Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6657 Entscheidungen

Vielfacher Missbrauch in einer „Salzgrotte“?

Eine Boulevardzeitung berichtet über die Anklage gegen einen Mann wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen in 20 Fällen. Tatort war der Berichterstattung zufolge die „Salzgrotte“, eine Sole-Kabine an einem Schützenplatz. Über den Angeklagten Dirk P. heißt es, er sei ein zwielichtiger Unternehmer und betreibe ein „Deutsches Institut für alternative Therapie“. Der Beitrag ist mit einem Foto des Angeklagten illustriert, dessen Augen mit einem schwarzen Balken versehen sind. Die Online-Ausgabe der Zeitung berichtet textidentisch über den Fall. Beschwerdeführer ist der Angeklagte selbst. Durch den Artikel werde er vorverurteilt. Vor dem Erscheinen des Artikels seien bereits Vergewaltigungsvorwürfe der Jugendlichen aufgrund von nachweislichen Lügen von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Er selbst sei durch den Artikel zweifelsfrei zu identifizieren. Eine Verurteilung wegen Brandstiftung, wie im Text zu lesen, sei nie erfolgt. Er habe die Zeitung zu einer Stellungnahme aufgefordert. Ohne Erfolg. Die Anklageschrift sei ihm – dem Beschwerdeführer – erst nach Erscheinen des Artikels zugestellt worden. Ob diese zugelassen werde, sei noch nicht entschieden. Sein Ruf werde durch die Berichte geschädigt. Seine Persönlichkeitsrechte würden verletzt. Der Chefredakteur der Zeitung hält die Vorwürfe des Beschwerdeführers für unbegründet. Mehrere Kriterien der Ziffer 8, Richtlinie 8.1, seien erfüllt. Schwere des Vorwurfs, Bekanntheitsgrad des Verdächtigen, sein früheres Verhalten und die Intensivität, mit der er die Öffentlichkeit suche. Der Beschwerdeführer habe mit der Redaktion über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe gesprochen. Es gehe um Kindesmissbrauch und es habe vorherige Verurteilungen gegeben. Allein diese drei Abwägungskriterien machten die Angelegenheit ohne Zweifel zu einem Fall von besonderem öffentlichem Interesse. In derartigen Fällen gehören nach Meinung des Chefredakteurs Name und Foto zur Nachricht dazu. Die Berichterstattung sei auch nicht vorverurteilend. Es werde mit keinem Wort frühzeitig strafrechtliche Schuld zugewiesen. Auch werde nicht durch präjudizierende Formulierungen der Eindruck erweckt, der Beschwerdeführer sei bereits verurteilt. Vielmehr nenne die Redaktion ausdrücklich den Verfahrensstand und mache deutlich, dass es sich nur um Vorwürfe der Strafverfolger handele. Der Beschwerdeführer müsse es hinnehmen, dass die Presse über ihn mit Bild und dem Vornamen berichte, ohne dabei die Ziffer 13 des Kodex (Vorverurteilung) zu verletzen.

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„Artikel bedient Sensationsgier des Lesers“

Ein regionales Nachrichtenportal berichtet unter der Überschrift „Dringender Tatverdacht, Festnahme: (…) Promi-Arzt tötete seine Ehefrau!“ über die Verhaftung eines ehemaligen Promi-Mediziners, der seine Frau getötet haben soll. Wenn prominente Sportler gesundheitliche Probleme gehabt hätten, sei Mediziner Sieghard F. eine der ersten Adressen gewesen. Vor etwa drei Jahrzehnten – so die Redaktion – sei er Leiter eines Instituts für Sportmedizin gewesen. Vor gut 20 Jahren habe er seine eigene Praxis eröffnet. Über den Arzt wird weiter berichtet, er habe Geld in einem Tennis-Club gestohlen. Nachbarn hätten ihn immer öfter stark betrunken gesehen. Er habe eine Bewährungsstrafe bekommen, weil er mit 3,45 Promille einen Autounfall verursacht habe. Zum Bericht gestellt ist das Foto eines Wohnhauses. Die Bildunterschrift lautet: „Katrin F. (53) soll in der gemeinsamen (…) Wohnung ums Leben gekommen sein.“ Ein anderes Foto zeigt den Mediziner mit Augenbalken gemeinsam mit dem Skispringer Jens Weißflog, der seinerzeit einer der Patienten des Arztes gewesen sei. Bildunterschrift: „Der bekannte Sportmediziner (l.) behandelte auf dem Höhepunkt seiner Karriere auch prominente Sportler wie Jens Weißflog.“ Ein Nutzer des Internetportals kritisiert, die Überschrift lasse den Leser darauf schließen, dass ein Tötungsverbrechen erwiesen sei. Dies sei jedoch nicht der Fall. Real handele es sich um einen Tatverdacht. Zudem ziele der Artikel nur darauf ab, den Tatverdächtigen öffentlich bloß zu stellen. Der Tatverdächtige sei zwar früher ein sogenannter „Promi-Arzt“ gewesen, stehe aber längst nicht mehr in der Öffentlichkeit. Der ganze Artikel diene nur dazu, die Sensationsgier der Leserschaft zu befriedigen. Die von dem Internetportal beauftragte Rechtsanwältin hält die Vorwürfe des Beschwerdeführers für unbegründet. Der beanstandete Bericht beschränke sich auf eine neutrale Wiedergabe des Sachverhalts. Aus Überschrift und Text gehe klar hervor, dass von einem Tatverdacht auszugehen sei. Durch das Foto sei der Mediziner nicht identifizierbar. Sein voller Name werde nicht genannt.

