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Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

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Entscheidungsjahr
6738 Entscheidungen

Michael Schumacher zu Irreführung der Leserschaft missbraucht

Eine Illustrierte titelt online: „Michael Schumacher: Jetzt packt sein einstiger Weggefährte aus“. Bebildert ist der Artikel mit einem Porträtfoto von Schumacher. Dieser habe eine sagenhafte Formel-1-Karriere hinter sich, beginnt der Artikel. Auch sein Kollege Lewis Hamilton gelte als absolutes Ausnahmetalent. „Doch nicht alle scheinen den 38-Jährigen sympathisch zu finden“, heißt es weiter über Hamilton. Schumachers ehemaliger Weggefährte Joan Villadelprat teile in einer spanischen Online-Zeitung heftig gegen Hamilton aus. Im weiteren Artikel geht es um die Kommentare Villadelprats über Hamilton und über einen weiteren Rennfahrer. - Der Beschwerdeführer hält die Aufmachung des Berichts für reine Sensationsberichterstattung und Clickbait (Lockmittel zum Anklicken des Artikels). Michael Schuhmacher werde nur als Symbolbild genutzt. Die eigentliche Nachricht habe nichts mit ihm zu tun. - Der Verlag weist auf die Unterzeile der Überschrift hin: „Michael Schumachers ehemaliger Weggefährte kann seine Formel-1-Kritik einfach nicht mehr zurückhalten...“. Der unvoreingenommene und verständige Durchschnittsleser erfahre mithin sofort, dass es in dem Artikel um eine Kritik an der Formel 1 gehe. Wer genau was und wen kritisiere, bleibe an dieser Stelle zwar noch offen, werde aber sogleich präzisiert: Es handele sich um den ehemaligen Formel-1-Manager Joan Villadelprat, der mit Schumacher zwei Weltmeistertitel gewann. In dem Artikel werde die von Villadelprat jüngst geäußerte Kritik an Hamilton wiedergegeben. Hamilton und Schumacher verbinde, dass sie beide mehrfach die Formel 1 gewannen und sie beide wohl zu den erfolgreichsten Rennfahrern aller Zeiten gehörten. Diese Gemeinsamkeit stelle die Redaktion der Berichterstattung voran; dies geschehe im Rahmen der Gestaltungsfreiheit, die durch das Grundrecht auf Pressefreiheit garantiert sei. Die Berichterstattung sei wahrheitsgemäß, an ihr bestehe ein überragendes öffentliches Interesse. Sie enthalte auch keine unangemessen sensationelle Darstellung, die einen Menschen zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, herabwürdige. - Der Beschwerdeausschuss spricht einstimmig eine öffentliche Rüge aus. Unter der Überschrift „Michael Schumacher: Ein ehemaliger Weggefährte packt aus” erwartet die Leserschaft einen Bericht über Schumacher. Das beigefügte Foto von Schumacher verstärkt diese Erwartung noch. Im Artikel geht es jedoch um die Kritik von Villadelprat an Hamilton. Der unzureichende Bezug zwischen Überschrift und Gegenstand des Textes ist eine übertrieben sensationelle Berichterstattung nach Ziffer 11 und eine schwerwiegende Irreführung der Leserschaft nach Ziffer 1 des Pressekodex. Die fehlgeleitete Erwartung ist dazu geeignet, die Glaubwürdigkeit der Presse in Frage zu stellen.

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Lesertäuschung mit erfundenem Schumacher-Interview

