Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6738 Entscheidungen

Umfrage im Internet

Eine Kommunalpolitikerin sieht in der Berichterstattung der örtlichen Zeitung über die Einführung einer Papiertonne Polemik und Manipulation. Aus ihrer Sicht missbrauche die Zeitung ihre Veröffentlichungen, um eine gebührenpflichtige Papiertonne zu verhindern, welche auch die durch ihr Produkt entstehenden Entsorgungskosten transparent machen würde. Dies stelle einen Missbrauch aus purem Eigeninteresse das. Eine entsprechende Eingabe beim Deutschen Presserat erscheint diesem bereits in der Vorprüfung als offensichtlich unbegründet. Lediglich bei einem der eingereichten Berichte ergeben sich Bedenken, ob die Leserinnen und Leser kodexkonform informiert werden. Dabei handelt es sich um eine Passage, in der die Zeitung über eine eigene Internet-Umfrage unter den Bürgern der Stadt zum Thema Papiertonne berichtet. Das Meinungsbild habe sich, schreibt die Zeitung, ganz offensichtlich nicht ganz ohne Manipulationen durch die Nutzer schlagartig verkehrt. Die Chefredaktion der Zeitung teilt in ihrer Stellungnahme mit, dass sich die Behauptung, die Internet-Abstimmung sei offensichtlich manipuliert worden, nach Auswertung der kompletten Abstimmung belegen lasse. So hätten sich im Zeitraum vom 5. bis 12. März 2001 365 Personen an der Umfrage beteiligt. 57,3 Prozent seien für, 42,7 Prozent gegen die Einführung der Tonne gewesen. Noch am 8. März habe dieses Verhältnis ganz anders ausgesehen. Zu diesem Zeitpunkt seien 73 Prozent der Abstimmenden gegen und nur 27 Prozent dafür gewesen. Nach der Veröffentlichung des Zwischenergebnisses sei das Votum schlagartig gekippt. Dies sei nicht nur im eigenen Haus aufgefallen, sondern habe auch zu Reaktionen im Leserkreis und selbst im Rathaus der Stadt geführt. Neben der reinen Abstimmung per Klick hätten die Umfrageteilnehmer auch die Möglichkeit gehabt, einen Kommentar zum Thema zu hinterlassen. Hiervon hätten während der gesamten Aktion 108 Personen Gebrauch gemacht, von denen sich 52 für die Papiertonne ausgesprochen hätten. Auch hier sei nach der Veröffentlichung des Zwischenergebnisses ein deutlich anderer Trend erkennbar gewesen. Von den folgenden insgesamt 58 Einträgen seien 35 für die Tonne gewesen. Betrachte man die nach dem 9.März getätigten Einträge näher, so komme man unter Zugrundelegung des Telefonverzeichnisses der leitenden Mitarbeiter des Zweckverbandes Abfallwirtschaft zu dem Ergebnis, dass von den 35 zustimmenden Meinungsäußerungen immerhin dreizehn persönlich oder über Ehepartner eingegeben worden seien. Auch mindestens zwei namentlich bekannte Müllwagenfahrer seien unter den Kommentarschreibern. Zudem seien im Ergebnis Eintragungen enthalten, die sich namentlich zwar nicht dem Zweckverband zuordnen ließen, deren Argumentation aber exakt jener entspreche, die der Zweckverband Ende des Monats März den Bürgern auf dem Postweg habe zukommen lassen. Das starke Engagement der Mitarbeiter des Zweckverbandes Abfallwirtschaft in der Angelegenheit sei auch in einer außerordentlichen Sitzung des Verbandsausschusses deutlich geworden. In einer Pressemitteilung hätte der Vorsitzende des Personalrats unverhohlen eingeräumt, dass die starke Präsenz eine Solidaritätsbekundung gegenüber dem Arbeitgeber darstelle, da die Mitarbeiter in Sorge um ihre Arbeitsplätze gewesen seien. Aus diesen Erkenntnissen ergebe sich deutlich, dass man seitens des Zweckverbandes Abfallwirtschaft nach dem 9. März, dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Zwischenergebnisses der Internet-Umfrage, alle Hebel in Bewegung gesetzt habe, um das Ergebnis in eigenem Sinne zu beeinflussen. (2001)

