Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6738 Entscheidungen
„Grundrechtseinschränkung, eine Maske tragen zu müssen!“ – so überschreibt eine Boulevardzeitung online einen Beitrag. Thema ist eine Anne-Will-Talkrunde. In der Überschrift wird dem Vorsitzenden des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, das in der Überschrift genannte Zitat zugeschrieben. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass das Zitat den falschen Eindruck erwecke, Montgomery sei gegen die Maskenpflicht. Das Gegenteil sei jedoch der Fall. Die Rechtsabteilung der Zeitung teilt mit, dass der fragliche Satz von Frank Montgomery von ihm nicht ganz so gesagt worden sei, wie ihn die Redaktion wiedergegeben habe. Montgomery habe als offene Frage formuliert: „Ist es ´ne Grundrechtseinschränkung, sich eine Maske aufsetzen zu müssen?“ Inhaltlich mache dies allerdings keinen Unterschied zu der Wiedergabe des Zitats in der Zeitung, denn unmittelbar vor dieser Äußerung habe Dr. Montgomery gesagt, der Präsident der Ärztekammer habe Recht“, wenn er Lockerungen im Umgang mit der Pandemie befürworte und dafür plädiere, jetzt nicht mehr „mit beiden Füßen auf der Bremse zu stehen“. Im weiteren Verlauf der Äußerungen Montgomerys werde klar, dass er die oben genannte Frage zwar ergebnisoffen in den Raum gestellt habe, sie für sich aber wohl mit „Ja“ beantworten würde.
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Eine Fachzeitschrift informiert unter der Überschrift “Wasser marsch!“ über Wassermacher für Segelyachten. Der Artikel befasst sich mit technischen Einzelheiten, nennt verschiedene Modelle und bewertet diese. Der Autor des Beitrages hat Hersteller von Hydrogeneratoren, darunter den Beschwerdeführer, per E-Mail eingeladen, an einem Test für die Zeitschrift teilzunehmen. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass der Autor selbst Hydrogeneratoren von vier von sieben Herstellern in seinem Laden verkauft. Dieser verteidigt per E-Mail sein Vorgehen. Er habe zu früheren Tests keine Beschwerden bekommen. Auf die Aufforderung des Beschwerdeführers, den Interessenkonflikt per Artikel offenzulegen, erklärt der Autor, er könne sehr wohl zwischen Geschäft und Autorenschaft unterscheiden und habe kein Problem damit. Der Beschwerdeführer vertritt die Meinung, die Zeitschrift verletze die Ziffer 6 des Pressekodex. In seinem Anschreiben an die Hersteller erwähne der Autor nicht, dass er Geschäftsführer einer Firma ist, die Hydrogeneratoren mehrerer Hersteller vertreibt. Er sei auch Geschäftsführer bei einem dieser Unternehmen. Vorwurf des Beschwerdeführers: Der Autor macht nicht transparent, dass er eine Mehrfachfunktion ausübt. Er sei gleichzeitig Journalist, Verkäufer und Hersteller. Der Autor verschaffe sich unter dem Deckmantel des Journalismus zudem kostenlose Konkurrenzprodukte. Er könne sie eingehend untersuchen und sich Inspirationen für sein eigenes Produkt verschaffen. Die Zeitschrift nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.
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„Britneys Geisteszustand gleicht einer Koma-Patientin“ titelt eine Boulevardzeitung online. Es geht um die Frage einer zweiten Vormundschaft von Popstar Britney Spears, über die vor Gericht entschieden werden soll. Seit einem psychischen Zusammenbruch sei Spears entmündigt und ihr Vater verwalte ihr Vermögen. Ihr Anwalt soll ihren Geisteszustand mit dem einer Koma-Patientin verglichen haben. Der Beschwerdeführer kritisiert einen falsch dargestellten Sacherhalt. Die Sensationsmeldung beziehe sich auf ein US-amerikanisches Boulevardportal. Dieses habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Spears´ Anwalt mit seinem Vergleich keineswegs den Gesundheitszustand seiner Klientin, sondern ihre rechtliche Befugnis, Dokumente zu unterschreiben, gemeint habe. Somit werde der Sachverhalt in der Zeitung verfälscht und so dargestellt, als würde Britney Spears dahinvegetieren. Die Rechtsabteilung der Zeitung spricht davon, dass sich der Anwalt von Britney Spears sehr wohl in dem zitierten Sinne geäußert habe. Überschriften ließen auch nach der Spruchpraxis des Pressrats immer Raum für bewertende Verkürzungen und gegebenenfalls auch Zuspitzungen. Somit könne die hier monierte Berichterstattung keinerlei pressethischen Bedenken begegnen.