Eine Boulevardzeitschrift kündigt auf ihrer Titelseite eine „Welt-Sensation“ an: „Michael Schumacher: Das erste Interview!“ ++ Es klingt täuschend echt ++ Was dahinter steckt“. Im Vorspann des Artikels heißt es: „In seinem Interview steht er zum ersten Mal seit seinem schweren Ski-Unfall Rede und Antwort. Aber – ist das wirklich unser Schumi, der da spricht?“ Der Beitrag beginnt mit den Worten: „Einmal mit ihm reden. Ihn fragen, wie es ihm wirklich geht. Und fast zehn Jahre nach seinem tragischen Ski-Unfall endlich Antworten bekommen!“ Hier sei es – das „unglaubliche Interview“. Mit „erlösenden Antworten auf die brennendsten Fragen, die sich die ganze Welt schon so lange stellt“. So laute die Antwort auf die Frage, wie es ihm seit dem tragischen Unfall 2014 gehe: „Mein Leben hat sich danach komplett verändert. Das war eine schreckliche Zeit für meine Frau, meine Kinder.“ Erst im letzten Drittel des Textes heißt es dann: „Hat Michael Schumacher wirklich alles selbst so gesagt? Das Interview war im Internet. Auf einer Seite, die mit Künstlicher Intelligenz, kurz KI genannt, zu tun hat.“ Die Redaktion sei auf Spurensuche gegangen. Es gebe „tatsächlich Internet-Seiten, auf denen man Gespräche mit Prominenten führen kann“. Die Antworten gebe aber die KI auf der Basis von Informationen, die jemand im Internet eingegeben habe. Sei es am Ende wirklich Schumi selbst gewesen, der aus dem Krankenbett die Informationen eintippte? Oder Angehörige, Pfleger oder Angestellte? - Fünf Personen beschweren sich darüber, dass die Zeitschrift den Anschein eines echten Interviews erwecke, auch wenn sie Hinweise auf ein KI-generiertes Gespräch gebe. Äußerst unethisch sei es, auf diese Weise Kapital aus der Prominenz einer mutmaßlich unheilbar kranken Person schlagen zu wollen. Ein Beschwerdeführer findet, dies sei das Geschmackloseste, das er seit Jahren in der Presse gelesen habe. Es müsse absolut verletzend für die Familie sein und auch respektlos gegenüber einem wehrlosen Kranken. Für Menschen, die sich die Zeitschrift nur wegen der Titelblatt-Schlagzeile gekauft hätten, sei dies mindestens arglistige Täuschung. Ein anderer Beschwerdeführer kritisiert zudem, dass die Redaktion fälschlich von einem „Interview“ spreche. – Die Zeitschrift weist in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass die Berichterstattung auch in der Redaktion und der Verlagsspitze heftige Diskussionen ausgelöst und zu harten Konsequenzen geführt habe. Die Chefredakteurin sei von ihren Aufgaben entbunden worden. Der Verlag habe öffentlich und in einem persönlichen Schreiben an die Familie Schumacher um Entschuldigung gebeten. „Dieser geschmacklose und irreführende Artikel hätte nie erscheinen dürfen.“ Er sei presseethisch nicht hinnehmbar, sowohl wegen des Missbrauchs von Schumacher als Verkaufsargument als auch wegen der Machart und des Inhalts. In keiner Weise entspreche er den journalistischen Standards, die die Leserschaft erwarte. Auch die Redaktion stehe vollkommen hinter der Erklärung des Verlages, und ohne jede Frage werde es eine vergleichbare Veröffentlichung nicht mehr geben. - Der Beschwerdeausschuss spricht einstimmig eine öffentliche Rüge aus, denn hier liegt eine schwere Irreführung der Leserschaft und damit ein Verstoß gegen das Wahrhaftigkeitsgebot nach Pressekodex-Ziffer 1 vor. Den Leserinnen und Lesern wird suggeriert, dass es sich tatsächlich um das erste Interview mit Schumacher handelt. Erst im letzten Drittel informiert die Redaktion deutlich darüber, dass die angeblichen Antworten von einer KI stammen. Das Vorgehen der Zeitschrift ist zudem geeignet, die Glaubwürdigkeit der Presse zu schädigen. Außerdem wird die Würde Michael Schumachers verletzt.

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Strittige Vorwürfe gegen Rapper als Tatsache hingestellt

Eine Boulevardzeitung berichtet online über schwere Vorwürfe gegen den Rapper Marteria. Die Überschrift lautet: „Musiker hatte seine Ex-Freundin gewürgt – Marteria kommt mit blauem Auge davon“. Im Text heißt es, der Rapper solle in den USA bei einem Streit mit seiner Ex-Freundin handgreiflich geworden sein. Er müsse sich jedoch keinem Prozess in den USA stellen, da die Staatsanwaltschaft den Fall nicht weiterverfolge. Er sei gegen eine Kaution von 5000 Dollar freigelassen worden. - Der Beschwerdeführer sieht in der Berichterstattung unter anderem Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht, den Persönlichkeitsschutz und die Unschuldsvermutung. Er beruft sich dabei auch auf einen Beschluss des Landgerichts Berlin, das der Redaktion untersagt habe, über die angeblichen Vorwürfe einer konkreten Tätlichkeit des Rappers zu berichten. Außerdem sei keine Kaution gezahlt worden. – Die Redaktion macht keinen Gebrauch von ihrer Gelegenheit zur Stellungnahme. - Der Beschwerdeausschuss spricht eine öffentliche Rüge aus. Denn der strittige Sachverhalt, ob es überhaupt einen körperlichen Angriff gab, wird in der Überschrift als Tatsache dargestellt. Durch die prominente Positionierung des Vorwurfs in Kombination mit einem Foto des Rappers wird er als Täter hingestellt. Dies verletzt die Unschuldsvermutung nach Ziffer 13 des Pressekodex. Ferner enthält der Beitrag die Falschbehauptung, der Musiker sei gegen eine Kaution freigelassen worden. Diese Darstellung verstößt gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2.

