Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6657 Entscheidungen

Die Vier von der Tankstelle prügeln sich

„Urinieren an Tankstelle führt zu Eskalation – Vier Festnahmen“ titelt eine Regionalzeitung. Sie berichtet über eine Schlägerei am Verlagsort. Die Redaktion informiert darüber, dass es sich bei zwei der Beteiligten um Syrer, bei einem Dritten um einen Pakistani handele. Ein Leser der Zeitung sieht in der Angabe der Staatsangehörigkeit einen Verstoß gegen die Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierungen). Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung sieht das anders und weist den Vorwurf der Diskriminierung zurück. Anders als vielleicht bei Angaben über die ethnische Zugehörigkeit (etwa Sinti und Roma) oder Hautfarbe sieht er in der Angabe der Staatsangehörigkeit absolut neutrale Informationen. Diese seien üblich in der Zeitung, die in einem Dreiländereck erscheine und in der auch häufig über Vorfälle mit österreichischen und tschechischen Staatsbürgern berichtet werde.

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Falschinformation „auf den Markt geworfen“

Eine Regionalzeitung berichtet online über ein Tötungsdelikt. Eine 41-jährige Frau sei umgebracht worden. Die Polizei habe ihren 48-jährigen Ehemann vorläufig festgenommen. Aktuell werde ermittelt, ob der Tat ein Familiendrama zugrunde liege. Der Beschwerdeführer, ein beim regionalen Mitbewerber für die Online-Redaktion zuständiger Redakteur, kritisiert diese Passage im Bericht der Konkurrenz: „Bei der betroffenen Familie handelt es sich laut Nachbarn um jugendliche Flüchtlinge, die erst seit kurzem in dieser Unterkunft leben. Zur genauen Tat konnten die Einsatzkräfte am späten Ostersonntag noch nichts sagen.“ Zwar mache die Redaktion die Aussage als Gerücht kenntlich. Er halte die Darstellung gleichwohl für geeignet, das Ansehen der Presse zu schädigen. Tatsächlich lebten in dem Gebäude, in dem sich das Tötungsdelikt zugetragen habe, mehrere unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in einer Wohngruppe. Über sie sei in den Medien häufig berichtet worden. Der Verdacht, das Tötungsdelikt habe sich unter diesen jugendlichen Flüchtlingen abgespielt, müsse für den Leser klar sein. Das sei aber falsch. Die Tat habe sich auf einer anderen Etage des Hauses zugetragen, in einer anderen Familie. Es sei die Tat eines Ehemannes gewesen, der in keinerlei Zusammenhang zu den Flüchtlingen stehe. Dadurch, dass die Regionalzeitung diese Falschinformation auf den „Markt geworfen“ habe, seien alle anderen korrekt berichtenden Medien in eine unglückliche Situation geraten. Sie hätten sich dafür rechtfertigen müssen, diese Information nicht genannt zu haben bzw. zu verschweigen. Das schade nach Ansicht des Beschwerdeführers letztlich dem Ansehen und der Glaubwürdigkeit aller Medien. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist die Vorwürfe des Beschwerdeführers zurück. Dieser versuche offenkundig, die Zeitung als Wettbewerber zu diskreditieren. Sie bleibt dabei, dass die Redaktion korrekt berichtet habe.

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Gesicht eines Unfallopfers gibt Rätsel auf

Ein Unfall mit neun Radfahrern auf Mallorca ist Thema in der Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Sie titelt: „So etwas Schlimmes habe ich noch nie gesehen“. Bebildert ist der Text mit mehreren Fotos vom Unfallort. Das letzte Foto hat die Unterzeile: „Ein Verletzter wird für den Abtransport auf der Rolltrage vorbereitet.“ Man sieht einen Verletzten, der mit einer Folie zugedeckt ist und von Sanitätern versorgt wird. Das Gesicht ist von der Seite her sichtbar. Es ist nicht verfremdet. Ein Leser der Zeitung kritisiert vor allem die Veröffentlichung des Fotos, auf dem das Gesicht des Verletzten erkennbar ist. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe teilt mit, man habe sich in der Redaktion das fragliche Foto mehrmals intensiv angesehen und sei sich nach wie vor nicht sicher, ob hier tatsächlich das Gesicht eines Unfallopfers zu erkennen sei. Trotzdem habe die Redaktion das Foto aus dem Online-Angebot entfernt.

