Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6738 Entscheidungen

Opfer wird identifizierbar

Falsche Tatsachendarstellung in der Überschrift

KI-generierte Texte mit echt klingendem Verfassernamen und Porträtbild versehen

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online Artikel, die mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) erstellt wurden, und gibt als Autorin jeweils eine „Klara Indernach“ an. Zusätzlich tragen die Beiträge das Autorenkürzel „KI“. Unterhalb der Texte steht ein Hinweis darauf, dass der Artikel mit Unterstützung von KI erstellt wurde. Hyperlinks führen zu einer Seite, auf der die Verwendung von Name und Kürzel bei KI-unterstützten Texten erklärt wird. Diese Seite enthält auch das Profilbild einer jungen Frau, die „Klara Indernach“ darstellen soll. Weiter heißt es dort unter der Dachzeile „Zur Person“: „Klara Indernach ist der Name für Texte, die wir mit Hilfe Künstlicher Intelligenz erstellen. Wenn Artikel zu einem großen Teil mit Hilfe von KI generiert wurden, markieren wir sie entsprechend. Vor Veröffentlichung werden sie von der Redaktion bearbeitet und geprüft.“ Nachträglich wurde noch folgender Hinweis angefügt: „Das Profilfoto wurde mit Hilfe von Midjourney erstellt.“ (Midjourney ist eine KI zum Erstellen von Bildern.) Der Beschwerdeführer wirft der Redaktion vor, sie habe das Foto erst dann als KI-Bild gekennzeichnet, als eine österreichische Tageszeitung in einer Glosse kritisiert hatte, dass die Boulevardzeitung ihre mit KI erstellten Texte mit einem echt klingenden Namen samt Foto ausstatte. Ein Transparenz- oder Korrekturhinweis fehle. Der Beschwerdeführer fordert außerdem eine Prüfung, ob KI-unterstützte Beiträge unter dem Autorennamen „Klara Indernach“ presseethisch zulässig sind. Die Zeitung widerspricht: Bereits knapp zwei Monate vor Erscheinen der österreichischen Glosse habe die Redaktion den Hinweis auf Midjourney hinzugefügt.

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Schwerer Verstoß gegen den Opferschutz

Nach der 8. Stunde erstach Sinan (17) seine Lehrerin“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung online sowie einen Tag später in der gedruckten Ausgabe über die Tötung einer Lehrerin an einer Berufsschule durch einen Schüler. Der kam der Zeitung zufolge nach der achten Stunde mit einem Messer in die Schule zurück und suchte gezielt nach der Lehrerin. Er fand die Mutter zweier erwachsener Kinder in einem Klassenzimmer und stach – so die Redaktion – mehrfach auf sie ein. Die Veröffentlichungen enthalten jeweils ein Foto der Lehrerin. Sie wird dabei identifizierbar gezeigt. Die Berichterstattung enthält auch ein Foto des mutmaßlichen Täters, auf dem dieser eine Maske trägt. Sie zieht drei Beschwerden nach sich. Zwei Beschwerdeführer kritisieren die Nennung des Vornamens, des abgekürzten Nachnamens und des Alters in Verbindung mit der identifizierbaren Abbildung der Lehrerin. Dies verstoße gegen den Schutz der Persönlichkeit nach Ziffer 8 in Verbindung mit Richtlinie 8.2 des Pressekodex. Für das Verständnis des Tathergangs sei das Wissen um die Identität des Opfers unerheblich. Weder habe eine Zustimmung für die Veröffentlichung von Name und Foto vorgelegen noch handele es sich bei der Getöteten um eine Person des öffentlichen Lebens. Der Beschwerdeführer teilt zudem mit, dass das Foto ohne Genehmigung der Internetseite der Schule entnommen worden sei.

