Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
6644 Entscheidungen

„Pächter ignoriert Verbot von Stadt“ ist keine Ehrverletzung

Eine Tageszeitung berichtet über einen Rechtsstreit zwischen einer Stadtverwaltung und dem Pächter eines Geschäfts. Er habe in seinem Laden Ausstellungen und Kulturveranstaltungen stattfinden lassen. Da hier aber nur der Betrieb eines Geschäfts und einer Werkstatt erlaubt sei, habe die Stadt die weitere Nutzung untersagt. Vor dem Amtsgericht sei der Rechtsstreit schließlich beigelegt worden. Daraufhin habe der Pächter eine Re-Opening-Party mit Kunstwerken angekündigt. Im Gespräch mit der Zeitung habe er mitgeteilt, es handele sich um keine Ausstellung, sondern um einen Pop-Up-Store. Kurz vor der Feier habe die Stadt die Party und die Nutzung der Fläche für Ausstellungen untersagt - wegen fehlender Rettungswege. Der Pächter habe die Wiedereröffnung trotzdem gefeiert. Seine Begründung: Als Ladeninhaber dürfe er zum Tag der Eröffnung Kunden einladen. Ein Unterschied zwischen dem früheren und jetzigen Geschäft sei, dass früher die Künstler selbst ihre Werke verkauft und er nur den Ort dafür angeboten habe. Jetzt nehme er Provision. Auf Nachfrage der Zeitung erklärte die Stadt, dass eine reine Geschäftseröffnung nicht angezeigt werden müsse. In der Online-Fassung trägt der Bericht die Überschrift „Streit um Ladengeschäft geht weiter: Pächter ignoriert Verbot von Stadt". Der im Beitrag namentlich genannte Pächter beschwert sich darüber, dass die Überschrift den Eindruck erwecke, er verhalte sich gesetzeswidrig. Der genauere Zusammenhang sei erst hinter einer Paywall zu lesen gewesen. Die Behauptung, er habe ein Verbot der Stadt ignoriert, sei unwahr. Dies sei auch eine schwere Beschädigung seiner persönlichen Integrität, vor allem vor dem Hintergrund, dass er auch als selbständiger Berater und Autor tätig sei und ein tadelloser Ruf von entscheidender Bedeutung sei. Wahr sei vielmehr, dass er Recht und Ordnung stets in vollem Umfang achte. Nie seien gegen ihn Buß- oder Zwangsgelder verhängt worden, auch nicht nach der Re-Opening-Party. Der Chefredakteur kann die Beschwerde nicht nachvollziehen.

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Urteilsbegründung ins Gegenteil verkehrt

Eine Boulevardzeitung schreibt über ein Landgerichtsurteil gegen ein Nachrichtenportal, das über die Direktorin des NDR-Funkhauses Hamburg berichtet hatte. Das Urteil stelle klar, dass das Portal mehrere Aussagen nicht mehr verbreiten dürfe, mit denen die Funkhauschefin schwer belastet worden sei und die dazu geführt hätten, dass sie ihr Amt räumte. Das Portal habe geschrieben: „System R[…]: Wie Ehemann und Töchter der Hamburger Funkhaus-Direktorin vom NDR profitieren“. Laut Urteil könne das Medium keine Beweise für diesen ehrbeeinträchtigenden Vorwurf der Vetternwirtschaft erbringen, wodurch es sich eher um eine Meinungsäußerung handele als um einen objektiven Tatbestand. Der Beschwerdeführer sieht die Sorgfaltspflicht verletzt: Das Gericht habe in den beanstandeten Formulierungen gerade keine Meinungsäußerungen gesehen, sondern Tatsachenbehauptungen, die nicht glaubhaft gemacht worden seien und deshalb von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt seien. Die Zeitung verweist in ihrer Stellungnahme darauf, dass der beanstandete Artikel kurze Zeit nach der Veröffentlichung aufgrund inhaltlicher Schwächen offline genommen worden sei.