Weiterlesen

Öffentlichkeit gesucht

„Wirt muss weiter im Knast schmoren“ titelte eine Boulevard-Zeitung in den neuen Ländern. Dem Mann, den die Zeitung als Promi-Gastwirt bezeichnet, werfe die Staatsanwaltschaft sechsfachen Betrug und dreifache Insolvenzverschleppung vor. Dem Beitrag ist ein Foto des Betreffenden beigestellt. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat beklagt der Gastwirt eine Vorverurteilung. Außerdem sei sein Foto ohne seine Genehmigung veröffentlicht worden. Die Chefredaktion der Zeitung hält die Beschwerde für unbegründet. Der Beschwerdeführer habe auf Grund seines hohen Bekanntheitsgrades und des erheblichen Strafvorwurfes den Abdruck des Fotos hinnehmen müssen. Er habe sich von Fotografen der Zeitung wiederholt bei Veranstaltungen fotografieren lassen; die veröffentlichte Portraitaufnahme sei mit seiner Einwilligung gemacht worden. (2001)

Weiterlesen

Personenbezogene Daten

Eine Regionalzeitung berichtet über eine weihnachtliche Ausstellung in einer Passage der Stadt, bei der Spenden für vielfältige wohltätige Aktionen gesammelt werden sollen. Dabei erwähnt sie, dass der Veranstalter in der Vergangenheit als Betreiber eines Pärchenclubs tätig gewesen sei, der den gleichen Namen getragen habe wie die erwähnte Ausstellung. Außerdem sei der Veranstalter wegen Herbeiführung einer Explosion und versuchten Versicherungsbetruges verurteilt worden. Er befinde sich zur Zeit im offenen Vollzug, was sich jedoch als unzutreffend herausstellte. Das stellt die Zeitung einen Tag später richtig. Der Betroffene wendet sich an den Presserat und wehrt sich in seiner Beschwerde gegen die Verbreitung personenbezogener, geschützter Daten. Er äußert überdies den Verdacht, dass die Zeitung seine Aktion in der Einkaufspassage kritisiert habe, um eine Konkurrenz ihrer eigenen weihnachtlichen Hilfsaktion klein zu halten. In ihrer Stellungnahme teilt die Zeitung mit, dass die Veröffentlichung der Daten nach sorgfältiger Abwägung des Persönlichkeitsrechts des Beschwerdeführers mit dem öffentlichen Interesse erfolgt sei. Die Aufklärungspflicht gegenüber den Lesern hätte dabei den Vorrang gehabt. Es sei zu befürchten gewesen, dass die vom Beschwerdeführer gesammelten Spenden missbräuchlich verwendet würden. Die Vermutung, es habe einen Zusammenhang mit der seit Jahren laufenden Weihnachtsaktion der Zeitung gegeben, sei abstrus. Den Bezug zu seiner Vergangenheit habe der Beschwerdeführer durch die Namensgleichheit der Spendenaktion und des „Pärchen-Clubs“ selbst hergestellt. Eine Gegendarstellung habe die Zeitung aus formellen und inhaltlichen Gründen nicht veröffentlicht. Das Angebot an den Beschwerdeführer, sich in Form eines Leserbriefes zu äußern, habe dieser abgeschlagen. Zwei Klagen auf Abdruck der Gegendarstellung wurden vom Landgericht und dem Oberlandesgericht abgelehnt. (2001)

Weiterlesen

Anonymisierung reicht aus

Eine Tageszeitung berichtet über einen Politikwissenschaftler, der vor dem Verwaltungsgericht gegen die umfangreiche Videoüberwachung im Sozialamt klagt. Im fraglichen Bezirk der deutschen Millionenstadt leben 40 000 Sozialhilfeempfänger. Sie alle haben regelmäßigen Kontakt mit dem Sozialamt, dessen Bedienstete durch die Videoanlagen gegen häufige Gewalt geschützt werden sollen. Die Zeitung hat mit dem betroffenen Sozialhilfeempfänger gesprochen und ist von diesem darauf hingewiesen worden, dass er anonym bleiben wolle. Sie entspricht diesem Wunsch und ändert den Namen, charakterisiert ihren Gesprächspartner aber als „50jährigen Bürger der Stadt“, als „Politikwissenschaftler, derzeit von Sozialhilfe lebend“, „als staatstragenden Linken mit Hornbrille und Dreitagebart“. Durch diese Beschreibung sieht der Mann seine Anonymität beschädigt. Er werde, so schreibt er an den Deutschen Presserat, von Freunden und Bekannten auf den Artikel und seine Klage gegen die Kameras angesprochen. Der Chefredakteur der Zeitung ist der Meinung, der Betroffene sei in dem Gespräch mit dem Autor darauf hingewiesen worden, dass man auch seine Persönlichkeit darstellen wolle, um sein Engagement verständlich würdigen zu können. Er räumt aber ein, dass das engere private Umfeld des Beschwerdeführers auf dessen Person habe schließen können. Dies sei jedoch nicht die Absicht bei der Berichterstattung gewesen. (2001)

