Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6657 Entscheidungen
Zwei Jugendliche bedrohen einen 50-jährigen Mann mit einem Elektroschocker. Die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung berichtet über den Vorfall. In die Berichterstattung eingeklinkt ist eine Anzeige, in der für einen „Elektroschocker Shop“ geworben wird. Ein Nutzer der Internet-Ausgabe der Zeitung kritisiert die Kombination von Bericht und Anzeige als „perversen Auswuchs“ automatisierter Internetwerbung. Der Leiter der Online-Redaktion teilt mit, dass sie auf die Inhalte von Anzeigen, die über Google eingespielt würden, keinen Einfluss habe. Er bezeichnet die Kombination von Text und Anzeige als „denkbar ungünstig“. Derartige Vorfälle könne man aufgrund der automatisierten Einblendung jedoch nicht ausschließen.
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Gedruckt und online berichtet eine Regionalzeitung über den Suizid eines Studenten, der von einem zehngeschossigen Wohnheim gesprungen sei. Die Zeitung schreibt: „Der Notarzt konnte noch ein, zwei Worte an ihn richten, dann stürzte sich der Mann unvermittelt in die Tiefe“. Sie zitiert so einen Polizeisprecher. Außerdem teilt der Autor mit, dass der Student in seinem Zimmer einen Abschiedsbrief hinterlassen habe. Ein anonymer Beschwerdeführer kritisiert, dass die Darstellung des Suizids in diesen Einzelheiten nicht mit der Ziffer 8, Richtlinie 8.7, vereinbar sei. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, dass die Redaktion grundsätzlich auf die Berichterstattung über Suizid-Fälle verzichte, es sei denn, der Vorfall ereigne sich in der Öffentlichkeit oder Dritte seien dabei zu Schaden gekommen. In diesem Fall habe man sich für eine knappe Berichterstattung im Lokalteil entschieden, weil sich der Suizid im öffentlichen Raum ereignet habe. Der Vorfall habe innerhalb eines Studentenwohnheim-Komplexes mit über tausend Bewohnern während des Semesters stattgefunden. Das Wohnheim liege zudem an einer vielbefahrenen Straße, so dass auch zahlreiche Verkehrsteilnehmer das Geschehen mitbekommen hätten. Viele Passanten hätten die zahlreichen Einsatzfahrzeuge gesehen. Die Veröffentlichung beschränke sich in der gebotenen Zurückhaltung auf die Meldung eines Suizids durch einen Sturz vom Dach. Nähere Begleitumstände habe die Zeitung nicht genannt. Ausnahme: Der hinterlassene Abschiedsbrief. Über ein mögliches Motiv sei nicht spekuliert worden. Auch sei die Berichterstattung nicht identifizierend. Ein Aspekt der Berichterstattung sei die kurze Schilderung des Versuchs, den Suizid zu verhindern, und die Ohnmacht der Helfer.
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Eine Boulevardzeitung berichtet online unter der Überschrift „Die Nazi-Terroristin macht jetzt auf seriös“ über den Auftakt des Prozesses gegen Beate Zschäpe vor dem Oberlandesgericht München. Im Bericht wird die Angeklagte als „Staatsfeindin Nr. 1“ und „Teufel“ bezeichnet. Ein Leser der Zeitung hält die Berichterstattung für unvereinbar mit den Ziffern 8 (Persönlichkeitsrechte) und 13 (Unschuldsvermutung). Die Bezeichnungen für die Angeklagte seien unangemessen, tendenziös und vorverurteilend. Der Presserat eröffnet das Verfahren wegen eines möglichen Verstoßes gegen Ziffer 13. Die Rechtsvertretung der Zeitung hält die identifizierende Berichterstattung für zulässig, da Beate Zschäpe bereits vorher den Medien landesweit bekannt gewesen sei und die Schwere der Tat sowie das Verfahrensstadium dies zuließen. Das Bundeskriminalamt habe Fahndungsfotos und Vor- und Nachnamen der Neonazis Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt veröffentlicht. Überdies bestehe ein überragendes öffentliches Interesse an der Aufklärung der Hintergründe für die zehn Morde. Beate Zschäpe sei vor diesem Hintergrund so etwas wie die „Gallionsfigur“. Die Rechtsvertretung ist der Meinung, die Berichterstattung sei frei von Vorurteilen unter Einhaltung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung. Die Formulierung „Staatsfeindin Nr. 1“ sei zutreffend, weil der Angeklagten Staatsschutzdelikte vorgeworfen würden. Sie müsse sich als einzige Überlebende der NSU-Terrorzelle als Hauptverantwortliche dem Prozess stellen. Auch der Ausdruck „schlimmste Rechtsterroristin der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ stelle keine Vorverurteilung dar. Der Angeklagten würden schwerwiegende Straftaten vorgeworfen. Unbestritten und von ihr auch bestätigt sei, dass die Morde aus rechtsextremen Motiven begangen worden seien, so dass das Wort „Rechtsterroristin“ lediglich eine zutreffende Beschreibung sei. Insgesamt werde in differenzierender Weise berichtet. Auch positive Aspekte der Angeklagten seien von der Redaktion beschrieben worden.
