Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

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Entscheidungsjahr
6739 Entscheidungen

Konkurrenzverlag ausgeblendet

Eine Regionalzeitung stellt in einer ihrer Lokalausgaben in zwei Beiträgen den Arbeitskreis „Gesunde Unternehmen“ vor, den die AOK, die Fachhochschule der Region und Unternehmen des Landkreises auf den Weg gebracht haben. Der Geschäftsführer eines Verlages der Region beklagt in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat, dass in der Berichterstattung der Zeitung über den Arbeitskreis alle beteiligten Unternehmen außer dem seinen genannt seien. Sein Verlag sei ein mittelständisches Unternehmen und gebe 28 lokale Wochenzeitungen heraus. Das Verbreitungsgebiet der meisten dieser Ausgaben sei mit dem der Regionalzeitung identisch. Innerhalb des Verlags der großen Konkurrenz gebe es eine Anweisung des Verlegers, sein Unternehmen bei allen Veröffentlichungen zu übergehen. Dies verstoße gegen Ziffer 1 sowie gegen Ziffer 7 des Pressekodex. Ein Mitbewerber werde nicht erwähnt bzw. aus eigenen wirtschaftlichen Interessen verschwiegen. Der Chefredakteur der Zeitung erklärt in seiner Stellungnahme, dass keine wahrheitswidrige Berichterstattung vorliege. Beiden Berichten sei nicht zu entnehmen, dass die Aufzählung der beteiligten Firmen abschließend sei. So würden in dem ersten Artikel nur „beispielsweise“ einzelne Firmenleitungen genannt und auch der zweite Bericht mache durch die Voranstellung von „wie“ vor der namentlichen Nennung einzelner Firmen deutlich, dass es sich nur um eine exemplarische Aufzählung handele. Insoweit sei der Vorwurf einer falschen Unterrichtung der Öffentlichkeit nicht haltbar. Es liege auch kein Verstoß gegen Ziffer 7 des Pressekodex vor, da eine Beeinflussung der redaktionellen Berichterstattung nicht gegeben sei. Wenn überhaupt, könne man ein geschäftliches Interesse des Verlags in der Nichterwähnung des Beschwerdeführers vermuten. Der Verlag sei aber Verlag und Herausgeber der Zeitung und daher nicht Dritter im Sinne der Ziffer 7. Würde man den herausgebenden Verlag als Dritten im Sinne dieser Vorschrift ansehen, hätte dies zum Ergebnis, dass jeder Verlag gehalten wäre, auch über unmittelbare Wettbewerber zu berichten. Eine so weit gehende Verpflichtung eines betroffenen Verlages zur Aufgabe eigener geschäftlicher und unternehmerischer Interessen gegenüber einem unmittelbaren Wettbewerber könne aber von Ziffer 7wohl nicht gewollt sein. (2003/2004)

