Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6738 Entscheidungen
„Ist der 'coole‘ Pfarrer ein Kinderporno-Gucker?" Unter dieser Schlagzeile berichtet eine Boulevardzeitung online über einen Pfarrer, dessen Wohnung wegen des mutmaßlichen Besitzes von kinder- und jugendpornografischem Material durchsucht wurde. Nach Sichtung eines Teils der ungewöhnlich großen Datenmenge habe sich der Tatverdacht erhärtet, zitiert die Zeitung die Staatsanwaltschaft. Im Internet, so der Bericht weiter, habe der Pfarrer „klare Kante gegen sexuellen Missbrauch vonseiten der Kirche“ gezeigt. Die Redaktion nennt seinen Vornamen, den abgekürzten Nachnamen, die Kirchengemeinde sowie seine Internet-Eigenbezeichnung als „Kirchendude“ und „Influencer für Gott“; ferner zeigt sie Fotos von ihm, bei denen nur die Augenpartie verdeckt ist. - Der Beschwerdeführer sieht dadurch den Persönlichkeitsschutz und die Unschuldsvermutung nach den Ziffern 8 und 13 des Pressekodex verletzt. Mit den Angaben zur Person des Pfarrers und zu seiner Gemeinde lasse sich leicht sein voller Name herausfinden. Dabei sei der Tatvorwurf offensichtlich noch nicht erwiesen. Es handele sich also um eine Verdachtsberichterstattung, bei der die Anonymisierung besonders wichtig sei. Der Presserat erweitert die Beschwerde noch um eine mögliche Verletzung von Kodex-Ziffer 2 (Sorgfaltspflicht), weil die Redaktion dem Betroffenen offenbar keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe. - Die Zeitung entgegnet: „Gerichtsberichterstattung läuft so ab, dass die Angeklagten gepixelt werden und der Name abgekürzt wird“. Beides sei im Artikel geschehen. Der Tatvorwurf sei besonders schwer, und der Pfarrer sei einen Tag nach der Durchsuchung auf eigenen Wunsch vom Dienst suspendiert worden. Zudem habe er mit seinen Internetaktivitäten selbst die Öffentlichkeit gesucht und sei dadurch bekannt geworden. Ob die Redaktion dem Beschuldigten die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe, sei unklar: „Es kann sein, dass wir damals versucht haben, telefonisch zu ihm Kontakt aufzunehmen, es aber nicht gelang. In jedem Fall haben wir ordentlich beim Bistum angefragt.“ - Wegen der fehlenden bzw. nicht ausreichenden Gelegenheit zur persönlichen Stellungnahme spricht der Beschwerdeausschuss einstimmig eine öffentliche Rüge aus. Es handelt sich hier um einen schweren Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht nach Kodex-Ziffer 2. Bei Kinderpornografie kann schon der bloße Verdacht zu einer sozialen Ächtung des Betroffenen führen. Zudem war der Pfarrer identifizierbar. Deshalb hätte die Redaktion ihn nachhaltig mit den Verdächtigungen konfrontieren und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Der bloße Versuch einer telefonischen Kontaktaufnahme - falls sie überhaupt stattgefunden hat - reichte dafür nicht aus, auch nicht die Anfrage an das Bistum. Denn bei einer Verdachtsberichterstattung über Straftaten muss der Betroffene selbst mit den Vorwürfen konfrontiert werden. Der Weg über den Arbeitgeber ist nur dann ausreichend, wenn der Betroffene nicht anders erreicht werden kann und die Anfrage deshalb über den Arbeitgeber an den Betroffenen gerichtet werden muss. Einen Verstoß gegen den Persönlichkeitsschutz nach Ziffer 8 sieht der Beschwerdeausschuss aber nicht. Denn wegen der Schwere des Tatvorwurfs, der hohen Intensität des Verdachts, des früheren öffentlichkeitswirksamen Auftretens als Influencer und des bestehenden Widerspruchs der vorgeworfenen Taten zu seiner Funktion als Pfarrer überwiegt hier das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen. Auch gegen die Unschuldsvermutung nach Ziffer 13 hat die Redaktion nicht verstoßen: Sie hat die presseethisch zulässige Form der Verdachtsberichterstattung gewahrt.