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Unangemessene Angst vor den Folgen von AKW-Abschaltung geschürt

Unter der Überschrift „Eilmeldung der Notfall-Vorsorge-Beratung Schleißheim" (NVBS) veröffentlicht ein Anzeigenwochenblatt wortwörtlich eine Pressemitteilung der NVBS mit einer Warnung vor den angeblichen Folgen der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke. Mit der Stilllegung drohe ein Blackout wie nie zuvor: „kein Strom, Heizung, Telefon/Handy/Internet und spätestens nach ein paar Tagen auch kein Leitungs-Wasser mehr. Geldautomaten geben kein Geld, Polizei und Feuerwehr sind nicht mehr erreichbar und eh hoffnungslos überfordert. Läden bleiben geschlossen – es gibt keine Lebensmittel und Wasser mehr zu kaufen!“ In dem Artikel wird geraten, Vorräte für mindestens zehn Tage anzulegen. „Sie haben nur noch wenige Tage zum Einkaufen und Vorsorgen. Der Staat kann Ihnen, wenn es soweit ist, nicht helfen!“ - Die Beschwerdeführerin sieht in dem Artikel einen Verstoß gegen die Wahrhaftigkeits- und die Sorgfaltspflicht. Durch die Abschaltung der letzten drei deutschen AKWs drohe kein Blackout. Die Behauptung, dass der Staat nicht helfen könne, sei in ihrer Pauschalität unwahr. So seien bereits heute kritische Infrastrukturen gesetzlich verpflichtet, sich auf ein Blackout-Szenario vorzubereiten. Auch Staat und Kommunen seien auf einen Krisenfall vorbereitet. - Der Verlag beruft sich darauf, dass es sich um eine eingesandte Mitteilung handele und dass die Verantwortung dafür allein bei deren Verfasser liege, wie dem Impressum der Zeitung zu entnehmen sei. Eine Redaktionsmitarbeiterin habe die Existenz der Vereinigung und ihrer Website überprüft, ebenso die Richtigkeit ihrer Beratungstelefonnummer. Außerdem habe sie mit dem Bürgermeister über die Vereinigung gesprochen; er habe diesen Text bereits aus Facebook gekannt. Sollte die Beschwerdeführerin Probleme mit dem Inhalt haben, müsse sie gegen die Vereinigung statt gegen die Zeitung vorgehen. - Der Beschwerdeausschuss spricht eine öffentliche Rüge aus. Nach Ziffer 1 des Pressekodex sind unbearbeitet übernommene Pressemitteilungen als solche zu kennzeichnen. Die Bezeichnung als „Eilmeldung“ reiche dafür nicht aus. Außerdem verletzt die Veröffentlichung die journalistische Sorgfalt nach Ziffer 2. Denn verschiedene Tatsachenbehauptungen in dem Artikel sind in ihrer Pauschalität nicht zutreffend. Das vorangegangene Gespräch mit dem Bürgermeister stellt keine ausreichende Recherche dar, da er im Hinblick auf einen nationalen Katastrophenfall keine privilegierte Quelle ist. Vielmehr hätte es die Sorgfalt geboten, den Sachverhalt bei mindestens einer weiteren Quelle nachzurecherchieren. Die Zeitung kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie laut Impressum keine inhaltliche Verantwortung für namentlich gekennzeichnete Beiträge übernimmt. Sowohl presseethisch als auch presserechtlich trägt der Verlag für alle Veröffentlichungen im redaktionellen Bereich die volle Verantwortung. Der Beschwerdeausschuss rügt auch die gewählte Art der Darstellung: Sie ist unangemessen sensationell im Sinne von Ziffer 11. Der Beitrag vermittelt den so nicht zutreffenden Eindruck, es bestünde eine sehr wahrscheinliche Gefahr eines großflächigen und langfristigen Blackouts, bei dem die Bevölkerung auf keine Hilfe von staatlichen Stellen hoffen könne. Durch diese unangemessen sensationelle Darstellung von drohendem Leid kann der Artikel unbegründete Ängste schüren.