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Gerichtsberichterstattung

In mehreren Beiträgen schildert eine Regionalzeitung eine „Unfallflucht mit seltenen Folgen“. Danach soll ein 18-Jähriger nachts ein Auto gerammt und, ohne sich um den angerichteten Schaden zu kümmern, nach Hause gefahren sein. Als die Polizei den Verdächtigen zu einer Blutentnahme habe abführen wollen, habe sie Vater, Mutter, Sohn und Hund der betroffenen Familie mit Pfefferspray zur Räson bringen müssen. In der Gerichtsverhandlung habe sich der Betroffene als Opfer polizeilicher Gewalt dargestellt. 15 Zeugen seien gehört worden, ohne dass sich entlastende Fakten für den Angeklagten ergeben hätten. Das Gericht habe schließlich das rüde Verhalten des jungen Mannes mit einer Geldstrafe von 300 Euro, der Ableistung von 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit, einem Jahr Fahrerlaubnisentzug und der Übernahme der Gerichtskosten geahndet. Die Eltern des Angeklagten sähen einem gesonderten Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte entgegen. Zwei Kommentare nehmen zu dem Fall Stellung. Einmal wird das fragwürdige Verhalten der Eltern kritisiert, zum anderen wird bedauert, dass der Hund der Familie, der einem Polizisten ins Bein gebissen habe, nicht vernommen werden könne. Denn die Fähigkeit zu lügen unterscheide den Menschen vom Tier. Über ihren Anwalt legt die betroffene Familie Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Sie hält die Berichterstattung für einseitig, vorverurteilend und ehrverletzend. Zudem seien die Betroffenen identifizierbar. Die Chefredaktion der Zeitung räumt einen saloppen Sprachstil ein, der eigentlich nicht Standard der Zeitung sei und keine ungeteilte Zustimmung finden könne. In keinem der Beiträge aber sei der Sohn der Familie als Täter bezeichnet worden. Immer sei die Rede von einem Angeklagten oder einem jungen Mann, gegen den ermittelt werde oder der im Verdacht stehe. Beschuldigungen seien immer in Möglichkeitsform mit Formulierungen wie „sollte es“ oder „könnte sein“ vorgetragen worden. In den einzelnen Beiträgen sei auch immer die Darstellung des Beschuldigten und seines Verteidigers wiedergegeben worden. Diese sei allerdings auch in Zweifel gezogen und entsprechend kommentiert worden. Im Verfahrensverlauf und noch deutlicher im Urteil werde ersichtlich, dass das Gericht den Wahrheitsgehalt der Darstellung des Angeklagten ebenso bewertet habe. Über die Person des Beschuldigten sei anonymisiert berichtet worden. Der Vorfall habe sich in der Öffentlichkeit vor den Augen vieler Nachbarn abgespielt. Die Gerichtsverhandlung sei öffentlich gewesen. Das Geschehen sei Tagesgespräch im Wohnumfeld der Betroffenen gewesen, bevor die Berichterstattung der Zeitung eingesetzt habe. (2003/2004)

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Leserbrief weitergereicht

Ein Gärtner schreibt an seine Lokalzeitung. Er bezieht sich dabei auf einen Artikel, in dem Vertreter des BUND die Schutzwürdigkeit des Baumes hervorheben und sinnlose Fäll- und Schnittarbeiten durch seine Firma anprangern. Er mahnt mehr Sachlichkeit an, wirft dem BUND inkonsequentes Verhalten vor und kommt zu dem Schluss, dass Belange des Naturschutzes nicht berücksichtigt werden, wenn wirtschaftliche Gründe dahinterstecken. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung teilt dem Leser mit, dass sein Brief vor der Entscheidung über eine etwaige Veröffentlichung an den BUND weitergeleitet worden sei, da er unbewiesene Behauptungen und erhebliche Anschuldigungen enthalte. Die Zeitung habe die Erfahrung gemacht, dass solche Leserbriefe bei der Gegenseite sofort eine Gegendarstellung hervorrufen, die dann erneut in einer Entgegnung gipfele. Dass diese Bedenken nicht unbegründet seien, könne er dem beigefügten Antwortschreiben des BUND entnehmen. Die Zeitung empfehle, das darin enthaltene Gesprächsangebot wahrzunehmen. Gegebenenfalls könne der Leser dann immer noch entscheiden, ob er einen sachlichen, am Problem orientierten Leserbrief platzieren wolle. Der BUND reagiert auf die Zusendung des Leserbriefes mit einer scharfen Stellungnahme. Mit einer erstaunlichen Unverfrorenheit in Unkenntnis und Unsachlichkeit bemühe sich der Briefautor, die Arbeit seiner Mitglieder zu verunglimpfen und den Kläger BUND zum Täter abzustempeln. Wörtlich heißt es in dem Schreiben: „Bevor er ein Urteil über die Arbeit des BUND abgibt, hätte er besser daran getan, sich vorher über dessen Tätigkeit und Aufgaben als Naturschutzverein zu informieren...“. Der Gärtner schreibt daraufhin dem stellv. Chefredakteur, er finde es nicht richtig, dass der BUND ihn in der Öffentlichkeit angreifen dürfe, ohne dass er vorher darüber informiert worden sei. Der stellv. Chefredakteur legt dem Einsender schließlich eine überarbeitete Fassung des Leserbriefes mit der Bitte um Abdruckerlaubnis vor. Der Betroffene wendet sich an den Deutschen Presserat und kritisiert, dass die Redaktion seinen Leserbrief an den BUND weitergereicht habe. Die Chefredaktion der Zeitung verweist in ihrer Stellungnahme auf eine E-Mail, die sie eine Woche nach ihrem ersten Brief an den Beschwerdeführer gerichtet habe. Darin sei dem Leserbriefschreiber die Frage gestellt worden, ob er mit dem Abdruck seines Briefes in gekürzter Form einverstanden sei. In der Neufassung sei die Passage gestrichen worden, die persönliche Angriffe gegen eine BUND-Angehörige enthalte. Dabei beziehe sich die Redaktion auf Ziffer 9 des Pressekodex, der besage, dass es journalistischen Grundsätzen widerspreche, Behauptungen ehrverletzender Natur zu veröffentlichen. (2004)