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Eine Lokalzeitung berichtet online über einen Facharzt für Innere Medizin, Geriatrie und komplementäre Medizin, der bereits über 200 Patienten mit mutmaßlichen Covid-Impfschäden behandelt habe. Bei ihm hätten die Post-Vac-Syndrome mittlerweile die Zahl der Post-Covid-Patienten überholt, schreibt die Zeitung. Der Internist beschreibt detailliert die Symptome seiner Patienten. Er behandele sie schul- und komplementärmedizinisch. Auf seiner Internetseite könne sich jeder einen Post-Vac-Leitfaden herunterladen, „den wir für Therapeuten sämtlicher Art – Ärzte, Naturheilkundler, Heilpraktiker etc. – verfasst haben und regelmäßig updaten“. - Der Beschwerdeführer kritisiert vor allem den erwähnten Leitfaden. Darin stünden zahlreiche längst widerlegte Behauptungen, zum Beispiel eine angebliche „Magnetisierung“ durch Nanopartikel in den Impfstoffen. Ferner werde eine Reihe von Verfahren zur Therapie und zur Prophylaxe empfohlen. Für einige davon gebe es keine empirischen Beweise für die Wirksamkeit; bei einigen anderen seien die angeblichen Wirkungen empirisch widerlegt worden; andere wiederum seien sogar explizit gesundheitsschädlich, etwa die Einnahme von Chlorbleiche. Die Zeitung verletze ihre Sorgfaltspflicht, indem sie sämtliche Behauptungen des Arztes unwidersprochen und offenbar ungeprüft wiedergebe. - Der Chefredakteur weist die Vorwürfe zurück. Eine Prüfung sämtlicher Äußerungen eines Interviewpartners sei bei tagesaktueller Berichterstattung weder zu leisten, noch wäre sie presseethisch geboten oder würde sie vom Leser erwartet. Die Erstellung jedes einzelnen Artikels würde dann Tage dauern und Unmengen spezifischen Fachwissens erfordern. Selbstverständlich müsse die Redaktion vor jeder Veröffentlichung prüfen, ob es Anhaltspunkte für mangelnde Glaubwürdigkeit oder nicht ausreichende Qualifikation eines Gesprächspartners gebe. Dies sei hier auch geschehen. Es hätten jedoch keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der approbierte und praktizierende Arzt für eine öffentliche Wortmeldung ungeeignet sei, bloß weil er eine Mindermeinung vertrete, mit der der Beschwerdeführer offensichtlich ein Problem habe. Dass der Internist auf den Leitfaden hinweise und dass dem Leser auch eine Downloadmöglichkeit mitgeteilt werde, entspreche der üblichen Praxis der Redaktion. Im Übrigen sei der Bericht eingebettet in eine Vielzahl weiterer Artikel über Corona, in denen zahlreiche Akteure ihre Standpunkte dargelegt hätten. Die Presse habe gerade die Aufgabe, die Standpunkte unterschiedlicher Akteure darzustellen und die öffentliche Debatte über den richtigen Weg zu moderieren. Dies müsse und könne nicht zwingend in einem einzelnen Artikel geschehen. Man könne nicht einfach einen Einzelbericht herausgreifen und verlangen, dass er den Streitstand allumfassend und bis ins kleinste Detail darstelle. -
