Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6739 Entscheidungen
Unter der Überschrift “Das perverse Geständnis von Jessicas Killer” schildert eine Boulevardzeitung den Mord an einem sechsjährigen Mädchen. Dem Beitrag sind zwei Bilder des Opfers beigestellt. Eines davon zeigt das tote Kind im offenen Sarg mit seiner Lieblingspuppe im Arm. Im Text gesteht der mutmaßliche Täter, das “vorbestrafte Monster”, wie ihn die Zeitung nennt, Einzelheiten seiner Tat. Eine Leserin stößt sich daran, dass in dem Artikel detailliert Quälereien beschrieben werden, die absolut nichts mit objektiver Berichterstattung zu tun hätten. Sie beschwert sich beim Deutschen Presserat. Mit dem Bild des Mädchens im Sarg werde das Opfer in seiner Würde verletzt und die Hinterbliebenen würden erneut belastet. Die Rechtsabteilung des Verlages erklärt in ihrer Stellungnahme, die Berichterstattung über Fälle von Kindesmissbrauch stoße auf ein öffentliches Informationsinteresse. Eltern würden dadurch sensibilisiert, ihre Kinder durchgehend zu beaufsichtigen und sie auf Gefahren hinzuweisen. Diese Auffassung, gerade im Hinblick auf eine detaillierte und realistische Berichterstattung, werde auch von der Mutter des getöteten Kindes geteilt. Die Veröffentlichung sei in Absprache mit ihr und ihrer Anwältin erfolgt. Die Mutter habe das strittige Foto auch ins Internet gestellt und gebe dazu detailliert Auskunft über die an ihrer Tochter begangenen Straftat. Darüber hinaus trete sich regelmäßig im Fernsehen auf, um über das Unglück zu berichten. Die Mutter habe sich bei der Redaktion im Anschluss an die Berichterstattung für den Beitrag bedankt. Von einer Verletzung presseethischer Grundsätze könne also keine Rede sein. (2004)
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Unter der Schlagzeile “Heute weinen alle Eltern – Terroristen schossen den fliehenden Schülern in den Rücken” dokumentiert eine Boulevardzeitung am 4. September 2004 das Geiseldrama in Beslan in Südrussland. Der Beitrag enthält viele Fotos, die Soldaten im Einsatz, verletzte Kinder und Helfer bei der Rettung der Opfer zeigen. Im Text wird das Geschehen minutiös geschildert. Die Klasse 6 eines Gymnasiums und deren Religionslehrerin wenden sich mit einer Beschwerde an den Deutschen Presserat: “Uns stört, dass die Zeitung zu große Fotos auf die Titelseite setzt, die zu brutal, gewalttätig und beängstigend sind. Die Kinder sind verstört und werden von Reportern belästigt, andauernd befragt und fotografiert. Die Kinder und auch die bedrohten Erwachsenen benötigen Hilfe und keine Reporter, die ihr großes Leiden fotografieren. Das Privatleben der Kinder wird gestört, der private Bereich muss aber geschützt werden, besonders wenn es sich um eine derartige Angst- und Gefahrensituation handelt. Großes Leiden, verblutende, schwer verletzte Kinder sollten nicht farbig riesengroß zur Schau gestellt werden.” Der Chefredakteur der Zeitung erklärt, in seinen Augen seien die Fotos über das Geiseldrama keine unangemessen sensationelle Darstellung, wie sie Ziffer 11 des Pressekodex verbiete. Als Begründung fügt er an, dass der seit Jahren andauernde Tschetschenienkrieg bislang schätzungsweise 200.000 Zivilisten das Leben gekostet habe und die Verbrechen weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit begangen würden, weil Russland eine unabhängige Berichterstattung nicht zulasse. Das Geiseldrama in der Schule der südrussischen Stadt Beslan als Ausriss des lang anhaltenden Tschetschenienkrieges sowie des international wachsenden Terrorismus habe weltweit Entsetzen und eine umfangreiche Diskussion über die Umgangsweise