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Fotografieren im Gottesdienst

Ein Boulevardblatt schildert Diskussionen über ein Künstlerhaus in einem Berliner Stadtteil, das unter dem Titel „When love turns to poison“ (Wenn Liebe Gift wird) sexuelle Phantasien ausstellt, die Kritiker als Kinderpornos bezeichnen. In diesem Zusammenhang wird die verantwortliche Bezirksbürgermeisterin, die sich gegen die Kritik von Kinderschützern wehrt und dabei Parallelen zum Dritten Reich zieht, in der Schlagzeile aufgefordert zurückzutreten. Wie die Zeitung mitteilt, habe es in der benachbarten Kirche Dutzende von Protesten gegen die Ausstellung gegeben. Unter denen, die den Schluss der Schau gefordert hätten, habe sich auch ein stadtbekannter Kirchenfanatiker befunden, der zuvor zehn Bilder von den Wänden gerissen habe. Der Pfarrer der genannten Kirchengemeinde beschwert sich beim Deutschen Presserat. Er sei am Karfreitag kurz vor dem Gottesdienst von einer Reporterin der Zeitung angesprochen und gefragt worden, was er von der Ausstellung in dem Künstlerhaus halte. Er habe erklärt, dass er die Ausstellung nicht kenne, sie sich aber noch ansehen werde, um sich eine Meinung zu bilden. Kurze Zeit später sei die Frau mit einem Mann erschienen, der sich als Fotograf der Zeitung vorgestellt habe. Er habe ein Bild des Pfarrers in der Kirche machen wollen. Er habe dies abgelehnt, da es dafür keinen Grund gebe. Beide hätten daraufhin die Kirche verlassen. Der Karfreitagsgottesdienst sei zunächst ohne Störungen verlaufen, dann aber sei laut schreiend ein Mann erschienen und habe Parolen gebrüllt. Er habe der Gemeinde vorgeworfen, nichts gegen eine pädophile Ausstellung in der Nachbarschaft zu unternehmen. Im Weggehen habe er noch Flugblätter in die Gemeinde geworfen. Von Chormitgliedern habe er später erfahren, dass der Fotograf der Zeitung von der Empore aus die Szene aufgenommen habe. Dies sei ohne seine Erlaubnis bzw. die Genehmigung durch den Kirchenrat geschehen. Der Ablauf der Störung lasse nur den Schluss zu, dass sie mit Hilfe der Zeitung arrangiert worden und der Störer des Gottesdienstes von der Reporterin instrumentalisiert worden sei. Die Chefredaktion des Blattes weist den Vorwurf, die Zeitung habe den Fanatiker zu seinen Ausfällen angestiftet, auf das Schärfste zurück. Richtig sei, dass ein freier Fotograf zum Künstlerhaus geschickt worden sei, um dort die aktuelle Situation zu beobachten. Dabei habe er zufällig den stadtbekannten und mittlerweile mehrfach gerichtlich verurteilten Kirchenstörer erkannt, der sich langsam in Richtung Kirche bewegt habe. Der Fotograf sei ihm gefolgt und habe sich auf der Empore zum Chor gesetzt. Von dort habe er den Gottesdienst verfolgt und den Auftritt des Störers fotografiert. Anschließend habe er die Kirche verlassen, ohne von irgendjemandem angesprochen worden zu sein. (2004)

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Namensnennung bei Zeugenzitat

