Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6738 Entscheidungen
Eine Regionalzeitung berichtet online unter der Überschrift „Polizist nach sexuellem Missbrauch an Stieftochter verurteilt“ über eine Gerichtsverhandlung. Der Polizeibeamte – so berichtet die Zeitung – sei wegen des sexuellen Missbrauchs an seiner Stieftochter zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Der Mann habe sich über mehrere Jahre hinweg an dem Mädchen vergangen. Die Zeitung schildert die sexuellen Handlungen in allen Details. Es sei zwischen den beiden immer wieder zum Geschlechtsverkehr gekommen. Die sexuellen Handlungen seien einvernehmlich gewesen. Dies sei für die damals 15-jährige Stieftochter zur „Routine“ geworden. Sie habe sich in ihren Stiefvater „verliebt“. Eine Leserin und ein Leser wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Die detaillierte Schilderung der sexuellen Handlungen befriedige ein Sensationsbedürfnis. Die Schilderung sei unerheblich für die Berichterstattung und habe in ihrer Wirkung und Bildhaftigkeit nahezu kinderpornografischen Charakter. Zudem würden im Beitrag die zuvor voyeuristisch dargestellten Taten durch die verkürzt zusammengefasste Urteilsfindung relativiert. Durch die zahlreichen Beschreibungen der Familienkonstellation ließen sich Rückschlüsse auf die Identität der Betroffenen ziehen. Dies verletze in Verbindung mit der Veröffentlichung der Details zum Tathergang die Betroffenen in ihrer informationellen Selbstbestimmung. Der Chefredakteur der Zeitung widerspricht den Beschwerden. Er findet, die Berichterstattung sei in keiner Weise zu beanstanden. Der Text beinhalte die auch für das Gericht entscheidenden Umstände des Falles. Es sei absurd, dass die Beschwerdeführer die Darstellung durch die Redaktion als voyeuristisch oder gar kinderpornografisch bezeichneten. Um das Urteil zu verstehen und einordnen zu können, seien Informationen zum konkreten Tatgeschehen erforderlich. Die Berichterstattung folge dem Wortlaut der Staatsanwaltschaft, der damit die gleiche Motivation unterstellt würde, nämlich voyeuristische oder gar pornografische Intentionen zu haben.
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„Zwangsfütterung in (…) Kinderkrippe“ titelt eine Regionalzeitung gedruckt, online und auf Facebook. Im Beitrag geht es um den Prozess gegen Bianca H., die als Kinderpflegerin in einer Kinderkrippe gearbeitet hat. Dort – so wirft ihr die Staatsanwaltschaft vor - hat sie von 2015 bis 2017 Schutzbefohlene missbraucht. Sie soll unter anderem Kinder mit rabiaten Methoden zum Essen gezwungen haben. Beschwerdeführerin in diesem Fall ist Bianca H. Sie kritisiert die Nennung ihres Namens als betroffene Kinderpflegerin. Ihr werde vor Gericht Misshandlung Schutzbefohlener vorgeworfen. Der Bericht sei noch vor der Urteilsverkündung erschienen. In einer weiteren Berichterstattung sei ihr Name verfremdet worden. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist den Vorwurf, die Redaktion habe die Persönlichkeitsrechte der Kinderpflegerin verletzt, zurück. Bereits im beanstandeten Beitrag sei nur ihr abgekürzter Familienname genannt worden. Das sei unzweifelhaft rechtmäßig. Die Berichterstattung wahre im Übrigen die Grenzen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung. Der Autor gebe den Stand des Verfahrens zutreffend wieder, ohne die Beschwerdeführerin vorzuverurteilen. Durchgängig verdeutliche er, dass er die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft und Zeugenaussagen wiedergebe.