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In Bericht über „Cancel Culture“ fehlte Stellungnahme der betroffenen Trans-Kritikerin

„Uni wehrt sich gegen Cancel-Vorwurf“: Unter dieser Online-Überschrift berichtet eine überregionale Tageszeitung über einen Streit um eine Lüneburger Juniorprofessorin. Trans-Aktivisten hatten die Entlassung der Wirtschaftsjuristin gefordert, weil sie sich transfeindlich geäußert habe. Eine andere Tageszeitung hatte daraufhin von einer „Treibjagd“ gesprochen und der Universität Lüneburg vorgeworfen, sie habe bei dieser „Rufmordkampagne“ tatenlos zugeschaut. Die Hochschulleitung wiederum weist diese Vorwürfe zurück und wird in dem beanstandeten Artikel ausführlich zitiert. Gegen Ende des Berichts heißt es dann: Was die Professorin darüber denke, bleibe offen, denn es sei der Zeitung „nicht möglich“ gewesen, „mit ihr in Kontakt zu treten.“ Das sei falsch, beschwert sich die betroffene Wissenschaftlerin. Ihre dienstliche und ihre private E-Mail-Adresse seien weit verbreitet. Andere Journalisten hätten keine Probleme gehabt, sie zu kontaktieren. Weil dies hier nicht geschehen sei, habe sie keine Möglichkeit gehabt, ihre Seite der Geschichte darzustellen. So würden ihre Ehre und ihr Ruf angegriffen und sowohl die Sorgfaltspflicht als auch die Wahrhaftigkeitspflicht verletzt. Die Autorin des Artikels entgegnet, sie habe durchaus versucht, die Professorin zu kontaktieren. Doch sei dies tagesaktuell nicht gelungen.

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Verdacht auf Vetternwirtschaft nicht ausreichend belegt

Unter der Überschrift „`System R[...]´: Wie Ehemann und Töchter der Hamburger Funkhaus-Chefin vom NDR profitierten" berichtet ein Nachrichtenportal über Vorwürfe gegen die damalige Direktorin des Funkhauses Hamburg. Die Redaktion schreibt u. a. über die jüngere Tochter von Direktorin R.: „Sie hatte das Glück, bei NDR Kultur vor einigen Jahren eine der besonders begehrten und seltenen festen Stellen zu ergattern. Mehrere NDR-Mitarbeiter berichten übereinstimmend, dass es damals auf die vakante Stelle allerdings eine qualifiziertere Bewerberin gab. Die damalige Programmchefin von NDR-Kultur, B[...] M[...], gilt intern als sehr gut vernetzt mit R[...]. Während die Tochter der Funkhaus-Chefin die feste Stelle bei M[...] bekam, schob man [die] andere Bewerberin zum Radiosender NDR 90,3. Aus der Redaktion sagen Mitarbeiter heute: Die Chefinnen hätten Rochade gespielt, um die R[...]-Tochter unterzubringen. Eine NDR-Sprecherin weist das zurück: Demnach seien R[...] und M[...] keine ‚engen Vertrauten‘. Eine Rochade hätten die beiden Frauen in diesem Fall auch nicht gespielt. Bei der Entscheidung über die Vergabe von Stellen an Bewerberinnen würden im NDR der Personalrat oder die Schwerbehindertenvertretung beteiligt. Die Stellen würden an die oder denjenigen gehen, der am besten dafür geeignet sei, sagt die Sprecherin. Dies sei auch der Fall bei der Tochter gewesen. Zufall oder nicht, R[...] hat sich im selben Zeitraum für den Nachwuchs von M[...] beim NDR eingesetzt. Die Tochter der Kulturchefin leitet eine Hamburger Produktionsfirma, die für den NDR damals eine Serie über ‚Hunde in Hamburg‘ gedreht und produziert hat. NDR-Mitarbeiter berichten, dass R[...] die Serie persönlich bei der Tochter von M[...] in Auftrag gegeben haben soll.“ Der Beschwerdeführer sieht die Sorgfaltspflicht und die Unschuldsvermutung verletzt. Dass die beiden Chefinnen Rochade gespielt hätten, um die Tochter der Direktorin bei NDR Kultur unterzubringen, sei eine unzulässige Verdachtsäußerung. Der Direktorin würden unlautere Methoden bzw. Vetternwirtschaft nachgesagt, was sich gerade angesichts der aktuellen Debatte über problematische Verhaltensweisen in öffentlich-rechtlichen Sendern als bestandsgefährdend darstellen könne. Es fehle bereits an dem erforderlichen Mindestbestand an Tatsachen. R. habe wegen der Einstellung ihrer Tochter in keinem konkreten Kontakt mit M. gestanden und keinen Einfluss auf das Einstellungsverfahren ausgeübt. Das Nachrichtenportal habe für diesen Verdacht keine Beweise vorgetragen. Der Autor des Beitrags erwidert, dass es sich bei dem bemängelten Satz über die Rochade um eine Meinungsäußerung von NDR-Mitarbeitern handele, die sich die Redaktion wahrlich nicht zu eigen gemacht habe.

