Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6738 Entscheidungen

Selbsttötung

“Ein Mann wusste nicht mehr weiter”, schreibt eine Boulevardzeitung und schildert, wie sich der 37jährige inmitten des Berufsverkehrs einer deutschen Großstadt ein Messer in den Hals rammt. Die Menschen um ihn herum hätten den am Boden Liegenden nicht beachtet. Erst nach 45 Minuten sei einer stehen geblieben. In einem Foto wird gezeigt, wie ein Notarzt dem Mann zu helfen versucht. Vergeblich, heißt es zum Schluss der Unterzeile. Der Landesvorstand des Deutschen Journalistenverbandes schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Veröffentlichung des Fotos sei geschmacklos. Die Zeitung erklärt, das Opfer sei auf dem Foto nicht zu erkennen gewesen. Es mache durchaus Sinn, das Bild dem Beitrag beizustellen. Damit könne den Lesern vor Augen geführt werden, wie die Mitmenschen sich in einer solchen Situation verhalten. Nämlich desinteressiert und herzlos. (1996)

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Kommunalpolitik

Der Kolumnist einer Lokalzeitung beschäftigt sich mit der Gleichstellungsstelle im Rathaus der Stadt. Eine der Mitarbeiterinnen dort werde ihrer rundlichen Formen wegen als “Fass” bezeichnet. Inzwischen sei der Personalrat mit der Affäre befasst, da die Betroffene sich um eine Versetzung bemüht hätte, weil sie diese Form des Mobbings nicht mehr ertragen könne. Im selben Beitrag schreibt der Autor, aus dem Stadtrat sei der Vorschlag zu hören, über die Legitimation der Gleichstellungsstelle zu diskutieren. Man habe von dort schon lange keinen brauchbaren Tätigkeitsnachweis erhalten. Dem Vernehmen nach solle auch eine Stelle eingespart werden, damit das Büro nicht zu einem Fass ohne Boden werde. Die Frauenbeauftragte der Stadt führt Beschwerde beim Deutschen Presserat. Der Artikel enthalte unbegründete Behauptungen und ehrverletzende Beschuldigungen, die den Ruf und das Ansehen der Gleichstellungsstelle schädigen. Die als Informationen aus dem Stadtrat gekennzeichneten Aussagen über Zweifel an der Einrichtung und die Einsparung einer Stelle seien falsch. Auch sei die in dem Beitrag erwähnte Mitarbeiterin von ihren Kolleginnen nie diskriminiert worden. Die Zeitung erklärt, der Bericht über die Vorgänge in der Gleichstellungsstelle basiere auf glaubhaften Quellen. Informant sei ein prominentes Mitglied des Stadtrates, dessen Namen man aber nicht nennen wolle. Auch den Namen der Mitarbeiterin möchte die Zeitung nicht preisgeben. Selbst in einem weiteren Artikel, in dem die Frau zu der Veröffentlichung Stellung bezieht, wird ihre Anonymität gewahrt. Nach Einschätzung der Zeitung kommt es der städtischen Angestellten vor allem darauf an, den Eindruck zu zerstreuen, sie selbst sei die Informantin gewesen. Ein solches Eingeständnis habe wohl der Stadtdirektor in einem Gespräch von ihr verlangt. (1996)

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Namensnennung

Ein 23-Jähriger kommt mit dem Wagen seines Vaters von der Fahrbahn ab und wird tödlich verletzt. Die Zeitung am Ort zeigt das Autowrack im Bild und erwähnt in der Unterzeile Namen, Alter und Wohnort des Getöteten. Der Vater des Unglücksopfers sieht dadurch die ohnehin vorhandenen Belastungen seiner Familie unnötig erhöht. Sein Rechtsanwalt fordert eine Rüge des Deutschen Presserats. Die Zeitung erklärt, sie habe den Namen des Verunglückten veröffentlicht, weil Unfall und Person am Nachmittag des Unfalltages an dem Wohnort des Opfers und dessen näherer Umgebung bereits bekannt gewesen seien. Die Leser in einem kleinstädtisch-ländlichen Raum erwarteten bei inoffiziell kreisenden Nachrichten eine klare Information durch ihre Heimatzeitung. Für künstliche Anonymisierungsversuche hätten sie keinerlei Verständnis. Solche würden sie als lächerlich empfinden. (1996)