Weiterlesen

Mandatsträger vor Gericht

Ein Sozialarbeiter steht vor Gericht. Die Anklage wirft ihm vor, nicht dafür gesorgt zu haben, dass zwei kleine verwahrloste und misshandelte Kinder der Mutter entzogen wurden. Die damals 25-jährige Frau war 1999 wegen Misshandlung zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Schon 1997 hatte ein Kinderarzt einen „lebensbedrohlichen Zustand“ der eineinhalbjährigen Tochter wegen Unterernährung festgestellt, ein anderer Arzt auch bei dem 1997 geborenen Sohn. So berichtet es die Zeitung am Ort, wobei sie den Angeklagten beim Namen nennt. Dieser beschwert sich beim Deutschen Presserat. Die Nennung seines Namens verletze sein Persönlichkeitsrecht, betont er. Des weiteren kritisiert er die Hinweise auf die angeblichen Äußerungen der Ärzte. Diese Aussagen seien falsch, da fünf als Zeugen vernommene Ärzte die Frage des Richters, ob die Kinder in einem lebensbedrohlichen Zustand gewesen seien, ausdrücklich verneint hätten. Die Chefredaktion der Zeitung hält die Namensnennung für gerechtfertigt, da der Beschwerdeführer als stellvertretender Ortsvorsteher eines Stadtteils und wegen zahlreicher anderer politischer Aktivitäten eine relative Person der Zeitgeschichte sei. Dass in dem Bericht etwas Unwahres behauptet werde, sei der Zeitung gegenüber bislang nicht vorgetragen worden. Deshalb habe man auch keine Berichtigung veröffentlicht. (2001)

Weiterlesen

Ehrverletzende Behauptung

Doppelten Ärger mit einer Boulevard-Zeitung hatte der Leitende Oberstaatsanwalt in einer Landeshauptstadt. Erst wollte er Landgerichtspräsident werden. Er hatte die Unterstützung des Justizministers, nicht aber die des Regierungschefs. Und dessen Votum war ausschlaggebend. Der Staatsanwalt blieb, was er war. Das Blatt nannte den Mann einen Egomanen, der bei Kollegen und Mitarbeitern nicht sonderlich beliebt sei. Dann warf ihm die Boulevard-Zeitung in einem Artikel unter der Überschrift „Staatsanwalt spielt mit Menschenleben“ vor, er habe bei Razzien in Arztpraxen Patientenkarteien beschlagnahmt und so im Fall einer paracetamol-allergischen Thrombosepatientin deren Wohl aufs Spiel gesetzt. Der Staatsanwalt schaltete den Deutschen Presserat ein. Die Boulevard-Zeitung wies die Vorwürfe des Juristen zurück. Ihr regionaler Redaktionsleiter rechtfertigt die Überschrift „Staatsanwalt spielt mit Menschenleben“ mit einem entsprechenden Zitat eines Arztes, das in dem Artikel wiedergegeben ist. Für ihn ist entscheidend, dass die Staatsanwaltschaft wichtige Patientenunterlagen zunächst nicht herausgegeben hat. Fazit des Redaktionsleiters: Ein journalistisches Fehlverhalten sei auch nicht in Ansätzen erkennbar. (2001)

Weiterlesen

Foto eines missbrauchten Kindes

Eine Lokalzeitung berichtet über den Missbrauch eines 10-jährigen Mädchens, das von seinem Peiniger in dem dunklen, eiskalten Kellerschacht eines still gelegten Fabrikgebäudes eingesperrt und später von der Polizei befreit worden war. Das gequälte Kind soll jetzt in einer Kinderpsychiatrie sein Horror-Erlebnis bewältigen. Die Zeitung nennt den Namen und veröffentlicht ein Foto des Opfers, schildert die Tatumstände und bezeichnet einen 44-jährigen Obdachlosen als Tatverdächtigen. Ein Ehepaar, selbst Eltern von drei Kindern, beantragt beim Deutschen Presserat eine Rüge. Es ist der Ansicht, dass Kinder – noch dazu, wenn sie Opfer eines solch abscheulichen Verbrechens wurden – den absoluten Schutz der Gesellschaft verdient haben und nicht ihre schutzlose Preisgabe und Bloßstellung. Selbst wenn es möglicherweise der Vater gewesen sei, der den Journalisten das Foto des Mädchens überlassen habe, wer gebe der Zeitung das Recht, dem Kind nach dem erlittenen Verbrechen einen Missbrauch ganz anderer Dimension zuzufügen und möglicherweise anderen kranken Hirnen ein „Suchbild“ an die Hand zu geben? Die Rechtsvertretung der Zeitung verweist darauf, dass das Foto des Mädchens von dessen Erziehungsberechtigtem der Zeitung übergeben und mit seiner Einwilligung veröffentlicht worden sei. Durch den Abdruck des Bildes werde die soziale Integration des Opfers nicht gefährdet. Bewusst sei ein Bild publiziert worden, das bereits dreieinhalb Jahre alt sei. Im übrigen wohne das Mädchen mit seiner Familie in einer Kleinstadt, wo der Vorgang ohnehin bekannt sei. Angesichts der aktuellen Diskussion zum Thema Opferschutz ziele der Beitrag darauf ab, in dieser Hinsicht Positives zu leisten. (2001)