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Tatvorwürfe im Indikativ und Foto nicht genügend anonymisiert

Unter der Überschrift „Tödliche Obsession: Stach Hotel-Killer zu, weil er seine `Pretty Woman´ nicht haben konnte?" veröffentlicht ein Boulevard-Onlineportal einen Bericht über einen Freier, der ein Callgirl getötet haben soll. Geschildert wird, dass sich der Freier in die Frau verliebt habe. Der Beitrag enthält ein Selfie-Foto der beiden. Das Opfer wurde von der Redaktion verpixelt, der Tatverdächtige mit einem Augenbalken versehen. Zu der Tat heißt es: „Und dennoch kam das Callgirl in jener verhängnisvollen Montagnacht auf das Zimmer, das Danny M. im Hotel "Adler" angemietet hatte. Ob sich der tödliche Streit daran entspann, dass er diesmal nicht für ihre Hingebung bezahlen wollte, oder sie ihm klarmachte, dass sie niemals seine ‚Pretty Woman‘ werden würde, ist den Mordermittlern noch nicht klar.“ Im Rahmen der Ermittlungen werde der „mutmaßliche Callgirl-Killer“ auch psychiatrisch begutachtet. Der Beschwerdeführer sieht in dem Artikel Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht, den Persönlichkeitsschutz und die Unschuldsvermutung. Er kritisiert, dass der Bericht weitgehend im Indikativ verfasst sei. Bei den meisten Tatsachenbehauptungen im Indikativ sei die Quellenlage nicht nachvollziehbar. Der Bericht unterscheide ungenügend zwischen Verdacht und erwiesener Schuld. Bis zu einer Verurteilung habe M. als unschuldig zu gelten. Das Onlineportal bestreitet die Vorwürfe.

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Fotos von Gehenkten im Iran dürfen gezeigt werden

Eine Boulevardzeitung berichtet über die Unterdrückung des iranischen Volkes durch das Regime. Zum Beitrag gehören verschiedene Bilder, darunter auch Fotos von gehenkten Menschen an Kranauslegern mit der Bildunterschrift: „Wie im Mittelalter: Öffentliche Hinrichtungen gehören zur barbarischen Realität im iranischen Justizsystem.“ Gezeigt werden außerdem Porträtfotos von getöteten Frauen unter der Zwischenüberschrift „Sie ließen ihr Leben: die mutigen Mädchen im Iran“. Der Beschwerdeführer kritisiert einen Verstoß gegen den Opferschutz. Die Hingerichteten an den Kränen seien gut erkennbar. Er bittet zudem zu prüfen, ob für die Abbildung der Porträtfotos ein Einverständnis vorliegt. Die Zeitung entgegnet, dass sie natürlich keine Zustimmung der Getöteten selbst vorlegen könne und auch von Angehörigen keine Einwilligung habe einholen können.

