Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6657 Entscheidungen
„Nach dem Selfie fackeln die Männer die Tüte des Obdachlosen ab“ titelt die Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung. Im Bericht geht es um einen schlafenden Obdachlosen am Münchner Hauptbahnhof. Nachdem die beiden 18 bis 2o Jahre alten Männer ein Selfie mit dem Schlafenden gemacht hätten, habe einer der beiden sich laut Polizei eine Zigarette angezündet und diese nach ein paar Zügen in die Plastiktüte mit den Habseligkeiten des Obdachlosen geworfen. Dann seien die beiden jungen Männer, deren Aussehen die Polizei als arabisch-nordafrikanisch beschreibe, in eine einfahrende S-Bahn gesprungen. Passanten hätten noch rechtzeitig eingegriffen. Der Obdachlose sei unverletzt geblieben. Der Artikel schließt mit einem Fahndungsaufruf der Polizei. Beigestellt ist dem Artikel das Foto einer Überwachungskamera, das die beiden Täter (unverpixelt) mit dem Obdachlosen (verpixelt) zeigt. Bildunterschrift: „Mit diesem Foto fahndet die Münchner Polizei nach den beiden jungen Männern, die am Hauptbahnhof die Tüte eines Obdachlosen angezündet haben.“ Eine Leserin der Zeitung wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Sie sehe die Passage „deren Aussehen die Polizei als arabisch-nordafrikanisch beschreibt“ als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Ziffer 12 des Pressekodex. Die Zeitung spekuliere über die Nationalität der Täter, obwohl diese keine Relevanz für die Berichterstattung habe. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe hält die Beschwerde für unbegründet. Die Redaktion habe nicht über die Nationalität der mutmaßlichen Täter spekuliert, sondern aus dem Fahndungsaufruf der Polizei zitiert, der von dieser zur Verdeutlichung mit einem Video unterlegt worden sei.
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Eine regionale Boulevardzeitung veröffentlicht einen Artikel unter der Überschrift „Willkommen im Club der Schlanken und Schönen!“ Darin wird eine Aktion der Zeitung gemeinsam mit dem Münchner Club „Contenance“ vorgestellt, dem der Redaktion zufolge etwa 200 reiche Männer angehören. Zeitung und Club böten nun zehn Frauen, die bestimmte körperliche Voraussetzungen erfüllten (18 bis 35 Jahre alt, Mindestgröße 1,75 m, Konfektionsgröße 34 bis 38) die Möglichkeit, eine sogenannte „Wildcard“ zu gewinnen, mit der sie ein Jahr lang Zutritt zu dem Club hätten. Der Betreiber des Clubs wird von der Zeitung mit den Worten zitiert: „Es ist seit Jahrzehnten Tradition, dass in großen Männerrunden schöne, schlanke Frauen anwesend sind. Geld und Frauen gehören zusammen.“ Ein anonymisierter Beschwerdeführer sieht in der Veröffentlichung eine unverhohlene Werbung für Prostitution. Im Beitrag gehe es um eine skandalöse Verlosung einer vermeintlichen Mitgliedschaft. Sexistische Aussagen würden von der Zeitung nicht kommentiert. Der Chefredakteur der Zeitung stellt bedauernd fest, dass man mit dieser Berichterstattung „nicht glücklich“ agiert habe. Die verantwortlichen Kollegen hätten dies auch eingesehen. Das Zitat des Clubbetreibers sei zwar in der Tat zynisch, doch sei es ein Zitat. Unbestritten sei auch, dass man sich in einem Kommentar mit dem Frauenbild, das der Mann verbreite, hätte kritisch auseinandersetzen müssen. Der Chefredakteur widerspricht jedoch der Ansicht des Beschwerdeführers, die Zeitung mache Werbung für Prostitution.