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Ziel erreicht: Unrühmliche Bekanntheit

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online Berichte und ein Video über den Anschlag von Halle und zeigt dabei Bilder aus dem Täter-Video. Darunter ist ein Foto zu sehen, dass der Attentäter während der Tat von sich gemacht hat. Er wird in Überschrift und Text mit seinem vollen Namen genannt. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass der mutmaßliche Täter namentlich benannt wird und mit Foto zu erkennen ist. Spätestens jetzt habe er sein Ziel erreicht: Unrühmliche Bekanntheit. Der Chefredakteur der Zeitung vermag nicht nachzuvollziehen, warum diese Beschwerde für das Verfahren überhaupt zugelassen wurde. Es handele sich bei dem Video ganz offensichtlich um eine nachrichtlich aufbereitete, chronologische Schilderung des Attentats von Halle, an der ein überragendes öffentliches Interesse bestehe. Der Chefredakteur verteidigt die Berichterstattung über das Attentat und sieht nicht einen presseethischen Grundsatz verletzt.

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Neunzehn Beschwerden zu einem Kommentar

Eine überregionale Tageszeitung veröffentlicht gedruckt und online einen Kommentar zum Anschlag auf die Synagoge in Halle. Unter der Überschrift „Nie wieder ´nie wieder´!“ schreibt der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE, Mathias Döpfner, bei dem Terror von Halle habe man es mit einem „Systemversagen der offenen Gesellschaft“ zu tun. Halle stehe „für das Versagen des Staates in seinem zentralen Auftrag, dem Schutz des öffentlichen Raumes“. Immer weniger werde noch benannt, „wie es ist“ „Es werde „verschwiegen oder beschwichtigend verharmlost“. Und wenn „einige wenige Medien“ die Fakten noch nennen oder grausame Bilder trotzdem zeigten, dann würden vielfach nicht die Tatsachen beklagt, sondern derjenige beschimpft oder gar der Aufwiegelung bezichtigt, der die Realität beschreibe. Im Kommentar heißt es weiter, „Deutschlands Politik- und Medieneliten schlafen den Schlaf der Selbstgerechten und träumen den Wunschtraum der Political Correctness“. Der Autor begründet seine Meinung mit einer Reihe von Beispielen. So beklagt er eine rechtsstaatlich sehr zweifelhafte Flüchtlingspolitik, die kaum unterscheide zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen. Er untermauert seine These unter anderem mit dem „Fall Jatta“. Dabei geht es um den HSV-Fußballspieler Bakery Jatta, der eigentlich Bakary Daffeh heiße und zwei Jahre älter sei als er angebe. Die Ermittlungen zögen sich über Jahre hinweg, und die Journalisten schauten „systematisch weg“. Der Kommentar zieht 19 Beschwerden nach sich. Hauptvorwurf: Döpfner verschiebe in seinem Kommentar die Aufmerksamkeit vom Rechtsterrorismus zur Flüchtlingspolitik. Das Attentat von Halle sei von einem Rechtsextremen begangen worden. Hier die Flüchtlingspolitik oder eine offene Gesellschaft verantwortlich zu machen, sei nicht nur falsch und unerträglich, sondern entspreche auch der Aussage rechtsextremer Parteien. Einige Beschwerdeführer kritisieren auch Döpfners Medienkritik und hier vor allem seine Ansicht, viele Medien würden nicht die Realität beschreiben, sondern verharmlosen. Der Chefredakteur der Zeitung weist die Vorwürfe der Beschwerdeführer entschieden zurück. Der Kommentar entspreche in jeder Hinsicht den standesethischen Vorgaben des Pressekodex. Dass der Kommentar seine Ziele nicht verfehlt habe, möge man in den positiven Reaktionen von Leserinnen und Lesern erkennen, aber auch an der intensiven medialen Auseinandersetzung mit dem Beitrag.