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Magazin: „Ungesundes Volksempfinden“

„Gymnasium gegen Inklusion: Ungesundes Volksempfinden“ – so überschreibt die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins einen Kommentar. Darin geht es um die Klage der Leiterin eines Bremer Gymnasiums gegen die Unterrichtung von Kindern mit Handicaps an ihrer Schule. Der Autor vergleicht das Verhalten der Schulleiterin mit dem eines „Warlords im Schurkenstaat“. Sie missachte die Menschenrechte von Behinderten, in diesem Fall das „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“, eine bindende UN-Konvention. Fünf Leser des Nachrichtenmagazins wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Sie sehen eine Beleidigung und Ehrverletzung der Schulleiterin durch den Vergleich mit einem Warlord und in der Aussage, dass sie die Menschenrechte missachte. Zudem werde sie durch den Hinweis auf das „gesunde Volksempfinden“ mit einer Nationalsozialistin verglichen. Die Frau werde als Befürworter der Rassentrennung dargestellt und gleichgesetzt mit Rassisten, Verbrechern und Völkermördern. Das Justiziariat des Nachrichtenmagazins weist darauf hin, dass es sich bei dem Beitrag um einen Kommentar handele, der die persönliche Haltung seines Verfassers zum Ausdruck bringe. Ein solcher Debattenbeitrag dürfe auch scharf formuliert sein und polarisieren. Dies umso mehr, wenn die Stimme wie in diesem Fall für eine besonders schutzbedürftige Minderheit erhoben werde. Eine Woche nach dem Erscheinen des Kommentars habe die Redaktion einem Publizisten und Pädagogen in Form einer Gegenrede die Gelegenheit eingeräumt, Stellung zu dem kritisierten Beitrag zu nehmen. Damit sei der Diskursfreiheit Genüge getan. Das Justiziariat weiter: Die Überschrift „Ungesundes Volksempfinden“ knüpfe zwar an den Terminus an, den das NS-Regime genutzt habe. Eine Gleichsetzung der vom Autor kritisierten Haltung mit den während der NS-Zeit unter diesem Begriff verübten Verbrechen vollziehe der Beitrag aber nicht. Dass der Kommentar sich personalisierend an der Schulleiterin abarbeite, sei von der Meinungsfreiheit gedeckt und von der Frau hinzunehmen. Die Rechtsvertretung räumt ein, dass mit einzelnen Formulierungen die Grenzen der Polemik ausgereizt worden seien.

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Abschiedsbrief trieft vor Selbstmitleid

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung veröffentlicht einen Artikel über den Amoklauf von Münster. Die Redaktion teilt mit, dass sie das „Jammer-Manifest des Münster-Mörders„ gelesen habe. So bezeichnet sie das 92-seitige Abschieds-Schreiben des Sauerländers. Ein Leser der Zeitung hält es für unprofessionell, unethisch und reißerisch, einen Tag nach der Tat einen offenbar psychisch gestörten Täter als „Jammerlappen“ zu bezeichnen und ihm Weinerlichkeit vorzuwerfen. Die Zeitung schüre Hass auf einen Täter, dessen psychische Verfassung von den Behörden ermittelt und nicht in reißerischen Überschriften ausgeschlachtet werden sollte. Der Artikel berge die Gefahr, dass psychisch Kranke keine Hilfe suchten, aus Angst, als „Jammerlappen“ abgetan zu werden. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe hält dagegen, die umfassende Berichterstattung über das Attentat von Münster mit zwei Toten und zwanzig Verletzten sei weder presserechtlich noch presseethisch zu beanstanden. Die Formulierungen „Jammer-Manifest“ und „Jammer-Lappen“ seien zulässige Wertungen. Dies vor dem Hintergrund, dass der 92-seitige Abschiedsbrief des Täters von Münster vor Weinerlichkeit und Selbstmitleid triefe.