Weiterlesen

Verallgemeinerungen

Unter der Überschrift „Passau ist braun“ schildert ein Nachrichtenmagazin den politischen Kampf einer „Antifaschistischen Aktion Passau“, die 1993 begonnen hatte, Demonstrationen zu organisieren und Flugblätter aufzusetzen, um damit gegen Neonazis anzutreten, die ihrer Meinung nach ihre Stadt zu einer Heimat von Rechtsradikalen hatten werden lassen. Jahr für Jahr seien DVU und NPD zu ihren Kongressen in die Nibelungenhalle gekommen, und es habe so gut wie keine Proteste gegeben. Die Zeitschrift schildert die Reaktionen auf die Aktionen der jungen Leute. Jahrelang habe das Landeskriminalamt gegen 32 junge Passauer ohne Grund ermittelt. Und wer in der Lokalpresse über die Affäre berichtet habe, sei fristlos und ohne Begründung entlassen worden. Der Oberbürgermeister der Stadt bezeichnet den Artikel in seiner Beschwerde beim Deutschen Presserat als diskriminierend. Es sei nicht richtig, dass es keine Proteste gegen die Kongresse von DVU und NPD gegeben habe. Mit über 20 Prozessen habe die Stadt seit 1983 versucht, den Rechtsextremisten den Zugang zur Nibelungenhalle zu verweigern. Gemeinsam mit Kirchen, Gewerkschaften, Parteien und Institutionen habe man eine Vielzahl von Gegenkundgebungen mit prominenten Rednern veranstaltet. In Passau selbst gebe es keine eigene rechtsextreme Szene. In einer weiteren Beschwerde beklagt ein Bürger der Stadt, der Artikel sei mangelhaft recherchiert. Er enthalte zahlreiche Falschaussagen und fördere eine Hetze gegen die Stadt und ihre Einwohner. Das so genannte gewaltfreie Eintreten der „Kinder“ gegen Rechts habe sich leider auch in zahllosen Gewalttätigkeiten gegen fremde Sachen geäußert. Schaufenster seien eingeworfen und Häuser beschädigt worden. Parolen der „Antifa“ an den Wänden von Privathäusern könnten auch heute noch besichtigt werden. Die Chefredaktion des Magazins entgegnet, bei der Überschrift ihres Beitrages handele es sich erkennbar um ein Zitat. Es stamme von einem in dem Artikel erwähnten Studenten, der als Schüler Anfang der neunziger Jahre zur – wie es in dem Beitrag heißt – „ziemlich mickrigen linken Szene“ von Passau gestoßen war. Aus dessen Situation heraus werde erkennbar, dass persönliche Beweggründe Motivation für diese Wortwahl gewesen seien. Die Zeitschrift habe sich diesen Satz nicht zu eigen gemacht. Bei der Beurteilung der Verhältnisse von den 60-er Jahren bis heute handele es sich um erkennbar zulässige Wertungen. Auch eine Bezeichnung Passaus als „Heimat der Rechtsradikalen“ sei gerechtfertigt, da seit knapp 20 Jahren jährlich Veranstaltungen von DVU und NPD in Passau stattfinden. Daran würden auch die Bemühungen der Stadt, die Versammlungen zu verhindern, nichts ändern. Der Beitrag versuche schließlich, die überzogenen Ermittlungsmethoden der Polizei darzustellen. (2001)