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Geiselnahme

In zwei Artikeln berichtet eine Lokalzeitung über die Fahndung nach einem der angeblichen Reemtsma-Entführer. Im ersten Bericht wird der Wohnort der Eltern genannt. Im zweiten Artikel wird das Elternhaus im Foto gezeigt und die Straße im Ort angegeben. Eine Leserin der Zeitung beanstandet in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat die eindeutigen Hinweise auf die Eltern des mutmaßlichen Geiselnehmers. Die Angaben seien für das Verständnis des Vorgangs nicht notwendig. Sie dienten lediglich der Befriedigung der Sensationslust. Die Zeitung dagegen sieht ein öffentliches Interesse an der Bekanntgabe des Wohnortes der Eltern. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sei der Mann bereits international zur Fahndung ausgeschrieben worden. Die Information über die genaue Lage seines Elternhauses hätte nach Ansicht der Zeitung möglicherweise dazu führen können, dass der Gesuchte gefasst wird. (1996)

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Zitate

Unter der Überschrift “Abgeordnete wollen Muttertag abschaffen” berichtet ein Boulevardblatt, einige Politikerinnen wollten den Muttertag abschaffen, weil er den Müttern angeblich nichts bringe. Drei namentlich genannte Bundestagsabgeordnete, alle der selben Partei angehörend, nehmen dazu Stellung. Alle Zitate beschäftigen sich kritisch mit dem Muttertag und beinhalten eine negative Grundtendenz. Ein anschließendes Info klärt auf: Der Muttertag kommt aus Amerika, wird dort seit 1914 gefeiert. In Deutschland 1923 eingeführt, wird er seit 1933 an jedem 2. Sonntag im Mai begangen. Die drei zitierten Bundestagsabgeordnete wenden sich an den Deutschen Presserat. Die Zitate, die man ihnen zuschreibe, seien aus dem Zusammenhang gerissen und sinnentstellend wiedergegeben worden. Durch die Überschrift entstehe beim Leser der Eindruck, dass es sich um eine parlamentarische Initiative von Politikerinnen handele. Diese Annahme treffe jedoch nicht zu. Der Artikel sei rufschädigend und habe den Beschwerdeführerinnen politisch geschadet, was eine Vielzahl von Protestschreiben beweise. Die Chefredaktion der Zeitung stellt nicht in Frage, dass der Autor des Beitrags einen unzulässigen Schluss gezogen hat. Seine Informationen seien falsch gewesen. Die Zeitung habe sich bei den betroffenen Abgeordneten entschuldigt und interne Konsequenzen gezogen. (1996)

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Religiöses Empfinden

Der bevorstehende Besuch des Papstes in Berlin ist Thema eines Zeitungsberichts. Einleitend heißt es. “In drei Tagen kommt der Papst. Alle warten schon auf ihn: der Leib Christi im Keller des Olympiastadions, über 100.000 Hostien, die im uckermärkischen Alexanderdorf gebacken wurden und bereits ins Stadion gebracht worden sind, ...”. Die Schlagzeile lautet: “Der Leib Christi im Keller”. Ein Theologe sieht durch diese Aussage das religiöse Empfinden der Katholiken verletzt. Durch die Verwechslung der Hostien, die erst in der Messfeier zum Leib Christi werden, mit dem Leib Christi entstehe beim Leser der Eindruck, es sei durch die Lagerung im Keller zu einer unehrfürchtigen Handlung gekommen. Dies wäre nach dem Kirchenrechtsbuch der Straftatbestand der Profanierung. Die Zeitung räumt ein, dass ihr die Wortwahl nicht geglückt ist. Sie meint aber, ihren Lesern doch mitgeteilt zu haben, dass es sich eben nicht um in der Messfeier konsekrierte Hostien, sondern um einfache Hostien vor ihrer Verwendung in der Messfeier gehandelt habe. (1996)