des russischen Präsidenten mit dem Tschetschenienkrieg ausgelöst. Nach dem Geiseldrama seien drei Journalisten verhaftet worden. Man habe ihnen teilweise untersagt, sich öffentlich zu dem Vorfall zu äußern. Seine Zeitung, betont der Chefredakteur, habe sich seit jeher einer zensierten Berichterstattung widersetzt. Kriege und terroristische Anschläge seien grausam, eine Zensur der Berichterstattung jedoch unangemessen. Immer wieder würden Journalisten und Fotografen versuchen, den Einschränkungen der Pressefreiheit entgegenzuwirken und unter Einsatz ihres Lebens wahrhaftig über humanitäre Katastrophen zu berichten. Die umfangreiche Berichterstattung aller Medien in Wort und Bild rund um das Geiseldrama habe die Grausamkeit dieses Attentats der Öffentlichkeit erst in ihrem wahren Ausmaß nahe gebracht. Die Aussagen einiger Opfer in den deutschen Medien hätten nicht nur den russischen Präsidenten Putin zu einer öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Krieg in Tschetschenien und dem Umgang mit der Pressefreiheit in Russland gezwungen, sie hätten in Zusammenhang mit der umfangreichen Berichterstattung einen weit reichenden erfolgreichen Aufruf aller Medien ermöglicht, die Opfer und deren Familien in Beslan zu unterstützen. Der Chefredakteur will nicht in Abrede stellen, dass die beanstandeten Fotografien Kinder abschrecken. Man sei sich bewusst, dass auch Kinder zu den Medienkonsumenten zählen. Aus diesem Grunde wäge die Redaktion in jedem einzelnen Fall ab, ob die Veröffentlichung eines Gewaltfotos gegen Ziffer 11 des Pressekodex verstoße. Gleichwohl sei sie der Auffassung, dass Kinder heute im Zeitalter des international wachsenden Terrorismus zwangsläufig mit Gewalt in den Medien konfrontiert werden. Die Beurteilung nach Ziffer 11 dürfe von daher nicht ohne Berücksichtigung dieser Entwicklung erfolgen. Zeitungen seien darüber hinaus primär Informationsträger, welche nicht dazu dienten, nur die schönen Seiten der Welt zu zeigen, sondern den Auftrag hätten, wahrheitsgemäß und umfassend zu berichten. Dass einige Personen mitunter daran Anstoß nähmen, lasse sich dabei nicht vermeiden. Wie das Bundesverfassungsgericht im Benetton-Urteil klarstelle, sei ein “vom Elend der Welt unbeschwertes Gemüt der Bürger kein Belang, zu dessen Schutz das Grundrecht der freien Meinungsäußerung eingeschränkt werden” dürfe. Im übrigen habe kein weiterer Leser der Zeitung an der dieser Beschwerde zu Grunde liegenden Berichterstattung Anstoß genommen.
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In einem Beitrag unter der Überschrift „US-Ärzte folterten im Horror-Knast“ berichtet eine Boulevardzeitung, amerikanische Armee-Ärzte hätten die Folterknechte im „Horror-Knast“ Abu Ghraib offenbar unterstützt. Die Militärmediziner sollen Methoden für Zwangsverhöre entwickelt und notwendige Hilfe verweigert haben. Totenscheine von Gefangenen sollen gefälscht und Beweise für Folterungen vertuscht worden sein. Ärzte sollen auch selbst Gefangene misshandelt haben. Ein britisches Fachmagazin berufe sich mit diesen Behauptungen auf Regierungsdokumente und beeidigte Aussagen von Soldaten und Häftlingen. Der Artikel ist illustriert mit dem Foto einer Leiche. Das Folteropfer ist in Folie eingewickelt. Das Gesicht ist deutlich erkennbar. Ein Leser hält die Veröffentlichung des Fotos für schamlos und beschwert sich beim Deutschen Presserat. Die Identität des Mannes sei deutlich erkennbar, da sein Gesicht nicht mit einem Augenbalken abgedeckt worden sei. Der Tote werde nach seiner Folterung noch einmal missbraucht und schutzlos vorgeführt. Zudem diene das Foto nicht der