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„Machtgerangel“ in einem Fußballverein

Eine Regionalzeitung berichtet online und gedruckt unter der Überschrift „Eintracht-Präsident Bratmann: Ich trete nicht mehr an“ über die nicht erfolgte Wiederwahl des Präsidenten von Fußball-Drittligist Eintracht Braunschweig. Ein Leser der Zeitung kritisiert den Beitrag. Dieser strotze von Unterstellungen, die nicht belegt würden. Die journalistische Sorgfaltspflicht werde missachtet. Insgesamt handele es sich um eine tendenziöse Berichterstattung, in der die Autoren Gerüchte und Mutmaßungen ohne Nennung von Quellen äußerten. Die Rechtsabteilung des Verlages widerspricht dem Beschwerdeführer. Der Verein Eintracht Braunschweig befinde sich wegen sportlicher Misserfolge und angespannter Finanzen in einer schwierigen Situation. Die Konflikte innerhalb des Vereins hätten zu einem Machtgerangel geführt. Die Autoren des Beitrags – so die Rechtsvertretung weiter – hätten an der Hauptversammlung der Eintracht teilgenommen. Sie hätten deren Verlauf und ihre dabei gewonnenen Eindrücke geschildert. Der Artikel sei Teil einer ganzen Reihe von Berichten zu den jüngsten Entwicklungen im Verein. Die Standpunkte aller Beteiligten seien von den Autoren dargelegt worden. Ein Verstoß gegen journalistische Wahrheits- und Sorgfaltspflichten sei ebenso wenig ersichtlich wie ein unzulässiger Eingriff in den Schutz der Persönlichkeit oder in die Ehre der Beteiligten. Die Redaktion habe ausgiebig recherchiert. So sei sie in der Lage gewesen s, sich ein ausgewogenes und umfassendes Bild von den geschilderten Vorfällen zu machen.

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Zeitung spricht von „Polizisten-Killer“

An zwei aufeinanderfolgenden Tagen berichtet eine Boulevardzeitung online über die Festnahme von zwei Tatverdächtigen im Fall eines Tötungsdeliktes an zwei Polizeibeamten. Ein Verdächtiger wird im Bild gezeigt. In der Überschrift ist von einem „Polizistenmörder“ die Rede. Im Text heißt es zu Beginn: „Hier wird einer der Polizisten-Killer abgeführt!“. Auch in einer Kolumne zu dem Fall nennt die Redaktion einen der Verdächtigen „Killer“. Insgesamt acht Leserinnen und Leser der Zeitung wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Sie sehen Verstöße gegen die Persönlichkeitsrechte des Abgebildeten, eine Vorverurteilung und einen Verstoß gegen das Gebot zur Unschuldsvermutung bei Verdächtigen. Der Verlag lässt eine Anwältin auf die Beschwerden antworten. Diese beruft sich auf Ziffer 8, Richtlinie 8.1, des Pressekodex. Darin ist festgehalten, dass an schweren Straftaten ein begründetes Interesse der Öffentlichkeit bestehe. Es sei Aufgabe der Presse, die Öffentlichkeit darüber zu unterrichten. Nach Absatz 2 der Richtlinie kann die Presse Fotos, durch die Verdächtige oder Täter identifizierbar werden könnten, dann veröffentlichen, wenn das öffentliche Interesse die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen überwiege. Im vorliegenden Fall gehe es – so die Anwältin weiter – um eine außergewöhnlich schwere und in ihrer Art und Dimension besondere Straftat. Dass gleich zwei Polizisten bei einer Routine-Verkehrskontrolle erschossen würden, passiere in Deutschland äußerst selten. Darüber hinaus habe die Tat in aller Öffentlichkeit stattgefunden. Was die persönlichkeitsrelevanten Informationen über den im Bild gezeigten mutmaßlichen Täter betreffe, sei die Berichterstattung nicht über das hinausgegangen, was von den Behörden im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsfahndung zur Verfügung gestellt worden sei. Im Übrigen habe die Redaktion innerhalb von 50 Minuten das Gesicht des im Bild gezeigten Mannes mit einem anonymisierenden Balken versehen. Die Art der Berichterstattung mache dem durchschnittlich verständigen Leser klar, dass noch lange keine rechtskräftige Verurteilung des Verdächtigen vorliege. Es sei im Text immer von Verdächtigen die Rede. Nach alledem könne von einem Verstoß gegen die Presseethik nicht die Rede sein.

