Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6738 Entscheidungen
Die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung titelt: “Michael Schumacher: Endlich gute Nachrichten! Darauf haben die Fans jahrelang gewartet“. In dem Beitrag wird mitgeteilt, dass der Sohn von Michael Schumacher eigenen Angaben zufolge vor dem Sprung in die Formel 1 stehe. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass die Überschrift bei den Lesern den irreführenden Eindruck erweckt, als gäbe es gute Nachrichten über den Gesundheitszustand von Michael Schumacher. Die Rechtsabteilung der Zeitung vermag die Beschwerde nicht nachzuvollziehen. Der Leser gehe davon aus, es handele sich um Nachrichten, die den Gesundheitszustand von Michael Schumacher beträfen. Dabei sei in der Überschrift von dem Gesundheitszustand Schumachers gar nicht die Rede. Dieser werde lediglich genannt und im Bild gezeigt, weil es sich bei ihm zweifelsfrei um den bekannteren Rennsport-Star aus dem Hause Schumacher handele. Gleich zu Beginn des Artikels werde die derzeitige Lage von Michael Schumacher in drei Absätzen dargestellt. Die Zeitung nimmt diesen Standpunkt ein: Aufgrund der Zwischenüberschriften und der darin erfolgten Gegenüberstellung und des Raumes, den Michael Schumacher als Vorbild und Vergleichsgröße in dem Beitrag einnehme, sei die Bezugnahme auf ihn in der Überschrift und dem Bild zulässig.
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Eine Regionalzeitung berichtet online über das Coronavirus. Ihre Schlagzeile lautet: „Coronavirus in Hessen: Pandemie erreicht Frankfurt, mehrere Infizierte gemeldet“. Tags darauf lautet eine weitere Schlagzeile: „Coronavirus in Hessen breitet sich aus: Zahl der Infizierten steigt“. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Verwendung des Begriffs „Pandemie“. Beim Coronavirus handele es sich um eine Epidemie. Auf schriftliche und telefonische Hinweise habe die Zeitung nicht reagiert. Dazu merkt der Presserat an: Erst am 11. 03. 2020 erklärte die WHO die bisherige Epidemie zur Pandemie, d. h. zum weltweiten Ausbruch einer neuen Krankheit. Der Chefredakteur der Zeitung antwortet auf die Beschwerde. Allgemein werde unter einer Pandemie die Ausbreitung einer Krankheit über Länder und Kontinente hinweg verstanden. Ähnlich äußere sich das Robert-Koch-Institut. Er geht davon aus, dass die Verwendung des Begriffs angebracht sei. Das sei Konsens in vielen Medien und unter anderem auch in den Nachrichtenagenturen.
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Eine überregionale Tageszeitung berichtet online über einen Prozess, bei dem es um einen Auftragsmord geht. Ein Anwalt soll einen Mittelsmann angeheuert haben, um Gewinne aus dem illegalen Drogengeschäft für sich zu behalten. Die Zeitung schreibt: „Am Abend des 17.Juli 2019 richtete der 33 Jahre alte Koch Andreas J. den 24 Jahre alten Drogenhändler Niki E. mit zwei Kopfschüssen hin. Außergewöhnlich an dem Fall war vor allem, dass der Auftraggeber für den Mord der in Freiburg bekannte Strafverteidiger Guntram L. war. Der Anwalt hatte den Mörder in einer Bar kennengelernt und ihn dazu angestiftet, Niki E. unter dem Vorwand eines Waffengeschäfts in das Gewerbegebiet im Westen Freiburgs zu locken. Niki E. lief in die Falle und wurde getötet.“ Im November 2019 – so die Zeitung weiter – habe sich Guntram L. in der Untersuchungshaft das Leben genommen. Die Staatsanwaltschaft habe deshalb nur den gedungenen Mörder anklagen können. Andreas J. habe ein Geständnis abgelegt. Dann sei er aber von seiner Aussage abgerückt. Er könne sich an das Geschehen nicht erinnern. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass der Autor des Beitrages in mehreren Formulierungen einen Tatverdacht als tatsächlich begangene Tat darstellt, obwohl der mutmaßliche anstiftende und mittlerweile verstorbene Täter weder belangt worden sei noch aufgrund objektiver Beweise als Täter feststehe. Die Rechtsvertretung der Zeitung übermittelt eine Stellungnahme des Autors. Dieser trägt vor, dass es sich um den Beginn eines Strafprozesses gegen den Beschuldigten Andreas J. gehandelt habe. Wer den Text lese, könne keinen Zweifel daran haben, dass die Kammer sich am Beginn der Hauptverhandlung und damit auch der Beweisaufnahme befunden habe. Von einer Vorverurteilung könne keine Rede ist. Schließlich liege es im Wesen einer Strafverhandlung, überhaupt erst einmal den Sachverhalt aufzuklären und schließlich festzustellen, ob sich aus dem Sachverhalt Straftatbestände ergeben.