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Nach Familiendrama Täterin und Opfer identifizierbar dargestellt

Eine Boulevardzeitung berichtet zweimal online über eine Apothekerin, die ihre beiden jugendlichen Kinder umgebracht haben soll und sich danach selbst das Leben nahm. Die Tatverdächtige wird mit ihrem Vornamen, abgekürzten Nachnamen, Beruf und Alter bezeichnet und auf einem Foto mit schmalem Augenbalken gezeigt. Die getöteten Kinder werden mit Vornamen erwähnt und stark verpixelt abgebildet. Das Foto eines der beiden Opfer wurde offenbar aus seinem Instagram-Auftritt übernommen und zeigt im Urhebervermerk auch den Familiennamen. Abgebildet wird zudem das Haus der Familie samt Hausnummer. - Der Beschwerdeführer kritisiert vor allem, dass die Zeitung die Kinder im Foto gezeigt und ihre Vornamen veröffentlicht habe. Damit seien eindeutig die postmortalen Persönlichkeitsrechte verletzt worden. Das gelte auch für die Verwendung des Fotos aus dem Berufsnetzwerk der Mutter. - Die Zeitung macht von der Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch. -

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Zeitung schürt ungerechtfertigte Ängste wegen geplanten Heizungsgesetzes

Unter der Überschrift „Millionen Heizungen erreichen schon 2024 Austauschpflicht – Experte warnt vor Ansturm“ schreibt eine Tageszeitung online über das umstrittene geplante Heizungsgesetz: „Wenn das Gesetz so in Kraft tritt, könnte das für unzählige Heizungsbesitzer bedeuten, dass sie im nächsten Jahr schon ihre Heizung tauschen müssen.“ Im kommenden Jahr würden vier Millionen Öl- und Gasheizungen 30 Jahre alt und seien dann unter Umständen von einer Austauschpflicht betroffen. - Der Beschwerdeführer kritisiert, dass der Bericht unnötige Ängste schüre. Schon nach der bereits bestehenden Gesetzeslage müssten im nächsten Jahr unzählige Heizungen erneuert werden, nämlich wenn sie älter als 30 Jahre seien. Das habe nichts mit der geplanten Gesetzesnovelle zu tun. Dadurch entstehe keine neue Austauschpflicht, sondern an die Anlagen würden künftig lediglich andere Bedingungen geknüpft. - Die Chefredaktion bedauert, dass es in einer frühen Version des Artikels zu einer möglicherweise missverständlichen Formulierung gekommen sei. Man habe daher einen Satz korrigiert, durch den man fälschlicherweise das geplante Heizungsgesetz mit der bereits bestehenden 30-Jahre-Regel in Verbindung bringen könnte. Klar sei jedoch auch, dass das geplante Gesetz die Auswirkungen auf Besitzer von Anlagen, die unter die 30-Jahre-Regel fallen, nochmal deutlich ändern würde. Die Redaktion bedanke sich beim Beschwerdeführer für seine Rückmeldung, da sie dabei helfe, die redaktionellen Prozesse ständig zu verbessern. - Der Beschwerdeausschuss spricht eine öffentliche Rüge aus. Denn der Bericht führt die Leserschaft in die Irre. Die Mehrheit der Ausschussmitglieder bewertet die unzulässige Vermengung der bestehenden Heizungs-Austauschpflicht mit den geplanten Gesetzesänderungen als schweren Sorgfaltspflicht-Verstoß nach Ziffer 2 des Pressekodex. Bei den Betroffenen könnten dadurch ungerechtfertigte Ängste geschürt werden. Insofern konnte die nachträglich gezeigte Einsicht der Redaktion nicht mildernd bei der Wahl der Maßnahme berücksichtigt werden.

