Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6657 Entscheidungen
„Avicii beendete sein Leben mit einer Glasscherbe“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Im Bericht geht es um den Freitod eines bekannten DJs. Unter Berufung auf die Berichterstattung einer Boulevard-Website schreibt die Zeitung, Avicii habe eine Weinflasche zertrümmert und sich mit einer der Glasscherben das Leben genommen. Genauere Angaben zur Art und Weise werden nicht gemacht. Eine Leserin der Zeitung sieht in dem Artikel, vor allem jedoch in der Überschrift, einen Verstoß gegen die im Pressekodex (Ziffer 8, Richtlinie 8.7) gebotene Zurückhaltung, die sich die Presse bei der Berichterstattung über Suizide auferlegt hat. Nach Ansicht des Chefredakteurs der Zeitung habe der Tod des „weltberühmten DJ Avicii die ganze Welt bewegt.“ Wenn eine derart prominente Persönlichkeit so jung aus dem Leben scheide, bestehe naturgemäß ein großes Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Gleichwohl sei sich die Redaktion bewusst, dass die Berichterstattung über Suizide immer heikel sei. Deshalb sei in den Artikel ein gut sichtbarer Hinweis auf die Kontaktmöglichkeiten mit der Telefonseelsorge eingebaut worden. Angemessener könne man nach seiner – des Chefredakteurs – Ansicht den Konflikt zwischen dem berechtigten Informationsinteresse und den denkbaren Gefahren bei Berichterstattungen über Suizide nicht lösen.
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In der Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung geht es um eine Rede des scheidenden AfD-Landesvorsitzenden Petr Bystron. Der habe gesagt, dass er „urlaubende Flüchtlinge entsorgen wolle. Ein Beschwerdeführer teilt mit, er habe sich die vollständige Rede auf Youtube angesehen. Bystron habe die beschriebene Aussage nicht gemacht. Dieser habe gesagt, dass die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Özoguz, entsorgt werden müsse. Ganz eindeutig habe er sich auf die Ministerin bezogen und nicht auf Flüchtlinge. Die Online-Ausgabe der Zeitung verweist auf eine Agenturmeldung und beruft sich auf das Agenturprivileg. Der Beschwerdeausschuss bewertet die Beschwerde aufgrund dieses Umstandes als unbegründet und beschließt die Einleitung eines Beschwerdeverfahrens gegen die Agentur. In der dem Online-Artikel zugrunde liegenden Agenturmeldung heißt es: "Abgelehnte Flüchtlinge müssten rasch ausgewiesen werden. Flüchtlinge, die in Deutschland lebten, aber dann in ihren angeblich unsicheren Heimatländern Urlaub machten, müssten ´selbstverständlich entsorgt werden´, sagte er.“ Die Agentur versendet eine in diesem Punkt korrigierte Meldung. Darin heißt es zu dem streitauslösenden Punkt: „Bystron wendet sich gegen Politiker, die Verständnis dafür hätten, dass Flüchtlinge in ihren Heimatländern Urlaub machten. ´Solche Menschen müssen wir selbstverständlich entsorgen´, sagte er. Diese Aussage beziehe sich nicht auf die Flüchtlinge, sondern auf die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, betonte Bystron. Die Rechtsvertretung der Agentur betont, dass die Zuordnung des Zitats „Solche Menschen müssen wir selbstverständlich entsorgen“ geändert worden sei. Ergebnis umfangreicher Recherchen: Der umstrittene Satz ist zumindest missverständlich.
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Ein vorbestrafter Kinderschänder wird festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, eine Bekannte vor den Augen zweier Kinder vergewaltigt zu haben. Eine Boulevardzeitung berichtet online über den Fall. Zum Artikel gestellt ist ein Foto, das das Wohnzimmer zeigt, in dem die Tat stattgefunden haben soll. Eine Leserin der Zeitung sieht die Persönlichkeitsrechte des Opfers durch die Veröffentlichung des Wohnzimmer-Fotos verletzt. Der Chefredakteur der Zeitung weist den Vorwurf zurück, da eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten nicht vorliege. Jeder zufällig vorbeikommende Passant habe in die im Parterre liegende Wohnung hineinschauen können. Das Fotografieren einer Wohnung, die ohnehin für jedermanns Blicke zugänglich sei, könne keine unlautere Recherchemethode sein. Der Chefredakteur weist auch den Vorwurf einer Persönlichkeitsrechtsverletzung zurück, da an der Ablichtung der Wohnung ein besonderes öffentliches Interesse bestanden habe. Der einschlägig vorbestrafte Martin B. habe offenbar eine junge Frau vergewaltigt. Und dies noch im Beisein zweier Kinder. Die Wohnung als Tatort zu zeigen, diene dem besseren Verständnis des besonderen Sachverhalts, so der Chefredakteur abschließend.