Darstellung oder Verifizierung der These des Textes, dass amerikanische Armeeärzte die Folterknechte offenbar unterstützten. Der Geschäftsführer des Verlages kann in der Veröffentlichung des Fotos keinen Verstoß gegen den Pressekodex erkennen. Es werde keine Folterszene mit Opfern, sondern vielmehr das tote Opfer als grausame Folge der Folter gezeigt. Das öffentliche Interesse an einer Berichterstattung auch in dieser Form sei groß, denn nur eine realistische Darstellung könne zur Aufklärung beitragen und die Menschen wachrütteln. Ein Verzicht auf dieses fotografische Dokument hieße, die Zeitgeschichte zu verfälschen. Die Grenze der unangemessen sensationellen Darstellung von Gewalt sei demnach nicht überschritten. Auch ein Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex sei nicht gegeben, da es sich um ein Dokument der Zeitgeschichte handele, das einem herausragenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit begegne. Die Foltervorgänge in Abu Ghraib seien nicht ein gewöhnliches Verbrechen, sondern vielmehr ein globales Aufsehen erregendes zeitgeschichtliches Ereignis. Da das Folteropfer nicht zu erkennen sei, liege auch keine Verletzung der Menschenwürde vor. Unter dem rechten, zudem geschwollenen Auge des Folteropfers klebe ein Pflaster. Der Mann sei auf dem Kopf liegend dargestellt, so dass die typischen Gesichtszüge verfremdet seien und das Gesicht keinen natürlichen Ausdruck zeige. Darüber hinaus würden keine Lebensumstände oder gar der Name des Opfers bekannt. Der Abgebildete sei nicht identifizierbar und somit als Opfer nicht seiner Würde beraubt. (2004)
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Eine Regionalzeitung meldet unter der Überschrift „Anklage wegen Untreue“, mit keinem einzigen städtischen Unternehmen habe sich die Staatsanwaltschaft öfter befassen müssen als mit den Verkehrsbetrieben. Im jüngsten Ermittlungsverfahren habe sich der Verdacht ergeben, dass es Betriebsratsmitgliedern mit SPD- und Gewerkschaftsbuch besser gehe als „normalen“ Mitarbeitern. Mit dem Hinweis, man könne alle Belege schnell beibringen, habe die Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Untreue zum Nachteil des Unternehmens vorliegen. Genannt seien gleich vier Namen mit ladungsfähigen Anschriften. Drei Tage später teilt die Zeitung ihren Leserinnen und Lesern unter Bezugnahme auf die Erstveröffentlichung unter der Überschrift „Keine Anklage wegen Untreue“ mit, ihre Meldung bedürfe der Richtigstellung. Es sei keine Anklage wegen Untreue erhoben, sondern lediglich eine Strafanzeige wegen Untreue gestellt worden. Die Unternehmenskommunikation der Gesellschaft bekundet dem Deutschen Presserat, es sei falsch, dass gegen das Unternehmen Anklage wegen Untreue erhoben worden sei. Weiterhin sei es nicht korrekt, dass der Staatsanwaltschaft zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beitrages eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Untreue vorgelegen habe. Dies habe der Sprecher der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Anwalt der Verkehrsbetriebe betont. Zudem sei die Behauptung, mit keinem einzigen Unternehmen müsse sich die Staatsanwaltschaft öfter befassen, nicht zur Veröffentlichung in einem nachrichtlichen Artikel geeignet. Wenn überhaupt, könne man sie höchstens als Meinung äußern. Auf Anfrage teilt die zuständige Staatsanwaltschaft dem Presserat mit, dass bei ihr zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eine anonyme Anzeige zum Thema des Artikels vorgelegen habe. Es stimme, dass in den letzten Jahren eine Reihe von Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter des Unternehmens oder im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Verkehrsbetriebe im weitesten Sinne geführt worden seien. Der Chef vom Dienst der Zeitung räumt ein, dass die Überschrift der Erstveröffentlichung falsch gewesen sei. Der Fehler sei Folge eines bedauerlichen redaktionellen Versehens gewesen. Aus dem Inhalt des Artikels ergebe sich aber eindeutig, dass keine Anklage, sondern eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Untreue gemeint sei. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung habe tatsächlich eine Anzeige vorgelegen. Dies habe der Sprecher der sehr großen örtlichen Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst. Die Äußerung des Autors über die Häufigkeit der Ermittlungsverfahren enthalte Elemente eines zulässigen Werturteils. (2004)
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Ein Wirtschaftsmagazin macht einem möglichen Kunden ein Angebot zum Kauf von redaktionellen Beiträgen. So soll ein ganzseitiger Artikel 1.000 Euro und ein redaktioneller Beitrag über zwei Seiten 1.700 Euro kosten. Ein Beitrag auf der Website des Magazins ist für 500 Euro erhältlich. Die Anzeigenberaterin bietet in ihrem Schreiben auch Kombinationen an. Eine Seite Text in der Printausgabe mit einem zusätzlichen Online-Beitrag ist für 1.300 Euro zu haben. Zwei Seiten in der Printausgabe mit zusätzlichem Online-Beitrag werden für 1.800 Euro gefertigt. Die Geschäftsführerin eines Landesverbandes des DJV sieht in diesem Angebot einen dreisten Verstoß gegen Ziffer 7 des Pressekodex und führt Beschwerde beim Deutschen Presserat. Der Chefredakteur des Magazins entschuldigt sich für den unkorrekten Vorgang. Von nun an werde man in jedem Fall entgeltliche Veröffentlichungen eindeutig kennzeichnen. PR-Texte werde man künftig mit dem Zusatz „Anzeige“ versehen. (2004)
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Unter der Schlagzeile “Der Sex-Seppl – Er steht jetzt mit einem Bein im Gefängnis” berichtet eine Boulevardzeitung über einen Deutschen, der in Thailand angeblich 500 Frauen mit dem HIV-Virus angesteckt haben soll. Mit einem langen Knastaufenthalt rechne der “Perverse” nicht. Die Verbreitung des tödlichen Virus sei in Thailand nicht strafbar. Deshalb sitze der Mann, der nach einer Amputation nur noch ein Bein habe, nur wegen eines Einreisevergehens in Haft. Er habe sich mit einem vierwöchigen “Touri-Visums” seit drei Jahren im Land aufgehalten. Dem Beitrag sind Fotos des Betroffenen beigestellt. Die Zeitung nennt seinen Vornamen, den Anfangsbuchstaben seines Familiennamens, sein Alter und den früheren Wohnort. Ein Leser spricht in seiner Beschwerde beim Deutschen Presserat von “Schmierenjournalismus”. Der Mann werde mit diesem Beitrag in seiner Menschenwürde verletzt. Gegen ihn werde Stimmungsmache betrieben, da sein körperliches Gebrechen nichts mit seinen möglichen Vergehen zu tun habe. Der Beschwerdeführer kritisiert zudem den Abdruck eines Fotos, das mit dem Vermerk “Der Lockruf der Lust” eine nackte Asiatin zeigt. Dieses Foto habe mit der Berichterstattung nichts zu tun und bediene voyeuristische Bedürfnisse. Die Rechtsabteilung des Verlages ist der Meinung, dass die Abbildung des nackten Frauenkörpers das Elend der thailändischen Prostituierten in keiner Weise verharmlose. In der Bildunterschrift wie auch im Text werde äußerst kritisch zum dem Phänomen Sextourismus Stellung bezogen Insofern sei es sehr widersprüchlich, dass der Beschwerdeführer dies als “verächtliche Stimmungsmache” bezeichne. Sich mit einer Person wie dem inhaftierten Deutschen kritisch auseinanderzusetzen, gehöre zu den legitimen Aufgaben