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Passanten filmen brutale Szenen

13-Jährige treten 14-Jährige auf Bahnsteig krankenhausreif“ - so überschreibt ein Nachrichtenmagazin online einen Bericht. In diesem geht es um Szenen von großer Brutalität, die – so die Redaktion – ein Video im Internet zeige. Auch als es wehrlos am Boden gelegen habe, hätten die Mädchen immer wieder gegen den Kopf und in den Bauch des Opfers getreten. Die rohe Gewalt sei aber nicht das einzig Verstörende. Denn anstatt einzuschreiten, hätten Umstehende das Geschehen auch noch gefilmt. In den Beitrag ist ein Video eingefügt, in dem ein Redakteur das Geschehen kommentiert und ein kurzer Ausschnitt aus einem von Passanten gefilmten Handy-Video zu sehen ist. Das Video ist stark verwackelt und von schlechter Bildqualität. Die Gesichter oder sonstige besondere Merkmale des Opfers und seiner Angreiferinnen sind nicht zu sehen. Die Redaktion zeigt am Ende des Videos zwei Standbilder der Szene. Der Beschwerdeführer sieht durch die Berichterstattung mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Im Beitrag würden Szenen veröffentlicht, die eine wehrlose, möglicherweise bewusstlose Minderjährige zeigten. Sie sei durch die Täterinnen schwer verletzt worden. Der Vorgang sei von Umstehenden aufgenommen worden, die nicht eingegriffen hätten. Es handele sich dabei vermutlich um Mittäter, zumindest aber Gaffer. Der Chefredakteur des Magazins teilt mit, der Fall habe bundesweit Schlagzeilen gemacht, nachdem ein Video des Vorgangs verbreitet worden sei. Die Redaktion sei sich ihrer besonderen Verantwortung in derartigen Fällen durchaus bewusst. Der Chefredakteur betont, dass weder Täterinnen noch deren Opfer auch nur ansatzweise zu identifizieren seien.

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Mutmaßlichen Täter zehnmal „Killer“ genannt“

In einer Boulevardzeitung erscheinen im Verlauf von drei Monaten zwölf Artikel gedruckt und online mit Berichten über einen Mann, der von der Polizei gesucht wird. Mehrfach wird dieser in den Überschriften und im Text als „Killer“ bezeichnet. Die Beiträge sind unter anderem mit Bildern des Opfers Özgür S. illustriert. Im letzten der zwölf Artikel geht es um die Festnahme des Gesuchten. Der Beschwerdeführer sieht in der Berichterstattung und der regelmäßigen Verwendung des Begriffs „Killer“ eine Verletzung des Kodex-Gebotes der Unschuldsvermutung. Auch fehle das Wort „mutmaßlich“ in der Berichterstattung. Der Beschwerdeführer kritisiert auch einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte). Das Opfer werde genannt und abgebildet, offensichtlich ohne die Einwilligung der Angehörigen. Aus Sicht der auf die Beschwerde antwortenden Rechtsabteilung des Verlages steht die Täterschaft des gesuchten Mannes zweifelsfrei fest. Sie verweist auf ein Überwachungsvideo, das den Mann bei seiner Tat filmisch festgehalten hat. Der behauptete Verstoß gegen den Opferschutz liege ebenfalls nicht vor. Entgegen den „Spekulationen“ des Beschwerdeführers habe die Redaktion sehr wohl eine Einwilligung der Angehörigen des Opfers für die Fotoveröffentlichung eingeholt und zwar bei einem Cousin des Getöteten.

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Mutmaßlicher Täter identifizierbar dargestellt

Eine Boulevardzeitung berichtet online und gedruckt über Tötungsdelikte. Zwei Männer sollen ihre Ex-Frauen bzw. Partnerinnen umgebracht haben. Die Redaktion stellt zu ihren Berichten Fotos, die die Wohnhäuser der Opfer zeigen. Sie nennt auch die jeweiligen Straßennamen. Eines der Opfer und ein Tatverdächtiger werden im Bild gezeigt. Ein Foto habe die Polizei zur Verfügung gestellt. Das Bild des Verdächtigen ist mit einem Augenbalken versehen. Der Verdächtige sei über 48 Stunden lang auf der Flucht gewesen und inzwischen festgenommen worden. Der Beschwerdeführer kritisiert, dass die Zeitung nicht zwischen Verdacht und erwiesener Unschuld unterscheide. Der mutmaßliche Täter werde mehrfach als „Killer“ etikettiert. Die Beschwerde wird erweitert auf die Ziffer 8 im Hinblick auf die identifizierende Darstellung von Opfern und mutmaßlichen Tätern.