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„Suizid wegen geplanter Zwangsheirat?“: Unter dieser Überschrift berichtet eine Lokalzeitung ausführlich über die Selbsttötung einer Jugendlichen auf einer Bahnstrecke. Zum Motiv schreibt die Redaktion, die 16-Jährige sollte „angeblich mit dem 52-jährigen Cousin ihres Vaters zwangsverheiratet werden, heißt es aus dem Umfeld“. Vor ihrem Tod habe sie angeblich eine Abschiedsnachricht verschickt. „Darin schreibt sie nach Informationen unserer Redaktion davon, dass sie enttäuscht sei, keine Unterstützung bekomme und keinen anderen Ausweg mehr wisse.“ Außerdem schildert die Zeitung die Auswirkungen der stundenlangen Streckensperrung auf die betroffenen Bahnreisenden. - Die Beschwerdeführerin wirft der Redaktion vor, sie wolle offensichtlich Stimmung gegen Menschen mit arabischem Migrationshintergrund machen. Sie verwende verleumderische, rassistische Unterstellungen und Spekulationen, die nicht ansatzweise belegt seien. Eine gründliche Recherche hätte ergeben, dass die angeblich 16-Jährige 17 Jahre alt gewesen sei, dass es keinen 52-jährigen Cousin ihres Vaters gebe und es keine Abschiedsnachricht gegeben habe. Trotz einer persönlichen Intervention der Familienangehörigen sei der gleiche Artikel vier Tage später (mit korrigierter Altersangabe) auch online erschienen. Die ganze Verwandtschaft leide unter dieser Rufschädigung. Dem Restaurant des einen Familienzweigs seien wegen der Veröffentlichung die Stammgäste ferngeblieben. - Der Chefredakteur weist den Vorwurf „sensationslüsterner, rassistischer Spekulationen“ zurück. Über Suizide berichte die Zeitung, wenn sie große Aufmerksamkeit erlangten bzw. wenn sie Folgen für viele Menschen hätten. In diesem Fall habe ein Zug stundenlang auf offener Strecke gestanden. Die rund 200 Reisenden seien von Einsatzkräften mit Lebensmitteln versorgt und psychologisch betreut worden. Der Fall sei tagelang Gesprächsthema im Ort und auf Social-Media-Kanälen gewesen. Die Redaktion habe keine Öffentlichkeit hergestellt, sondern auf eine öffentliche Diskussion reagiert - nach reiflicher Überlegung und in dem Wissen, in einem Dilemma zwischen öffentlicher Aufmerksamkeit und presseethischen Grenzen zu stehen. In einem Info-Kasten habe sie zudem auf Hilfsangebote bei Suizidgedanken hingewiesen. Die Entscheidung zur Veröffentlichung sei unterstützt worden von der vertrauenswürdigen Informationslage der Lokalredaktion. Die Berichterstattung sei anonymisiert erfolgt, anders als auf Facebook, wo sich auch Familienmitglieder an den Diskussionen beteiligt hätten. Gesprächs- und Veröffentlichungsangebote der Redaktion an die Familie seien unbeantwortet geblieben. - Der Beschwerdeausschuss spricht eine öffentliche Rüge aus, weil die Redaktion ihre Annahmen zum Motiv des Mädchens nicht ausreichend mit verifizierten Quellen belegen kann. Dies ist ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex. Die Informationen hätten vor der Veröffentlichung genauer geprüft werden müssen. Außerdem sind die Gerüchte über die Todesumstände dazu geeignet, die Würde des Opfers nach Ziffer 1 zu verletzen. Zwar durften die Auswirkungen des Suizids auf die vielen Reisenden thematisiert werden. Aber die Redaktion hätte insgesamt zurückhaltender berichten müssen, da die Details über den Suizid und seine Hintergründe nicht belegt waren. Damit verstieß die Zeitung auch gegen Ziffer 8, in deren Richtlinie 8.7 es heißt: „Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung.“
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Eine Fernsehzeitschrift veröffentlicht ein Interview mit dem Deutschlandchef eines internationalen Tabakkonzerns. Darin geht es vor allem um die E-Zigaretten des Unternehmens. Diese „Rauch-Alternative“ solle mehr und mehr Kunden „weg von Glimmstängeln und hin zu einer weniger gesundheitsschädlichen Form des Rauchens bringen“, so der redaktionelle Vorspann.