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Eine Frauenzeitschrift berichtet online unter der Überschrift „Entschlüsselt: Warum Homöopathie so gut hilft“ über die Wirksamkeit homöopathischer Mittel. Wirke Homöopathie oder sei sie reine Glaubenssache, fragt die Redaktion. Ihr zufolge ist dies für 60 Prozent der Deutschen eine überflüssige akademische Diskussion. Denn unabhängig von wissenschaftlichen Studien spürten sie am eigenen Leib; dass die über 200 Jahre alte Homöopathie ihnen helfe. Die Redaktion nennt eine Fülle von Beispielen und Untersuchungen, bei denen es um die Wirksamkeit der Heilmethode gehe. Ein Leser der Zeitschrift bemängelt, dass der Artikel nicht als Werbung oder Anzeige gekennzeichnet ist. Im letzten Absatz jedoch werde auf eine Werbemaßnahme eines namentlich genannten Herstellers hingewiesen. Der Text suggeriere eine nachgewiesene Wirksamkeit homöopathischer Mittel, die unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten nicht belegt sei. Die Chefredakteurin der Zeitschrift merkt an, dass der Beschwerdeführer sich bereits an die Redaktion gewandt habe. Da man bei einem so heiklen Thema lieber auf „Nummer sicher“ habe gehen wollen, habe sich die Redaktion zur Löschung des Beitrages entschieden. Insofern sei die Beschwerde bereits gegenstandslos. Wenn die redaktionelle Darstellung zur Homöopathie aus Sicht des Presserats zu positiv ausgefallen sei und der Hinweis auf die Initiative des Herstellers unangemessen gewesen sein sollte, so bedauere man dies. Man sei beim Schreiben des Textes davon ausgegangen, dass es sich um nützliche Informationen für die Nutzer handele.
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Eine Regionalzeitung berichtet online unter der Überschrift „Drei Konfirmanden helfen tüchtig mit“ über ein lange zurückliegendes Sozialprojekt, an dem die jungen Leute mitgewirkt hatten. Zum Artikel gestellt ist ein Foto, auf dem der Beschwerdeführer als einer der Konfirmanden in einer Rettungswache zu sehen ist. Der Besuch auf der Wache war Abschluss des Projekts. Der Beschwerdeführer stellt fest, dass im Online-Angebot der Zeitung das Foto von ihm als Kind zu sehen ist. Er habe den Verlag vergeblich gebeten, das Foto zu löschen. Das Kinderfoto sei ohne seine Einwilligung veröffentlicht worden. Die Zeitung lege mit dieser Veröffentlichung auch seine religiöse Orientierung offen. Der Justiziariat der Zeitung lehnt die Forderung des Beschwerdeführers ab und weist auf das Fehlen eines rechtlichen Anspruchs hin. Es sei ein anerkanntes Interesse der Öffentlichkeit, vergangene lokale Ereignisse von öffentlichem Interesse anhand unveränderter Originalberichte in den Medien zu dokumentieren. Der Beschwerdeführer sieht durch die Bildveröffentlichung seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Er strebt unter Hinweis auf den Datenschutz an, dass die Zeitung das Foto löscht. Die Chefredaktion stellt fest, das fragliche Foto sei in einer öffentlichen Sphäre entstanden und stelle ein Dokument der lokalen Zeitgeschichte dar. Schließlich enthalte die Berichterstattung nichts, was sachlich unrichtig sei oder dem Beschwerdeführer zum Nachteil gereichen könnte. Die Rechtsvertretung der Zeitung hält die damalige – und seinerzeit unwidersprochene – Veröffentlichung des Artikels für ebenso legitim wie die Verfügbarkeit dieser Information für die interessierte Öffentlichkeit im Archiv.