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Foto stand nur 15 Minuten lang im Netz

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet über eine Bluttat auf dem Hamburger Jungfernstieg. Ein Mann hatte dort seine Ex-Frau und die gemeinsame Tochter niedergestochen. Zum Text gestellt ist ein Foto, das die Frau mit entblößter Brust beim Abtransport mit einem Krankenwagen zeigt. Mehrere Leser der Zeitung kritisieren die Berichterstattung in Form einer Beschwerde an den Presserat. Sie sehen die Persönlichkeitsrechte des Opfers verletzt. Dieses werde mit freiem Oberkörper gezeigt und damit in schamverletzender Weise bloßgestellt. Der Chefredakteur entgegnet auf die Vorwürfe, er sei auch bei nochmaliger gründlicher Betrachtung des Fotos nicht sicher, ob darauf eine entblößte Brust zu sehen sei. Genau diesen Verdacht hätten jedoch auch einige seiner Kolleginnen und Kollegen in der Redaktion geäußert, so dass man das Foto vorsichtshalber aus dem Netz genommen habe. Insgesamt sei es lediglich 15 Minuten lang online gewesen.

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Tote Kinder können im Bild gezeigt werden

Aus einem Verdacht eine Tatsache gemacht

Eine überregionale Tageszeitung berichtet gedruckt und online über einen Erfolg der Polizei. Diese habe einen Anschlag auf den Berliner Halbmarathon verhindert, indem sie sechs Männer aus dem privaten Umfeld des Attentäters vom Berliner Breitscheidplatz festgenommen habe. In der Wohnung eines der Verdächtigen hätten speziell auf Sprengstoff trainierte Polizeihunde angeschlagen. Ein ranghoher Polizeiführer habe der Zeitung gesagt: „Wir werten noch aus. Aber das war wahrscheinlich knapp.“ Eine konkrete Gefährdungslage habe nicht bestanden, weil ein mobiles Einsatzkommando den Verdächtigen seit langem nicht aus den Augen gelassen habe. Die Veranstalter des Marathons und dessen Teilnehmer hätten aus den Nachrichten von dem vereitelten Terroranschlag erfahren. Ein Leser der Zeitung begründet seine Beschwerde beim Presserat mit der Schlagzeile, mit der die Zeitung erschienen sei. Diese habe gelautet: „Polizei verhindert Terroranschlag in Berlin“. Der Artikel beginne mit dieser Passage: „Spezialkräfte der Berliner Polizei haben nach Informationen von (…) einen Anschlag während des 38. Berliner Halbmarathons am Sonntag verhindert. Die Polizei der Hauptstadt bestätigt den Bericht inzwischen.“ Diese Darstellung sei falsch, stellt der Beschwerdeführer fest. Die Menschen, die die Polizei vorübergehend festgenommen habe, hatten nach Angaben der Polizei keine konkreten Anschlagspläne. Die Polizei habe den Bericht der Zeitung, dass sie einen Anschlag verhindert habe, auch nicht bestätigt. Die Zeitung habe an ihrer Darstellung auch noch festgehalten, als die Polizei ihrer Darstellung bereits ausdrücklich widersprochen habe. Die Redaktion habe aus einem tatsächlichen Anfangsverdacht eine Tatsache gemacht. Der zuständige Ressortleiter der Zeitung nimmt zu der Beschwerde Stellung. Bei der Polizei habe die Sorge vor einer möglichen Tat beim Halbmarathon durchaus bestanden, also das, was der Beschwerdeführer einen „Anfangsverdacht“ nenne. Es habe Hinweise darauf gegeben, dass die sechs festgenommenen Männer „an der Vorbereitung eines Verbrechens im Zusammenhang mit dieser Veranstaltung“ beteiligt gewesen sein könnten. Der Ressortleiter stellt fest, dass die Berichterstattung in einem konjunktivischen Ton gehalten sei. Es sei sicher nicht darum gegangen, aus Ermittlungshinweisen und indiziengestützten Mutmaßungen eine Tatsachenbehauptung zu machen. Der ganze Bericht inklusive der Unterzeile sei im Geist des hier sehr wichtigen Wörtchens „offenbar“ geschrieben. Was habe die Redaktion getan? Sie habe gewusst, dass sich die Polizei wegen eines möglichen Anschlags Sorgen mache. Sie greife ein und nehme fest. Das habe man aufgeschrieben.