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Eine Regionalzeitung veröffentlicht online unter der Überschrift „Alles ist heilbar: Die Suche nach der unterdrückten Emotion“ ein Wortlaut-Interview mit einem Heilpraktiker. Dieser habe eine Therapieform entwickelt, die auf die Selbstheilungskräfte jedes Menschen setzt, freigesetzt vom Einfühlungsvermögen des Therapeuten. Wörtliches Zitat: „Willst du den Körper heilen, musst du erst die Seele heilen. Wenn die unterdrückte Emotion ausreichend Luft bekommt, setzt die Regeneration ein und die Schmerzen lassen nach. Jedes Leiden lässt sich so schon lindern.“ Der Heiler schätzt seine Erfolgsquote bei Allergien, Unverträglichkeiten und Hormonstörungen auf 95 Prozent. Bei Krebs sei es schwieriger. Vielen angeblich „unheilbar“ Kranken habe er helfen können. Der Heiler berichtet, in seine Seminare kämen auch Ärzte. Zu Corona befragt, sagt er: „Ich traue mich, zu sagen, dass unsere Methodik helfen könnte, in die Immunität zu kommen.“ Eine Leserin kritisiert, die Zeitung bewerbe eine Dienstleistung in der Form eines Interviews, ohne die Veröffentlichung als Werbung zu kennzeichnen. Der Interviewer fungiere hier nur als Stichwortgeber. Der Chefredakteur der Zeitung antwortet auf die Beschwerde. Der interviewte Heilpraktiker habe sich mit seinem Institut, seiner Methode und vor allem auch als Buchautor in seiner Heimatregion einen Namen gemacht. Das sei der Anlass gewesen, den Mann einmal näher vorzustellen. Die Redaktion habe zu Beginn dieses Interview-Projekts eingehend recherchiert und auch nach kritischen Stimmen gesucht. Die Recherchen hätten keinen Anlass ergeben, in diesem Fall einem Quacksalber aufzusitzen. Im Gegenteil.
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Ein Magazin, das sich unter anderem mit Wirtschaftsthemen befasst, berichtet über Haartransplantationen und Botox-Behandlungen bei Männern. Der Autor nennt eine Firma beim Namen und mit Adresse, bei der sich Männer „fachkundig“ beraten und behandeln lassen können. Es folgt ein Wortlaut-Interview mit der namentlich genannten Ärztin. In der gleichen Ausgabe informiert die Redaktion im Rahmen eines Selbstversuchs über die Möglichkeit, Konferenzen auf Schiffen einer bestimmten und namentlich genannten Linie auf der Kiel-Oslo-Route abzuhalten. Der Aufenthalt wird insgesamt positiv geschildert. Dabei geht es auch um die gastronomischen und sonstigen Angebote auf den Schiffen. Ein Leser der Zeitschrift kritisiert, dass die Artikel nicht als Werbung gekennzeichnet sind. Er hat den Verdacht, dass die Beiträge verdeckt gesponsert seien. Ein Herausgeber der Zeitschrift stellt fest, dass die journalistische Sorgfaltspflicht im Hause einen hohen Stellenwert habe. Die in der Beschwerde geäußerten Vorwürfe und Hinweise nehme man sehr ernst. Sollte bei einzelnen Artikeln der Eindruck entstanden sein, dass Werbung und redaktionelle Berichterstattung nicht sauber getrennt worden seien, bedauere man dies. Der Verlagsvertreter versichert, dass die Zeitschrift Beiträge mit werblichem Charakter künftig noch deutlicher kennzeichnen werde.
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Eine Boulevardzeitung veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „Das ist der Pilot, der in ihre Wohnung stürzte“. Es geht im Artikel um ein Flugzeugunglück, bei dem zwei Männer mit ihrer Maschine in ein Wohnhaus gestürzt waren. Dabei waren die beiden Flugzeuginsassen sowie eine Bewohnerin des Hauses ums Leben gekommen. Der Pilot des Flugzeuges und die getötete Bewohnerin werden im Bild gezeigt und als Mariusz S. (55) und Christina K. (39) bezeichnet. Ein Leser der Zeitung sieht eine identifizierende Darstellung, mit der der Persönlichkeitsschutz der Opfer verletzt werde. Die Zeitung hat zu der Beschwerde nicht fristgerecht Stellung genommen.