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Eine Berliner Zeitung veröffentlicht einen Artikel unter der Überschrift „Die ganze Wahrheit über die Gewalt auf dem Alex“. Der Alex genannte Alexanderplatz gelte – so der Autor des Beitrages – als einer der gefährlichsten Orte der Hauptstadt. Trotz erheblicher Polizeipräsenz komme es dort täglich im Schnitt zu 18 Straftaten. Vor allem freitags und samstags gelte der Platz als Treffpunkt für Flüchtlinge und Drogendealer. Weiterhin heißt es, dass die Polizei die Kontrollen auf dem Alex verstärkt habe. Flüchtlinge schrecke dies aber nicht ab. Ein Leser der Zeitung sieht in der Berichterstattung die Gefahr, dass durch die wiederholte Erwähnung von Flüchtlingen und Drogendealern der Eindruck erweckt werde, als seien Flüchtlinge per se kriminell. Die Zeitung nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.
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„Bürgermeister von Altena bei Messerangriff schwer verletzt“ titelt die Online-Ausgabe einer überregionalen Zeitung. In der Überschrift und im ersten Absatz des Beitrages ist davon die Rede, dass der Bürgermeister schwer verletzt worden sei. Im weiteren Text wird mitgeteilt, dass nur eine „sehr leichte“ Verletzung vorgelegen habe. Sie habe lediglich geklebt werden müssen. Der Beschwerdeführer – ein Leser der Zeitung – kritisiert die beiden unterschiedlichen Darstellungen durch die Redaktion. Eine von beiden müsse wohl falsch sein. Er sieht einen Verstoß gegen das in Ziffer 2 des Pressekodex definierte Gebot zur journalistischen Sorgfaltspflicht. Der Chefredakteur der Zeitung berichtet, dass von der Polizei anfänglich verbreitet worden sei, dass der Kommunalpolitiker schwer verletzt sei. Alle Medien hätten dies kurz nach der Tat berichtet. Am nächsten Tag habe sich herausgestellt, dass die Wunde glücklicherweise nicht tief gewesen sei. Dies habe man umgehend berichtet. Womöglich seien dabei aber nicht alle Versionen der bis dahin verbreiteten Artikel aktualisiert worden.
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Unter der Überschrift „Scheidender AfD-Landeschef will urlaubende Flüchtlinge ´entsorgen´“ berichtet die Online-Ausgabe einer überregionalen Zeitung über einen Parteitag der bayerischen AfD. Der Politiker habe sich zuvor für ein Ende der Zuwanderung ausgesprochen. Flüchtlinge könnten nicht in Deutschland Schutz suchen und dann in ihren unsicheren Heimatländern Urlaub machen. „Solche Menschen müssen wir selbstverständlich entsorgen“, wird der Landesvorsitzende Bystron zitiert. Die Redaktion fühlt sich durch die Äußerung an die Wortwahl des damaligen AfD-Spitzenkandidaten Alexander Gauland erinnert. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Zeitung für den Satz von den zu entsorgenden urlaubenden Flüchtlingen. Bystron habe diesen Satz nicht gesagt. Er habe gefordert, dass die Ministerin Özoguz seiner Ansicht nach „entsorgt“ werden müsse. Ganz eindeutig habe er sich auf die Ministerin bezogen und nicht auf Flüchtlinge. Der Geschäftsführer und die Justiziarin der Zeitung teilen mit, dass der Satz von den urlaubenden Flüchtlingen so nicht gesagt worden sei. Er sei jedoch anfangs so von der Zeitung verbreitet worden. Der scheidende AfD-Landeschef Bystron habe den Satz laut einer Agentur-Meldung an anderer Stelle und zu einem anderen Zeitpunkt gesagt. Die Zeitung habe, nachdem der Irrtum bemerkt worden war, ihren Artikel umgehend korrigiert.
