Charakter. Die Opfer würden weder in unangemessener Weise gezeigt noch zum bloßen Objekt herabgewürdigt. Weiterhin seien sie auf dem Bild nicht identifizierbar zu erkennen. Schon deshalb würden sie nicht zur Schau gestellt.
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„Flüchtling bedroht seine Ehefrau“ - so überschreibt eine Regionalzeitung den Bericht über einen Fall von Gewalt in der Ehe. Ein afghanischer Flüchtling, der 2015 nach Deutschland gekommen und seitdem immer wieder durch Gewalt gegen seine Ehefrau aufgefallen sei, mache den Behörden das Leben schwer. Die Liste der Anzeigen gegen Said-Esmatullah R. sei lang. Dreizehnmal in zwei Jahren sei die Polizei wegen des 34-Jährigen im Übergangswohnheim angerückt. Dort habe der Mann immer wieder seine Frau bedroht, körperlich misshandelt und drangsaliert. Ihre vorsichtige Hinwendung zum – in den Augen des Mannes – dekadenten westlichen Lebensstil sei dem gläubigen Moslem ein Dorn im Auge. Als sie schließlich das Kopftuch abgelegt habe, sei die Lage eskaliert. Wie die Zeitung berichtet, sei die Polizei relativ machtlos. Diese nehme jeweils die Anzeigen auf und machte die sogenannte Gefährderansprache. „Eine Handhabe, den Mann in Gewahrsam zu nehmen, haben wir nicht“, sage ein Polizeisprecher. Herr des Verfahrens sei die Staatsanwaltschaft. Die für die Flüchtlingsunterbringung und -betreuung zuständige Sozialdezernentin gebe sich der Redaktion zufolge rigoroser: „Meiner Ansicht nach gehört der Mann so schnell wie möglich hinter Gitter!“ Für sie sei der Afghane eine tickende Zeitbombe. Der Beschwerdeführer – ein Geistlicher – sieht in der Berichterstattung zahlreiche falsche Tatsachenbehauptungen. Die Autorin habe mit einer Bekannten der Ehefrau gesprochen und dabei deren Geschichte erfahren. Die Zeitung nenne den eher seltenen Vornamen des Ehemannes. Er werde auch durch die Nennung als afghanischer Flüchtling verleumdet. Die Journalistin habe die einfachsten Regeln der journalistischen Sorgfalt verletzt und keinerlei Gegenrecherche betrieben. Der Pfarrer nennt einige Beispiele als Grundlage seiner Kritik. Die Familie von Herrn R. habe niemals an dem Ort gewohnt, den die Autorin genannt habe. Ein Anruf bei der Heimleitung hätte gereicht, um dies zu erfahren. Entsprechend sei die Polizei dort nie angerückt. Herr R. sei kein gläubiger Moslem, sondern engagierter Christ. Bei Besuchen der ganzen Familie in der Gemeinde habe die Frau nie ein Kopftuch getragen. Nach Auskunft der Heimleitung ist R. nie negativ aufgefallen. Die Sozialdezernentin habe sich mittlerweile bei Herrn R. für ihre Äußerung entschuldigt und von einer Verwechslung gesprochen. Die Chefredaktion der Zeitung lässt die Autorin auf die Beschwerde antworten. Danach hat sie in dem Fall gründlich recherchiert. Sie bleibt bei ihrer Darstellung, die sich auch auf Behördeninformationen stütze. Der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft habe den Eingang mehrerer Strafanzeigen gegen R. bestätigt. Bei einer Diskussion habe sich eine Mitarbeiterin der Sozialdezernentin zu Wort gemeldet. Nach ihrer Darstellung sei die Stellungnahme der Dezernentin auf eine Verwechslung zurückzuführen.
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