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„(…):Ich bin geläutert und unschuldig“ schreibt die Online-Ausgabe einer überregionalen Zeitung. Es geht um den Prozess gegen den früheren Präsidenten einer Hochschule für Wirtschaft und Recht. Er soll Geld veruntreut haben. In dem Bericht wird ein Zeuge, der noch nicht vor Gericht ausgesagt hat, namentlich erwähnt. Der ist in diesem Fall der Beschwerdeführer. Neben dem Namen nennt die Zeitung seinen aktuellen Arbeitgeber und Arbeitsort. Der Autor schreibt, dieser Zeuge habe die Aussage zurückgezogen, auf die die Staatsanwaltschaft die Anklage gegen den Ex-Präsidenten und den Beschwerdeführer (wegen Beihilfe zur Untreue) gestützt habe. Die Ermittlungen gegen den Beschwerdeführer seien inzwischen eingestellt worden, teilt die Zeitung weiter mit. Der anwaltlich vertretende Beschwerdeführer wendete sich gegen die Nennung seines Namens, des aktuellen Arbeitgebers und seines Arbeitsortes. Er verlangt nachträgliche Anonymisierung und bittet um Vermittlung durch den Presserat, was zunächst von der Zeitung abgelehnt wurde. Diese kündigt an, die identifizierenden Angaben über Arbeitgeber und Arbeitsort aus dem Artikel zu löschen. Der Anwalt des Beschwerdeführers antwortet, wenn die Zeitung schon einsehe, dass diese Angaben gelöscht werden müssten, so müssten doch die Angaben zur Person erst recht entfernt werden. Die Zeitung lehnt im Vermittlungsversuch eine Anonymisierung des Namens und zunächst auch des Arbeitgebers und des Arbeitsortes ab. Der Justiziar der Zeitung bittet um Zurückweisung der Beschwerde, da eine Verletzung publizistischer Grundsätze nicht vorliege. Nach Richtlinie 8.1, Absatz 4, des Pressekodex sei die Namensnennung von Zeugen zwar in der Regel unzulässig. Im vorliegenden Fall sei die Nennung jedoch erforderlich, so dass die Zeitung in Ausnahme zur Regel der Richtlinie 8.1 von einer zulässigen Namensnennung ausgehe.
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„Syrien reagiert nicht auf Israels Giftgasangriff“ titelt die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins. Der Beitrag beschäftigt sich mit dem Bürgerkrieg in Syrien und einem angeblichen Angriff Israels auf das Umland von Damaskus. Eine Leserin des Magazins kritisiert vor allem die Überschrift des Beitrages. Diese erwecke den falschen Eindruck, als habe Israel Syrien mit Giftgas angegriffen. Zwar sei der Fehler nach eineinhalb Stunden korrigiert worden, doch habe die Redaktion nicht auf die ursprünglich falsche Aussage hingewiesen. Die ursprüngliche Überschrift sei auch geeignet, Vorurteile gegenüber Minderheiten zu schüren. Der Chefredakteur des Magazins räumt den zuerst gemachten Fehler ein, weist aber darauf hin, dass die Redaktion nach kurzer Zeit die falsche Aussage in der Überschrift korrigiert habe. Bei der Lektüre des gesamten Artikels sei auch in der ersten Fassung kein falscher Eindruck entstanden, weil die Leser korrekt über den Sachverhalt informiert worden seien. Gerade weil ein israelischer Giftgasangriff ein höchst aufsehenerregendes Ereignis gewesen wäre, hätten die Leser vermutlich nicht nur die Überschrift zur Kenntnis genommen, sondern den ganzen Text gelesen. Dann sei ihnen jedoch die Diskrepanz sofort aufgefallen. Deshalb habe kein Berichtigungsbedarf bestanden. Für den Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht entschuldige sich die Redaktion bei der Beschwerdeführerin. Den von der Leserin angedeuteten Antisemitismusvorwurf weist der Chefredakteur zurück.