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„Geheimer Neuanfang in Brandenburg / Angela Merkel: Sie verlässt ihren Mann!“, schreibt eine Boulevardzeitschrift auf ihrem Titelblatt. Im dem Artikel heißt es, dass Merkel nach ihrer Zeit als Bundeskanzlerin einen Neuanfang offenbar ohne ihren Mann geplant habe. Sie habe sich in einem Dorf ein Haus gekauft. Nur ihr Mann Joachim Sauer sei hier nicht zu sehen. „Beginnt sie ein Leben allein?“, fragt die Redaktion. Schon lange werde über eine Krise des Paares getuschelt. Er sei sogar mit einer anderen Frau „erwischt“ worden, in einem Restaurant und dann beim Gang in ein Hotel. - Der Beschwerdeführer kritisiert, dass der Artikel den Eindruck einer Trennung des Ehepaars erwecke. Beide seien weiterhin zusammen. Es gebe auch keinen „geheimen Neuanfang in Brandenburg“, sondern einen Aufenthalt in Brandenburg. Sauer sei nicht mit einer anderen Frau „erwischt“ worden, sondern mit einer Frau im Restaurant und auf dem Weg in ein Hotel gewesen. - Die Redaktion nimmt nicht Stellung. - Der Beschwerdeausschuss spricht einstimmig eine Rüge aus. Die Überschrift führt die Leserschaft grob in die Irre. Im Text werden nur Spekulationen über eine angebliche Trennung angestellt, die nicht mit Fakten unterlegt sind. In dieser Art der Berichterstattung sieht der Ausschuss eine schwerwiegende Verletzung des Wahrhaftigkeitsgebots nach Ziffer 1 des Pressekodex.
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„So schmelzen die Fettpölsterchen“: Unter diesem Titel berichtet eine Illustrierte über einen angeblichen Test dreier Abnehmprodukte. Eines davon sei verblüffend gut gewesen. Dieses Produkt nimmt etwa 75 Prozent des Artikelumfangs ein und wird sehr positiv beschrieben. „Es regt den Stoffwechsel an, beschleunigt so enorm den Fettabbau, reguliert blitzschnell das Gewicht. Und aktiver wird man auch!“ Für Menschen mit Schilddrüsen-Überfunktion seien solche Tropfen zwar nicht zu empfehlen. „Alle anderen jedoch werden sehr zufrieden sein!“ Weiter kommen drei Frauen zu Wort, die das Produkt überaus positiv beschreiben. Illustriert ist der Artikel mit Abbildungen aller Produkte. Zum Testsieger gibt es zusätzlich eine Info-Box mit dem Titel „Gut für die Gesundheit“. Darin heißt es unter anderem: Wer Wert auf gesunde Lebensführung lege, komme an den Tropfen nicht vorbei. „Sie sollten daher auch in keinem Haushalt fehlen. Verlangen Sie in Ihrer Apotheke nach […]-Tropfen.“ - Die Beschwerdeführerin kritisiert, hier werde ein objektiver Test vorgegaukelt. Nur eines von drei Produkten werde in den höchsten Tönen gelobt. Zwei Testerinnen äußerten sich positiv, ansonsten gebe es keine belegbaren Fakten. Zur Krönung gebe es noch einen Kasten für das Wunderprodukt samt „Pharmazentralnummer“ zum Bestellen in der Apotheke. Fies sei bei dieser Art von Schleichwerbung die redaktionelle Anmutung. Auch vermisse sie eine ordentliche Kennzeichnung als Anzeige. - Die Illustrierte gibt zu der Beschwerde keine Stellungnahme ab. - Der Beschwerdeausschuss erteilt einstimmig eine öffentliche Rüge wegen eines schweren Verstoßes gegen das in Ziffer 7 des Pressekodex festgehaltene Gebot zur strikten Trennung von Werbung und Redaktion. Der Beitrag in der Rubrik „Gesundheit“ ist nicht als Anzeige gekennzeichnet und wird insofern von der Leserschaft als redaktioneller Produkttest wahrgenommen. Als solcher darf er die Grenze zur Schleichwerbung nicht überschreiten. Er lässt jedoch eine ausreichende journalistische Distanz zum Testsieger-Produkt gänzlich vermissen. Umfang und Art der Präsentation gehen weit über das Informationsinteresse der Leserschaft hinaus und geraten vielmehr zu einer Anpreisung bis hin zu einer Kaufempfehlung.