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Vorwurf: Berichterstattung pietätlos

Eine Boulevardzeitung berichtet online über einen Verkehrsunfall, bei dem eine Frau ums Leben gekommen ist. Die Redaktion zeigt Fotos der Frau, des Unfallorts und des Unfallwagens. Ein SUV-Fahrer habe die Frau, sowie deren Sohn und Enkel bei einem Spaziergang erfasst. Für die Frau sei jede Hilfe zu spät gekommen. Sohn und Enkel seien verletzt in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Ein Angehöriger der Familie ist in diesem Fall der Beschwerdeführer. Er bezeichnet die Berichterstattung wegen der Nennung der Namen und des Fotos der Verstorbenen als reißerisch und pietätlos. Das Foto sei offensichtlich ohne Autorisierung einer Website entnommen worden. Ein Nachbar der Familie berichtet, ein Mann habe das Grundstück der Verstorbenen fotografiert, ohne sich als Pressevertreter vorzustellen. Die Justiziarin des Verlages teilt mit, der zuständige Redakteur habe vor Ort recherchiert, mit Nachbarn gesprochen und sich als Mitarbeiter der Zeitung ausgewiesen. Den Vorwurf des Beschwerdeführers im Hinblick auf das Foto der Toten weist die Justiziarin zurück. Sie weist auf das „anerkennenswerte Berichterstattungsinteresse“ im Sinne des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichts hin. An dieser berufsethischen Grundüberzeugung halte die Redaktion auch in diesem Fall fest. Ein Verstoß gegen die Presseethik liege nicht vor.

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„Kind zur Auflagensteigerung instrumentalisiert“

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online einen Videoclip, der zeigt, wie ein vollständig verpixelter Mann in der Türkei sein drei Monate altes Baby schlägt. Die Zeitung schreibt, dass das furchtbare Video für großes Entsetzen gesorgt habe. Der Mann sei laut der türkischen Regierung verhaftet worden. Die Aufnahmen stammten – so die Redaktion – von einer versteckten Kamera, die die Mutter des Sohnes im Zimmer installiert habe. Das Video zeigt, wie die Mutter dem Vater das Kind abnimmt. Es ist mit einem Warnhinweis versehen: „Achtung, das Video enthält verstörende Szenen“. Die Prügelszene wird am Ende des Videos wiederholt. Eine Leserin der Zeitung sieht mehrere presseethische Grundsätze (Ziffern 1, 4 und 8) verletzt. Das Video der Misshandlung eines Säuglings widerspreche dem Pressekodex und jeglicher Menschlichkeit, auch wenn es verpixelt und mit einem Warnhinweis versehen sei. Das Video – so die Beschwerdeführerin – diene in keiner Weise der journalistischen Berichterstattung und instrumentalisiere das Kind zur Auflagensteigerung. Der Presserat erweitert die Beschwerde auf die Kodex-Ziffer 11 (Sensationsberichterstattung). Die Justiziarin des Verlages nimmt Stellung zu der Beschwerde. Es handele sich um eine redaktionelle Veröffentlichung über ein zugegebenermaßen tragisches Geschehnis von zeitgeschichtlicher Bedeutung, über das auch andere Medien berichtet hätten. Die Redaktion habe insbesondere den Opferschutz nach Ziffer 8 des Pressekodex beachtet und eine vollständige Verpixelung vorgenommen. Die Justiziarin steht auf dem Standpunkt, dass ein Verstoß gegen den Pressekodex nicht zu erkennen sei.

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