einer Zeitung. Der Mann prahle öffentlich, wie er als reicher Deutscher die Armut der sich prostituierenden Thailänderinnen ausnutze. Gleichzeitig beschimpfe er die Frauen auf sexistische und rassistische Weise. Es bestehe zudem der dringende Verdacht, dass der Betroffene absichtlich Hunderte von Thailänderinnen mit dem Aids-Virus infiziert habe. Mehrere asiatische Zeitungen und Nachrichtenagenturen hätten berichtet, dass darunter auch Minderjährige gewesen seien. Der Deutsche habe die Jugendlichen vor Schulen angesprochen und gegen Zahlung einer für thailändische Verhältnisse unglaublich hohen Geldsumme zum ungeschützten Geschlechtsverkehr bewegen können. Die Berichterstattung über diese Schattenseiten des Massentourismus sei auch für die deutsche Öffentlichkeit von großem Interesse. Der Artikel widme sich also einer gesellschaftlich besonders dringenden Thematik und beziehe ganz klar Stellung. Die Formulierung “Er steht mit einem Bein im Gefängnis” sei eine gängige Redewendung. In dem angegriffenen Artikel werde daraus ein Wortspiel. Einerseits befinde sich der Betroffene tatsächlich in Haft wegen eines Einreisevergehens, andererseits laste ein weiterer schwerer Verdacht auf ihm, nämlich die absichtliche Infizierung mit dem Aids-Virus. Insgesamt sei der Mann kein grundlos inhaftierter Behinderter, sondern ein Mensch, der es bewusst und gewollt in Kauf genommen habe, junge Frauen mit einer tödlichen Krankheit anzustecken. (2004)
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Unter der Überschrift „Alles Käse“ beantwortet eine Boulevardzeitung die Frage, warum die Holländer die ewigen Verlierer seien. In Erwartung des Europameisterschaftsspiels zwischen den Fußballern Deutschlands und der Niederlande nennt das Blatt 55 Gründe für eine Niederlage der Holländer. Darunter finden sich Feststellungen u.a. wie: „Weil ihre Königin ausschaut wie Hape Kerkeling“, „Weil die Holländerinnen Käseglocken haben“, „Weil holländisches Bier so schmeckt, als hätten eure Fußballer ihre Füße darin gebadet“, „Weil eure Autokennzeichen aussehen wie eine fahrende Blindenbinde“, „Weil ihr Trainer Dick Advocaat so viel wie ‚Schwanz Anwalt‘ heißt“ oder „Weil bei uns nur Müllmänner Orange tragen“. Eingeleitet wird der Beitrag mit der Ankündigung: „Es stinkt bei der EM. Die Holländer kommen !“ Und es wird der Rat erteilt: „Beißen Sie in eine Tomate! Riechen Sie an einer Tulpe! Schnüffeln Sie an einem Matjes! Ist doch alles nur Käse aus Holland!“ Zwei Leser des Blattes nehmen Anstoß an der Veröffentlichung. Ein Zeitungsverleger ist der Ansicht, dass in dem Beitrag eine Fülle von abwertenden, hämischen und beschämenden Bemerkungen über Holland enthalten seien. Wenn das Humor sein solle, dann würden alle Vorurteile, die Deutschen seien ein humorloses Volk, auf glänzende Weise bestätigt. Er regt an, im Presserat einmal darüber zu diskutieren, ob die Zeitung nicht auch eine Verantwortung für ein gutes Verhältnis zu den Nachbarländern habe. Der Chefredakteur seiner Zeitung habe sich in einem Schreiben an die Partnerzeitung in den Niederlanden von dem vorliegenden Pamphlet distanziert. Die Beziehungen der Nachbarländer zueinander und auch die Partnerschaften von Tageszeitungen würden durch solche Entgleisungen zumindest beeinträchtigt, wenn nicht konterkariert. Ein zweiter Leser äußert eine ähnliche Meinung. Die Veröffentlichung sei eine bodenlose Frechheit mit äußerst beleidigendem Tenor unserem Nachbarland gegenüber. Die Chefredaktion der Zeitung betont, Fußball gehöre zu den populärsten Sportarten in Europa. Sportwettkämpfe aller Art bewirkten bei den Anhängern der teilnehmenden