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Eine Regionalzeitung veröffentlicht in einer ihrer Lokalausgaben einen Leserbrief, der mit „Gordon McWolf“ gezeichnet ist. Die genaue Adresse ist angegeben. Der Autor äußert sich über Vorschläge der FDP-Ratsfraktion zur Verkehrsberuhigung einer bestimmten Straße. Er greift den namentlich genannten Fraktionschef an und unterstellt ihm, dass er persönliche Interessen von Anliegern der betreffenden Straße vertrete. Der angegriffene Lokalpolitiker wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Darin stellt er fest, dass ein „Gordon McWolf“ am Ort gar nicht gemeldet sei. Die Zeitung habe die Identität des Leserbriefschreibers offensichtlich nicht überprüft. Der veröffentlichte Brief enthalte obendrein ehrverletzende Behauptungen. Seinen Inhalt habe die Redaktion wohl ungeprüft übernommen. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, dass die Redaktion die Identität des Einsenders nicht überprüft habe und die Kritik des Beschwerdeführers in diesem Punkt berechtigt sei. Im konkreten Fall hätte der auffällige Name „Gordon McWolf“ die Redaktion zu besonderer Sorgfalt anhalten müssen. Der Chefredakteur hat nach eigenen Angaben die verantwortliche Lokalchefin ermahnt und die gesamte Redaktion noch einmal an die gängigen Regeln im Umgang mit Leserbriefern erinnert. Falsche und die Person des Beschwerdeführers diskreditierende Aussagen sieht der Chefredakteur in dem Brief nicht. Als Politiker müsse der Fraktionschef Kritik der Bürger akzeptieren. Die Zeitung habe ihm ein Interview angeboten. Er sei jedoch auf dieses Angebot nicht eingegangen.
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Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „Microsoft warnt vor seinem Windows XP!“ Er enthält den Satz: „Oft ist nur der Arbeitsspeicher zu klein, der sich schon ab 30 Euro (genannt werden eine Firma und ihre Internet-Adresse) aufrüsten lässt“. Ein Leser kritisiert die direkte Verlinkung zu einem Anbieter von Computer-Produkten. Er sieht darin Schleichwerbung und damit einen Verstoß gegen Ziffer 7 des Pressekodex (Trennung von Werbung und Redaktion). Der Beschwerdeführer moniert zudem, dass die Zeitung Beiträge ohne Autoren-Kennzeichnung veröffentliche. Der Chefredakteur des Online-Auftritts der Zeitung weist den Vorwurf einer Verletzung presseethischer Grundsätze zurück. Der Hinweis auf den Anbieter sei rein redaktionell veranlasst und diente keinen Werbezwecken. Es handele sich um einen Beitrag aus dem Bereich Multimedia, der dem Leser helfen solle, wenn er Probleme mit Windows XP habe. In diesem Zusammenhang dürfe sachlich auf ein Angebot hingewiesen werden, das dem Leser nützlich sei. Die Zeitung habe für den Hinweis weder Geld noch sonstige Gegenleistungen erhalten.
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Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Der Teufel hat sich schick gemacht“ über den NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Der Autor widmet sich ausführlich dem Auftritt und dem Aussehen der Angeklagten Beate Zschäpe. In der Unterzeile der Überschrift auf der Titelseite sowie in der Überschrift im Innenteil der Zeitung wird sie als „Nazi-Terroristin“ bezeichnet. Mehrere Beschwerdeführer melden sich in diesem Fall zu Wort. Sie sind der Meinung, dass der Artikel eine unzulässige Vorverurteilung enthalte. Durch die Bezeichnung „Teufel“ werde die Angeklagte in ihrer Menschenwürde verletzt. Der Presserat eröffnet das Verfahren wegen eines möglichen Verstoßes gegen Ziffer 13, Richtlinie 13.1, des Pressekodex (Unschuldsvermutung, Vorverurteilung). Zu den Beschwerden nimmt die Rechtsabteilung der Zeitung Stellung. Der kritisierte Beitrag beschäftige sich mit dem Auftreten der Angeklagten bei Prozessbeginn, ohne dass von einer Vorverurteilung die Rede sein könne. Dass Beate Zschäpe dem Neonazi-Trio „Nationalsozialistischer Untergrund“ angehört habe, sei unstrittig. Ebenso stehe fest, dass sie eine schwere Brandstiftung verübt habe. Im Münchner Prozess sei zu klären, ob Zschäpe auch als zehnfache Mörderin zu verurteilen sei. Im Übrigen werde die Angeklagte durch die boulevardesk-zugespitzte Schlagzeile lediglich als Person beschrieben, der etwas Negatives vorgeworfen werde. Die symbolhafte Beschreibung einer Person habe nichts mit einer Vorverurteilung zu tun. Der Autor habe den Prozessauftakt beschrieben und lasse damit ausdrücklich das juristische Ende, eine mögliche Verurteilung, offen.