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Interview

Vier Mitglieder einer Burschenschaft gewähren einem Journalisten, der sich ihnen gegenüber als festangestellter Mitarbeiter einer Tageszeitung zu erkennen gibt, während eines Treffens der Burschenschaften ausführliche Interviews. Einige Zeit später erkundigt sich einer der Interviewten bei dem Journalisten, ob der geplante Artikel bereits erschienen sei. Dieser erklärt, sein Beitrag sei weder in der Zeitung, für die er arbeite, noch in einer anderen Zeitung veröffentlicht worden. Kurz darauf erscheint aber in einer bis dahin nicht genannten Tageszeitung unter anderem Namen ein Bericht über das Burschenschaftstreffen mit Auszügen aus den Interviews, die seinerzeit mit den vier Burschenschaftlern geführt worden waren. Auf Rückfrage erklärt der Journalist, dass sein Manuskript von der anderen Zeitung unter einem Pseudonym veröffentlicht worden sei. Der Vorstand der betroffenen Burschenschaft legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Ihm geht es nicht um den Inhalt des Artikels, sondern ausschließlich um die Handlungsweise der Zeitung. Einem Interviewten müsse überlassen bleiben, selbst zu entscheiden, in welcher Zeitung er zitiert werden wolle. Falls sich die Vorwürfe darauf konzentrieren sollten, dass jeder Journalist bei Interviews und Recherchen alle Medien angeben müsse, für die er je gearbeitet habe oder auch künftig zu arbeiten gedenke, so hätte der Presserat zu beachten, dass solche Vorwürfe den Journalisten treffen und nicht die Zeitung, erklärt der Chefredakteur des Blattes. Richtlinie 4.1 verlange von einem Interviewer nicht eine detaillierte Darlegung gegenüber den Gesprächspartnern, in welcher Form er seine journalistische Arbeit aufbereite und wie er sie im Detail verwerte. Die Zeitung hatte jedenfalls keine Bedenken, den Beitrag zur Veröffentlichung anzunehmen, nachdem die Zeitung, für die der Beitrag zunächst gedacht war, daran kein Interesse hatte. Der Chefredakteur gibt schließlich zu bedenken, dass die Gesprächsteilnehmer bei einer Veröffentlichung in der ihnen ursprünglich genannten Zeitung auch damit hätten rechnen müssen, dass sie in anderen Medien zitiert werden. (1996)

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Begriff „Streicheleinheit“

Eine Lokalzeitung berichtet, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen einen Mann eingestellt hat, der als Hospitant die Kinder in einem örtlichen Kindergarten sexuell belästigt haben soll. In dem Artikel wird die Auffassung der Staatsanwaltschaft wiedergegeben, derzufolge das Verhalten des Beschuldigten strafrechtlich nicht sanktionierbar sei. Der Mann habe mit verschiedenen Mädchen Gespräche über Geschlechtsreife, Kondome und Pille geführt. Die Äußerungen hatten aber keinen pornographischen Inhalt gehabt. Auch das Berühren der Beine zweier Mädchen mit seinen nackten Füßen sei keine sexuelle Handlung. Der Beitrag trägt die Überschrift „Streicheleinheit ohne Folge“. Ein Leser des Blattes moniert in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat die Verwendung des Begriffs „Streicheleinheit“. Dieser sei eine Unverschämtheit gegenüber den Opfern der fraglos erlittenen sexuellen Übergriffe und verharmlose nicht nur Vergangenes, sondern auch zukünftig Mögliches. Die Chefredaktion der Zeitung kann die Interpretation des Wortes „Streicheleinheit“ durch den Beschwerdeführer nicht nachvollziehen. (1996)