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Welche Komponenten machen ein OB-Gehalt aus?

Die Redaktion einer Regionalzeitung kritisiert mit einer Meldung unter der Überschrift „Der OB verdient nicht mehr“ einen Leserbrief, den sie am Vortag veröffentlicht hatte. Inhaltlich sei es falsch, dass der OB mehr verdienen würde, wenn seine Stadt kreisfrei würde. Beschwerdeführer ist der Verfasser des Leserbriefes. Er wehrt sich dagegen, dass sein Leserbrief von der Redaktion inhaltlich korrigiert wurde. Die Korrektur sei undurchsichtig erfolgt und korrigiere einen Vorgang, den er – der Beschwerdeführer -nicht kennen konnte. Einer Mail der Redaktion habe er entnehmen können, dass der OB schon jetzt mehr Geld bekomme als ihm zustehe. In der Korrektur der Redaktion werde behauptet, dass sich das Gehalt des Oberbürgermeisters ausschließlich an der Einwohnerzahl orientiere. Dies sei falsch. Neben dem Grundgehalt gehörten auch Dienstaufwandentschädigungen dazu, bei denen unter anderem auch die Kreisfreiheit der Gemeinde eine Bewertungsgröße sei. Dies sei von ihm – dem Beschwerdeführer – in einer Mail an die Redaktion angemerkt worden. Der Chefredakteur nimmt Stellung: Der Fehler der Redaktion habe darin bestanden, diesen Brief ungeprüft veröffentlicht zu haben.

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„Transen“ mit Flaschen beworfen

Eine Großstadtzeitung berichtet online über die Probleme von transsexuellen Prostituierten. Sie würden häufig mit Flaschen beworfen oder mit Wasser bespritzt, berichten Betroffene. Die „Männer in Frauenkleidern“ würden vermehrt beschimpft und angegriffen. Sie hofften auf mehr Schutz, teilt die Zeitung mit. Die Transsexuellen werden im Artikel auch „Transen“ genannt. Der Autor zitiert einen „Dönermann aus dem Kiez“ mit den Worten: „Wenn es stimmt, dass jemand die Transen geschlagen hat, finde ich das gut.“ Mehrere Leser der Zeitung wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Sie finden den Artikel gewaltverherrlichend, transphob und diskriminierend. Die Verwendung des Schimpfwortes „Transe“ verletze die Würde der Betroffenen. Auch die sexualisierte Darstellung sei sensationslüstern. Ein O-Ton – gemeint ist der zitierte „Dönermann“ – rufe zur Gewalt auf. Auch sei es inakzeptabel und eine Diskriminierung, Transsexuelle als Männer zu bezeichnen. Es sei perfide, gleich noch Ausländer und Geflüchtete als besonders gewalttätig und übergriffig darzustellen und damit zwei Randgruppen gegeneinander auszuspielen. Damit meint einer der Beschwerdeführer die folgende Passage: „Und die Kunden, die kommen, wollen oft wenig zahlen. (…) Manchmal kommen syrische Flüchtlinge, die sagen, sie seien gut ausgestattet und wollen nur fünf Euro bezahlen. Das geht nicht.“ Die Redaktion nimmt zu den Beschwerden nicht Stellung.

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