Weil er bei Sanierungsarbeiten in einem alten Festungsgebäude seine Schüler veranlasst habe, mit einem Muldenkipper Material zu transportieren und dabei den Schlaf von mehr als 1.500 Fledermäusen zu stören, wurde ein Berufsschullehrer wegen eines Verstoßes gegen das Naturschutzgesetz zu einer Geldbuße verurteilt. Eine Boulevardzeitung berichtet in zwei Beiträgen über den Verlauf der Gerichtsverhandlung. In dem einen Beitrag wird die Höhe der Geldbuße mit 100 Euro, in dem zweiten Beitrag mit 200 Euro angegeben. In einem der Beiträge wird ein namentlich genannter Mitarbeiter des städtischen Gartenbauamtes mit den Sätzen zitiert: „Als wir vor Ort erschienen, ratterte der Muldenkipper hin und her. Was für ein Krach!“ Der Betroffene beschwert sich beim Deutschen Presserat. Als Mitarbeiter des Gartenbauamtes sei er Zeuge in einem gerichtlichen Verfahren gewesen. Ein öffentliches Interesse an der Nennung seines vollen Namens vermöge er nicht zu erblicken. Der Regionalleiter der Zeitung erklärt, das Gerichtsverfahren habe insofern die Öffentlichkeit interessiert, weil es als absurd erschienen sei. Der Beschwerdeführer sei in einem öffentlichen Amt tätig und habe in Wahrnehmung seines Amtes vor Gericht ausgesagt. Die Nennung seines Namens habe also ausschließlich seine berufliche Sphäre und damit den Randbereich seines Persönlichkeitsrechts berührt. Er werde darüber hinaus lediglich mit zwei kurzen Sätzen zitiert, die völlig wertneutral und in keiner Weise herabsetzend oder abträglich seien. (2003)

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Identifizierbarkeit eines Angeklagten

Unter der Überschrift „Jura-Student entblößte sich: Karnevals-Verbot“ schildert eine Boulevardzeitung das Gerichtsverfahren gegen einen 25-jährigen Karnevalisten, der sich als Betreuer der Funkenmariechen vor einer der jungen Damen entblößt haben soll. Dabei erwähnt sie, dass es ähnliche Fälle Jahre zuvor mit einer Kusine gegeben haben soll. Der Ex-Prinz wird zu zehn Monaten Jugendhaft auf Bewährung, zu einer Geldbuße von 720 Euro und zu einem dreijährigen Karnevalsverbot bei seinem Heimatverein verurteilt. Das in erster Instanz verhängte „Heimatverbot“ – er dürfe sich in seiner Heimatgemeinde nicht mehr sehen lassen – hob das Landgericht wieder auf. Nun könne er zumindest seinem Amt als Kirchenvorstand wieder nachgehen, schlussfolgert das Blatt. Die Zeitung nennt den Vornamen des Betroffenen und den Anfangsbuchstaben seines Nachnamens. Dem Beitrag beigestellt ist ein Foto, das den Studenten als Karnevalsprinz seines Heimatvereins der Session 1999/2000 zeigt. Der Anwalt des jungen Mannes moniert in seiner Beschwerde beim Deutschen Presserat, dass Name und Foto seines Mandanten veröffentlicht worden seien. Außerdem werde die Zeitung auch dem besonderen Schutz gegenüber Jugendlichen nicht gerecht. Mit Rücksicht auf die Zukunft von Jugendlichen sei eine Namensnennung und identifizierende Bildberichterstattung zu unterlassen, sofern es sich nicht um schwere Verbrechen handele. Dass hier kein schweres Verbrechen begangen worden sei, müsse auch der Redaktion klar gewesen sein. Die Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit sei hier in unangemessener Form vorgenommen worden. Durch die Veröffentlichung des Fotos sei der Resozialisierungszweck des vernünftigen und maßvollen Urteils komplett konterkariert worden. Die Zeitung habe das „Heimatverbot“, welches vom Gericht ausdrücklich aufgehoben worden sei, weil es dafür weder eine Rechtsgrundlage noch einen Grund gegeben habe, durch diese Veröffentlichung wieder durchgesetzt. Sein Mandant könne sich in seinem Heimatort nicht mehr blicken lassen. Die Rechtsabteilung des Verlages sieht dagegen Richtlinie 8.1 des Pressekodex nicht verletzt. Die Anklage habe auf sexuellen Missbrauch eines Kindes und damit auf einen Vorwurf gelautet, der die Öffentlichkeit besonders berühre. Auf Grund seiner langjährigen Aktivitäten im Karneval, insbesondere als Karnevalsprinz, komme dem Studenten eine gewisse Bekanntheit zu. Zumindest ein Delikt habe auch in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Karneval gestanden. Hinzu komme, dass das im Rahmen des Artikels veröffentlichte Foto öffentlich zugänglich sei und heute noch in einer Gaststätte aushänge. Der Beschwerdegegner kann auch keinen Verstoß gegen den Gedanken der Resozialisierung erkennen, da die Veröffentlichung in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Verurteilung des Beschwerdeführers erfolgt sei. Es werde daher nicht ein bereits länger zurückliegender Fall in das Gedächtnis der Öffentlichkeit zurückgerufen und dem Täter dadurch die Möglichkeit genommen, die Erinnerung an seine Tat verblassen zu lassen. Auch der besondere Schutz gegenüber Jugendlichen sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung sei der Beschwerdeführer bereits erwachsen gewesen. Das Schutzbedürfnis, das darin bestehe, einem Jugendlichen die Chance zu geben, sich zu einer gereiften und gefestigten Persönlichkeit zu entwickeln, habe daher nicht mehr bestanden. (2004)