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„OBM-Wahl: Piratin wurde ´implizit bedroht´“ titelt gedruckt und online eine Regionalzeitung. Im Bericht heißt es: „Vor dem zweiten Wahlgang am Sonntag hat es offenbar massive Einschüchterungsversuche gegen die Piratin-Kandidatin Ute Elisabeth Gabelmann (38) gegeben. Sie sollte damit zugunsten des SPD-Bewerbers Burkhard Jung (SPD) zum Aufgeben gezwungen werden.“ Der Zeitung gegenüber berichtet die Piraten-Kandidatin von massiven Einschüchterungsversuchen und psychischem Druck. Dadurch sollte sie bewegt werden, auf ihre Kandidatur zu verzichten. Der Beschwerdeführer – ein Leser der Zeitung - sieht durch die Berichterstattung mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Es werde der Anschein erweckt, als habe die SPD Drohungen gegen Frau Gabelmann veranlasst. Dies sei nicht der Fall. Auch von massiven Einschüchterungsversuchen könne keine Rede sein. Auch hier werde der Eindruck erweckt, als habe die SPD ihre Hand im Spiel. Die Zeitung verweist darauf, dass die Bedrohungen der Kandidatin der Piratenpartei in den sozialen Medien gut belegt seien. Sie habe nicht geschrieben, dass die SPD für die teils massiven Einschüchterungen verantwortlich sei.
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Die ersten Corona-Fälle in Mecklenburg-Vorpommern sind Thema in einer Regionalzeitung. Ein Ehepaar, dessen Wohnort die Zeitung nennt, habe sich auf einem Kongress in Süddeutschland angesteckt. Das Alter der Infizierten wird genannt und auch ihre Symptome. Die Redaktion veröffentlicht einen Text mit näheren Details. Jetzt ist die Rede von einem Professor und dessen Frau. Details des Kongresses, wo sich die beiden angesteckt haben, werden genannt. Sie wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Die Zeitung habe viele Details genannt. Diese ermöglichten es mit einfachsten Mitteln, sie zu identifizieren. Kurz nachdem das Ehepaar positiv getestet worden sei, hätten Mitarbeiter der Zeitung angerufen, um Details zu erfahren. Es hätte auf die Journalisten-Fragen nicht antworten können, nachdem es gerade erst von der schwerwiegenden Infektion erfahren habe. Die Beschwerdeführer hatten sich am Tag der Berichterstattung an den Chefredakteur gewandt. Dieser habe umgehend per E-Mail geantwortet. Er könne die Reaktion der Eheleute sehr gut verstehen. Er verweist jedoch auf das große Informationsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger zum Coronavirus. Es sei auch von öffentlichem Interesse zu erfahren, wie das Virus nach Mecklenburg-Vorpommern gekommen sei. Diese Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit trage auch dazu bei, dass die Menschen wüssten, wie sie sich zu verhalten hätten. Der Chefredakteur teilt nicht die Meinung der Beschwerdeführer, dass sie durch die Berichterstattung leicht zu identifizieren seien.
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„´Satansmörder´ als Neonazi-Versandhändler vor Gericht“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung online über die Gerichtsverhandlung gegen einen ehemals verurteilten Mörder. Dem Mann wird die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und die Verbreitung von Tonträgern vorgeworfen, die zum Hass aufstacheln. Er soll über das Internet T-Shirts mit SS-Totenköpfen und verbotenen stilisierten Keltenkreuzen vertrieben haben. Außerdem habe er Musik-CD´s mit Hetze gegen Juden vertrieben. Der Beitrag enthält ein Foto des Angeklagten. Dieser ist in diesem Fall der Beschwerdeführer. Er kritisiert, dass er identifizierbar abgebildet werde. Er wendet sich auch gegen die folgende Formulierung im Text: „1993 folterte und erdrosselte er mit anderen aus der Black-Metal-Band ´Absurd´ in Thüringen Mitschüler Sandro Beyer (15).“ Gerichtlich sei festgestellt, dass das Opfer keinerlei Folterspuren aufgewiesen habe. Diese nachträgliche Behauptung in der Berichterstattung entspreche nicht den Tatsachen. Sie diene vielmehr dazu, ihn als besonders grausamen Täter darzustellen. Die Redaktion äußert sich zu der Beschwerde nicht.