Weiterlesen

Dokumente der Zeitgeschichte

Die Berichterstattung verschiedener deutscher Zeitungen und Zeitschriften über den Terroranschlag am 11. September 2001 in New York löst fünf Beschwerden beim Deutschen Presserat aus. Die Kritik zweier Leser richtet sich gegen die Veröffentlichung von zum Teil großformatigen Fotos, die einen Mann, der sich aus einem oberen Stockwerk des World Trade Centers stürzt, oder Menschen zeigen, die verzweifelt an den Fenstern nach einem Ausweg aus den Flammen suchen. Ein Leser beschwert sich über zwei Tageszeitungen, in denen er das Foto des in die Tiefe stürzenden Menschen entdeckt hat. Er ist der Ansicht, dass das Bild keinerlei dokumentarischen Charakter besitze. Es diene nicht der Information der Leserinnen und Leser, sondern solle offenbar einen sensationsgierigen, menschenverachtenden Voyeurismus befriedigen. Des weiteren sieht er eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts, da eine Identifizierung nicht unmöglich sei. Eine Leserin richtet ihre Beschwerde über die Veröffentlichung der Fotos gegen drei Zeitschriften. Sie sieht kein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit, das die Veröffentlichung der Fotos rechtfertigen würde, und stellt drei Fragen: Ist es denn nicht möglich – in Absprache mit weiteren großen Magazinen – auf solche Bilder zu verzichten? Müssen wir wirklich die Technik dazu missbrauchen, die Gesichter der Hoffnungslosen noch näher heranzuholen? Sind wir eine derart perverse und pietätlose Gesellschaft, dass wir uns dies ansehen müssen? Eine leere Doppelseite mit dem Hinweis „An dieser Stelle gedenken wir der Opfer“ hätte ihr mehr imponiert, stellt sie abschließend fest. Die Chefredaktion einer der beiden Tageszeitungen ist der Meinung, dass der Anschlag auf das World Trade Center allseits als neue Qualität terroristischer Anschläge gelte. Dies rechtfertige eine äußerst ausführliche Berichterstattung, auch mit Fotos. Es sei journalistische Pflicht, den unbekannten Dimensionen der Ereignisse auch durch die Form der Berichterstattung Rechnung zu tragen. Die Chefredaktion hält die Veröffentlichung eines solchen Fotodokuments für journalistisch vertretbar, da sich eine ganze Reihe ähnlicher Fälle in den Minuten nach dem Anschlag ereignet habe. Menschenverachtend sei der Abdruck des Bildes nicht, weil die festgehaltene Szene die gesamte Monstrosität der Anschläge darstelle. Das Bild habe sowohl dokumentarisch als auch nachrichtlich enormen Wert. Entgegen der Einschätzung des Beschwerdeführers hält es die Chefredaktion für unmöglich, die Person auf dem Bild als weiblich oder männlich zu unterscheiden, geschweige denn, sie namentlich zu identifizieren.

Weiterlesen

Schleichwerbung für Shopping im Internet

Eine Regionalzeitung berichtet über die Begeisterung, die das Shopping-Angebot einer Einkaufsmeile im Internet in der Bevölkerung des Landes auslöse. So habe eine 72-jährige Rentnerin zum ersten Mal in ihrem Leben eine Computer-Maus in die Hand genommen, und schon könne sie all die tollen Produkte, die es in dem virtuellen Kaufhaus zu bestaunen gebe, auch gleich bestellen. Ein vielfältiges Warenangebot, günstige Preise und die zahlreichen „E-Coupons“, mit denen die Käufer Rabatte und Zugaben einheimsen könnten, hätten alt und jung überzeugt. Das Kompliment „Ich hätte nie gedacht, dass es bei euch so viel zu kaufen gibt“ hätten die Macher mit großer Freude gehört. Der Text schließt mit einem Hinweis auf die Internet-Adresse der virtuellen Einkaufsmeile. Die Veröffentlichung löst eine Beschwerde beim Deutschen Presserat aus. Ein Leser sieht in dem Beitrag Schleichwerbung, da die Zeitung mit dem Internetshop-System verflochten sei. In dem Artikel werde suggeriert, dass jeder das Angebot toll finde. Wäre eine gewissenhafte Recherche vorgenommen worden, hätte man in dem „Pseudobericht“ auch etwas von der Meinung derer wiedergeben müssen, die das Angebot kritisch sehen. Die Chefredaktion der Zeitung teilt mit, der Artikel sei im Rahmen der Berichterstattung über die Messe „Welt der Familie“ erschienen. Ein Redakteur der Zeitung sei auf der Messe gewesen und habe sich einen objektiven Überblick über das Geschehen verschafft. Seine Beobachtungen, insbesondere das auffallend starke Interesse älterer Menschen am Internet-Shopping, seien dann in den Beitrag eingeflossen. Es sei zwar richtig, dass die Zeitung Anteile an der Shopping-Betreibergesellschaft habe. Auswirkungen auf Inhalte und Form der Berichterstattung habe dies allerdings nicht. (2001)

Weiterlesen