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Identifizierbarkeit eines Angeklagten

Weil er einen polnischen Staatsangehörigen als Fahrer beschäftigt hatte, der weder eine Aufenthaltsgenehmigung noch eine Fahrerlaubnis für einen Laster plus Anhänger vorweisen konnte, wird der Geschäftsführer eines Entsorgungsfachbetriebs wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt und des Zulassens von Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt. Eine Zeitung der Region berichtet über die Gerichtsverhandlung und gibt dabei den Sitz der Firma des Angeklagten an. Außerdem erwähnt sie, dass in der Verhandlung ein Auszug aus der „Verkehrssünderkartei“ verlesen worden sei. Der Angeklagte habe es darin auf stattliche 16 Punkte gebracht und eine Zeit lang auch auf seinen Führerschein verzichten müssen. Auch ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung und wegen des Besitzes einer durchgebohrten Gaspistole sei im Bundeszentralregister vermerkt. Der Anwalt des Betroffenen beklagt beim Deutschen Presserat die identifizierende Art und Weise der Berichterstattung. Es gebe in dem erwähnten Ort nur eine Entsorgungsfirma. Darüber hinaus rechtfertigten das relativ unbedeutende Vergehen und die entsprechend geringe Geldstrafe nicht die ausführliche und letztlich unangemessen sensationelle Darstellung sowie die ausführliche Schilderung der Vorstrafen, die nichts mit der dem Betroffenen zur Last gelegten Tat zu tun hätten. Auch seien die genauen Angaben zu seinem Punktestand im Verkehrszentralregister in Flensburg und dem Entzug des Führerscheins unangebracht. Sein Mandant sehe sich durch die unverhältnismäßige und identifizierende Berichterstattung erheblich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Er und seine Familie würden seit dieser Veröffentlichung von zahlreichen Mitbürgern als Verbrecher abqualifiziert. Die Redaktion der Zeitung stellt fest, die Darstellung des Sachverhalts sowie die Beschreibung des Angeklagten seien nach bestem Wissen und Gewissen gefertigt worden. Es seien in dem Artikel keine Namen genannt und keine Fotos veröffentlicht worden. Die Redaktion sei daher überzeugt, dass sie die Anonymität des Geschäftsführers gewahrt habe. Sie bedauere, dass er durch die Berichterstattung erhebliche Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen müsse. Ursächlich dafür sei aber nicht die Zeitung, sondern sein eigenes Verhalten. Die Zeitung habe im Rahmen ihrer Informationspflicht über das daraus resultierende Verfahren berichtet. (2004)

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Identifizierbarkeit eines Angeklagten