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Foto zeigt falsche Person als Angeklagte

Eine Boulevardzeitung berichtet online über einen in Dresden stattfindenden Prozess gegen vier linksradikale Autonome (darunter eine Lina E.), denen Angriffe auf Neonazis vorgeworfen werden. Der Berichterstattung beigestellt ist ein unverpixeltes Foto, das laut Bildunterzeile die Angeklagte Lina E. bei einem anderen Prozess in Berlin zeigt. - Der Beschwerdeführer teilt mit, die abgebildete Frau sei nicht die in Dresden vor Gericht stehende Lina E., sondern eine in Berlin angeklagte Klimaaktivistin Lina E. - Die Zeitung hat zu der Angelegenheit nicht Stellung genommen. - Der Beschwerdeausschuss spricht einstimmig eine Rüge aus. Bei der Veröffentlichung des falschen Bildes handelt es sich um einen besonders schweren Verstoß gegen die in Ziffer 2 des Pressekodex definierte journalistische Sorgfaltspflicht. Die Berliner Klimaaktivistin wird fälschlicherweise als Gewalttäterin hingestellt und gerät dadurch in Misskredit.

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Video zeigt Todeskampf nach Hai-Angriff

Eine überregionale Tageszeitung berichtet online in einem Video über einen Hai-Angriff im Roten Meer vor der Küste Ägyptens, bei dem ein Urlauber getötet wurde. - Der Beschwerdeführer kritisiert, dass das Video den Todeskampf eines Menschen zeige. Dies habe keinen Informationswert. Vor dem Anklicken des Videos werde nicht deutlich, dass es sich um eine möglicherweise belastende Aufnahme handele. - Der Chefredakteur gibt dem Beschwerdeführer vollkommen Recht. Das (inzwischen gelöschte) Video hätte niemals so erscheinen dürfen, und die Redaktion bedauere diesen Fehler sehr. Sie habe damals entschieden, über die Hai-Attacke zu berichten, aber nicht aus Sensationslust, sondern wegen großen öffentlichen Interesses. Das Unglück sei direkt vor der Küste Hurghadas passiert und damit in einer bei Deutschen beliebten Urlaubsregion mitten in der Urlaubszeit. Viele andere deutsche Medien hätten ebenfalls berichtet. Dem Aufklärungsbedürfnis des Publikums habe die Redaktion durch Interviews mit Tauchern und Hai-Experten entsprochen. Allerdings sollten nur Ausschnitte des umfangreichen Rohmaterials gezeigt werden. Damit keine Einzelheiten zu sehen seien, sollten die ausgewählten Szenen verfremdet („geblurrt“) werden. Wegen einer Kommunikationspanne sei aber leider eine Fassung veröffentlicht worden, die nicht wie besprochen geblurrt worden sei. – Der Beschwerdeausschuss spricht einstimmig eine öffentliche Rüge aus. Denn die Berichterstattung verletzt die Ziffer 11 (Sensationsberichterstattung) des Pressekodex. Ausschlaggebend hierfür sind die Szenen vom Todeskampf des Urlaubers. Er wird unter Wasser gezogen, und das Wasser färbt sich blutrot. Diese Darstellung überschreitet die Grenze zur unangemessen sensationellen Berichterstattung. Zudem wird die Tötungsszene mehrfach wiederholt und das Leid des Opfers damit zur Schau gestellt.

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Einseitig Vorwurf der Falschaussage gegen Gerichtszeuginnen erhoben