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Eine Computerzeitschrift veröffentlicht online einen Beitrag, in dem das Tagesangebot eines Online-Händlers vorgestellt wird. Es geht um einen „starken WLAN-Router“. In der Veröffentlichung enthalten sind zwei Links zu dem Anbieter, über den das Gerät bestellt werden kann. Ein Leser der Zeitschrift sieht in der Berichterstattung Werbung sowohl für den Online-Händler als auch für den Hersteller des Routers. Der Chefredakteur der Zeitschrift vermag die Kritik des Beschwerdeführers, der Beitrag unterscheide nicht zwischen redaktioneller Berichterstattung und Werbung, nicht nachzuvollziehen. Der Artikel sei eindeutig redaktioneller Natur. Von Schleichwerbung könne keine Rede sein. Durch die Einordnung in die Rubrik „Home-Test und Kaufberatung –Schnäppchen-Tipps der Redaktion“ sowie das Startbild mit dem Hinweis „Schnäppchen-Tipp“ werde klar, dass es sich um einen redaktionellen Beitrag handele. Der Chefredakteur weist darauf hin, dass seine Zeitschrift eine wichtige Anlaufstelle sei, wenn Leser sich über Qualität und Preiswürdigkeit von Produkten informieren wollten. Dazu gehörten auch Informationen über aktuelle „Schnäppchen“. Was die Nutzer zu Recht erwarteten, sei eine redaktionelle Beurteilung darüber, ob ein vermeintliches Sonderangebot auch wirklich ein „Schnäppchen“ sei oder nicht doch eher Nepp.
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Ein Autofahrer fährt einen vermutlich unter Alkohol und/oder Drogen stehenden Fußgänger an und schleift ihn etwa 20 Meter auf der Kühlerhaube mit sich. Die örtliche Zeitung berichtet online über den Vorfall und illustriert ihren Artikel mit einem Video. Eine Leserin der Zeitung hält die Berichterstattung für einen Verstoß gegen presseethische Grundsätze. Die im Video zu sehende Person sei mit Sicherheit nicht gefragt worden, ob sie gefilmt werden möchte. Außerdem gehöre das Video in die Hände der Polizei und nicht ins Online-Angebot der Zeitung. Das Vorgehen der Zeitung sei nach dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung extrem grenzwertig. Der Chefredakteur sieht den mitgeschleiften Fußgänger weder in seinen Persönlichkeitsrechten noch in seiner Menschenwürde oder in seiner Ehre verletzt. Der Passant sei nicht identifizierbar dargestellt. Anlass für die Veröffentlichung sei einzig und allein die Dokumentation einer eskalierten Verkehrssituation im Zentrum einer Stadt gewesen. Dass der Passant „sturzbetrunken“ gewesen sein soll, lasse sich nach der Aussage von Zeugen nicht bestätigen.
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„Der Putin-Kritiker, an dem selbst die Opposition verzweifelt“ – so überschreibt eine Wochenzeitung online einen Bericht über den Journalisten Arkadi Babtschenko, nachdem öffentlich geworden war, dass das Attentat auf ihn vom ukrainischen Geheimdienst inszeniert worden sei. Der Autor erwähnt auch andere Morde in Russland. Hinzu kämen die nicht aufgeklärten Morde an Journalisten wie Anna Politkowskaja oder an dem Oppositionspolitiker Boris Nemzow. In allen diesen Fällen hätten sich die Machthaber damit gerechtfertigt, dass die Morde der russischen Regierung eher schaden als nützen. Dennoch hätten es die Behörden nicht geschafft, die Mörder zu ermitteln. Ein Leser der Zeitung wirft der Redaktion vor, der Artikel enthalte eine schwerwiegende Falschbehauptung zu Morden an Journalisten und Politikern in Russland. Der Autor behaupte, dass die Mörder bekannter Persönlichkeiten nicht ermittelt worden seien Er erwecke dabei den Eindruck, dass es sich bei den „Nicht-Ermittlungen“ um Absicht handeln könnte. Diese Behauptung sei falsch. Richtig sei, dass sowohl im Fall Politkowskaja als auch im Fall Nemzow die Mörder und mehrere ihrer Tathelfer erst ermittelt, dann festgenommen und schließlich angeklagt und verurteilt worden seien. Die Rechtsvertretung der Zeitung teilt mit, der Autor vertrete in seinem Text die Auffassung, dass die Mörder von Anna Politkowskaja und Boris Nemzow noch nicht ermittelt worden seien. Damit stehe er nicht allein. Bei Wikipedia lese man zu Anna Politkowskaja: „Die Schuld der Verurteilten wurde von Beobachtern aus dem Ausland angezweifelt.“ Unstreitig sei, dass die Hintermänner der beiden Morde nicht ermittelt und dass die Ermittlungen zumindest schlampig, wenn nicht bewusst falsch oder gar nicht betrieben worden seien.