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„Bauern drohen mit Versorgungsengpässen“ – so lautet die Überschrift eines Beitrages in der Online-Version eines Nachrichtenmagazins. Es geht um die Auswirkungen der neuen Düngemittelverordnung. Die Lobbyorganisation der Bauern „Land schafft Verbindung“ fordere in einem offenen Brief an Kommissionspräsidentin von der Leyen eine Verschiebung dieser Verordnung und drohe angesichts der Corona-Krise damit, die Lebensmittelproduktion zu reduzieren. Vier Leser des Magazins wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Sie kritisieren im Kern, der Artikel erwecke den Anschein, als würden die Landwirte aktiv damit drohen, keine Lebensmittel mehr herzustellen oder zu liefern. Dabei hätten die Landwirte lediglich vor den Auswirkungen einer neuen Düngeverordnung gewarnt, deren Folge es sein könnte, dass die Versorgung mit Lebensmitteln aus und für Deutschland nicht mehr ohne weiteres sichergestellt sei. Der Brief an Frau von der Leyen werde so interpretiert, als missbrauchten die Landwirte die derzeitige Situation, die Bevölkerung zu erpressen. Der Beitrag – so die Beschwerdeführer – sei einseitig und gebe den Inhalt des Briefs „massiv falsch“ wieder. Die Rechtsabteilung des Verlages nimmt zu den Beschwerden Stellung. Niemand bezweifle, dass die Überschrift zu dem Artikel pointiert sei. Niemand bezweifle auch, dass der Pressekodex pointierte Überschriften zulasse. Es lasse sich - so die Rechtsvertretung des Magazins – trefflich darüber streiten, ob man das Wort „drohen“ als Zusammenfassung passend findet. Man könne aber nicht darüber streiten, ob seine Verwendung presseethisch zulässig sei.
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Eine Jugendzeitschrift berichtet darüber, wonach junge Mädchen derzeit geradezu „verrückt“ sind. Es geht um bunte Haarreifen und Jeans. Mehrmals wird eine Firma genannt, über die die Gegenstände bezogen werden können. Sie werden von der Redaktion durchweg positiv besprochen. Da ist von absoluten „Wow-Momenten“ die Rede. Die Redaktion stellt fest, sie sei „in Love mit diesem Crop Top“, und sie jubelt: „Bei (…) haben wir eine Jeans gefunden, die jedem Mädchen steht!“ Die angepriesenen Gegenstände werden im Bild gezeigt. Die Preise werden genannt. Der Weg zu den Jeans wird durch Links zu den namentlich genannten Firmen gewiesen. Eine Leserin merkt an, in mehreren Artikeln seien Affiliate-Links nicht gekennzeichnet. Teilweise seien die Texte werblich gestaltet. Die Rechtsvertretung des Verlages weist den Vorwurf an die Redaktion zurück, sie habe gegen Ziffer 7 des Pressekodex (Trennung von werblichen und redaktionellen Inhalten) verstoßen. Es handele sich nicht um bezahlte Beiträge. Bei den Produkten gehe es um reine redaktionelle Empfehlungen, die nicht von den erwähnten Firmen bezahlt würden. Die Hinweise zu den Shops seien reine Affiliate-Links.
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Eine Fachzeitschrift veröffentlicht unter der Überschrift „Die neue Legende“ einen mit „Advertorial“ gezeichneten Beitrag über den Jeep Wrangler. Im Beitrag geht es um die vierte Generation dieses Wagentyps. Ein Leser der Zeitschrift sieht den Beitrag als Werbung, die nicht für alle Leser als solche erkennbar ist. Der Begriff „Advertorial“ sei nicht geeignet, allen Lesern zu verdeutlichen, dass es sich bei dem Beitrag um eine Anzeige handele. Die Redaktion nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.
