Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6657 Entscheidungen
Auf der Hamburger Reeperbahn sollen drei Männer zwei amerikanische Touristen überfallen und beraubt haben. Die Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung berichtet über den Vorfall. Die Tatverdächtigen werden als „Nordafrikaner“ bzw. als „aus Marokko und Algerien stammend“ bezeichnet. Ein Leser der Zeitung vertritt die Ansicht, dass die Hinweise auf die Herkunft der Verdächtigen nicht durch ein öffentliches Interesse gedeckt seien. Vielmehr seien sie geeignet, Vorurteile zu schüren. Auch sei die Überschrift vorverurteilend, da sie suggeriere, dass die Verdächtigen die Tat definitiv begangen hätten. Der Chefredakteur der Zeitung weist darauf hin, dass der Bereich Reeperbahn/St. Pauli in den vergangenen Jahren immer wieder Schauplatz von Verbrechen gewesen sei, die von Jugendlichen und jungen Männern aus nordafrikanischen Staaten verübt worden seien. Die Nennung der Nationalität habe im konkreten Fall eine Relevanz, weil sie ein Abbild der öffentlich geführten Debatte in einer der meistfrequentierten Touristengegenden Hamburgs darstelle. Zwar handele es sich hier um eine singuläre Tat, die aber durch ihre Art, die Täterschaft und den Tatort eine größere Ausstrahlung entwickle – in etwa so wie die Silvesternacht 2015/2016 in Köln.
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„Auf dem Wege zum autistischen Auto“ titelt die Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung. Es geht im Artikel um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen von intelligenten selbstfahrenden Autos. Eine Leserin der Zeitung kritisiert in ihrer Beschwerde an den Presserat den Begriff „autistisches Auto“. Damit greife die Autorin auf eine behindertenfeindliche Floskel zurück, mit der die technische Entwicklung des autonomen Fahrens dämonisieret werden solle. Die Verknüpfung einer Bezeichnung für eine Behinderung mit einer als bedrohlich und unverständlich empfundenen Technologie führe in den Köpfen der Leser zur gedanklichen Verbindung von Autismus und Autisten mit negativen Emotionen und Ablehnung. In den letzten Jahren werde in den Medien zunehmend auf Autismus als Metapher zurückgegriffen. Mal ersetzten Autismus oder autistisch Begriffe wie Egoismus oder Ignoranz, mal Gefühlskälte, mal Narzissmus, mal Verständnislosigkeit. Immer jedoch werde diese Metapher in negativer Konnotation verwendet. Dies wirke sich auf den Alltag autistischer Menschen aus, deren pure Existenz mit all diesen negativen Aspekten in Verbindung gesetzt werde. Die Schlagzeile „Auf dem Weg zum autistischen Auto“ verletze daher Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierungen). Der Begriff werde verwendet, ohne dass er dem Leser einen informativen Gewinn biete. Er solle ausschließlich ein negatives Bild vermitteln. Dieses negative Bild beeinflusse das Leben autistischer Menschen nachteilig. Es stigmatisiere sie und rechtfertige vorhandene Diskriminierung. Das Justiziariat der Zeitung widerspricht der Beschwerde. Die Juristen sehen in der beanstandeten Überschrift keine Verletzung des Pressekodex. Die Beschwerdeführerin verkenne, dass eine Artikelüberschrift keine eigene, selbstständig angreifbare Sachaussage enthalte. Sie könne deshalb nicht rügen, dass Behinderte allein aufgrund der Überschrift diskriminiert würden. Selbst wenn die Artikelüberschrift allein rügefähig wäre, würden durch sie Behinderte nicht diskriminiert. Der Begriff „autistisch“ komme aus dem Griechischen und bedeute „selbst“. Wenn der Begriff im Zusammenhang mit selbstfahrenden Autos verwendet werde, sei ihm keinesfalls eine negative Bedeutung beizumessen. Die Überschrift sei nicht diskriminierend gegenüber Autisten. Sie weise lediglich auf die Entwicklung hin, dass künftige Generationen von Autos in der Lage sein werden, „selbst“ – also ohne dass sie von den Insassen gesteuert werden müssten – am Straßenverkehr teilzunehmen.