Nationen in besonderem Maße ein Aufleben des Nationalstolzes und eine nationale Positionierung. Die Emotionalität, mit welcher die breite Masse die Wettkämpfe insbesondere im Fußball begleite, werde seit jeher zum Anlass genommen, sich mit den Klischees und Vorurteilen zu beschäftigen, mit welchen die gegeneinander spielenden Nationen behaftet seien. Es verstehe sich als Aufgabe der Presse, sich mit der Emotionalität der Fans und Leser auseinanderzusetzen und diese im Rahmen der Berichterstattung um Welt- und Europameistertitel auch wiederzugeben. Im Rahmen der Berichterstattung über internationale Wettkämpfe würden auch die zwischen den Nationen außerhalb des Sports bestehenden Klischees, Vorurteile und Konflikte ausgetragen. Die Presse diene insoweit neben der sachlichen Berichterstattung über die Ergebnisse auch als Spiegelbild der Stimmung in der Bevölkerung. Vor diesem Hintergrund gehöre es zu den ureigensten Rechten der Presse, sich zur authentischen Wiedergabe der Meinung in der Nation des Vokabulars der Fans oder des Stilmittels der Ironie zu bedienen, ohne hierbei Gefahr zu laufen, sich dem Vorwurf der Diskriminierung nationaler Gruppen auszusetzen. Die Chefredaktion sieht den Vorwurf des beleidigenden Tenors nicht bestätigt. Die überwiegenden Kommentare seien unverkennbar ironisch und nicht beleidigender Natur. Die Veröffentlichung schließe zudem mit der Bemerkung: „Weil wir euch trotzdem mögen, auch wenn ihr heute verliert – oder gewinnt. Großes Käse-Ehrenwort“. Mit Ausnahme der beiden Beschwerden beim Presserat habe es kein negatives Feedback der Leser gegeben. Die Leser hätten wohl uneingeschränkt die humoristische Aussage des Artikels verstanden. (2004)
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Unter der Überschrift „Pferdefüße“ kommentiert eine Tageszeitung die Vorgänge um das Pferde-Doping bei den Olympischen Spielen in Athen. Die Autorin behauptet, das Pferd des Amerikaners Chris Kappler sei schon vor Athen monatelang verletzt gewesen, sei in angeschlagenem Zustand über die monströsen Hindernisse gejagt und im Namen Olympias von seinem Reiter vollends verbraucht worden. Ein Facharzt für Pferde hält diese Behauptung für falsch und teilt seine Bedenken dem Deutschen Presserat mit. Kapplers Pferd sei nicht angeschlagen gewesen. Es habe vor Athen kontinuierlich und erfolgreich an Turnieren teilgenommen. Der Hengst sei während der Olympischen Spiele in der Verfassungsprüfung von der Ground Jury und der Veterinärkommission auf seinen Gesundheitszustand untersucht und als gesund eingestuft worden. Er sei ohne gesundheitliche Komplikationen ins Finale gekommen. Dort habe ihn im Stechen um die Silbermedaille ein Trauma erreicht. Drei weitere Springpferde hätten ähnliche Verletzungen erlitten. Bei weiteren fünf Pferden seien ähnliche Symptome aufgetreten. Dies habe zu dem Schluss geführt, dass gewisse Umstände ursächlich die Verletzungen verschuldet haben. Zur Erforschung der Ursache sei ein Ad-hoc-Komitee des Weltreiterverbandes FEI etabliert worden, dessen Ergebnisse zur Zeit noch nicht vorliegen. Die Geschäftsführung des Verlages erklärt in ihrer Stellungnahme, dass entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers das Pferd Royal Kaliber des Amerikaners Chris Kappler bei seinem Olympiastart in Athen schon eine längere Krankengeschichte hinter sich gehabt habe. Dies sei nicht nur in Reiterkreisen weithin bekannt gewesen. Auch der Beschwerdeführer selbst, der als Tierarzt Royal Kaliber in Europa behandelt habe, habe dies der Redakteurin schriftlich bestätigt. In einem Brief vom 1. Oktober 2004 heiße es u.a.: „Das Pferd hat während der Vorbereitungsphase auf die Olympischen Spiele Probleme am linken Hinterbein gehabt.