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Ein Mann wird in New York am helllichten Tag beim Überqueren eines Zebrastreifens aus einem Auto heraus erschossen. Eine deutsche Boulevardzeitung berichtet online über den Fall. Die Redaktion zeigt Ausschnitte aus einem Überwachungsvideo, das das spätere Opfer mit seiner sechsjährigen Tochter beim Überqueren der Straße zeigt. Ein Pfeil zeigt auf das Auto, das neben den beiden herfährt und dessen Fahrer eine Pistole aus dem Fenster hält. Nach einem Schnitt ist dann zu sehen, wie der Mann auf die Straße fällt und sterbend die Arme bewegt. Das Kind rennt weg. Die Szenen werden mehrfach wiederholt. Vorneweg blendet die Redaktion diese Warnung ein: „Achtung! Folgende Szenen könnten auf manche Zuschauer verstörend wirken“. Ein Leser wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Das Video zeige die Ermordung eines Menschen im Detail. Der Gang des Mannes über den Zebrastreifen, die Annäherung des Täters im Auto, die Schussabgabe, die letzten Bewegungen des Opfers – alles werde im Video gezeigt. Das den Mann begleitende sechsjährige Kind, dessen Angst und seine Flucht seien ebenfalls im Video zu sehen. Der Beschwerdeführer sieht die Persönlichkeitsrechte der beiden verletzt. Das Justiziariat des Verlags hält die Beschwerde für unbegründet. Das Video sei vom New York Police Department veröffentlicht und 335.000 Mal angesehen worden. Es sei für jedermann in der ganzen Welt zugänglich gewesen. Der ermittelnde Polizist habe die Bevölkerung um Mithilfe bei der Fahndung nach dem Mörder gebeten. Die Redaktion verwahre sich – so das Justiziariat – gegen den Vorwurf der Sensationsberichterstattung. Der berichtete Mord spiegele die Realität wieder: Die zunehmende Verrohung der US-Gesellschaft. Das Polizei-Video werde von der Redaktion in einen zeitgeschichtlichen Kontext eingeordnet. Damit sei die Wiedergabe weit entfernt von einem Verstoß gegen die Presseethik
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Eine Berliner Zeitung berichtet online unter der Überschrift „Flambierter Döner? Schnellimbiss in der Sonnenallee explodiert“ über mehrere Explosionen im Erdgeschoss eines Hauses im Berliner Bezirk Neukölln. Das Restaurant sei ausgebrannt; vier Personen seien verletzt worden, zum Teil schwer. Sie seien vom Rettungsdienst behandelt und anschließend in umliegende Krankenhäuser gebracht worden. Die Redaktion hat den Beitrag einige Stunden später aktualisiert und die Überschrift geändert. Sie lautet nunmehr: „Explosion in Schnell-Imbiss in der Neuköllner Sonnenallee“. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits acht von 13 Beschwerden beim Presserat eingegangen. Zum Zeitpunkt der ersten Veröffentlichung war die Ursache der Explosionen unbekannt. In Neukölln hatte es zuvor sowohl eine Serie von Brandanschlägen mit mutmaßlich rechtsextremem Hintergrund als auch eine Serie von Brandstiftungen gegen Autos ohne erkennbaren politischen Hintergrund gegeben. Die Polizei geht davon aus, dass Explosionen und Brand im Restaurant an der Sonnenallee auf unsachgemäßen Umgang mit Gasflaschen zurückzuführen sind. Mehrere Beschwerdeführer sehen in der ursprünglichen Überschrift einen Verstoß gegen presseethische Grundsätze. Die Wortwahl in der Überschrift sei menschenverachtend. Einige Leser fühlen sich an den Begriff “Döner-Morde“ für die Anschläge des NSU erinnert. Es handele sich – so äußern sich einige – auch nicht um ein türkisches, sondern ein libanesisches Restaurant. Im Beitrag würden alle Völker und Küchen des muslimischen Kulturraums über einen Kamm geschoren und so rassistische Stereotypen bedient. Die Redaktion nimmt zu den Beschwerden nicht Stellung.