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Zeitung nennt Namen einer jungen Rednerin

„Alt und Jung gemeinsam für Klimaschutz“ titelt eine Regionalzeitung. Im Bericht geht es um eine Demonstration, die eine örtliche Klimaschutz-Initiative veranstaltet hat. Der Beschwerdeführer in diesem Fall sieht in der Veröffentlichung Verstöße gegen presseethische Grundsätze. Neben falschen Zitaten mit teils sinnfreien Sätzen sei seine minderjährige Tochter als einzige Schülerin mit ihrem kompletten Namen genannt worden. Dies sei in der Online-Ausgabe nach einer Intervention seiner Frau noch am gleichen Tag korrigiert worden. Dabei habe die Redaktion der Frau zugesichert, dass die Korrekturen auch an die Printredaktion weitergegeben würden. Die Printausgabe sei jedoch ohne Korrekturen erschienen. Den Verstoß gegen die Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit) sieht der Beschwerdeführer darin, dass die identifizierende Berichterstattung für das eigentliche Thema nicht von Bedeutung sei. Folglich seien das Persönlichkeitsrecht und die Privatsphäre strikt zu wahren. Dabei stünden Minderjährige unter einem besonderen Schutz. Für die Zeitung nimmt deren Chefredakteur Stellung. Die namentlich genannte Tochter des Beschwerdeführers habe bei der von „Fridays for Future“ veranstalteten Demonstration vor rund 1.500 Zuhörern von der Bühne aus eine Rede gehalten. Den Namen habe der Berichterstatter einer Rednerliste entnommen, die ihm vom Veranstalter auf Anfrage zur Verfügung gestellt worden sei. Die Organisatoren hätten dem Redakteur mitgeteilt, die Redner seien alle aus der elften bzw. zwölften Klasse. Wenn eine Schülerin bei einer Demonstration öffentlich auftrete, müsse die Redaktion sagen, wer sie sei. Nachdem der Bericht gedruckt und online erschienen sei, habe der Vater der Schülerin die Redaktion kontaktiert. Nach seinem Hinweis habe die Redaktion in der Online-Version den Bericht entsprechend geändert. Von einer Korrektur in der gedruckten Zeitung sei nicht die Rede gewesen.

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Im Fadenkreuz des Verfassungsschutzes

Eine überregionale Tageszeitung berichtet online unter der Überschrift „AStA wirft Lucke ´Provokation´ der Protestierenden vor“ über Proteste bei einer Vorlesung des AfD-Mitgründers Bernd Lucke an der Hamburger Uni. Im Text heißt es unter anderem: “Beteiligt waren auch Mitglieder der vom Verfassungsschutz beobachteten ´Antifaschistischen Aktion´ (Antifa).“ Der Beschwerdeführer stört sich an dieser Passage. Er sieht darin einen Verstoß gegen presseethische Grundsätze. Hier werde unsachgemäß der Eindruck erweckt, es gäbe eine Organisation, die sich „Antifaschistische Aktion“ nenne und vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Der Begriff „Antifa“ beschreibe keine Organisation, sondern ein Aktionsfeld. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe der Zeitung gibt dem Beschwerdeführer Recht, wenn dieser behaupte, dass es Antifaschisten gebe, die antifaschistische Aktionen in Deutschland durchführten und nicht vom Verfassungsschutz beobachtet würden. Womit der Beschwerdeführer sich nicht beschäftige, sei dies: Der Verfassungsschutz beobachte die linksextremistische Szene intensiv. In seinen Jahresberichten stelle er dies immer wieder heraus, ebenso die Tatsache, dass es keine gefestigte Organisationsstruktur in den linksextremistischen Aktionsfeldern gebe. Es gebe keinen eingetragenen Verein namens „Antifaschistische Aktion“, denn der würde umgehend verboten werden. Was es aber gebe, seien beispielsweise die allseits bekannten Fahnen und Aufnäher der „Antifaschistischen Aktion“, die bei einer Störung der Lucke-Vorlesung im Oktober 2019, einem leider erfolgreichen Versuch, Meinungs- und Lehrfreiheit zu unterbinden, gezeigt worden seien. Der Chefredakteur schließt seine Stellungnahme mit dem Resümee, dass in der Berichterstattung kein Verstoß gegen presseethische Grundsätze zu erkennen sei.