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Eine Lokalzeitung berichtet über einen bevorstehenden Strafprozess: Ein Großvater ist angeklagt, mehrfach seine damals elf- bis dreizehnjährige Enkelin sexuell missbraucht zu haben. Dabei schildert die Redaktion die vorgeworfenen Taten im Detail. - Die Rechtsanwältin des Mädchens beschwert sich beim Presserat, dass die Zeitung damit die schutzwürdigen Interessen des Kindes verletzt habe. Dies sei ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in seine Privatsphäre. - Der Chefredakteur räumt ein, dass die Veröffentlichung ein Fehler gewesen sei. Die Details zum Tatvorwurf habe die Redaktion aus einer Pressemitteilung des Landgerichts übernommen. Der Autor des Berichts habe damit verdeutlichen wollen, dass es sich bei den Taten um vollendete Vergewaltigungen und nicht bloß um eine Bagatelle gehandelt habe. Dies wäre aber mit weniger spezifischen Formulierungen ebenfalls möglich gewesen. Nach Eingang der Beschwerde habe die Zeitung sofort die Online-Fassung des Berichts korrigiert. Er selbst, so der Chefredakteur, habe das Mädchen schriftlich um Entschuldigung gebeten und ihm (in Absprache mit der Anwältin) einen Warengutschein als Versuch einer zumindest symbolischen Wiedergutmachung geschickt. Zudem sei der Vorgang redaktionsintern nachbereitet worden. – Der Beschwerdeausschuss hält den Verstoß gegen publizistische Grundsätze für so schwerwiegend, dass er einstimmig eine öffentliche Rüge ausspricht. Die detaillierte Schilderung des Missbrauchs ist eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid und verstößt somit gegen Ziffer 11 des Pressekodex (Sensationsberichterstattung, Jugendschutz). Die Schilderung geht über das öffentliche Informationsinteresse hinaus und greift tief in den intimsten Persönlichkeitsbereich des Opfers ein. Das Mädchen wird in entwürdigender Lage dargestellt und ist zudem für einen weiteren Personenkreis erkennbar. Damit verstößt der Artikel auch gegen den Persönlichkeitsschutz nach Ziffer 8.
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Eine Lokalzeitung veröffentlicht einen halbseitigen Artikel über ein Eigenheim, das von einer Maklerin zum Verkauf angeboten wird. Das Objekt wird ausführlich beschrieben und ebenso wie die Maklerin in Fotos gezeigt. - Der Beschwerdeführer sieht darin Schleichwerbung für die Maklerin und das konkrete Angebot. – Die Zeitung nimmt keine Stellung zu der Beschwerde. - Der Beschwerdeausschuss erkennt eine Verletzung der in Ziffer 7 des Pressekodex festgeschriebenen klaren Trennung von Redaktion und Werbung. Ohne nachvollziehbaren Grund, wie z. B. ein Alleinstellungsmerkmal, wird ein kommerzielles Angebot eines einzelnen Maklerunternehmens vorgestellt. Eine solch ausführliche Berichterstattung ist nicht mehr durch ein begründetes öffentliches Interesse gedeckt und transportiert eindeutig die werblichen Interessen des konkreten Anbieters, ist also Schleichwerbung.
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In einem Online-Bericht über ein Tötungsdelikt nennt eine Boulevardzeitung den Vornamen und abgekürzten Nachnamen des Opfers und veröffentlicht ein zu Lebzeiten aufgenommenes Foto von ihm. – Der Sohn des Getöteten beschwert sich, dass sein Vater unverpixelt gezeigt wurde. – Die Zeitung hält die Beschwerde für unbegründet. Bei dem Foto handele es sich um ein Bild, das ein Freund des Toten an einer Gedenkstelle am Leichenfundort platziert habe. Laut der Opferschutz-Richtlinie aus Ziffer 8 des Pressekodex dürften solche Fotos veröffentlicht werden, „wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben“. Der Freund sei eine solche befugte Person. Zudem habe der Beschwerdeführer bislang offensichtlich nichts gegen die Veröffentlichung des Fotos an der Gedenkstelle einzuwenden; dass er die Veröffentlichung nun ablehne, sei widersprüchlich. Im Übrigen habe die Redaktion seinem Wunsch bereits entsprochen und das Foto längst gelöscht. Die Beschwerde sei daher als unbegründet abzuweisen. Hilfsweise könnte der Presserat die Beschwerde als begründet bewerten, aber auf eine Maßnahme gegen die Zeitung verzichten. - Der Beschwerdeausschuss sieht in der Veröffentlichung des Opferfotos einen schweren Verstoß gegen Ziffer 8 und spricht einstimmig eine Rüge aus. Vor der Veröffentlichung hätte die Redaktion Angehörige um Einwilligung bitten müssen. Ein Freund gilt nicht als „sonstige befugte Person“. Gemäß der bisherigen Spruchpraxis des Presserats ist auch das Aufstellen eines Fotos an einer Gedenkstelle nicht gleichzusetzen mit der Einwilligung zur Veröffentlichung in einem Medium.