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Im Bericht der Online-Ausgabe einer Regionalzeitung geht es um einen Streit zwischen zwei Personengruppen, in dessen Verlauf zwei Männer schwer verletzt wurden. Die Opfer werden als „die beiden 25-jährigen (…) libanesischer Abstammung bezeichnet, zwei Tatverdächtige als „Personen „albanischer Abstammung“. Zum Motiv für die gewalttätige Auseinandersetzung konnte die Staatsanwältin nach Angaben der Zeitung noch keine Angaben machen. Ein Leser der Zeitung sieht in der Nennung der Nationalitäten einen Verstoß gegen Ziffer 12, Richtlinie 12.1, des Pressekodex. Da insbesondere der Anlass für die Straftat noch unklar sei, könnte die Herkunft der Beteiligten nicht von besonderer Bedeutung sein. Der Chefredakteur der Zeitung weist den Vorwurf zurück, die Redaktion habe gegen presseethische Grundsätze verstoßen. Wegen der Chronologie der Ereignisse sei die Herkunft der an der Schlägerei Beteiligten für die Berichterstattung wichtig. Der Chefredakteur zählt eine Reihe von Straftaten am Ort auf, bei denen die Beteiligten fast ausschließlich einen Migrationshintergrund hätten. In der Stadt sei es wegen der sich häufenden Straftaten zu einer anhaltenden Diskussion über die Sicherheitslage gekommen. Im Internet-Auftritt der Zeitung fehlt mittlerweile der beanstandete Herkunftshinweis.
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Eine auf Waffen spezialisierte Zeitschrift berichtet über eine britische Schalldämpfer-Pistole und eine Spezialeinheit SOE, die diese Waffe im Zweiten Weltkrieg verwendet hat. In diesem Zusammenhang merkt die Redaktion an, dass der damalige „Reichsprotektor von Böhmen und Mähren“, Reinhard Heydrich, von der SOE getötet, also eines ihrer „Opfer“ geworden sei. Weiter heißt es, Heydrich habe eine „erfolgreiche Politik mit Zuckerbrot und Peitsche“ betrieben. Ein Leser der Zeitschrift kritisiert diese Aussage und spricht von rechtsradikaler Propaganda. Der Chefredakteur des Blattes weist den Vorwurf zurück. Die Aussage sei weder die Einschätzung des Verlages noch des Autoren, sondern eine wertfreie Beschreibung historischer Fakten. Aus Sicht der Reichsregierung jener Zeit und dem Blickwinkel Heydrichs sei dessen Politik in den fraglichen Jahren subjektiv „erfolgreich“ gewesen. Diese Beschreibung sei eine vollkommen wertfreie Darlegung historischer Tatsachen. Diese seien in objektiven Quellen nachzulesen. Der Autor des Beitrages äußert sich ebenfalls zu der Beschwerde. Bei dem Beschwerdeführer sei der falsche Eindruck entstanden, dass er mit der kritisierten Formulierung die Heydrich-Politik billige. Für Heydrich selbst sei seine Politik erfolgreich gewesen. Dies gelte auch für die Rüstungsanstrengungen des damaligen Deutschen Reiches. Der Betrieb in den tschechischen Rüstungsunternehmen sei – so der Autor weiter - bis zum Ende des Krieges ohne größere Zwischenfälle abgelaufen. Seine Einschätzung der Situation um Heydrich in der Tschechei decke sich mit dem aktuellen Forschungsstand der Geschichtswissenschaft. Spätestens seit dem Buch „Reinhard Heydrich – Statthalter der totalen Macht“ von Günther Deschner dürfte diese Auffassung allgemein anerkannt sein.
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