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Inhalte an Redaktion vorbei „bereitgestellt“

„Züchter erwischt Mann bei Sex mit Schaf – Tier wird notgeschlachtet“ unter dieser Überschrift berichtet ein Nachrichtenmagazin über einen Fall von sexuellem Missbrauch eines Tieres in Bayern. Die Dachzeile der Mobile-Version lautet unter anderem: „Der Inhalt wird bereitgestellt* von HuffPost“. Im Online-Artikel wird dieser Hinweis unter der Überschrift gegeben. Ein Leser des Magazins stellt fest, erst nach mehreren Versuchen habe er erkennen können, dass der Inhalt „bereitgestellt“ worden sei. Bis dahin sei er davon ausgegangen, dass es sich um einen Artikel von Focus Online handele. Focus gelte als Nachrichtenmagazin, für das Journalisten ihrer Recherchepflicht nachkämen. Der Chefredakteur des Nachrichtenmagazins teilt mit, dieses Thema sei für sein Unternehmen und seine ca. 80 Partnermedien im „Publisher Netzwerk“ von strategischer Wichtigkeit. Vereinfacht gesagt: Wenn die deutschen Inhalteanbieter nicht durch Schaffung reichweitenstarker Plattformen eine gewisse „kritische Masse“ aufbrächten, würden sie im Wettbewerb mit den US-Giganten wie Google, Amazon oder Facebook bei der Werbevermarktung bald keine relevante Rolle mehr spielen können. Da sie aber auf Werbeerlöse zwingend angewiesen seien, würden dadurch die Refinanzierungsvoraussetzungen für Online-Journalismus in Deutschland in zunehmendem Maße ausgehöhlt. Wenn in dieser Situation der Presserat dem Magazin als dem Organisator einer solchen Plattform presseethische Pflichten auferlege, die man praktisch nicht erfüllen könne, könne dies eine ökonomisch zwingende Entwicklung behindern, obwohl die Belange der Presseethik dies nicht gebieten. Das Magazin agiere in Bezug auf den angegriffenen Inhalt als bloße Verbreitungsplattform, ohne dass eine redaktionelle Überprüfung stattfinde. Stets finde sich bereits vor dem Beginn des Fremdinhaltes ein Hinweis darauf, von wem dieser bereitgestellt worden sei.

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Presse als Werkzeug eines Verbrechers

Der Attentäter von Halle hat seine Tat auf einem Video dokumentiert. Eine Boulevardzeitung präsentiert online Ausschnitte. Gezeigt wird der Attentäter, wie er im Auto am Steuer in Selfie-Pose mit antisemitischen Parolen rechtfertigt, wie er seine Waffen präsentiert und selbstgebaute Sprengsätze zeigt. Die veröffentlichten Sequenzen zeigen außerdem, wie der Mann aus dem Auto steigt, einen Sprengsatz über die Mauer der Synagoge wirft und versucht, die Tür mit Schüssen zu öffnen. Zu hören - nicht zu sehen - ist, wie er eine Passantin erschießt. Am Schluss zeigt ein längerer Ausschnitt, wie der Täter sich bei seinen „Zuschauern“ dafür „entschuldigt“, dass er nicht mehr Menschen getötet hat. Er spricht von Mängeln an seinen selbstgebauten Waffen und beschimpft sich selbst. Immer wieder wird ein Reporter eingeblendet, der vor der Kamera die Ausschnitte ausführlich kommentiert und interpretiert. Zwei Leser der Zeitung kritisieren, dass die Redaktion dem Täter die Aufmerksamkeit schenke, die dieser mit seinem Video habe erzielen wollen. Sie halten die Ausschnitte für übertrieben sensationell und sehen Verstöße gegen Ziffer 11, Richtlinien 11.2 und 11.5, des Pressekodex. Darin geht es um Sensationsberichterstattung und Jugendschutz. Die Chefredaktion der Zeitung vertritt die Auffassung, dass es Aufgabe der Presse sei, zu „berichten, was ist“. Bei spektakulären Geschehnissen im öffentlichen Raum habe die Öffentlichkeit ein besonderes Interesse daran, ja, sogar ein Recht darauf, von den Medien umfassend informiert zu werden. Den vom Täter gemachten Aufnahmen komme eine Belegfunktion für die redaktionelle Aufarbeitung, Kommentierung und Bewertung zu. Die Zeitung habe einen Beitrag geleistet, die Tat besser zu begreifen und setze dabei verschiedene Aspekte in einen Kontext.