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Der Ex-General Slobodan Praljak steht wegen Kriegsverbrechen vor Gericht. Während der Urteilsverkündung schluckt er Gift, bricht zusammen und stirbt wenig später im Krankenhaus. Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet über den Fall und stellt die Frage, wie der rund um die Uhr bewachte Bosnier an das Gift gelangen konnte. Zum Artikel gestellt wurde unter anderem ein Video, das mittlerweile nicht mehr im Netz steht. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Einbindung des Videos, das ohne Vorwarnung und ohne Altersfilter einen Suizid zeige. Kinder hätten so leichten Zugang zu dem Video. Der Chefredakteur der Zeitung beruft sich in seiner Stellungnahme auf das große öffentliche Interesse an dem Suizid des Kriegsverbrechers Praljak im Gerichtssaal des internationalen Kriegsverbrecher-Tribunals in Den Haag. Dementsprechend hätten alle Medien, so auch seine Zeitung, den Moment der Gifteinnahme gezeigt. Die gesamte Urteilsverkündung einschließlich der Gifteinnahme sei zuvor live im Fernsehen zu sehen gewesen. In dem kritisierten Video seien weder das Sterben noch der Tote gezeigt worden.
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Eine Regionalzeitung berichtet online über die Entlassung der namentlich genannten und mit Bild gezeigten Managerin des sächsischen Geoparks Porphyrland. Die Redaktion nennt Einzelheiten aus ihrem Lebenslauf. Der Vorsitzende des Trägervereins wird mit der Aussage zitiert, dass die Frau die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt habe. Bei der Außendarstellung des Geoparks, der Kontaktpflege mit Partnern und konzeptionellen Überlegungen seien die Sichtweisen auseinandergegangen. Beschwerdeführerin ist die Betroffene. Sie kritisiert, dass der Artikel Informationen über die Kündigung enthalte, die ihr persönlich weder schriftlich noch mündlich mitgeteilt worden seien. Der Artikel verletze durch Bild und Text ihre Persönlichkeitsrechte und mache ihr einen beruflichen Neuanfang schwer. Sie verstehe sich selbst nicht als Person des öffentlichen Lebens und betont, dass sie als Geopark-Managerin kein öffentliches Amt inne gehabt habe. Für die Zeitung antwortet deren Chefredakteur. Die Beschwerdeführerin sei Managerin einer für die Region bedeutenden Institution gewesen, die öffentlich gefördert werde und wiederholt im Fokus der regionalen Öffentlichkeit gestanden habe. Die Frau sei nicht nur Ansprechpartnerin, sondern auch Bestandteil der Berichterstattung gewesen. Die Leser – so der Chefredakteur weiter – hätten einen Anspruch darauf, zu erfahren, weswegen sich der Geopark von der Beschwerdeführerin getrennt habe. Die persönlichen Daten der Frau seien durch die bisherige Berichterstattung und Plattformen im Netz der Öffentlichkeit bekannt gewesen. Die Managerin habe die Zeitung gern für ihre Arbeit im Geopark genutzt. Die berufliche Trennung sehe die Zeitung als zeitgeschichtliches Ereignis. Der Chefredakteur kann nicht erkennen, weshalb über diesen Vorgang nicht berichtet werden dürfe.