“ Der Teamchef der amerikanischen Reiterequipe habe im Rahmen einer Pressekonferenz während des Reitturniers vom 13. bis 18. Juli 2004 in Aachen vor schätzungsweise 40 Zuhörern erklärt, Royal Kaliber fehle in der amerikanischen Nationenpreismannschaft, weil das Pferd „zur Zeit leider verletzt“ sei. Fünf Wochen später habe das olympische Turnier begonnen. Dass Royal Kaliber in Athen die Verfassungsprüfung ohne Reklamationen überstanden habe, habe in der Branche allgemein erhebliches Erstaunen ausgelöst. Ein hoher Funktionär habe der Redakteurin gegenüber im Gespräch vor Ort erklärt, man werde künftig bei der Gesundheitskontrolle wohl strengere Maßstäbe anlegen müssen, da mit Royal Kaliber und dem französischen Pferd Dilème de Cephe „bereits vorgeschädigte Pferde“ in den schweren Olympiaparcours geschickt worden seien. Die Ad-hoc-Kommission des Weltverbandes, welche die Verletzung von Pferden im olympischen Parcours untersuche, sei noch zu keinem Ergebnis gelangt. Ihres Erachtens, führt die Geschäftsführung abschließend aus, könne der Beschwerdeführer sich deswegen auch nicht darauf berufen. Royal Kaliber sei mittlerweile eingeschläfert worden. (2004)
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Eine Lokalzeitung berichtet in Wort und Bild über den tödlichen Verkehrsunfall einer 21-jährigen Auszubildenden. Sie zeigt ein Porträt der Toten, nennt den Vornamen, abgekürzten Familiennamen sowie das Alter und berichtet aus dem privaten Umfeld der Verunglückten. Zum Tathergang schreibt das Blatt, die junge Frau habe die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren und sei gegen einen Baum geprallt. Die Eltern der 21-Jährigen legen Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Sie sehen durch die Veröffentlichung das Persönlichkeitsrecht ihrer tödlich verunglückten Tochter verletzt. Sie hätten zu keiner Zeit mit Medienvertretern gesprochen noch hätten sie Fotografien ihrer Tochter an die Medien weitergegeben. Obwohl der Unfallhergang noch nicht vollständig aufgeklärt gewesen sei, habe die Zeitung ihre Tochter als jugendliche Raserin vorverurteilt. Ziffer 8 des Pressekodex sichere Opfern von Unfällen einen besonderen Schutz zu. Die Rechtsabteilung des Verlages teilt mit, sie habe als Reaktion auf das Schreiben des Presserats mit dem Vater Kontakt aufgenommen. Es sei dabei versucht worden, dem Beschwerdeführer den Hergang der Informationsbeschaffung transparent und die Entstehung des Berichts somit nachvollziehbar zu machen. Sie habe den Eindruck, dass das Bedürfnis, die Informationsbeschaffung nachvollziehbar zu machen, in dem Gespräch befriedigt worden sei. Man habe dem Beschwerdeführer auch die Ansicht vermitteln können, dass seine Tochter in dem Artikel nicht als jugendliche Raserin vorverurteilt werde. Der Artikel sei keinesfalls geeignet, die Menschenwürde der Verunglückten zu verletzen. Er verurteile sie nicht, sondern erzeuge Mitgefühl statt Empörung. Dies habe der Vater in dem Gespräch auch eingesehen. (2003)