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„Maurice Pahler (29) rast in einen Karnevalszug in Volkmarsen – Nach der Tat prügelten Augenzeugen ihn in die Klinik“ – so überschreibt eine Boulevardzeitung online ihren Bericht über ein schweres Unglück. Neben dem vollen Namen des mutmaßlichen Täters wird auch zweimal dasselbe Foto des Mannes gezeigt – einmal eingeklinkt in eine Aufnahme des Tatortes, weiter unten als großes Porträtbild. Als Quelle wird „privat“ angegeben. Zwei Leser der Zeitung sehen in der Überschrift und in den Fotos Verstöße gegen die Ziffern 8 und 13 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit/Unschuldsvermutung). Der mutmaßliche Täter werde gezeigt, ohne dass ihn die Redaktion unkenntlich gemacht hätte. Einen Verstoß gegen die Ziffer 13 vermuten die Beschwerdeführer, weil dem mutmaßlichen Täter die Tat als Tatsache angelastet werde. Daher liege ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung vor. Der Chefredakteur der Zeitung spricht in seiner Stellungnahme von einem Musterfall im Zusammenhang mit Ziffer 8, Richtlinie 8.1, des Pressekodex (Kriminalberichterstattung). Bei der Abwägung zwischen dem berechtigten öffentlichen Interesse und den schutzwürdigen Interessen von Maurice Pahler seien zunächst die Intensivität des Tatverdachts und die Schwere des Vorwurfs zu Gunsten des öffentlichen Berichterstattungsinteresses zu berücksichtigen. Zum anderen falle die erste und vierte Fallgruppe der Richtlinie 8.1, Absatz 2, ins Gewicht. Zum einen sei die Amokfahrt zweifelsfrei eine außergewöhnlich schwere und in ihrer Art und Dimension besondere Straftat, die zudem besonders schwer wiege und noch dazu in aller Öffentlichkeit geschehen sei. Vor diesem Hintergrund könne vom Überwiegen der Schutzinteressen des mutmaßlichen Täters nicht die Rede sein. Selbstverständlich dürfe die Presse seinen Namen nennen und in im Bild zeigen.
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„Ganze Stadt in Brandenburg unter Corona-Quarantäne“ – titelt eine Boulevardzeitung online. Im Bericht geht es um Quarantäne-Maßnahmen nach einem Coronavirus-Verdacht. Neustadt/Dosse sei eine kleine Stadt im Nordwesten Brandenburgs. Sie liege im Landkreis Ostprignitz-Ruppin und habe 3452 Einwohner. Bis zu 2250 Menschen befänden sich in häuslicher Quarantäne. Die Zeitung beruft sich auf eine Mitteilung des Landratsamtes. Die isolierten Menschen seien über mehrere Landkreise Brandenburgs und auf weitere Bundesländer verteilt. Der Landkreis habe sich zugleich von zuvor genannten deutlich höheren Zahlen distanziert. Der Amtsdirektor der Kleinstadt habe zunächst von 4000 bis 5000 Menschen in Quarantäne gesprochen. Ein Leser der Zeitung wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Er trägt vor, es sei unklar, wie viele Menschen in diesem Zusammenhang in Brandenburg isoliert worden seien. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sei die Zahl 4000 bis 5000 falsch gewesen. Die amtlichen Stellen könnten diese Zahlen nicht bestätigen. Die Chefredaktion nimmt zu den sachlichen Aspekten der Beschwerde nicht Stellung.
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Eine Regionalzeitung informiert mit einem Artikel unter der Überschrift „70 Einbrüche in nur vier Wochen“ über den Prozess gegen einen 46-jährigen Mann. Der soll gemeinsam mit Komplizen eine Serie von Einbrüchen verübt haben. Die Zeitung nennt die serbische Staatsangehörigkeit des Angeklagten. Ein Leser der Zeitung sieht in der Nennung der Herkunft einen Verstoß gegen die Ziffer 12, Richtlinie 12.1, des Pressekodex (Diskriminierungen/Berichterstattung über Straftaten). Der Chefredakteur der Zeitung vertritt die Meinung, dass der Gerichtsbericht mit der Richtlinie 12.1 des Pressekodex konform geht. An keiner Stelle des Artikels finde sich eine diskriminierende Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens. Die Nennung der Nationalität der mutmaßlichen Täter sei aufgrund der Schwere der Taten und dem Verdacht von organisierter Kriminalität und des großen öffentlichen Interesses an der Aufklärung der Einbruchsserie gerechtfertigt.
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In der Online-Ausgabe einer Regionalzeitung erscheinen die Newsticker-Schlagzeilen „Coronavirus: Dramatische Entwicklung in deutschen Krankenhäusern ++ Greift jetzt die Bundeswehr ein? ++ Spahn warnt dringend vor…“. Ein Nutzer des Internet-Portals ist der Ansicht, die Schlagzeilen verstießen gegen die Ziffern 2 (Journalistische Sorgfaltspflicht) und 11 (Sensationsberichterstattung/Jugendschutz) des Pressekodex. Die Überschriften seien mit Absicht so gewählt, um Panik in der Bevölkerung auszulösen. Alle drei Bestandteile der Schlagzeilen seien aus dem Zusammenhang gerissen. In der Meldung zur Entwicklung in Krankenhäusern gehe es um Blutspenden, beim Bundeswehreinsatz um Lieferketten und Jens Spahn warne vor Falschmeldungen in sozialen Medien. Es werde so getan, als würden sich alle drei Teile aufeinander beziehen. Dieses Verhalten sei grob fahrlässig und unverantwortlich. Die Redaktion erläutert, warum sie die einzelnen Newsticker-Überschriften gewählt habe. Auch diese Einzelüberschriften seien nicht zu beanstanden, da sie den jeweiligen Sachverhalt zusammenfassten. Nicht erkennbar sei, warum diese für sich genommen beanstandungswürdig seien und warum so eine Panik in der Bevölkerung hervorgerufen werden sollte.
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