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„Verteidigt das Völkerrecht!“ - unter dieser Überschrift kommentiert eine überregionale Zeitung online einen Giftgasangriff in Syrien. Die kommenden Tage würden zeigen, ob sich die Staatengemeinschaft doch noch zu einer Verteidigung ihrer Prinzipien aufraffen könne. Bis auf einen US-Schlag ein Jahr zuvor seien die Giftgasangriffe ungeahndet geblieben. Das sei verantwortungslos gegenüber den Kindern, Frauen und Männern, denen Schaum aus dem Mund trete, bevor sie an Chlorgas oder Sarin erstickten. Es sei furchtbar für eine Weltgemeinschaft - so der Kommentator weiter –, die sich außerstande sehe, künftige Gräueltaten dieser Art zu unterbinden. Da der UN-Sicherheitsrat durch Vetos gelähmt sein dürfte, sollten Länder wie Frankreich oder die USA in diesem extremen Notfall eingreifen. Der Beschwerdeführer – ein Leser der Zeitung -, weist darauf hin, dass das Völkerrecht militärische Interventionen verbiete, die von außen auf souveräne Staaten gerichtet seien. Nur durch ein Mandat des Sicherheitsrates dürfe eingegriffen werden. Nach Ansicht des Konzernbereichs Recht verkennt der Beschwerdeführer, dass sowohl die Überschrift als auch die Ausführungen nicht im streng formalen Sinne gemeint seien, sondern als Platzhalter für den jeweils dahinterstehenden Gedanken verwendet werde. Den Begriff „Völkerrecht“ in der Überschrift und im Text meine der Autor auch nicht im streng formaljuristischen Sinne. Vielmehr messe er ihm die Bedeutung einer „Garantie des Mindestmaßes an Menschlichkeit“ bzw. der „Prinzipien der Menschheit“ zu. Anders als der Beschwerdeführer hält es die Rechtsvertretung grundsätzlich nicht für erforderlich, dass ein Kommentator weitschweifend über alle zugrundeliegenden Tatsachen informiert, die zu seiner Meinungsbildung beigetragen hätten.
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Der Eichenprozessionsspinner ist Thema in einer Regionalzeitung. Sie berichtet online über den Befall von Bäumen. Die Besitzerin eines Reitstalls wird zitiert. Sie beklagt, dass schon einige ihrer Pferde durch den Kontakt mit den Raupen schwere Verletzungen erlitten hätten. Sie habe sich hilfesuchend an die Stadt gewandt. Dort sei ihr empfohlen worden, die Raupen selbst von den Bäumen zu entfernen. Dies sei jedoch teuer, so die Frau im Gespräch mit der Zeitung. Sie fühle sich von der Stadt allein gelassen. Ein Leser der Zeitung wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Er teilt mit, dass der Bruder der Reitstallbesitzerin den Artikel geschrieben habe. Die Zeitung habe damit gegen presseethische Grundsätze verstoßen. Mit dem Artikel sei die Absicht verbunden, Druck auf die Stadt auszuüben. Der Redaktionsleiter nimmt Stellung. Der Beschwerdeführer behaupte, die Zeitung versuche mit dem Artikel, eine „Leistung aus der Stadt (…) heraus zu pressen. Einziger Beleg für diese Behauptung sei die Tatsache, dass der Autor des Berichts ein Bruder der Reitstall-Eignerin sei. Das Verhältnis zwischen dem Autor und der Eignerin spiele für den Artikel allerdings nur insofern eine Rolle, als die Redaktion dadurch Kenntnis von den Schäden erhalten habe. Die Entscheidung, darüber zu berichten, habe nicht der Autor, sondern die Redaktion getroffen. Nach eingehender Diskussion habe man in der Redaktion entschieden, dass der Bruder der Reitstallbesitzerin den Artikel schreiben könne, weil er nicht angestellt, sondern ein freier Mitarbeiter sei. Abschließend bekräftigt der Redaktionsleiter, dass die Redaktion zwar die Ansicht der Eignerin des Pferdehofes veröffentlicht habe, sie sich aber nicht zu eigen gemacht habe.
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