Weil er einen polnischen Staatsangehörigen als Fahrer beschäftigt hatte, der weder eine Aufenthaltsgenehmigung noch eine Fahrerlaubnis für einen Laster plus Anhänger vorweisen konnte, wird der Geschäftsführer eines Entsorgungsfachbetriebs wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt und des Zulassens von Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt. Eine Zeitung der Region berichtet über die Gerichtsverhandlung und gibt dabei den Sitz der Firma des Angeklagten an. Außerdem erwähnt sie, dass in der Verhandlung ein Auszug aus der “Verkehrssünderkartei” verlesen worden sei. Der Angeklagte habe es darin auf stattliche 16 Punkte gebracht und eine Zeit lang auch auf seinen Führerschein verzichten müssen. Auch ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung und wegen des Besitzes einer durchgebohrten Gaspistole sei im Bundeszentralregister vermerkt. Der Anwalt des Betroffenen beklagt beim Deutschen Presserat die identifizierende Art und Weise der Berichterstattung. Es gebe in dem erwähnten Ort nur eine Entsorgungsfirma. Darüber hinaus rechtfertigten das relativ unbedeutende Vergehen und die entsprechend geringe Geldstrafe nicht die ausführliche und letztlich unangemessen sensationelle Darstellung sowie die ausführliche Schilderung der Vorstrafen, die nichts mit der dem Betroffenen zur Last gelegten Tat zu tun hätten. Auch seien die genauen Angaben zu seinem Punktestand im Verkehrszentralregister in Flensburg und dem Entzug des Führerscheins unangebracht. Sein Mandant sehe sich durch die unverhältnismäßige und identifizierende Berichterstattung erheblich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Er und seine Familie würden seit dieser Veröffentlichung von zahlreichen Mitbürgern als Verbrecher abqualifiziert. Die Chefredaktion der Zeitung betont in ihrer Stellungnahme, sie habe sich an den Pressekodex gehalten und den Namen des Angeklagten nicht genannt. Die Marktgemeinde, in welcher der Beschwerdeführer wohne und in der er arbeite, umfasse ein Areal von 68 Quadratkilometern und habe 22 Gemeindeteile. Im Verlauf des Prozesses habe es die Staatsanwältin als signifikant und prozessentscheidend angesehen, welche unterschiedlichen Delikte dem Angeklagten zuvor schon zur Last gelegt worden seien. Die Aufzählung dieses Vorstrafenregisters sei ihr deshalb wichtig erschienen, um die vermeintlich geringfügige Verfehlung des Mannes einordnen zu können. Zudem sei der Angeklagte absolut uneinsichtig gewesen. Er habe eine andere Rechtsauffassung als die Justiz an den Tag gelegt und sich als zu Unrecht angeklagt gesehen. (2004)

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Vorverurteilung

Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift “Sex neben einem gefesselten Kind” über das Strafverfahren gegen eine Ärztin, die ihre eigene 13-jährige Tochter vier Tage lang mit Eisenringen an ein Bett gefesselt und einem grauenhaften Martyrium ausgesetzt haben soll. Die Anklage laute auf Freiheitsberaubung und Kindesmissbrauch. Vorname, Anfangsbuchstabe des Nachnamens, Alter und Beruf der Angeklagten werden genannt. Auf einem Foto wird die Frau im Profil gezeigt. Ihre Augenpartie ist abgedeckt. Die Betroffene legt durch ihren Anwalt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Sie ist der Ansicht, dass sie auf dem Gerichtsflur unzulässigerweise verdeckt und nach Paparazzi-Art fotografiert worden sei. Das Foto sei entgegen ihrer ausdrücklichen Erklärung veröffentlicht worden. Die Beschwerdeführerin hält zudem die Nennung ihres Namens für unzulässig, da es sich bei ihr nicht um eine relative Person der Zeitgeschichte handele. Darüber hinaus sei der Artikel auch vorverurteilend, da sowohl die Überschrift als auch der Text des Artikels dem unkundigen Leser eine bislang nicht gerichtlich festgestellte Täterschaft der Beschwerdeführerin suggerierten. In krasser Missachtung der Unschuldsvermutung werde sie eindeutig identifizierbar an den öffentlichen Pranger gestellt. Die Rechtsabteilung des Verlages bittet, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen. Das Fotografieren im Gerichtsflur sei gestattet gewesen, so dass eine unlautere Beschaffung des veröffentlichten Bildmaterials nicht gegeben sei. An der Berichterstattung über den Fall habe ein öffentliches Interesse bestanden, da die der Beschwerdeführerin vorgeworfene Straftat weit über das Maß alltäglicher Kriminalität hinausgehe. Die Berichterstattung gebe den Verfahrensstand und den Inhalt der mündlichen Verhandlung zutreffend wieder, so dass auch eine Vorverurteilung nicht gegeben sei. Auf dem Foto sei die Betroffene ausreichend unkenntlich gemacht. Auch sonst ließen sich dem Text keine Informationen entnehmen, die auf die Identität der Beschwerdeführerin schließen ließen. (2003)

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Ermittlungen gegen einen Polizisten