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Namensnennung

„Vom Notar unkorrekt behandelt?“ fragt eine Lokalzeitung in einem Beitrag, in dem eine namentliche genannte Unternehmerin Kritik an der Abwicklung eines Kaufvertrags übt. Die Frau, die eine Immobilie erworben hat, wirft dem dabei in Anspruch genommenen Notar unkorrektes Handeln vor. Dieser wird in dem Bericht gleichfalls namentlich genannt. Zu den kritisierten Unstimmigkeiten zählen u.a. die Höhe der Zinsen sowie die der Gebühren. Zu den Vorwürfen befragt, verweist der betroffene Notar auf seine Schweigepflicht. Die darauf erfolgte Veröffentlichung veranlasst den Notar, sich an den Deutschen Presserat zu wenden. Er beanstandet den Vorwurf unkorrekten Handelns als eine ehrverletzende und berufsschädigende Behauptung. Der Autorin des Beitrags wirft er vor, ihm keine Zeit gelassen zu haben, entsprechende Akten durchzusehen und sich durch die Beteiligten von der Schweigepflicht entbinden zu lassen. Die Chefredaktion des Blattes erklärt, die vom Notar kritisierten Tatsachenbehauptungen seien durch Zitate bzw. indirekte Rede eindeutig der Käuferin der Immobilie zugeordnet worden. Der Artikel sei auf Grundlage der von dieser vorgelegten Unterlagen entstanden. (1996)

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Verdeckte Recherche

Ein ehemaliger Polizeibeamter wird beim Amtsgericht vorgeführt, nachdem er in Zaire festgenommen und in die Bundesrepublik zurückgebracht worden war. Seitdem er seinen Dienst quittiert hat, soll er gemeinschaftlich mit anderen drei schwere Raubüberfälle begangen haben. Der Fall hat Aufsehen erregt. Schließlich war der Mann als ehemaliger „Vorzeigepolizist“ einmal Mittelpunkt einer bundesweiten Anzeigenkampagne gewesen. Jetzt hat ihn die Staatsanwaltschaft unter Zeugenschutz gestellt. Deshalb war der Mann nach seiner Rückkehr, wie eine Boulevardzeitung schreibt, zunächst an einem „geheimen“ Ort festgehalten worden. Die Zeitung widmet dem Vorgang eine komplette Seite. Der Pressereferent des Staatsministeriums der Justiz schaltet darauf hin den Deutschen Presserat ein. Er beanstandet die Recherchemethoden der Verfasserin. Diese soll sich bei Gericht als Mitarbeiterin einer Rechtsanwaltskanzlei ausgegeben haben, um Informationen über die Sachlage zu erhalten. Damit habe sie falsche Tatsachen vorgespielt. Aus einem Vermerk des Pressesprechers beim Amtsgericht gehe hervor, dass eventuelle Fragen von Pressevertretern nach Ort und Zeitpunkt der Vorführung des mutmaßlichen Täters nicht beantwortet werden sollten. Der Telefonanruf der Journalistin sei zunächst bei einer Richterin gelandet. Ihrzufolge habe sie sich eine Mitarbeiterin der Rechtsanwaltskanzlei, welche die Verteidigung des Beschuldigten übernommen hat, gemeldet und sich erkundigt, ob der betreffende Rechtsanwalt zu sprechen sei. Bei der Übergabe des Gesprächs an den Pressesprecher des Gerichts habe dieser festgestellt, dass es sich bei der Anruferin um die Redakteurin der Zeitung handle. Diese habe ihn direkt darauf angesprochen, ob an dem betreffenden Tag der Beschuldigte beim Amtsgericht vorgeführt werde. Diese Frage sei ihr selbstverständlich nicht beantwortet worden. Die Zeitung bezeichnet in ihrer Stellungnahme den geschilderten Sachverhalt als unzutreffend wiedergegeben. Die Kollegin habe sich bei ihrem Anruf im Amtsgericht mit vollem Namen vorgestellt und gebeten, mit dem Verteidiger des Beschuldigten verbunden zu werden. Hierbei habe sie weder wörtlich noch sinngemäß angegeben, Mitarbeiter der Kanzlei des Strafverteidigers zu sein. Auch dem Pressesprecher des Gerichts habe sie erneut ihren Namen genannt. Die Richterin, die den Anruf als erste angenommen hat, erklärt auf Rückfrage des Presserats: „Es erreichte mich ein Telefonanruf einer Anruferin, die sich mit Rechtsanwaltsbüro .... meldete, sie nannte keinen Namen, ich kannte sie nicht.“ (1996)

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