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Eine Lokalzeitung berichtet über die Mitteilung eines Sportkreisverbands, wonach sein (nicht mit Namen genannter) Geschäftsstellenleiter mit sofortiger Wirkung freigestellt worden sei. Grund dafür seien unter anderem „Unstimmigkeiten in ‚kasseninternen Abläufen‘“. „Wir sind dem Verdacht nachgegangen, dass Gelder zweckentfremdet wurden“, wird ein Sprecher zitiert. Und weiter: „Es sind rabenschwarze Zeiten für den Sportkreis“. In der Printausgabe trägt der Artikel die Überschrift „‘Rabenschwarze Zeiten‘ für den Sportkreis“ und online den Titel „Sportkreis (...): Gelder über Jahre veruntreut - Leiter der Geschäftsstelle ist gekündigt“. Online heißt es außerdem: „Der Leiter der Geschäftsstelle des Sportkreises hat über mehrere Jahre hinweg die Kasse unsachgemäß geführt und wurde zum 31. Dezember 2022 gekündigt.“ - Die Beschwerdeführerin trägt vor, beide Überschriften verletzten die Ziffern 1, 2, 8 und 13 des Pressekodex. Es sei nicht erkennbar, dass es sich bei den Anschuldigungen um unbestätigte Behauptungen handele. Die Anführungsstriche in der Print-Überschrift reichten dazu nicht aus. Online fehlten sie völlig. Dies sei eindeutig vorverurteilend und schädige massiv das Ansehen des Beschuldigten. Die Zeitung fungiere hier als Pranger. Als Geschäftsstellenleiter sei er leicht zu identifizieren. Inzwischen habe sich herausgestellt, dass die Vorwürfe mindestens zum größten Teil nicht substantiiert gewesen seien. Eine Richtigstellung der Zeitung sei allerdings bisher unterblieben. Stattdessen sei ein weiterer Artikel erschienen, der grobe Schnitzer enthalte und die entlastenden Punkte nicht richtig oder gar nicht erwähne. - Die Geschäftsführerin und Chefredakteurin weist die Vorwürfe zurück. Die Informationen im Artikel seien deutlich als Aussagen des Sportkreises gekennzeichnet. Aus dem ebenfalls kritisierten späteren Artikel gehe hervor, dass das Arbeitsgericht inzwischen in einigen Punkten dem Kläger und in anderen Punkten dem Sportkreis Recht gegeben habe und dass das Gericht die außerordentliche Kündigung für nicht Rechtens halte. Das Verfahren sei aber noch nicht abgeschlossen. - Der Beschwerdeausschuss spricht einstimmig eine öffentliche Rüge aus. Denn die Berichterstattung verstößt schwerwiegend gegen die journalistische Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex und gegen die Unschuldsvermutung (Ziffer 13). Der Artikel erwähnt ausführlich die zivil- und strafrechtlich relevanten Anschuldigungen gegen den Geschäftsstellenleiter. Wegen der Schwere der Vorwürfe hätte die Zeitung ihm zwingend Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Berichterstattung über diese Anschuldigungen zum Teil in Form redaktioneller Tatsachenbehauptungen erfolgt. Zudem ist davon auszugehen, dass der Betroffene aufgrund seiner Stellenbezeichnung identifizierbar ist. Insofern wirkt die Berichterstattung für ihn auch vorverurteilend.
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