Eine Lokalzeitung berichtet über aktuelle Entwicklungen in einem Konflikt um einen baufälligen denkmalgeschützten Speicher. Dessen Eigentümerin ist die Entwicklungsgesellschaft NLG, die dort für die Gemeinde ein neues Gewerbegebiet schaffen soll. Sie wehrt sich vor dem Verwaltungsgericht gegen einen Behördenbescheid, wonach sie unter anderem den zerstörten Dachstuhl durch ein Notdach sichern muss. Aus ihrer Sicht ist der Speicher wegen der Schäden nicht mehr denkmalwürdig. Strittig ist auch die Ursache der Zerstörung: Die NLG spricht von einem Sturmschaden; eine Bürgerinitiative will dagegen Baggerarbeiten beobachtet haben und vermutet, dass dadurch Fakten für einen Abriss des Speichers geschaffen werden sollten. In dem beanstandeten Artikel „Abriss oder Windschaden?" geht es um die Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen vor dem Verwaltungsgericht. Zwei Frauen hatten ausgesagt, sie hätten einen Baggereinsatz am Speicher gesehen. Der strittige Artikel beginnt in der Onlinefassung mit den Worten: „Haben die Zeugen vor dem Verwaltungsgericht gelogen? Das zumindest behauptet die Niedersächsische Landgesellschaft (NLG) und legt ihrerseits Beweise vor." Die Zeugenaussagen werden so zusammengefasst: „Hat die Niedersächsische Landgesellschaft beim Zusammenbruch des (…) Speichers an der Natberger Straße nachhelfen lassen? Das zumindest behaupten vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück zwei Zeugen. Sie wollen gesehen haben, wie ein Bagger den Dachstuhl des historischen Gewölbes einriss und das Gebäude zum größten Teil zerstört hat. Dabei soll der Baggerfahrer im Auftrag der NLG oder vielleicht auch der Gemeinde gehandelt haben. Wollten sich die Gemeinde oder die NLG also bei der Entwicklung des neuen Gewerbegebiets (…) des denkmalgeschützten Gebäudes entledigen, wie es von der Bürgerinitiative (…) behauptet wird?" Die NLG bestreite dies: Einen Baggereinsatz habe es gar nicht gegeben. Weiter schreibt die Zeitung, die NLG und die Gemeinde fühlten sich durch diese "bewusste Falschaussage", so der Bürgermeister, verleumdet. - Die Beschwerdeführerinnen sind die im Beitrag namentlich nicht genannten Zeuginnen. In der überschaubaren Gemeinde seien sie vielen Menschen bekannt, schreiben sie. Durch den Artikel würden sie zu Unrecht einer erheblichen Straftat bezichtigt, nämlich einer Falschaussage vor Gericht. Die im Zeitungsartikel enthaltenen, in die Form einer Tatsache gekleideten verleumderischen Behauptungen seien geeignet, ihr gutes Ansehen unerträglich zu verunglimpfen. Deshalb hätten die beiden inzwischen auch Strafanzeige gegen die Zeitung gestellt. Aufgrund welcher Erkenntnisse der Bürgermeister den Vorwurf der Falschaussage erhoben habe, sei für sie nicht erkennbar. Das Verwaltungsgericht habe nicht den geringsten Vorwurf gegen sie erhoben. Außerdem fühlen sich die Zeuginnen falsch zitiert: Sie hätten nie behauptet, dass die NLG dem Zusammenbruch des Denkmals habe nachhelfen lassen, insbesondere nicht, dass der Baggerfahrer im Auftrag der NLG oder der Gemeinde gehandelt habe. Sie hätten auch nicht davon gesprochen, dass ein Bagger „das Gebäude zum größten Teil zerstört hat“. Sie hätten lediglich starke Beschädigungen des Dachstuhls und des Giebels beobachtet. Der Artikel sei einseitig und tendenziös. Die Zeitung habe den beiden nicht mal die Gelegenheit gegeben, zu den erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. – Der Chefredakteur erinnert in seiner Stellungnahme daran, dass ihr langjähriger freier Mitarbeiter das Thema „Gewerbegebiet“ schon seit Jahren behandele, „ein äußerst emotionales Thema, das von beiden Seiten mit gewisser Härte in der Öffentlichkeit und vor Gericht geführt wird“. Bei der beanstandeten Berichterstattung beruft sich die Zeitung auf eine Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts. Demnach hätten zwei Zeuginnen berichtet, dass nach ihrer Wahrnehmung die Ursache für den Giebeleinsturz durch einen Bagger gesetzt worden sei. Da diese Information aus einer qualifizierten Quelle stamme, habe die Redaktion keinen Anlass gesehen, sie anzuzweifeln. In derartigen Fällen bestehe keine Pflicht zu einer Nachrecherche. Außerdem seien die Zeuginnen nicht identifizierbar, nicht einmal in Bezug auf ihr Geschlecht, denn im Artikel sei neutral von „zwei Zeugen“ die Rede. Folglich seien die beiden durch die Berichterstattung nicht betroffen. Insofern habe auch keine Pflicht bestanden, ihnen Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben. Beim Vorwurf der „bewussten Falschaussage“ sei für jeden Leser zweifelsfrei erkennbar, dass es sich dabei um eine Aussage des Bürgermeisters handele, die sich die Redaktion nicht zu eigen gemacht habe. - Der Beschwerdeausschuss spricht einstimmig eine öffentliche Rüge aus. Die Redaktion zitiert die beiden Zeuginnen falsch und verstößt damit gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex. Wie sich aus den Angaben der Frauen und der Gerichtsmitteilung ergibt, haben die beiden nicht behauptet, dass ein Bagger das Gebäude zum größten Teil zerstört habe und dass der Baggerfahrer dabei im Auftrag der NLG oder der Gemeinde gehandelt haben solle. Insoweit wird den Beschwerdeführerinnen hier ein Falschzitat in den Mund gelegt. Gerichtsmitteilungen sind zwar eine privilegierte Quelle. Die behaupteten Aussagen gingen daraus aber gar nicht hervor. Angesichts der im Artikel zitierten massiven Vorwürfe einer (strafbaren) „bewussten Falschaussage“ hätte die Redaktion die Frauen außerdem zwingend anhören müssen. Dies gilt umso mehr, weil die Gerichtsmitteilung nahelegt, dass die Zeugenaussagen tatsächlich zutreffend waren. In der Pressemitteilung heißt es nämlich wörtlich: „Zwei Zeuginnen gaben an, dass nach ihrer Wahrnehmung die Ursache für den Giebeleinsturz durch einen Bagger gesetzt wurde. Daraufhin hat die NLG die Klage zurückgenommen.“ Dass die Zeitung diesen Umstand nicht erwähnt hat, stellt ebenfalls eine Sorgfaltspflichtverletzung dar. Zudem verletzt der Vorwurf einer strafbaren Handlung die Beschwerdeführerinnen in ihrer Ehre nach Ziffer 9 des Kodex. Dabei kann offenbleiben, ob hierfür eine Identifizierbarkeit erforderlich ist. Denn zumindest das nähere soziale Umfeld der beiden dürfte von ihrem Zeugen-Auftritt wissen.