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Werbung im redaktionellen Teil der Zeitung

Eine regionale Boulevardzeitung veröffentlicht einen Artikel unter der Überschrift „Millionenkracher 2022 zurück“. Im Beitrag geht es um eine Aktion eines regionalen Lotto-Anbieters. Die Lotterie wird ausführlich vorgestellt. Im Artikel sind mehrere Anzeigen der Firma sowie drei gekennzeichnete Affiliate-Links enthalten. Der Beschwerdeführer sieht in dem Beitrag einen Fall von Schleichwerbung. Der Inhalt der Veröffentlichung sowie die verwendeten Formulierungen sind nach seiner Meinung nicht vom öffentlichen Interesse gedeckt. Der Redaktionsleiter sieht in dem Beitrag keine Verletzung des Pressekodex. Es sei nicht beabsichtigt gewesen, den Artikel auf der Panorama-Seite zu veröffentlichen. Er hätte unter der Rubrik „Shoppingwelt“ erscheinen sollen. Ein bedauerliches Versehen habe zu dem Fehler geführt. Durch den Begriff „Shoppingwelt“ werde bei den Nutzern die Erwartungshaltung geweckt, dass sie an dieser Stelle über kommerzielle Themen, neue Produkte und Angebote informiert würden. Hinzu komme, dass bereits am Anfang des Beitrages darauf hingewiesen werde, dass er Produktempfehlungen enthalte und der Verlag beim Kauf über die Affiliate-Links eine Provision erhalte, die den unabhängigen Journalismus unterstütze. Damit werde zum Ausdruck gebracht, dass die Veröffentlichung von dem Interesse geleitet sei, ein möglichst attraktives Angebot vorzustellen. Der Redaktion bzw. dem Verlag werde damit eine zusätzliche Einnahmequelle eröffnet, um unabhängigen Journalismus zu fördern. Der klare Hinweis auf eine in dem beschriebenen Sinne interessengeleitete Veröffentlichung lasse daher keinen Raum für die Befürchtung, die Leserschaft könne durch Schleichwerbung subtil beeinflusst werden.

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Vorwürfe als Tatsachen dargestellt

„NBA-Profi (19) zog sich mehrfach vor Psychologin aus!“ – so überschreibt eine Boulevardzeitung online einen Artikel, in dem sich die Redaktion mit den Vorwürfen der ehemaligen Team-Psychologin des Profi-Basketball-Teams San Antonio Spurs befasst. Ihr zufolge habe sich ein ehemaliger Spieler des Teams neunmal im Verlauf von Gesprächen mit ihr entblößt. Die Zeitung teilt mit, dass die Angelegenheit nunmehr juristische Konsequenzen habe. Der Beschwerdeführer kritisiert die Überschrift des Beitrags. Sie sei vorverurteilend und stelle Vorwürfe als Tatsachen dar. Die Rechtsabteilung des Verlages verweist auf die ständige Spruchpraxis des Presserats hin, der zufolge Überschriften bei Sachverhaltskürzungen und -pointierungen bzw. -zuspitzungen unbeanstandet bleiben, wenn aus dem Kontext des Artikels hervorgehe, dass der jeweils Betroffene noch nicht verurteilt sei, also weiterhin die Unschuldsvermutung gelte. Das sei hier der Fall.

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VW-Aufsichtsrätin als „Auto-Hasserin“ bezeichnet

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht gedruckt und online Beiträge unter den Überschriften „Grüne Autohasserin (36) kontrolliert jetzt VW“ bzw. „Auto-Hasserin kam mit dem Auto“. In den Artikeln geht es um Julia Willie Hamburg, die neue stellvertretende Ministerpräsidentin von Niedersachsen und ihre Position als Mitglied des Aufsichtsrats von VW. Mehrere Beschwerdeführer sehen in den Beiträgen eine überzogene und unsachliche Berichterstattung. Diese sei geeignet, das gesellschaftliche Klima zu vergiften. Mit falschen Tatsachenbehauptungen solle Frau Hamburg in Misskredit gebracht werden. Die Rechtsabteilung des Verlages weist darauf hin, dass die neue VW-Aufsichtsrätin als Mitglied der „Grünen“ einer Partei angehöre, deren umwelt- und verkehrspolitische Positionen mit „auto-kritisch“ noch zurückhaltend beschrieben sein dürften. Eine dem Automobil als Fortbewegungsmittel kritisch gegenüberstehende Politikerin pointiert als „Autohasserin“ zu bezeichnen, sei eine presseethisch nicht zu beanstandende Meinungsäußerung. Julia Willie Hamburgs politisches Wirken und ihr öffentliches Auftreten böten hinreichende Anhaltspunkte für die Bewertung ihrer Person als „Auto-Hasserin“.

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