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Eine Illustrierte veröffentlicht einen Bericht unter der Überschrift „Pflegetipps: Die besten Wirkstoffe für empfindliche Haut“. Sechs Wirkstoffe werden mit einer Empfehlung vorgestellt. Auf der genüberliegenden Seite wird mit einer Anzeige für eines der vorgestellten Produkte geworben. Eine Woche später bringt die Illustrierte zwei Doppelseiten zum Thema Stress. Auch hier werden Produkte genannt und positiv beschrieben. In den Wochen darauf bringt die Zeitschrift mehrere Beiträge, in denen es ebenfalls um Empfehlungen für namentlich genannte Produkte geht. Ein Leser kritisiert die Zeitschrift. In jeder Ausgabe nenne sie einzelne Präparate, ohne dass hierfür ein ausreichendes Leserinteresse, etwa aufgrund eines Alleinstellungsmerkmals, aus dem Artikel hervorgehe. Auffallend sei, dass häufig Präparate genannt werden, die im nahen Umfeld mit Anzeigen beworben werden. Die werbliche Wirkung werde durch die Kombination aus redaktioneller Erwähnung und daneben platzierten Anzeigen noch verstärkt. Der Beschwerdeführer hegt den Verdacht, dass es kein Zufall sei, dass die beworbenen Präparate redaktionell erwähnt würden. Die Ressortleiterin Medizin/Psychologie widerspricht dem Beschwerdeführer. Der behaupte, an der Nennung konkreter Präparate besteht nur dann ein „ausreichendes Leserinteresse“, wenn diese ein Alleinstellungsmerkmal hätten. Das sei nach ihrer langjährigen Erfahrung als Medizinjournalistin eine viel zu enge Sichtweise und gehe an den wahren Bedürfnissen ihrer Leserinnen und Leser komplett vorbei. Die Ressortleiterin stellt fest, dass in ihrem Blatt Produktnennungen ausschließlich aus journalistischen Gründen vorgenommen würden. Die räumliche Nähe von Anzeigen ergebe sich einfach daraus, dass ihr Medizin-Teil nur einen Umfang von acht Seiten habe. Viele Werbekunden wollten verständlicherweise ihre Anzeige genau in diesem Umfeld sehen. Dagegen spreche auch nach den Vorgaben des Pressekodex nichts.
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Eine Boulevardzeitung berichtet online über einen WhatsApp-Chat des einzigen überlebenden Kindes im Fall Solingen. Dort hatte eine Frau fünf ihrer sechs Kinder umgebracht und dann versucht, sich das Leben zu nehmen. Unter der Überschrift „Freund Max telefonierte mit dem Sohn, der überlebte“ wird der Beitrag so eingeleitet: „Es ist ein Schmerzensschrei und Hilferuf, wie sie schrecklicher nicht sein können. Marcel (11), das einzige überlebende Kind des Dramas von Solingen, schickte seinem Freund diese erschütternde WhatsApp-Nachricht. Lesen Sie mit (…der Zeitung, d. Red.) die Schilderungen von Max (12) und was er über die tödliche Tragödie seines Freundes Marcel weiß“. Das Titelbild zeigt den Freund des überlebenden Jungen Max, im Hintergrund einen Teil aus dem in WhatsApp-Grafik gestalteten Chat: „Wie geht es Dir“ – „Gut“ –„Was ist passiert??? – „Hey ich bin es Marcel ich wollte dir nur sagen, dass du mich nicht mehr sehen wirst, weil alle Geschwister sind tot. PS: Würde mich freuen, wenn du mich anrufen würdest“ – „Sicher das es dir gut geht brauchst du Hilfe???“ (Anmerkung des Presserats: Der vollständige Artikel wurde offensichtlich am Folgetag bereits gelöscht; keiner der Beschwerdeführer kann ihn auf Anfrage der Geschäftsstelle bereitstellen. Die Geschäftsstelle bittet den Chefredakteur drei Mal um Übersendung des Artikels.) Den Presserat erreichen 171 Beschwerden aus dem Leserkreis der Zeitung. Sie kritisieren die Veröffentlichung der Nachrichten eines traumatisierten Kindes. Diese sei nicht durch ein öffentliches Interesse gedeckt und diene reinen Sensationsinteressen. Ein seelisch leidender Mensch werde zum bloßen Objekt herabgewürdigt, weil über ihn in einer über das öffentliche Interesse hinausgehenden Weise berichtet werde. Die meisten Beschwerdeführer kritisieren, dass der Inhalt der Meldung hinter einer Bezahlschranke stehe. Ein grausames Verbrechen werde „billig ausgenutzt“, um ohne jegliche Rücksicht und Verantwortung Geld zu machen. Der Chefredakteur der Zeitung stellt fest, dass die Redaktion die Kritik an dem monierten Beitrag durchaus nachvollziehen könne und die Veröffentlichung bedauere. Diese sei umgehend aus dem Internet-Angebot herausgenommen worden.
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