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Eine Regionalzeitung veröffentlicht mehrere Artikel über das Bündnis “Rosenheim nazifrei“. Insbesondere wird immer wieder die Zusammenarbeit des Vereins „Gesicht zeigen – Rosenheimer Bündnis gegen Rechts“ mit der „Infogruppe“ im Rahmen des Bündnisses thematisiert. Einer der Beiträge trägt die Überschrift „Graf schämt sich für Rosenheim“. Nach Ansicht der ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Angelika Graf habe die Stadt während einer Rede von Bundeskanzlerin Merkel kein gutes Bild abgegeben. Sie schäme sich als Rosenheimer Bürgerin wegen der Proteste der AfD und der lautstarken Störer während der Merkel-Rede. Im letzten Absatz heißt es über Angelika Graf: „Sie ist auch Vorsitzende des Vereins ´Gesicht zeigen – Rosenheimer Bündnis gegen Rechts´, der sich wiederum im Bündnis ´Rosenheim nazifrei´ engagiert. Diesem Bündnis gehört auch die sogenannte Infogruppe an, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird.“ Beschwerdeführerin in diesem Fall ist Angelika Graf. Sie teilt mit, sie habe einen Leserbrief zur Kundgebung der CSU mit Angela Merkel auf dem Rosenheimer Stadtplatz geschrieben. Darin habe sie die Stadt, die eine lautstarke Störung durch die AfD nicht verhindert habe, ins Visier genommen. Diesen Leserbrief habe die Redaktion zu einem Pressebericht „umgeschrieben“. An dessen Ende sei wieder ein Hinweis auf die Zusammenarbeit mit der Infogruppe und das Bündnis „Rosenheim nazifrei“ gegeben worden. (Die Beschwerde wurde nach der Vorprüfung beschränkt zugelassen auf den Umgang der Redaktion mit dem Leserbrief der Beschwerdeführerin.) Der verantwortliche Redakteur teilt mit, nach Ansicht der Redaktion untersage es der Pressekodex nicht, aus einem Leserbrief zu zitieren, zumal es hier um eine politisch engagierte Persönlichkeit des öffentlichen Lebens handele, deren Äußerungen von allgemeinem Interesse seien. Es widerspreche dem Kodex nicht, wenn eine Person des öffentlichen Lebens in einem redaktionellen Beitrag zitiert werde, der auf einer Zuschrift dieser Person fuße.
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Eine Wochenzeitung veröffentlicht online einen Artikel unter der Überschrift „Syrer vergewaltigt Sozialarbeiterin im Dienst“. Der zwanzigjährige stehe unter dem Verdacht, eine Sozialarbeiterin, die ihn in ihrer beruflichen Eigenschaft in seiner Wohnung besucht habe, vergewaltigt zu haben. Die Nationalität des Tatverdächtigen wird in dem Beitrag viermal genannt. Ein Leser der Zeitung hält die Angabe der Nationalität des Verdächtigen nicht für zulässig und auch nicht für erforderlich. Die Überschrift sei zudem vorverurteilend. Die Redaktion nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.
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Drei schwule Männer werden in München festgenommen. Ihnen wird der Handel mit Crystal Meth vorgeworfen. Auf die Spur gekommen war die Polizei den dreien durch die Festnahme eines Drogenkuriers. Dieser – ebenfalls schwul - habe über mehrtägige ausschweifende Sexpartys in der Münchner Schwulenszene berichtet, bei denen Crystal Meth konsumiert worden sei. Eine Regionalzeitung berichtet über den Vorgang. In der Überschrift und Im Vorspann ist die Rede von einer „Münchner Gay-Schickeria“ bzw. einer „Münchner Schwulen-Schickeria“. Ein Leser der Zeitung sieht in der Berichterstattung eine Diskriminierung von Schwulen. Bewusst würden von der Redaktion überholte Begriffe eingesetzt. Auch der Hinweis auf die sexuelle Orientierung des Drogenkuriers gehe zu weit. Der Chefredakteur der Zeitung sieht die Berichterstattung als angemessen und korrekt an. Eine Diskriminierung nach Ziffer 12 des Pressekodex liege nicht vor. Die von der Redaktion verwendeten Begriffe spielten im Zusammenhang mit den Festnahmen und den mutmaßlichen Taten eine bedeutende Rolle. Dies sei das Umfeld, in dem der schwunghafte Rauschgifthandel stattgefunden habe. Die Redaktion habe den Crystal-Meth-Handel in München an bestimmten Plätzen durch Täter einer bestimmten Gruppe thematisiert. Insofern sei es auch angebracht gewesen, bei einem der Drogenschmuggler, die der Polizei ins Netz gegangen seien, von einem „Homosexuellen“ zu sprechen, weil dies mit den Taten und dem Umfeld, in dem sie geschehen seien, in direktem Zusammenhang stehe.
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