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Die Online-Ausgabe einer überregionalen Zeitung veröffentlicht einen Artikel unter der Überschrift „Ein türkisches Auto? Das ist verbranntes Geld“. Im Beitrag geht es um den Plan des türkischen Präsidenten Erdogan, ein türkisches Auto auf den Markt zu bringen. Bislang gebe es kein eigenes Modell einer Firma vom Bosporus. Ein Konsortium von fünf Unternehmen solle nun ein Auto entwickeln. Experten bewerten das Vorhaben nicht sehr optimistisch. Es fehle schließlich der Absatzmarkt. Erdogan selbst wolle von der Kritik nichts wissen und werde höchstpersönlich das erste türkische Auto kaufen, heißt es im Artikel weiter. Ein Leser der Zeitung widerspricht der Einschätzung, die fünf Unternehmen hätten keine Erfahrung im Fahrzeugbau. Eine von ihnen habe beispielsweise bereits Lastwagen und Nutzfahrzeuge hergestellt. Durch die inkorrekte Berichterstattung sei das ganze Vorhaben in Verruf gebracht worden. Öffentlichkeit und etwaige Investoren würden dadurch fehlgeleitet und getäuscht. Die Chefredaktion schickt dem Presserat die Stellungnahme eines Automobilindustrie-Experten, der den kritisierten Beitrag geschrieben hat. Im Text habe er dargelegt, warum Experten der Türkei eine eigene Pkw-Produktion nicht zutrauen würden. Zwar stelle eine der fünf genannten Firmen Lastwagen und andere Nutzfahrzeuge her, doch ließen sich die dabei gewonnenen Kompetenzen nicht ohne weiteres auf den Pkw-Bau übertragen.
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Ein Satiremagazin veröffentlicht auf seiner Titelseite ein Foto des österreichischen Bundeskanzlers, versehen mit der Überschrift „Endlich möglich: Baby-Hitler töten!“ Ein Leser der Zeitschrift kritisiert die Titelseite, die nach seiner Auffassung zum Mord an Bundeskanzler Sebastian Kurz aufrufe. Dies sei presseethisch nicht vertretbar. Der Beschwerdeführer hält die Titelseite für „billige Hetze“. Das Magazin äußert sich zu der Beschwerde nicht.
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Eine Lokalzeitung berichtet unter der Überschrift „Mord im Staate P.“ über einen „Reichsbürger“, der einen Polizisten erschossen und zwei weitere verletzt hat. In einer Info-Box unter der Rubrik „Kruschel erklärt´s“ informiert die Redaktion zum Thema Reichsbürger darüber, dass diese Leute die Bundesrepublik Deutschland ablehnen. Sie behaupteten stattdessen, „im Deutschen Reich zu leben, dem 1945 untergegangenen Vorgänger der Bundesrepublik Deutschland“. Ein Leser der Zeitung bezeichnet die Aussage, das Deutsche Reich sei untergegangen, als falsch. Er zitiert ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), nach dem das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert habe. Es sei weder mit der Kapitulation noch durch die Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die Alliierten später untergegangen. Der Beschwerdeführer zitiert weiter, das Deutsche Reich besitze nach wie vor Rechtsfähigkeit, sei allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation nicht handlungsfähig. Die BRD sei nicht „Rechtsnachfolger“ des Deutschen Reichs. Der Beschwerdeführer fügt eine Mail an die Zeitung bei, in der er um Korrektur der „Falschdarstellung“ gebeten habe. Bislang habe er darauf keine Antwort bekommen. Die Chefredaktion bittet darum, die Beschwerde abzuweisen. „Kruschel erklärt´s“ sei ein Format, in dem regelmäßig komplexe Sachverhalte kindgerecht erklärt würden. Es liege in der Natur der Sache, dass kindgerechte Erklärungen nicht jeder Spitzfindigkeit genügen könnten. In einer solchen Erklärbox sei die Formulierung, das Deutsche Reich sei untergegangen, eine Aussage, die politisch zu verstehen sei und keiner staatsrechtlichen Überprüfung standhalten müsse.
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Eine Wochenzeitung informiert online über Beschädigungen am Haus und am Auto eines AfD-Politikers. Zu Beginn des Beitrages ist die Rede davon, dass es sich bei den noch unbekannten Tätern um „mutmaßliche Linksextremisten“ handele. Ein Leser der Zeitung sieht in der Formulierung „mutmaßliche Linksextremisten“ eine unbelegte Vermutung der Redaktion. Diese ist nicht als solche gekennzeichnet. Die Zeitung nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.