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Produkterwähnung nur bei Alleinstellungsmerkmal erlaubt

„Endlich weniger rauchen“: Unter diesem Titel erscheint in einer Fernsehzeitschrift ein Artikel über Alternativen zu herkömmlichen Zigaretten. Zu Wort kommt dabei ein Manager eines internationalen Tabakkonzerns. Er erläutert die Funktionsweise von Tabakerhitzern. Ergänzt wird der Artikel durch einen Kasten, in dem Alternativen zum herkömmlichen Rauchen vorgestellt werden: ein Tabakerhitzer des Konzerns, eine E-Zigarette mit Verdampfer, eine E-Zigarette als Einwegprodukt sowie Kautabak. - Der Beschwerdeführer sieht in der Veröffentlichung Schleichwerbung für den Konzern. Er vermutet eine Kooperation der Zeitschrift mit dem Unternehmen, da regelmäßig dessen „Informationsanzeigen“ oder „eigene“ redaktionelle Artikel zum Thema Rauchen veröffentlicht würden, in denen Inhalte aus einer Informationskampagne des Unternehmens unkritisch übernommen würden. - Die Zeitschrift sieht keinen werblichen Vorteil für den Konzern, da in gleichem Umfang auch andere Alternativen zur Zigarette vorgestellt würden. Diese herstellerübergreifende Präsentation verschiedener Ersatzprodukte stelle die Vor- und Nachteile der jeweiligen Alternative heraus, ohne dass darin ein unzulässiger werblicher Überschuss enthalten sei. Auch die von solchen Geräten ausgehenden Gefahren würden angesprochen. - Der Beschwerdeausschuss spricht einstimmig eine öffentliche Rüge aus, denn der Artikel verletzt die in Ziffer 7 des Pressekodex geforderte klare Trennung von Redaktion und Werbung. Zwar ist nicht zu beanstanden, dass die Redaktion einen Konzernmitarbeiter die Funktionsweise von Tabakerhitzern erläutern lässt. Aber dass im ergänzenden Kasten allein ein Tabakerhitzer dieses Unternehmens erwähnt wird, überschreitet eindeutig die Grenze zur Schleichwerbung. Vertretbar wäre diese Nennung nur, wenn das Produkt ein Alleinstellungsmerkmal aufweisen würde. Dies geht aus der Berichterstattung aber nicht hervor. Es gibt andere, ähnliche Produkte, so dass die Fokussierung auf das Angebot nur dieses Herstellers eindeutig Schleichwerbung darstellt.

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