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Ein Musikpädagoge, Orchesterchef und Musicalkomponist sitzt in Untersuchungshaft. Ihm wird Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Minderjährigen und Schutzbefohlenen im Zeitraum von 28 Jahren vorgeworfen. Einige der Schülerinnen sollen unter 14 Jahren alt gewesen sein. Ein Nachrichtenmagazin berichtet über die Vorwürfe, die der Betroffene Lynchjustiz nenne. Viele in seinem Heimatort hätten darüber geredet, schreibt die Zeitschrift, doch niemand sei zur Polizei gegangen. Unweit der Kirche beherberge ein „geducktes gelbes Haus“ den Friseursalon und die Lottoannahmestelle. Dies sei „in der Provinz der Marktplatz der Neuigkeiten“. In der Textpassage heißt es u.a.: „Hier wurde viel geredet über die Vorlieben des Musiklehrers ... für junge Mädchen, jahrelang. Wohl auch über jene 14-Jährige, die Trompete lernte und schon 1979 ihrem Lehrer zum Opfer gefallen sein soll. (...) Jeder, der hier lauschte, hätte eingreifen müssen. Aber jetzt sind das für die Friseurbesucher auf einmal nur Gerüchte – was ist, wenn die nicht stimmen?“ In dem Beitrag wird erwähnt, dass der heutige Bürgermeister im vergangenen Herbst beim Friseur auch vom angeblichen Missbrauch einer Schülerin erfahren habe. Der Direktor des Gymnasiums wird mit den Worten zitiert, dass er sich wie eine betrogene Ehefrau fühle, die als letzte alles erfahre, da er ja nicht zum Friseur in eben jenem Ort gehe. Die Inhaber des Friseurgeschäfts wenden sich an den Deutschen Presserat. Sie sehen die Berichterstattung für ihre Familie und ihr Unternehmen als beleidigend an. Ein Brief an den Chefredakteur sei ohne Antwort geblieben. In diesem Brief legen die Beschwerdeführer dar, dass sie die Bezeichnung „geduckt“ als anmaßende Beleidigung empfinden. Der Artikel greife außerdem ihre Kunden an. Es werde auch verschwiegen, dass in früheren Jahren bei der Staatsanwaltschaft zwei Anzeigen eingegangen seien, die aber nicht zu einer Anklage geführt hätten. Die Geschäftsstelle des Presserats ermittelt, dass der Brief der Beschwerdeführer nicht an den Chefredakteur der Print-, sondern an den Chefredakteur der Online-Ausgabe der Zeitschrift gerichtet worden ist. Das Justitiariat des Verlages hält die schlichte Beschreibung des Hauses als „geduckt“ nicht für beleidigend. Das Haus falle in der Häuserflucht als klein auf. Dies mit „geduckt“ zu beschreiben, unterliege keinen Bedenken. Dass beim Friseur über den Musiker und dessen Übergriffe auf Mädchen geredet worden sei, ergebe sich aus den auch teils zitierten Gesprächen der Autorin mit dem Bürgermeister, dem Schulleiter, Bandmitgliedern und sonstigen Informanten. Der Begriff „Marktplatz der Neuigkeiten“ stelle eine zulässige Wertung dar, welche die Grenze zur Schmähkritik nicht überschreite. Die beanstandete Passage suggeriere keine positive Kenntnis der Beschwerdeführer. Vielmehr werde lediglich beschrieben, dass „hier viel geredet wurde“, was sich vor allem auf die Kunden und mithin die Bewohner des Ortes allgemein beziehe. Durch die Einleitung des Satzes mit dem Wort „wohl“ werde klar gemacht, dass dies eine Bewertung der Autoren sei. Dass es in dem Ort seit Jahren entsprechende Gerüchte und sogar handfeste Indizien gegeben habe, sei unstreitig. Es sei weiter dargestellt worden, dass es in der Vergangenheit Vorfälle gegeben habe, die nicht zu einer Anklage geführt haben. Eine Verpflichtung, über konkrete ergebnislose Ermittlungsverfahren oder entsprechende Anzeigen – die dann offenbar durch die Beteiligten nicht weiter unterstützt worden seien – zu berichten, bestehe nicht. Schließlich sei die Feststellung „Jeder, der hier lauschte, hätte eingreifen müssen“ eine schlichte Bewertung der geschilderten Umstände durch die Autorin. Es möge sein, dass sich die Beschwerdeführer wie auch zahlreiche Einwohner des Ortes zu Unrecht dem Vorwurf der Untätigkeit ausgesetzt sehen würden. Angesichts der geschilderten und – zumindest was Gerüchte und Indizien angehe – unstreitigen Zustände in der Gemeinde sei eine derart allgemein beschriebene „Sippenhaft“ jedoch hinzunehmen. (2004)
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