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„Rathaus bleibt geschlossen“ lautet die Überschrift einer Kurzmeldung, die in einer Regionalzeitung veröffentlicht wird. Wörtlich heißt es da: „Grund sei der sogenannte ´Brückentag´ zwischen Sonntag und dem Reformationstag am Dienstag, der für alle, die es sich leisten können, ein langes Wochenende verspricht.“ Beschwerdeführer ist der Bürgermeister der Stadt. Er kritisiert die kommentierende Form der Mitteilung. Dies sei eine anmaßende Darstellung gegenüber dem Bürgermeister und den Mitarbeitern der Verwaltung. Eine von ihm geforderte Stellungnahme der Zeitung habe es bislang nicht gegeben. Der Chefredakteur der Zeitung bemerkt in seiner Entgegnung zur Beschwerde, der beanstandete Satz sei vielleicht ein wenig provokant gewählt. Die darin getroffene Feststellung sei jedoch wahr und verstoße nicht gegen den Pressekodex. Beim nächsten Mal werde man diese Formulierung wahrscheinlich nicht noch einmal verwenden.
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Ein Vater schlägt in einem Regionalexpress der Bahn seinen dreijährigen Sohn. Er wird festgenommen und zerstört anschließend den Durchsuchungsraum der Bundespolizei. Eine Regionalzeitung berichtet über den Vorfall. Im ersten Absatz erwähnt der Autor, dass es sich bei dem Festgenommenen um einen 27-jährigen Ghanaer handele. Danach wird die Nationalität des mutmaßlichen Täters nicht mehr genannt. Ein Leser der Zeitung sieht in der Nennung der Herkunft einen Verstoß gegen Ziffer 12, Richtlinie 12.1, (Diskriminierungen) des Pressekodex. Die Nennung der ethnischen Zugehörigkeit spiele für den Kontext des beschriebenen Vorfalls keine Rolle. Der Chefredakteur der Zeitung berichtet, Grundlage der vom Beschwerdeführer beanstandeten Meldung sei eine Pressemitteilung der Bundespolizei, die den Hinweis auf die Nationalität des Festgenommenen enthalten habe. Der Mann habe englisch gesprochen. Zur Erklärung dieses Umstandes sei es erforderlich gewesen, die Herkunft zu erläutern. Hinzu komme die Tatsache, dass die Information über die Nationalität im Internet verbreitet worden sei. Die Redaktion setze sich regelmäßig dem Vorwurf der Leserschaft aus, nicht vollständig und angemessen zu berichten, wenn sie derartige Informationen unterschlage. Dies beschädige die Glaubwürdigkeit der Zeitung, zumal derartige Debatten offensiv im Netz gegen sie geführt würden. Der Auftrag der Zeitung sei Aufklärung. In Abwägung dieser Umstände habe sich die Redaktion zugunsten der Nennung der Nationalität entschieden. Sofern der Presserat dies für falsch halte, bittet der Chefredakteur um Hinweis und Handreichung, wie mit der Tatsache dieser asymmetrischen Information der Öffentlichkeit künftig nach Ansicht des Presserats umzugehen sei.
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„Keiner stoppt den Bäcker-Schreck“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Dem dazugehörigen Bericht ist ein Video aus einer Überwachungskamera beigefügt, auf dem ein Einbrecher identifizierbar zu sehen ist, der in eine Bäckerei einbricht. Eine Leserin der Zeitung hält die Veröffentlichung für einen Verstoß gegen die Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit). Die Polizei habe nicht öffentlich nach dem Einbrecher gefahndet. Dennoch habe die Zeitung Fotos des Einbrechers veröffentlicht, auf denen dieser erkennbar sei. Der Vorsitzende der Chefredaktion meint, es sei das gute Recht der Beschwerdeführerin, Partei für einen auf frischer Tat ertappten und bei seiner Tat sogar fotografierten Verbrechers zu ergreifen. Er gehe jedoch davon aus, dass sich die Mitglieder des Beschwerdeausschusses davon nicht in die Irre führen ließen. Hier der korrekte Sachverhalt: Nachdem die Reporterin von den Verkäuferinnen der Bäckerei gehört habe, dass sie Angst vor einem immer wiederkehrenden Einbrecher und Dieb hätten, habe sich die Redaktion dazu entschlossen, mit dem Videomaterial an die Öffentlichkeit zu gehen. Das sei auch unter dem Eindruck geschehen, dass die Ermittlungsbehörden mutmaßlich untätig geblieben seien. Die Zeitung – so der Chefredakteur weiter – habe damit nicht zuletzt im Interesse des Inhabers und der Verkäuferinnen gehandelt, die in ständiger Angst vor einem erneuten Auftauchen des Täters leben müssten.
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