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Szenen einer Hinrichtung gezeigt

Eine Boulevardzeitung berichtet gedruckt und online von einem Beziehungsmord. „Auf offener Straße Ehefrau überfahren und mit Axt enthauptet!“ – so lautet die Überschrift in der gedruckten Ausgabe. Die Axt auf dem etwas verschwommenen Titelbild ist eingekreist. Bildunterschrift: „Der Killer schlägt mit einer Axt (Kreis) auf seine Ehefrau ein.“ In der Online-Ausgabe zeigt die Redaktion Bilder vom Tatort, u.a. das Täterauto und das vollständig verpixelte Opfer, das davor am Boden liegt. Verschwommen und durch ein Zaungitter ist auf einem weiteren Bild zu sehen, wie der schwarz gekleidete Täter mit der erhobenen Axt auf seine am Boden liegende Frau einschlägt. Teile des Opfers sind verpixelt. Einer von mehreren Beschwerdeführern schreibt, er empfinde die Abbildung dieser Hinrichtung als menschenfeindlich und verstörend. In Anbetracht der Verrohung unserer Gesellschaft sehe er die Berichterstattung sogar als Motivation für ähnlich veranlagte Personen. Unfassbar auch für die Hinterbliebenen. Ein weiterer Beschwerdeführer fragt sich, ob die Redaktion derart grausame Ereignisse für Kinder sichtbar und zugänglich auf der Titelseite bringen dürfe. Ein anderer Leser wirft der Zeitung vor, zum wiederholten Male Bilder von Taten während der Tatausführung zu veröffentlichen. Ein anderer Leser sieht in der Berichterstattung die Absicht, der Befriedigung der Sensationslust zu dienen. Die Zeitung verstoße damit gegen mehrere presseethische Grundsätze. Persönlichkeitsrechte würden verletzt, ebenso die Ehre des Opfers. Der Chefredakteur rechtfertigt die Art der Berichterstattung. Er spricht von einer äußerst grausamen und von größter Brutalität zeugenden Tat. Nach Ziffer 8, Richtlinie 8,1, Absatz 1, des Pressekodex sei es der Presse ausdrücklich aufgetragen, über Straftaten und Ermittlungsverfahren zu berichten. Viele Kriterien sprächen eindeutig dafür, dass in diesem Einzelfall das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen des Tatverdächtigen überwiege. In derartigen Fällen gehörten auch Fotos zur Nachricht. Im Übrigen – so der Chefredakteur – habe die Redaktion keine Namen genannt, um die Erkennbarkeit des Tatverdächtigen und des Opfers auszuschließen. Die Redaktion habe leidglich den Ablauf einer schrecklichen Straftat in ihrer ganzen Brutalität geschildert und dies mit Bildern belegt.

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Es fehlt an journalistischer Distanz

Ein Wochenmagazin veröffentlicht gedruckt und online ein Interview mit zwei Vertretern eines Herstellers von Pflegeprodukten. Die Interviewten bekommen Gelegenheit, die eigene Produktpalette vorzustellen und anzupreisen. Die Fragenden legen den Firmenvertretern faktisch werbende Antworten in den Mund. Das vierseitige Interview ist mit Abbildungen von Produkten des Herstellers illustriert. In den Bildunterschriften sind werbende Aussagen enthalten. Unter dem Interview verweist die Redaktion auf die Homepage des Unternehmens. Ein Leser des Magazins sieht einen Verstoß gegen Ziffer 7, Richtlinie 7.1 und 7.2, des Pressekodex. Er vermutet, dass es sich offensichtlich um einen werblichen und möglicherweise sogar bezahlten Artikel für die beschriebenen und abgebildeten Produkte handele. Der Verlagsleiter des Blattes antwortet auf die Beschwerde. Er stellt fest, dass es sich bei dem beanstandeten Artikel nicht um eine bezahlte Veröffentlichung handele. Es habe auch keine sonstigen Gegenleistungen gegeben. Er spricht von einem Alleinstellungsmerkmal der im Beitrag vorgestellten Produkte. Der Verlagsleiter spricht von einer besonderen unternehmerischen Leistung und ihrer Weiterentwicklung. Er hält das Interview für einen zulässigen redaktionellen Beitrag von öffentlichem Interesse. Die Autorin versichert, dass es sich bei dem Artikel nicht um ein bezahltes Interview handele und somit kein Verstoß gegen den Pressekodex vorliege.

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