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„Wir stehen zu Hongkong“ titelt eine Boulevardzeitung. Im Beitrag wird über das gewaltsame Vorgehen der Hongkonger Polizei gegen Demonstranten berichtet, die gegen das neue Überwachungsgesetz in Hongkong demonstrieren. Im Bericht heißt es unter anderem: „Wieder appelliert Joshua Wong (auf dem Weg über die Zeitung, d. Red.) an Deutschland: Ich bitte die deutsche Regierung: Schaut auf Hongkong, seht was hier passiert und nennt das Unrecht beim Namen!“ En Leser der Zeitung sieht durch den Artikel die Ziffern 1 (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde), 2 (Sorgfaltspflicht) und 8 (Persönlichkeitsrechte) verletzt. Der Hongkonger Demokratie-Aktivist werde dahingehend zitiert, er würde „wieder“ an Deutschland appellieren. Wong selbst habe jedoch erklärt, dass er der Zeitung in letzter Zeit kein Interview gegeben habe und dass die Zitate auch nicht aus früheren Interviews stammten, da er nicht von einem „Unrecht“ gesprochen habe. Mit ihrer Berichterstattung täusche die Zeitung offenbar eine falsche Aktualität vor und führe die Leser in die Irre. Der Beschwerdeführer wirft der Zeitung vor, sie gefährde das Leben von Joshua Wong. Ein paar Tage, nachdem in Hongkong das Nationale Sicherheitsgesetz in Kraft getreten sei, könne jede seiner Äußerungen zu Repressalien führen. Die Zeitung nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.
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Eine Frauenzeitschrift beschäftigt sich mit der Frage, wie man den Zuckerkonsum reduzieren kann. Gesprächspartnerin der Redaktion zu diesem Thema ist die Leiterin der Unternehmenskommunikation eines Discounters. In der Antwort auf eine Frage der Redaktion weist diese auf einen von ihrer Firma entwickelten Löffel hin, der von dem Unternehmen verschenkt wird und aufgrund seiner Form zu weniger Zuckerkonsum führen soll. Dieser Löffel wird in einer Anzeige mit dem Titel „Einfach weniger Zucker im Alltag“ beworben, die die Zeitung fünf Seiten vor dem redaktionellen Beitrag veröffentlicht. Eine Leserin der Zeitung sieht in dem redaktionellen Beitrag einen Fall von Schleichwerbung für den Discounter. Die Rechtsvertretung der Zeitschrift spricht von einer Anzeige des Unternehmens, die normal bezahlt und mit dem Hinweis „Anzeige“ gekennzeichnet worden sei. Völlig unabhängig davon habe die Redaktion über einen Löffel berichtet, den der Discounter konzipiert habe, um den Verbrauch von Zucker zu reduzieren. Eine Verbindung zwischen der Anzeige und dem Artikel bestehe nicht. Unabhängig davon - so die Rechtsvertretung weiter – sei es üblich, dass Fachleute von Firmen zu Wort kämen und bestimmte Neuheiten vorstellten. Nichts anderes sei im konkreten Fall geschehen. Die Fachkompetenz der Firma anzuzweifeln, sei durch nichts begründet.
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Eine Regionalzeitung beschäftigt sich mit einem möglichen Schutz vor Corona-Viren durch die Nutzung eines Sprays mit ätherischen Ölen. Ein Heilpraktiker und ein Mediziner kommen im Bericht zu Wort. Beide schließen eine Wirkung des Sprays nicht aus. Die Zeitung nennt ein konkretes Mundspray, das im Bild gezeigt wird. Der Vertriebsleiter des Herstellers kommt zu Wort. Er berichtet über eine riesige Nachfrage nach dem Produkt. Ein Leser der Zeitung sieht in dem Beitrag einen Fall von Schleichwerbung. Die redaktionelle Veröffentlichung wirke wie eine Anzeige. Das Spray werde von der Zeitung positiv und unkritisch dargestellt, so dass der Beschwerdeführer nicht nur Ziffer 7 (Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten), sondern auch Ziffer 14 (Medizin-Berichterstattung) des Pressekodex verletzt sieht. Der Chefredakteur der Zeitung nimmt Stellung zu der Beschwerde und stellt fest, dass diese begründet sei. Der Text sei aus dem Online-Angebot der Zeitung gelöscht worden. Der Beitrag sei journalistisch gehörig missraten. Sowohl die zielgenaue Beschreibung der Zusammensetzung des Präpapats als auch die geschilderte Anwendung und Wirkungsweise kämen in einer für Werbung typischen Diktion daher. Sie ließen beim Leser womöglich den Eindruck zu, es handele sich um Schleichwerbung. Dieser Eindruck werde durch das beigefügte Foto noch verstärkt.
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