Unter der Überschrift „Vorwürfe gegen höchsten Polizisten“ berichtet eine Regionalzeitung, dass die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen einen leitenden Polizeidirektor eingestellt habe. Zwei Zeugen, die für den Polizeibeamten in dessen Mietshäusern Reinigungs- und Reparaturarbeiten vorgenommen hatten, hätten dem Polizeibeamten vorgeworfen, nach dem Tod einer Mieterin in deren Wohnung eingebrochen zu sein und daraus Inventar mitgenommen zu haben. Außerdem solle der Polizeidirektor durch den Einblick in speziell geschützte Kriminalakten fremde Personen ausspioniert haben. Die Inhaberin der Reinigungsfirma behaupte, der Hauseigentümer schulde ihr noch knapp 10.000 Euro für Arbeiten in vier seiner Mietshäuser. Sie und ihr Lebensgefährte seien von dem Polizeibeamten beauftragt worden, neue Mieter für freie Wohnungen zu suchen. Wenn sich ein Interessent gefunden habe, sei er von dem Polizeidirektor durch Einsicht in die Polizeiakten überprüft worden. Die Zeitung äußert angesichts der Schwere der Vorwürfe und der dezidierten Beschreibung der Straftat in der Strafanzeige ihre Verwunderung über die Einstellung der Ermittlungen. Dem Beitrag ist ein Zweispalter angefügt, in dem der Betroffene seine Sicht der Dinge darstellt. Er sei sich keiner Schuld bewusst, heißt es da. Er habe unter einer „Rechtslücke“ gelitten, weil er nach dem Tod einer Mieterin nicht in deren Wohnung hineingekommen sei, um sie wieder zur Vermietung herzurichten. Um sich seine Rechte zu sichern, sei er zwei Monate nach dem Tod der Frau durch ein auf Kipp stehendes Fenster in die Wohnung eingestiegen. Er habe einen Kollegen vom Erkennungsdienst um einen Freundschaftsdienst gebeten, damit dieser ihm die Wohnung öffne. Schließlich habe er vom Nachlasspfleger die Genehmigung erhalten, die Wohnung zu betreten. Die Wohnung sei völlig verwahrlost gewesen. Er habe keine Sachen gestohlen, sondern mit einem der beiden Zeugen nur einen Fernseher und eine Waschmaschine in einer Garage gelagert. Der Zeuge habe beide Geräte ohne sein Wissen verkauft. Zu der Frage, ob er sich in den Kriminalakten über seine potenziellen Mieter erkundigt habe, wird er mit den Sätzen zitiert: “Ja, das gebe ich zu. Dazu bin ich auch berechtigt. In ganz wenigen Einzelfällen habe ich dies getan, um so Prostitution oder Drogen in den Wohnungen zu verhindern.“ Das sei keine private Nutzung gewesen, denn er sehe alles mit dienstlichen Augen. In seiner Beschwerde beim Deutschen Presserat wendet sich der Polizeidirektor dagegen, dass der Autor des Beitrages über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens berichtet habe, obwohl vereinbart gewesen sei, dass nur dann berichtet werden solle, wenn Anklage erhoben werde. In dem Artikel seien die gegen ihn gerichteten falschen Anschuldigungen als wahr und strafbar dargestellt worden. Der Beschwerdeführer sieht die Persönlichkeitsrechte seiner eigenen Person und die seiner Familie verletzt. Drei Tage nach der Veröffentlichung habe er der Zeitung in einer Gegendarstellung seine Sicht der Abläufe geschildert. Der Chef vom Dienst der Zeitung erklärt in einer Stellungnahme, dass seine Redaktion den Abdruck der Gegendarstellung bislang abgelehnt habe. Dabei gehe es nicht um die angeblichen Schulden des Betroffenen gegenüber der Reinigungsfirma. Dieser Komplex sei in der Berichterstattung stets als strittig dargestellt worden. Vielmehr gehe es um die Frage, ob der Beschwerdeführer seine Stellung als Leitender Polizeidirektor dazu benutzt habe, sich über polizeiliche Quellen Auskunft über Mieter und Dienstleister zu beschaffen. Ferner müsse geklärt werden, ob die Tatsache, dass der Polizeibeamte privaten Umgang mit einem Staatsanwalt pflege, dazu geführt habe, dass ein Ermittlungsverfahren gegen ihn durch eben diesen Staatsanwalt eingestellt worden sei. (2004)

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